Tankred Stachelhaus

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KRITIK

REPORTAGE

INTERVIEW

PORTRÄT

AUSGESTELLT

DOSSIERS

11 Jahre Kunst: Hier finden Sie Kurzkritiken von Ausstellungen in Essen aus dem Zeitraum von 1998 bis 2009, erschienen fast ausschließlich in der wöchentlichen Rubrik "Ausgestellt" der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ). Ich habe die Texte wahllos zusammengeworfen. Die Reihenfolge kennzeichnet keine Chronologie. Der Umfang wird sich noch erweitern.

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Ausgetauscht

Kunst und Austausch - Vernissagenbesucher „tauschen sich aus“, was immer sie darunter verstehen. Sammler und Galeristen tauschen Geld gegen Werke. Künstler entwickeln ihre Arbeiten, wie sie sagen: gerne im Austausch mit den Werken - was vielleicht aus der logischen Perspektive, wenn das jemand hinterfragen würde, zu einer Auslöschung des Universums führen könnte. Und dann regen Werke zum Austausch an, meist mit irgendwelchen Problemen, die die Künstler selbst nicht lösen können und die nun die Betrachter an der Backe haben. Noch was? Ach ja, da gibt’s noch den Künstleraustausch, ganz diplomatisch. Hin nach Nishnij Nowgorod schickte Essen zuletzt Dagmar Schenk-Güllich, die Partnerstadt revanchiert sich mit Galina Myznikova und Sergeij Provorov.

Die russischen Künstler beschäftigen sich vorwiegend mit Video-Art. 2005 vertraten sie auf der Biennale in Venedig ihr Heimatland. Beim Betreten des russischen Pavillons umwehte die Besucher damals ein besonderes Lüftchen. Die aero-akkustische Installation sollte ein Gleichnis für den Wind, der sich gedreht hat, sein – und steigerte sich zu einem alles umblasenden Orkan. Das Künstlerduo, das sich „Provmyza“ nennt, zeigt im Forum Kunst und Architektur am Kopstadtplatz 12 mehrere Fotos und drei Videoinstallationen, die Nishnij Nowgorod mit den Augen eines Kindes sehen lassen – bis zum 27. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Reine Museen, dreckige Kunst

Martin Brüger fühlt sich im Museum wie zuhause, so sehr, dass er dort mit dem Putzlappen hantierte. Lappen, mit denen Ausstellungsräume sauber gemacht wurden, legte er vor zwei, drei Jahren in der Galerie Schütte auf einen aufwändig und passgenau geformten Sockel. Vielleicht als Beweisstück. Die Reinheit der Museen führt zu dreckiger Kunst, lautet die Botschaft, die Brüger nun am selben Ort wiederholt. Diesmal heißt die Schau an der Hauptstraße 4  bis zum 9. August „Museumsfotoarbeiten“.

Irgendwie ist Brügers Vorliebe für Kunst, die die Präsentation von Kunst zum Inhalt hat, ja verdächtig. Ist das nicht eine oberflächliche Kunst, die sich nur in sich selbst spiegelt? Nein. Brüger fragt nach einem ebenso alten wie nach wie vor spannenden Kernthema: Was - oder besser: wann ist Kunst? Warum wird etwas im Museum ausgestellt? Mit seinen Werken steht der 1965 geborene Künstler augenzwinkernd außerhalb des Betriebs. Sie werden zu Referenzen, auf die sich Werke, die im Museum aufgehängt werden sollen, beziehen können. Mit den „Fotoarbeiten“, bearbeitete Fotos von Museumsräumen, verhält es sich ähnlich. Sie vermessen den Raum. Für die Kunst.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Das Ende ist wieder der Anfang vom Ende

Rosa Wolken über der Einöde und ein Skelett, das von einem Pferd fällt: So inszeniert Marcus Schaefer die Ausstellung „Sonnenaufgang zu Mitternacht“. Der Düsseldorfer Künstler dreht dort, wo üblicherweise der Cowboy gen Sonnenuntergang reitet und das Wort „Ende“ erscheint, die Filmrolle weiter. Jedes Ende ist wieder der Anfang vom Ende – und dazwischen bewegen sich Baustelle/Schaustelle, Brigittastraße 9, getriebene Figuren, die sich durch die Wüste kämpfen und Berge überwinden.

Der 37-jährige Meisterschüler von Siegfried Anzinger an der Düsseldorfer Kunstakademie zeigt mit dicken Pinseln, kräftigen Farben und schemenhaften Motiven die Zerrissenheit der menschlichen Seele. Die Bilder erzählen Geschichten, der Geist spinnt sie weiter. Das Gemälde ist fertig, der Betrachter führt es in seinem Kopf fort, er wird selbst zum Anfang vom Ende – bis zum 29. Mai.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)

Affig

Geköpfte Menschen, posierende Badende: Das Nebeneinander von Leid und Freud, von Gewalt und Spaß – das ist für Helmut Büchter ein „Affentheater“. So harmlos nennt der 1947 in Essen geborene Maler und Bildhauer seine wahrlich grauenvolle Ausstellung in der Neuen Galerie der Volkshochschule am Burgplatz.

Gorillas und Schimpansen beherrschen den Bildraum, darüber hinaus flanieren Löwen und Bären vorbei an leblosen Leibern und an einem im eigenen Blut liegendem Neugeborenen. Erotik, Elend, Exotik, Ekel, gleich: egal. Brutal wird alles nebeneinander serviert. „Es ist ein schöner Planet auf dem wir leben, aber es läuft so Vieles verkehrt und schief“, sagt Büchter. Fotos aus Zeitschriften, die ihn empören oder erschüttern, sammelt er. Sie bilden den Fundus, aus dem er seine Motive schöpft. 

„Die Sprachlosigkeit, mit der wir über die alltäglichen Nachrichten und Bilder des Grauens hinweggehen, treibt ihn an, seinem Entsetzen Ausdruck zu geben“, heißt es im Begleittext zur Schau. Seine Gemälde würden die Parallelität von Werbung und Gewaltdarstellung in den Medien widerspiegeln. Ihre Zusammenführung in seinen Gemälden soll provozieren und schockieren. Doch dreht sich Büchter mit seinen Schockbildern im Kreis. Die Mischung aus altbackener Medienkritik und selbstgerechter Publikumsbeschimpfung ist das wahrlich affige des „Affentheaters“ – bis zum 26. Juni.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)

Vergessene Gegenwart

Der Kunst-Raum hat kulinarisch aufgerüstet. Statt der traditionellen Götterspeise in Plastikbechern gab’s diesmal zur Vernissage ein Büffet mit allerlei Leckereien. Das wäre hier kaum der Rede wert, wenn es der ausgestellte Künstler nicht zur Perfektion getrieben hätte, derart appetitlich Farben auf der Leinwand zu komponieren, dass einem wie bei den aufgetischten Häppchen das Wasser im Mund zusammenläuft. Doch wer bei Martin Herler zugreift, bei dem bleibt der Gaumen- und Augenschmaus womöglich im Hals stecken: Die bonbonfarbenen Farbkleckse entpuppen sich als demonstrierende tibetanische Mönche.

Mit seinen „neuen Arbeiten“, wie die Schau auch heißt, ist der 35-jährige Bayer endlich im Hier und Jetzt angekommen. An der Rüttenscheider Straße 56 hat Herler schon Orchideen gezeigt, süßlich, lecker gemalt. Man war mehr betäubt als betört, weil Herler den Zaunpfahl beim Wink auf die erotische Komponente des Motivs auf den Kopf des Betrachters krachen ließ. Trotz allem kann man diese Ausstellung als Phase der Vervollkommnung seiner Bonbon-Maltechnik sehen.

Beim nächsten Mal suchte er sein Heil in der Vergangenheit: Die auf Fotos festgehaltene Atmosphäre der Wirtschaftswunderjahre verwandelte er in fotorealistische Malerei mit verwischten Pinselstrichen. Ihm gelang es kaum, der vermeintlichen gut-bürgerlichen Pieffigkeit eine eigene Nuance hinzuzufügen – und dennoch dürfte diese Motivreihe ein wichtiger Schritt für Herler gewesen sein. Mit den 50er-Jahre-Bildern machte er aufs Neue deutlich, wie sich die Vergangenheit als positiver Fixpunkt idealisieren lässt: Sie lässt sich nicht mehr ändern, ganz im Gegensatz zur Gegenwart und Zukunft, die von den Menschen etwas abverlangt, reichlich Unwägbarkeiten enthält und deshalb oft bedrohlicher wirkt als das „sichere“ gestern.

Indem Herler nun eine aktuelle Situation aufgreift, diese mit grellen Farben zukleistert und zugleich per Pinselführung verblassen lässt, vereint er nun seine beiden Stärken zu der eindringlichen Warnung, dass die Gegenwart schon heute vergessen werden kann. In Herlers Fall geht es um Tibet und China, wohin der Künstler ausgedehnte Reisen unternommen hat – zu sehen bis zum 14. Juni.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

In den Schwanz gebissen

Figur und Raum, Raum und Zeit, Zeit und Figur… „wunderbar wandelbar“ ist die Kunst einer Berliner Künstlergruppe, die sich „quer“ stellen will – und dennoch im Forum Kunst und Architektur, Kopstadtplatz 12, derartig im Kreis dreht, dass sie sich in den Schwanz beißt.

Die Bandbreite der gezeigten Arbeiten bewegt sich zwischen „Alles schon gesehen“, „harmlos“ und „Probleme fremder Leute.“ Offenbar hat sich niemand zuvor die Mühe gemacht, zu fragen: Warum muss das aus Berlin hergekarrt werden? Warum sollen sich das Menschen angucken? Bewegt die Kunst irgendwen? Es geht um den Künstleraustausch, gewiss. Offenbar eine politische Entscheidung, keine kuratorisch – bis zum 28. September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Überraschende Wendungen

Der Titel ist nicht gerade originell, man hat ihn schon oft gehört. Aber: Er passt wunderbar zu Henning Kürschner. „Figur, Fläche, Farbe“ nennt die Galerie Heimeshoff die Ausstellung von dem Berliner Künstler, der sich ganz einfachen malerischen Problemen widmet, diese aber großartig löst.

So einen entspannten Maler sieht man selten. Im Gespräch redet er über misslungene Werke, die einfach weggeworfen werden, darüber, dass er sehr wohl sich von anderen Künstlern etwas abguckt und darüber, dass ihm an einer „Botschaft“ nicht gelegen ist. „Ich bin auch kein Selbstdarsteller und mag nicht überall immer Händeschütteln“, meint Kürschner, der einst bei dem Meister des Informellen, Fred Thieler, studierte, der legendären Gruppe „Großgörschen35“ angehörte und zuletzt an der Universität der Künste in Berlin als Professor lehrte.

Aus der Figuration heraus entwickelt Kürschner in steter Abstraktion seine Bilder. Oft übermalt er die Leinwand, bis er zu einer Grundfarbe findet und das „innere Bild“ langsam in Deckung mit dem Dargestellten kommt. „Es ist ein Dialog von mir mit dem Bild“, sagt Kürschner. Spannungsreiche Gemälde mit oftmals überraschenden Wendungen entstehen auf diese Art und Weise, manchmal über mehrere Jahre hinweg, wenn der 66-jährige Künstler ein Bild zur Seite legt um später wieder daran weiterzuarbeiten. Die Schau lockt bis zum 30. April an den Kennedyplatz 5. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Schauen, gucken, weitersehen

Mit einem Lappen wollte Frauke Dannert angetrockneten Kaffee auf dem Tisch wegwischen. Doch verblüfft hielt sie inne: Der Fleck sah aus wie Pacman, der einem Krümmel nachjagt. Die koffeinhaltige Figur aus einem Computerspiel schmückt die Einladungskarte der Baustelle/Schaustelle, und macht deutlich, wie die 29-jährige Düsseldorfer Kunststudentin arbeitet: „Erstmal schauen, dann gucken, dann weitersehen“, so auch in dem Kunst-Schaufenster an der Brigittastraße 9.

„Lage“, heißt das Werk, das aus drei leicht zueinander verwinkelten, bis zur Decke reichenden Eisenblechen besteht. Ein wenig achselzuckend steht man davor, sieht auf jedem Stück ein schwarzes Rechteck aus tropfenden Bitum, läuft auf dem Bürgersteig vor dem Fenster auf und ab – um plötzlich, wie die Künstlerin beim Kaffeefleck – ebenfalls innezuhalten: Genau auf einer Gehwegplatte sieht man, dass der Schein der Deckenbeleuchtung aus vier zu einem Quadrat angeordneten Neonröhren das aufgemalte Rechteck umrandet. Dannert versteht es, mit wenigen Mitteln vorgefundene Situationen und Räume derartig umzuwandeln, dass ikonenhafte Bilder entstehen – bis zum 26. September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Zusammengewürfelter Flohmarkt

Marilyn Monroe liegt unbekleidet auf dem Bett und blickt halb lasziv, halb unbekümmert in die Kamera von Bert Stein. Der Fotograf nahm die Schauspielerin im Jahr 1962 in einer dreitägigen Foto-Session für die US-Modezeitschrift „Vogue“ kurz vor ihrem plötzlichen Tod auf. Unter dem Titel „Die letzte Sitzung“ wurden die Fotos weltberühmt – und ein von Stern signiertes Foto hängt an in der Galerie Haas Hoeppner an der Huyssenallee 70.

Es ist eine merkwürdige Fotoschau, die Galerist Marc Hoeppner da recht konzeptlos zusammengewürfelt hat. Jedes Bild steht für sich, was aber – sofern man sich zuweilen von vorformulierten Interpretationshinweisen bedrängt fühlt – auch mal ganz spannend sein kann. Die Ausstellung als Flohmarkt: Vertreten sind Altmeister wie der New Yorker Life-Magazin-Fotograf Andreas Feininger mit seinen ungeschönten Straßenszenen aus den 40er- und 50er-Jahren oder bahnbrechende Fotokünstler wie Albert Renger-Peatzsch mit seinen nüchternden Interieurs- und Architekturbildern.

An den Wänden hängen auch Bilder zeitgenössischer Knipser. Olaf Otto Becker etwa lässt per Kamera nicht nur Momente gefrieren, er zeigt auch die gefrorenen Landschaften. Das Resultat von Bootsfahrten an der Küste von Grönland erinnert stark und gewollt an das Eismeer von Caspar David Friedrich. Der Mensch spielt in der weißen, nebligen Welt aber keine Rolle als im Motiv festgehaltene Erscheinung mehr, dafür aber als Betrachter, der beim Anblick der Eisberge und des Meers an Kaltherzigkeit zunimmt.

Yukara Shimizu indes hat draußen nachts in der Dunkelheit Blumen fotografiert. In den großformatigen Fotos spiegelt man sich in erster Linie selbst – und verschmilzt mit dem Bouquet. Zerfließen lässt hingegen Andreas Lutherer Details von Landschaften zu durchgehenden und quer laufenden Farbstreifen – fast so, als würde er mit einem Schnellzug übers Land fahren und dabei aus dem Fenster ein Foto mit Langzeitbelichtung schießen. Ist aber nur per digitale Bildbearbeitung bearbeitet. Und vielleicht ist es gerade diese unmittelbare Konfrontation der alten mit der neuen Technik, die bis zum 13. September neben Marilyn Monroe der der Ausstellung ihren besonderen Reiz verleiht. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Vom Sinnlichen ins Reale gekippt

Fast kann einem die Malerin Claudia Keller ein wenig Leid tun. Da malt sie wunderbare Ansichten von Parks und Gärten, in welchem sie die strenge Geometrie der barocken Landschaftsarchitektur einerseits überhöht, andererseits ins Sinnliche kippen lässt. Und dann tritt ihre Kunst in den Hintergrund, weil Galerist Johannes von Geymüller ihre Ausstellung aus aktuellem Anlass zum „Brückenschlag in den Grugapark“ erklärt. Geymüller und sein „Arbeitskreis 2010“ fordern mehr Transparenz bei den Erweitungsplänen der Messe Essen.

Statt Menschen beleben Licht und Schatten die Grünflächen. Elegant schwingen Wege entlang getrimmter Hecken. Wasserflächen reflektieren Himmel und Bäume. Wurden die Gärten dereinst als Ausweitung der Architektur in die Landschaft verstanden, so holt die 1942 geborene Düsseldorferin diese wieder ins Haus zurück: Die Ausstellung erweitert also gewissermaßen in Geymüllers „Living Art Gallery“ den Raum. Ob auf diese Weise allein mit Claudia Kellers Werken der Platzanspruch der Messe befriedigt werden kann, darüber kann man sich am Schützdeller 11 bis zum 15. März seine Gedanken machen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Unfigürliche Körper

Lange war es still um Stephan Marienfeld. Der Bildhauer wurde von Künstlerkollegen – etwa Tony Cragg – mit Arbeit zugeschüttet. Seine handwerklichen Fähigkeiten rund um Polyester-Plastiken waren derart gefragt, dass er fast keine Zeit mehr für seine eigene Kunst hatte. Nun meldet sich der 1966 in Hattingen geborene Künstler im Kunst-Raum an der Rüttenscheider Straße 56 wieder  zurück „Nachbarn, Torsen und Unbekannte“ heißt seine Schau.

Seine Plastiken erinnern an antike Marmorskulpturen: Überlebensgroß steht ein „Atlas“ und eine „Unbekannte“ im Raum. Doch so vertraut einem die Formen erscheinen, so groß ist die Überraschung, gar nichts erkennen zu können. Marienfeld gelingt es, eine Idee von einem Körper zu erzeugen, ohne sie figürlich darzustellen.

Doch Marienfeld arbeitet auch anders herum: In hochglänzenden Platten spiegelt man sich selbst. In Gesichtshöhe ist ein Relief angebracht, das das Körperliche des Betrachters betont. Darüber hinaus schnürt der Bildhauer mit Seilen gerne Wandobjekte ein, die so an Körperlandschaften erinnern – zu sehen bis zum 5. April. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Vor den Latz geknallt

Du bist der Star! Zig Hände strecken sich im Blitzlichtgewitter der Bühne entgegen. Diese steht in der Galerie GAM und besteht schlicht und einfach aus dem verdunkelten Kabinett, in welches Lukasz Chrobok zur rechten und linken Seite jeweils Gemälde gestellt hat: abgemalte Fotos von Fans beim Konzertbesuch, die sich von den Bands Tokio Hotel und Rolling Stones zudröhnen lassen. „Euphorie & Wahnsinn“, so der Ausstellungstitel, liegen nah beieinander.

Der Anfang ist süß, das Ende bitter. Chrobok umrandet seine Bildnisse von mutmaßlich unter Drogen stehenden Stars mit Zuckerstückchen. Bunt flippen darauf unter anderem Robbie Williams, Paris Hilton und David Hasselhoff aus. Dem gegenüber hängen an der Wand in seltener Eintracht feiernde, und ganz krass: sich übergebende Partymenschen.

Chrobok malt spritzig, im doppelten Wortsinn. Flott scheinen die Farben über die Leinwand gemalt, und auch viele Tropfen gegen dem Gesamten einen impressionistischen, augenblicksbezogenen und gleichwohl zerfallenen Eindruck. Geisterhaff verdichten sich Fans in amorphe Massen, mit kaleidoskopartigen Kompositionen sucht er bewusstseinserweiternde Erfahrungen auf die Leinwand zu bannen. Über allem schwebt eine Disko-Kugel – nicht aus Spiegeln, sondern aus Zuckerstückchen.

Es ist eine explosive Mischung aus Alko-Pops, Beats und Masse, die Chrobok den Betrachter regelrecht vor den Latz knallt. Wer selbst in jungen Jahren all dies mitgemacht hat (wie der Autor dieser Zeilen), wird mehr den Wahnsinn in den Bildern wiedererkennen. Wer mittendrin steckt, wird sich von der Euphorie anstecken lassen. „Es ist eine Bestandsaufnahme“, sagt der Künstler.

Chrobok wurde 1976 in Polen geboren und lebt seit 1983 in Hamburg. Von 1998 bis 2004 studierte er dort an der Hochschule für angewandte Wissenschaft. Die Ausstellung läuft bis zum 19. April.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Aufgepumpte Farberfahrung

Die einen malen große Formate, weil sie möglichst viel in einem Bild unterbringen wollen, andere, um eine wuchtige Wirkung zu erzielen. Und dann gibt es noch solche Künstler, die vermeintlich Unwichtiges groß aufpumpen und ihnen die verdiente Bedeutung verleihen. Auf Hans-Willi Notthoff treffen alle drei Motive zu: Seine Bilder vereinen sehr viel Farbe auf der Fläche, sie sind so groß, dass man schon fast das fantastische Gefühl hat, in sie hineingehen zu können, und erinnern an groß kopierte Wassermalfarben-Malereien von Kindern, deren komplexe und wunderbar komponierte Schichten und Farbkonstrukte man in dieser Größe endlich einmal ausgiebig würdigen kann. Die Galerie Kalthoff, Sabinastraße 1, zeigt seine Ausstellung „revolving shift“.

Inspiriert von vorbeifahrenden Containerschiffen auf dem Rhein, setzt der Düsseldorfer Künstler bei seiner Werkgruppe „Cargo“ mit riesigen Pinseln Farbstreifen in unregelmäßigen Abständen leicht krumm und schief auf die Leinwand. Rot trifft auf grün, auf weiß, auf blau – Notthoff, einem Schüler von Gotthard Graubner, geht es um die positive Farberfahrung. In seiner Reihe „Shift“ klebt er Tesafilm-Streifen auf das Bild. Die Streifen bilden zusammen einen Mittelpunkt. Immer wieder übermalt Notthoff das Plastik, um es nach und nach wieder abzureißen. So bilden die verschiedenen Farbschichten einen Stern – der, wie es in einem Text zur Ausstellung heißt, „Teil einer größeren und über den Bildraum hinaus existierenden Ordnung“ ist. Vielleicht so eine Art Kosmologie?

Mit Hans-Willi Notthoff geht die Galerie an der Sabinastraße in die Breite. Bislang spezialisiert auf figurative, junge Malerei, will man künftig verstärkt auch abstrakte Kunst sowie Fotografie zeigen. „revolving shift“ ist bis zum 19. September zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Wie Vergänglichkeit in die Gänge kommt

In ihren Werken dreht es sich um das Thema „Vergänglichkeit“. Das nahm ein Vernissagenbesucher in der Galerie im Schloss Borbeck offenbar allzu wörtlich und rempelte eine von Cornelia Griess geschaffene Porzellan-Plastik um. Ein Versicherungsfall? Konsequenterweise müsste die Essener Künstlerin das abgebrochene Teil mit einem Stück Teppich als Verband „heilen“ – so wie bis zum 27. Juli in ihrer raumfüllenden Installation „Kalt ist der Abendhauch“.

Rindenlose Äste ragen aus Wachsblöcken, die offenen Wunden des Holzes verschließt sie an einigen Stellen mit dem gewebten Stoff. Florale Ornamente sind darauf zu erkennen, fast so, als würde die Künstlerin versuchen, die Verletzungen der Natur mit künstlichen Strukuren ungeschehen machen. So geht man durch eine Art Wald, in welchem sich die Äste hilfesuchend nach dem Menschen recken.

An der Wand finden sich vergoldete Alltagsgegenstände und in Wachs gegossene Erinnerungsstücke, als Quader eingeschnürt in Hanffäden. Die Schlagworte heißen hier: konserviert, überhöht, geborgen, gesichert. Griess reißt die Dinge aus ihrem Schicksal, materiell wie immateriell vergänglich und bald aus der Erinnerung zu sein.

Die 1952 geborene Bildhauerin und Keramikerin  hängt darüber hinaus einen Quader aus kleinen, an einer Schnur aufgereihten und vergoldeten Steingutstücken in einen kubusförmigen Rahmen. Von Werk zu Werk verwandelt sich der Quader über mehrere Etappen hinweg in eine Art DNA-Kette. Von der Struktur zum Chaos, das wiederum der Anbeginn des Lebens ist – so kommt die Vergänglichkeit wieder in die Gänge. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Mut zur Lücke

Galeristen unterstellt man ja gerne ein berufsmäßiges Interesse, von ihren Künstlern zu schwärmen. Schließlich sind sie auch Händler, die verkaufen wollen. Das ist auch richtig so. Wer aber am Schützdellerweg 11 anschellt, wo gerade die Ausstellung „Verite Variete“ von Thomas Ruch läuft, sollte den Hausherrn bitten, das „Klappmeter“ aufzuschlagen. Dann zieht Dr. Johannes von Geymüller weiße Handschuhe an, bevor er das Kunstbuch mit zwölf Linienätzradierungen eines Zollstocks langsam Seite für Seite umblättert. Die Zeichnungen des Schweizer Künstlers ergreifen den Galeristen derart, dass man schon fast Tränen der Glückseligkeit in seinen Augen sieht. Die Werke sind aber auch zum Niederknien gelungen.

Thomas Ruch, wohnhaft in Düsseldorf, war früher einmal Ingenieur bei dem Uhrenhersteller Swatch. Dass er die technische Zeichnung beherrscht, merkt man seinen künstlerischen Zeichnungen an. Diese sind nicht nur technisch brillant, sondern strukturieren die Oberflächen mit Mut zur Lücke. Wenige Striche reichen ihm meist, um beispielsweise den Rundblick rund um das Hotel „Bellevue des Alpes“ am Jungfrauenjoch in Szene zu setzen. Dabei lässt er gerne in einem Bild mehrere Perspektiven verschmelzen. In der herannahenden Bergbahn sitzt man als Betrachter so plötzlich mittendrin.

Die Zeichnung und ihre Möglichkeiten faszinieren Ruch. In vielen einzelnen Büchern untersucht er etwa die Wirkung von Kringeln. Band für Band sieht man nur Kreise, mitunter zieht sich ein Kringel durchs ganze Buch. Dabei ist sein Platzverbrauch immens. Von einer Seite nutzt er höchstens ein Zehntel. Manchmal sagt die Leere aber auch mehr als Tausend Striche – bis zum 20. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Weiße Flecken

Auf dem weißen Tuch steht der eingestickte Spruch „Blitzblank die Wäsch’, das Leinen rein, das soll der Hausfrau Freude sein.“ Klar, denkt man sich: Wer will schon dreckige Klamotten haben? Aber natürlich geht es Cornelia Regelsberger mit ihren Objekten in der Neuen Galerie der Volkshochschule um die Rolle und das Selbstverständnis der Frau.

Weiß, die Farbe der Unschuld. Die 1955 in Detmold geborene Künstlerin hat weiße Kleidchen, Deckchen und Stickereien zu einer Art kulturhistorischen Installation zusammengenäht. Es ist wie ein Blick in die Vergangenheit, als noch Begriffe wie „Aussteuer“ einen wichtigen Platz im Verhältnis von Mann und Frau hatten. Regelsberger dokumentiert in erster Linie, ein wenig „Kritik“ spürt man in einer zu Boden gefallenen Nähmaschine zu sehen, die am Ende eines von der Decke baumelnden Seils mitsamt festgezurrtem Stuhl liegt. Vermittelt wird: Auch weiße Westen können Flecken haben, weiße nämlich. Dass die früher propagandierten weiblichen Tugenden wie Fleiß, Sauberkeit und Genauigkeit ziemlich langweilig waren, sieht man auch der Installation an. Gut, dass das Ideal damals schon nicht mit der Realität übereinstimmte. Dreck hätte die „Hoch-Zeit – Installation für eine Weißnäherin“ gut vertragen können - bis zum 14. November. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Scheue Wesen

Man kann es platt sagen: Seine Bilder erinnern an Ultraschallbilder von Embryonen. Man kann es atmosphärisch beschreiben: Die Gesichter auf den Gemälden treten unheimlich und vertraut zugleich aus dem dunklen Hintergrund hervor. Man kann es aber auch mit KwangSung Park fühlen: „Meine Malerei enthält eine menschliche Seele, die so rein ist wie eine Träne.“ Bis zum 7. Juni stellt der Koreaner in der Galerie Klose, Rüttenscheider Straße 56 aus.

KwangSung Park malt und mal und malt. Die schwarz.-weiße Litanei der Figuren, Gesichter und Landschaften überträgt sich meditativ auf den Betrachter. „To have fun and to be“, „um Spaß zu haben und zu sein“, nennt er seine Ausstellung. Schemen tauchen aus dem Nichts auf. Nur kurz bieten sie ihren Anblick dar. Alle Eindrücke sind fließend. Wie im Vexierbild scheinen sich die Köpfe um ihre eigene Achse zu drehen, „um im nächsten Augenblick wieder ins Nichts des Schattenreiches abzutauchen“, wie einmal über den 1962 geborenen Künstler geschrieben wurde. Fast alle Figuren scheinen die Betrachter zu scheuen. 

Der Koreaner beherrscht die Magie, mit den Mitteln der Malerei seinem Thema eine Gestalt zu geben und den Eindruck von Leichtigkeit und Flüchtigkeit zu erzeugen. „Ich vermittle mit meiner Malerei die Freiheit für ein Lebewesen in Würde in dieser Welt zu leben, in der selbst ein Schatten seinen Platz nicht finden kann“, erklärt Park. „Schwarz ist der Raum der Leere. Weiß ist das Porträt der erfüllten Freiheit.“  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Überlieferte Kompositionen

Richard Sagen ist eher von zurückhaltender Natur, gleichwohl bricht die Begeisterung aus dem Galeristen heraus, wenn er voller Wärme von der Akademie der Schönen Künste Krakau spricht, von den Gesprächen mit den Professoren, die sich mit Kunstwerken in erster Linie ihren strengen Kollegen stellen würden und nicht wie hier dem Kunstmarkt. „Wir sind die Kunstakademie Krakau hier“, entfährt es Sagan im Girardethaus. Und tatsächlich bestimmen die Akademielehrer mittlerweile vollkommen das Programm der Rüttenscheider Galerie.

Bis Ende April 2009 präsentiert Sagan unter dem Titel „Poesie der Farbe“ im monatlichen Wechsel zehn Professoren, Assistenten, Absolventen und Studenten der Akademie. Den Anfang machen der Maler Andrzej Zieblinski und der Bildhauer Jósef Murzyn. Ersterer führt die Ausrichtung der Akademie vor Augen: Seine konstruktivistischen Bilder hinken auf den ersten Blick der Kunst 30 Jahre hinterher und bestätigen damit die Marschrichtung. „Wir machen keine Abkürzungen in der Kunst und erarbeiten uns alles selbst“, gibt Sagan die Losung der Akademie weiter. Dennoch strahlen die fabelhaft komponierten geometrischen Arbeiten ein eigenes, mehr noch: eigentümliches Wesen aus. Es ist die sonderbare, seit Generationen überlieferte Komposition der Farben, für die die Akademie bekannt ist, eine melancholische Melange aus blau, grau und schwarz. Jósef Murzyn führt die Stimmung in seinem Holzskulpturen weiter: „Bluttränke“ heißt ein Werk, dass den Längsschnitt einer Ader über einer roten Schüssel zeigt. Er hat ein Totem, ein vergittertes Fenster, und grausige Folterinstrumente geschnitzt. Das Leid unterdrückter Menschen wird grausam vergegenwärtigt. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)

Wege durch die kaputte Nacht

Rock’n Roll steht eingeritzt in der Hinterglasmalerei, doch anstalle des ;n’ sticht ein Hakenkreuz ins Auge. Florian Süssmayr hat das Motiv von einer dunklen Münchner Ecke abgemalt, wo sich Grafitti, Schmierereien, Vandalismus und Gestank die Hand reichen. Der 45-jährige Maler und Ex-Punker schaut dorthin, wo andere meist drüber wegsehen. Doch im Kunsthaus Essen sind seine Bilder Hingucker.

Punkbands, voll gekritzelte Fassaden, Vorhänge einer muffigen Eckkneipe, Kacheln von einer U-Bahnstation: Süssmayr nimmt einen mit auf dem Weg durch die kaputte Nacht. In seinen fabelhaft gemalten Bildern geht es nicht so sehr darum, die dreckige Atmosphäre zu vermitteln, sondern die Ikonografie der Straße zu ästhetisieren. In dem weißen Ausstellungsräumen an der Rübezahlstraße 33 droht man der Sozialromantik zu verfallen: Die Bilder halten auf Abstand zu ihrem Ursprungsmotiv.

In Erinnerungen schwelgt man hingegen im Kabinett des Kunsthauses mit Brigitte Spiegeler. Die Niederländerin besucht mit einer Handkamera bewaffnet die Untiefen der eigenen Biografie. Ihre Videos spielen im Haus ihrer Kindheit. Beide Ausstellungen laufen bis zum 14. Dezember. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Glotzende Vasen

Eine Frau liegt im zerwühlten Bett. Sie hat Mantel und Stiefel an und greift nach einer Brotscheibe auf dem Frühstückstablett. Ihre Augen sind nach unten gerichtet. Um das Bett in der Dachstube herum liegen Zeitschriften, Bücher, Hausschuhe, Wecker und vieles weitere, fast so, als hätte sie ihr Leben auf dem Boden ausgebreitet. Aber da sind wir schon mitten drin im Interpretieren; und wem die Beschreibung der Bildszene schon zu detailreich war, wird beim Anblick der Zeichnung von Anna Leo Hucht erst recht überwältigt. Die Rotary Stipendiatin hat in ihrer Abschlussausstellung im Kunsthaus Essen grandios gezeichnete und subtil komponierte Bilder aufgehängt, in welchem alles seinen Platz und seine Bedeutung findet.

Die 28-jährige Künstlerin trifft und hält den Punkt, wo „sich realistische Wahrnehmung und surreales Empfinden nicht voneinander trennen lassen“; schreibt Michael Hübl im zur Schau erschienen Katalog. Mit ihren enorm aufwändigen Zeichnungen friert sie Stimmungen fest. Und diese verharrt zwischen Untergangs- und Aufbruchsstimmung in einer Phase der Selbstvergewisserung, des sich selbst Beobachtens. Augen spielen eine große Rolle in ihrem Werk. Eine Person hält ein großes Auge in der Hand, Augen blicken durch den Betrachter hindurch – und in ihren keramischen Plastiken glotzen einen Augen von den Vasen an.

Parallel stellen im Kunsthaus drei neue Ateliermitglieder ihre Werke aus. Paran Pour hängt „typisch“ deutsche und orientalische Symbole und Gebrauchsgegenstände an die Wand – und übertüncht alles weiß. Sandra Setzkorn dekonstruiert mit wenigen Pinselstrichen Städte, einen Hund und John Rambo. Cornelia Baltes experimentiert in ihren fragmenthaften Malereien mit dem Thema Figur und Raum – bis zum 22. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)  

Momente der Macht

Schepper, klirr: An der Ruhrtalstraße 19A kann man Handschuhe und eine Schutzbrille aufsetzen, eine 30 mal 40 Zentimeter große Glasscheibe von einem Stapel nehmen und drei Treppenstufen hochgehen. Dort steht man nun, angestrahlt von einem Scheinwerfen, blickt auf einen Scherbenhaufen am Fuße des Podestes, in dem sich hundertfach die Deckenbeleuchtung spiegelt – und trifft eine Entscheidung: Fallen lassen oder nicht fallen lassen? Bislang haben sich in der Halle vom Verein „Kunstwerden“ alle Besucher bei dem Werk von Simona Pries für ersteres entschieden.

1,5 Tonnen Glasscheiben stehen bereit, zerdeppert zu werden. Der Lichtkünstler Adolf Luther hat schon einmal ähnliches mit Glasflaschen gemacht; er interessierte sich für die Reflexionen und Brechungen des Lichts beim Aufschlag. Die 1969 in Burgdorf geborene Künstlerin hat damit wenig im Sinn. „Mich interessiert die Beziehung zwischen dem,was ist, was war und was bleibt“, sagt sie. Ihr geht’s aber auch um die Versuchung. Und um die Verantwortung in Momenten der Macht. Auf durchbrochenen Betonplatten lehnen Milchglasscheiben an der Wand. Ohne viel zutun könnte man sie zu Boden kippen. Von der Decke hängt an einer dünnen Angelschnur auch ein Paket zusammengebundenen Glasscheiben. Darunter liegt eine Schere. Bis gestern schwebte die fragile Konstruktion noch über den Boden. Wer weiß, ob dies zum Ende der Ausstellung so bleibt.

 „Wünsche...“ nennt Pries ihre Mitmach-Installation. Wer eine Scheibe kaputt macht, soll sich was wünschen dürfen. Scherben bringen ja Glück. Aber eigentlich scheppert folgende Frage mit: Kann man an seinen Wünschen zerbrechen? – bis zum 4.Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)

Absturz in die Vergänglichkeit

Die Party ist aus: Gefeiert haben sie bis zum Abwinken, und nun blecken sie zerschunden, blutig und allein ihre Wunden. Kathrin Landa hat die jungen Menschen so auf die Leinwand gemalt, mit schwarzen Augenringen und aufgeplatzten Lippen. Es ist der Absturz nach einem kurzen Rausch und für die gebürtige Ravensburgerin die bildliche Aktualisierung des religiösen Vanitas-Motivs, das immer wieder daran erinnert, dass das Leben ein eitler Schein ist, Schönheit vergänglich und überhaupt alles Irdische dem Tod zueilt. Zu dieser Verheißung wurde nach der Vernissage in der Galerie Kalthoff erstmal zur Party geladen.

Landa, die in Leipzig Malerei studiert, zeigt Menschen in ihrer ganzen Verletzlichkeit: erschöpft, kraftlos, dann wenn sie am Nullpunkt angelangt sind. Sie unterstützt das mit einer fragmentarischen Malweise. Die Körper und das Interieur werden teilweise abgeschnitten, Dinge werden halb übermalt, zum Beispiel die Armaturen an einer Badewanne mit Fliesen. Dass es jetzt nur noch aufwärts gehen kann, diesen Hoffnungsschimmer verbreitet die Farbe Gold, mit der die Künstlerin zuweilen ikonenhaft die Porträts einrahmt.

Eine andere Bilderserie der 28-jährigen Malerin namens „Mensch und Maschine“ greift ebenso religiöse Symbole auf. Mit nacktem Oberkörper sitz da ein kahlköpfiger Mann im bläulichen Schein seines Laptops, der den Betrachter durch die Galerie an der Sabinastraße 1 regelrecht mit seinem Blick verfolgt. Ein christliches Kreuz prangt an dem Computer dort, wo sonst das Hersteller-Emblem zu finden ist. Eine weitere Serie widmet sich dem Thema „Frau“: Selbstbewusst sitzt eine schwangere, nackte Frau auf dem Sofa – ganz ohne Allüren, sie ist nur sie selbst: vergänglich, aber neues Leben in sich tragend. Das Baby ist das Gold des Bildes – bis zum 6. März. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)

Spirituelle Bodenhaftung

Auf die verschiedenen weißen, rechteckigen Sockel könnte man Skulpturen und Plastiken stellen. Doch Irmgard Niederreiter meint per Werktitel: „Alles schon gesagt“. Die Podeste sind leer, sie präsentieren sich selbst, aufsteigend angeordnet, zugleich geplündert als auch als bereit, Dinge aus der Masse hervorzuheben und nach ihrer Wertigkeit zu sortieren. „Immerwährendes Verblassen“ heißt die Ausstellung im Forum Kunst und Architektur, in der ein Künstler und drei Künstlerinnen Erinnerungen auffrischen, transformieren oder auslöschen.

Das Spirituelle ist Heina Tara Gaman ebenso wichtig wie die „Bodenhaftung“, wie er sich ausdrückt – und beides führt der Essener mit großem Ernst zu einem künstlerischen Ereignis zusammen. Flacher können Malereien kaum sein. Jegliche dreidimensionale Ausdehnung in den Raum unterbindet Gaman. Er malt auf Dibond Platten, vertreibt Formen in die Fläche, zeigt Gegenstände in der perspektivenlosen Draufsicht. Und er fotografiert eigene Gemälde ab, um sie nach einer digitalen Farbbearbeitung in Originalgröße auszudrucken und als weitgehend konturenlosen Brei wieder aufzuhängen. Bilder aus seiner Kindheit, aber auch in Serie gemalte Porträts seiner Tochter Penelope oder Versuchungen wie eine Pralinenschachtel erscheinen flüchtig als aktuelle Ahnung eines vergangenen Glücks. Der Glanz der alten Zeit strahlt durch den Firnis oder durch Plexiglas hindurch in den Raum hinein.

Mit Videos arbeitet Ulrike Hoffmann. In ihrer Installation „Oberlagerung“ lagert sie drei Monitore in einem Kellerregal. Gezeigt werden Filme in unterschiedlichen Geschwindigkeiten von verschiedenen Orten. Dabei versucht sie die Bilder ins Diffuse abdriften zu lassen, indem sie beispielsweise durch ein Tuch hindurch filmt. Vom Werden und Vergehen erzählt auch Elisabeth Höller. In ihrem Film entwickelt sich ihr Gesicht langsam aus dem Untergrund heraus: ein Polaroid-Foto, dessen Entwicklungsprozess sie festhielt. Die Schau am Kopstadtplatz 12 versucht sich bis zum 24. Mai ins Gedächtnis einzubrennen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 6. Mai 2009)

Gegenwelten aus Parallelwelten

Die Rollen sind klar verteilt: Er sitzt lässig auf der Leiter und strahlt gewinnend in die Kamera. Sie reicht ihm liebevoll das Werkzeug und Material. Für Ruth Habermehl war diese Bohrmaschinenwerbung aus einer alten Broschüre schon so perfekt, dass sie das Foto als „Readymade“ zum Kunstwerk erklärte. Und als solches vereint es in der Galerie Kalthoff , worauf es der Leipziger Künstlerin ankommt: Gegenwelten aus Parallelwelten schaffen. 

Die 1969 geborene Künstlerin sammelt Prospekte und Zeitschriften aus den 50er- bis 70er-Jahren. Viele Exemplare hat sie aus der DDR. Die Landschaften, Pflanzen und Figuren schneidet sie aus. Sie verfügt mittlerweile über ein großes Archiv: Blumen, Berge, Schluchten, Wälder, Kinder, Erwachsene – all dies sortiert und bezeichnet sie penibel. 

Es ist das Material, aus denen sie neue Bilder erschafft: Ein Säugling, der auf einem Baumstumpf zwischen Blüten liegt und von einem anderen Kind mit Leopardenmuster-T-Shirt „gewittert“ wird. Ein schwarz-weißer Waldweg mit einer Frau im roten Kostüm, die hinter einem Baum eine Leiche erspäht. Immer wieder wandern Menschen durch unwirkliche und unwirtliche Landschaften, durch Geröllhalden und Bergschluchten. 

Es kommt nicht von ungefähr, dass Habermehl sich alten Bildmaterials bedient. Einerseits wiegt es einen mit seinem nostalgischen Retro-Look in der Sicherheit der „guten alten Zeit“. Anderseits war die werbende und illustrierende Bildwelt oftmals so geschaffen, dass sie mit übertriebenen Farben und harmlosen Motiven den Menschen fern von den Sorgen des Daseins hielt: Eine in Zeitschriften konservierte Parallelwelt zur Wirklichkeit entstand, die durch Habermehl nun in eine zum Teil abenteuerliche, zum Teil humorvolle, zum Teil aber auch schockierende Gegenwelt überführt wird – bis zum 9. Mai an der Sabinastraße 1 unter dem Titel „ein Viertel neben der Stille“. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)

Die Sünden auf sich genommen

Er  schrieb auf Fünf-Mark-Scheine „Dafür gab ich meine Unschuld“ und nannte auf der documenta 7 eine Installation „Ich habe Anne Frank umgebracht“. Fast könnte man Felix Droese in Verdacht haben, wie einst ein ans Kreuz genagelter Religionsstifter die Sünden der Menschheit auf sich nehmen zu wollen. Doch weit gefehlt: Der 1950 geborene Künstler, Josef Beuys-Schüler und Züchter von Highlander-Rindern in Mettmann, der seine Jugend in Essen zugebracht hat, versucht mit seinen teilweise bizarren Werken die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem Augenblick zusammenzuführen – als eine Art plastischen Vorgang. Es geht darum Verantwortung zu übernehmen: für gestern, heute und morgen. Dies wird in der Galerie Frank Schlag wieder vor Augen geführt. „Zwischen Bernestraße und Porscheplatz“ heißt die Schau, die frühe Zeichnungen in den Kontext aktueller Arbeiten stellt.

Droese zog mit 16 Jahren von der beschaulichen Nordseehalbinsel Nordstrand „ins pralle Leben“ der Essener Innenstadt, wie er sagt. Seine Erlebnisse verarbeitete er sogleich in Kunstwerke: Bilder aus dem Ruderverein, Verhaftungen bei Vietnam-Demonstrationen, das Nachtleben. Der spartanische Einsatz von Mitteln zeichnet sich schon damals ab: Ein paar Linien, fleckiger Karton, Holzreste, fertig ist das Kunstwerk.

Seine neueren teilweise figürlichen Werke aus Tierblut, Glas, Karton, Eisendrähten und Karton wirken wie Prophezeiungen: meditativ, orakelhaft, assoziativ, sinnlos. Eine eigenartig vereinnahmende Aura umgibt die Bilder, fast so als würden sie gerade jetzt fragen: „Und? Schon morgen an gestern gedacht?“ – bis zum 29. Februar an der Meisenburgstraße  173.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Ausfluss künstlerischer Ideen

Zwischen Ekel, Neugierde und Sinneslust schwankt die Videoinstallation, die Julia Kälin im Best-Kunstraum zum Besten gibt. Zu sehen ist ein Mann, dem die ganze Zeit eine weiße, dickliche Flüssigkeit von oben über den Kopf gegossen wird. Die Mimik verrät seine Gefühle, die Tonspur intensiviert das „Erlebnis“ an der Ruhrtalstraße 415.

Die 1977 geborene Künstlerin lebt in Luzern und Zürich. Sie malt, zeichnet, filmt und tritt als Darstellerin auf. Ihr Interesse gilt dem Ungewöhnlichen und Unerwarteten im Alltag, wobei sie die Wirkkraft von verschiedenen Materialien auslotet. Oft denkt man bei ihrer Kunst an Körperausscheidungen. Kunst – das hat auch was mit dem Ausfluss künstlerischer Ideen zu tun: Aus einer grob zusammengenähten Puppe ließ sie einmal Hefeteig langsam heraus quellen. Die gezeigte Videoinstallation „experiment on oneself no. 2“ ist dritte und letzte Ausstellung in der Reihe „Leuchten bei Anbruch der Dunkelheit“ in Kettwig. Am 27. Februar hört’s auf. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Ja, Schuhe. Und Tee.

Wenn eine Künstlerin ein Material verwendet, das, sagen wir mal: ungewöhnlich ist, dann lenkt sie darauf die volle Aufmerksamkeit. Bei Marion Menzel ist es Tee. Mit Leim mischt die Kölnerin ihn zu einem schwarzen, teerähnlichen Gemisch, das sie auf allerlei Dinge verteilt: Wandobjekte, Gemälde, zuweilen mit Besenborsten ergänzt, – und vor allem auf Schuhe. Ihre Werke kann man im Forum Kunst und Architektur am Kopstadtplatz besichtigen. „Form trifft Farbe“, heißt bis zum 3. Februar die Gemeinschaftsschau von Menzel und Crischa Siegel, die vor allem die Frage aufwirft, warum diesen zwei Künstlerinnen gleich das ganze Forum zu Füßen gelegt wird.

Ja, Schuhe. Und Tee. Das meint die Künstlerin ernst, wie ein Begleittext nahe legt, den sie sie zur theoretischen Überhöhung ausgelegt hat: „Die Teeobjekte von Marion Menzel verknüpfen zwei Traditionen der Kunstentwicklung im 20. Jahrhundert. Einerseits die der Arte Povera und des Nouveau Réalisme und andererseits die Jahrtausende alte Auffassung der Skulptur als ewig Währendes“, heißt es da. „Menzel hat einen Weg gefunden, das organische Material Tee dem Zerfallsprozess zu entreißen.“

Crischa Siegel indes hat die Architektur Teneriffas auf der Leinwand in kräftigen Farben verewigt. Die kubenförmigen und weißen Gebäude mit ihren kleinen Fenstern und roten Treppen vor blauem Himmel und Meer strukturieren das Bild. Der Übergang zur konkreten Farbfeld-Malerei ist fließend. Schön, belanglos. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Koordinierte Collagen

Mit Längen- und Breitengraden kann man seinen Standpunkt bestimmen; und den bringt Shinichi Tsuchiya gehörig ins Wanken: Ein schräg zum Boden hin fotografiertes Detail eines Parkplatzes kippte der Japaner per digitaler Bildbearbeitung noch einmal um 90 Grad. Beim Anblick des Fotos wird einem schwindelig. Da geben auch die am Bildrand angegebenen Koordinaten des Aufnahmeortes kaum halt. Die Galerie Obrist am Museum (GAM) zeigt die „Fotoarbeiten“ des 1973 in Yokohoma geborenen Thomas Ruff-Schülers.

Tsuchiya lief mit Hilfe eines GPS-Systems auf genau einem Längengrad, um die dabei aufgenommenen Gebäudefotos später als Collage zu Gebirgen aufzuschichten. Er zeigt sein Wohnhaus in Düsseldorf und platziert dazu im maßstabsgerechten Abstand Häuser aus London, Venedig, Dubai und Tokio als Gipfelkette im Nebel. Die Silhouette des Kölner Doms verarbeitete er aus vielen Perspektiven in ein wolkiges Mandala.

Die Navigation überführt Tuchiya in sinnliche Erlebnisse. So wie Stadtpläne und Landkarte nie die Wirklichkeit abbilden, sondern entsprechend ihrem Zweck gestaltet werden, so kartografiert der japanische Künstler die Welt für seine Augen. Stellvertretend hängt für ihn eine Fotoskulptur in der Ausstellung. Rund 250 Bilder seines Körpers und seines Gesichtes nähte er zu einer lebensgroßen Kopie seiner selbst zusammen. Auch ihn kann man vermessen, doch wer hinter die Oberfläche blicken will, schaut ins Leere. Subjektive Inhalte, so die Botschaft, entziehen sich jedem GPS-System – bis zum 8. März an der Kahrstraße 59. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Schöne Katastrophen

Katastrophen sind schön: Tanker, die im tosenden Meer versinken, Eisenbahnwagons, die sich kunstvoll ineinander schieben, Autos, die die Leitplanke umarmen. R.J. Kirsch hat Nachrichtenbilder von spektakulären Unfällen fotorealistisch abgemalt und mit Licht- und Schattensetzungen effektvoll in Szene gesetzt. Es sind dramatische Gemälde, aber nicht traumatische: Dass nahezu jedes Bild auf Opfern beruht, blendet der Kölner Maler in seinen menschenleeren Bildern aus. Und vielleicht ist das die wirkliche Katastrophe in der Galerie Jürgen Kalthoff, Sabinastraße 1.

Zweierlei hat der 1959 geborene Künstler offenbar im Sinn: Zum einen setzt er den schnellen, zum Seh-Konsum bereitgestellten Bildern aus den Nachrichten seine Malerei als etwas Bewahrendes und Analysierendes entgegen. Zum anderen lässt er in den Wracks eine gehörige Portion Technikpessimismus aufblitzen. So glänzend die Vehikel gemalt sind: Kaputter geht’s nimmer.

Vielleicht ist die malerische Überhöhung der Katastrophen ja eine Möglichkeit, Distanz zum Ereignis zu wahren. Doch letzten Endes werden es auch bei allen Interpretationswendungen immer schön gemalte Unfallbilder bleiben, die Distanz zum Leid der Menschen schaffen – bis zum 29. Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Tierisch weiblich

Nein, schön malt Joanna Danovska nicht. Aber ausdrucksstark, sprich: expressiv. Die Bulgarin drischt regelrecht mit dem Pinsel auf die Leinwand ein. Dabei legt sie mit dicken Strichen und Tupfern in gedeckten Farben ihr Innerstes frei. „Tierisch weiblich“ heißt die fünfte Ausstellung der Künstlerin in der Galerie Irene Sagan.

Johanna Danovska wurde 1965 in Sofia geboren. Nach einem Studium an der Kunstakademie in ihrer Heimatstadt wechselte sie zur Kunstakademie Düsseldorf. Ein immer wiederkehrendes Motiv ihrer jüngsten Bilder ist eine meist völlig unbekleidete Frau, die physisch eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Schöpferin aufweist. „101 Prozent von mir steckt da drin“, lacht die Meisterschülerin A.R. Penck. Die Figur inszeniert sich in einer symbolgeladenen Umgebung. Eine ausgeblasene Kerze in ihrer Hand steht offenkundig für eine erloschene Liebe, mehrmals taucht ein Greifvogel auf, dem die Nackte mal verletzlich den Rücken kehrt, mal selbstbewusst entgegentritt. Tiere spielen ohnehin eine große Rolle als Wegbegleiter verschiedener Situationen: Zebras, deren gestreifte Tarnung sie ausnutzt, ein Vogel Strauß, der sie flott auf dem Rücken trägt, Hühner, die um sie herumpicken. Wild und unruhig kommen ihre Bilder daher, bis zum 5. April im Girardethaus. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Durchnormierte Welt

Die Form folgt der Funktion und anders herum, und so ist es kein Wunder, dass die Rahmengröße einen gewissen Einfluss auf den Inhalt eines Bildes hat. Ein breites Format fordert geradezu eine erzählerische Perspektive von links nach rechts heraus, ein hohes lenkt den Blick nach oben. Bis heute haben sich in Frankreich standardisierte Formate beispielsweise für Porträts oder Landschaften gehalten. Sabine Straßburger thematisiert diese Normen und Relationen in der Galerie Schütte unter dem Titel „Maßnahme IIII“.

Die „IIII“ ist keine falsch geschriebene römische Zahl, sondern soll auf die Markierung eines Lineals deuten. Oft zeichnet sie ein solches Maß an den Rand ihrer Werke. Unterschiedliche Farben kennzeichnen die Abweichung ihrer Formate von der Norm. Straßburger produziert die Ausnahme von der Regel und führt zugleich ästhetisch vor Augen, wie weit die Welt schon durchnormiert ist. vom DIN A4-Block bis zur Adresse, die eine Nennung der Straße nebst Hausnummer vorsieht. In diesem Fall Hauptstraße 4, bis zum 31. März. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Übersteigerte Wirklichkeit

Inzwischen ist Peter Schlör wie viele Fotografen auf digitale Bildbearbeitung umgeschwenkt, womit ihm nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zur Manipulation zur Verfügung stehen. „Es ist ein Werkzeug“, betont der Mannheimer Künstler. Während der 43-Jährige heute mit ein paar Mausklicks hier und da im Foto etwas nachbessert, musste er früher mit Filmen experimentieren, mit Entwickler und Fixierer hantieren und unter dem Belichter mit der Hand dunkle Stellen abwedeln. Es war noch richtige Arbeit, bei der viel schief gehen konnte. Vielleicht macht dies gerade seine Ausstellung in der Galerie Obrist am Museum (GAM) so spannend. Gezeigt wird bis zum 11. September sein „analoges Frühwerk“, entstanden in den Jahren 1985 bis 1995.

Peter Schlör verwandelt die Welt in eine schwarz-weiße Mondlandschaft. Erosionen überziehen den Boden, Furchen ziehen über Hügel, Brüche über Lehmklumpen. Fotografiert hat er viel in seiner Heimatstadt Mannheim, aber auch in Anatolien, wo ihm eine atemberaubende Aufnahme von einer Schafherde im  Hang gelang, die förmlich mit dem Fels verschmilzt - genauso wie das oberhalb zu sehende Dorf mit dem Berg. „Mich interessieren die essentiellen Dinge“, meint Schlör. Seine Fotos übersteigern die Wirklichkeit. Mit brutalen Kontrasten und großen weißen, blendenden Bilderrahmen schafft er es, absolut schwarze Flächen aus dem Fotopapier herauszuholen.

Seit 1989 arbeitet Schlör oft in Serien. Mit dem Foto „Kohleberg“ hängt die erste des Autodidakten an der Wand: Sieben Bilder, wo der Künstler mit der Sonne auf eine Abraumhalde blickt, jeweils nur um wenige Meter versetzt. Seinen eigenen Schatten verbirgt der Schatten von mächtigen Betonbarrieren. Eine Stromleitung ist das Bindeglied zwischen den einzelnen Bildern. Da Schlör nicht exakt immer dieselbe Höhe beim Fotografieren einhielt, ist das Kabel mal höher, mal tiefer. Um dennoch eine durchgehende Linie zu erreichen, hängte er die Bilderrahmen an der Kahrstraße 59 mal höher, mal tiefer. Die charmant verwackelte Serie macht deutlich: Unfälle sind oft Glücksfälle. Da erscheint es fast schade, dass Schlör nun mit dem digitalen Fotografieren auf Nummer sicher geht. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Schmetterlinge im Bau

Diese Installation rührt sich: Anja Luithle lässt sechs Suppenlöffel sich in Kochtopfen drehen. Die computergesteuerte Suppenchoreographie ist herrlich sinnlos. Aber, obacht! Da neben der Allbau Stiftung die Gleichstellungsstelle der Stadt Essen die Ausstellung der Künstlerin in der Galerie im Schloss Borbeck unterstützt, sind die Weichen für die Rezeption gestellt: Es geht um die Rolle der Frau in der Gesellschaft, um „geschlechtsdefinierte Rollen und traditionell verankerte weibliche Verhaltensmuster“, wie es im Begleittext zur Ausstellung heißt. Das mechanische Kochtopfrühren wird damit zur Kritik. Diese trägt Luithle mit ihren Werken aber mit einem feinsinnigen Humor vor.

Aus Objekten der Begierde werden begierige Objekte. Hüllenlose Körper wandelt sie um in körperlose Hüllen. Kleider ohne Körper durchschreiten Wände, drehen sich vor der Galerie im Rondell oder stehen im Schlossteich im Wasser. Sie machen Kopfstand oder spielen sich dank eingebauten Motor über eine Schiene eine Glaskugel zu. Überhaupt beweist Luithle bei ihren kinetischen Werken viel Einfallskraft und technische Begabung. Eine Figur hat einen flatternden Schmetterling im Bauch, an der Wand entlang läuft mit surrenden Geräuschen ein Paar Schuhe.

Anja Luithle, geboren 1968,  hat an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Bildhauerei studiert. Für ihre Arbeit ist sie mehrfach ausgezeichnet worden. Die Ausstellung läuft bis zum 7. Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Geisterbeschwörung

„My Generation“ steht auf der Einladungskarte in poppiger Schrift – und zwar so, dass jeweils drei Buchstaben übereinander stehen und man erst mal seine Augen reiben muss, um den Sinn der Zeichenfolge entziffern zu können. Überaus passend, denn die „Generation“, die sich in der Galerie des Kunsthauses Essen darstellt, nutzt ihre eigenen Codes und gibt knallig was auf die Augen. Mit ungeheurem Selbstbewusstsein setzen die fünf beteiligten Künstler ihre figurative Malerei in Szene.

Das gerät mal plakativ flach, wie bei Anja Janssen, die ihre aalglatten fotorealistischen Malereien von Teenagern mit ins Bild als „Brüche“ getarnten Fremdkörpern aufpeppt oder wie bei Justine Otto, die Sprüche auf T-Shirts mit dem Gesichtsausdruck ihrer Träger korrespondieren lässt, aber auch mal ungeheuer wuchtig stark, wie bei Andrea Lehmann, die auf vier mal drei Metern eine Geisterbeschwörung durchführt. Eine der Tänzerinnen legt den Kopf in den Nacken und schaut derart intensiv aus dem Bild, dass man zum Teilnehmer der okkulten Zeremonie rund um die Fetische „der Generation“ wird.

Großartig ist auch das Bild von Markus Willeke. Der Berliner arbeitet mit Versatzstücken aus der Jugend-Szene. Grimmige Soldaten aus Skeletten malte er nebst Panzer wie ein Tatoo auf einem Rücken: Beim längeren Hinsehen formt sich dieser zur Flasche. Die Armee ist jederzeit bereit, aus der Flasche zu entweichen – bis zum 23. September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Subtile Szenen

Wenn Anna Lea Hucht so weiter wie bisher macht, dann werden genau drei Bilder auf der Abschlussschau hängen. Mitunter braucht die zehnte Rotary-Stipendiatin drei ganze Monate für eine ihrer detailversessenen Zeichnungen. Neun Monate lang wird die Karlsruherin in Essen leben und arbeiten. Im Kabinett des Kunsthauses Essen stellt sie sich mit einer Antrittsausstellung vor.

In ihren Bildern tanzen gespenstische Figuren mit durchdringenden Augen. Man blickt von außen durchs Fenster auf Szenen, deren Merkwürdigkeiten sich mal brachial, mal subtil ihren Weg ebnen. Mit deutlichen Anleihen an den Surrealismus schafft die 27-Jährige subjektive Welten, in denen sie Personen sich selbst aussetzt – wie etwa in einer Zeichnung, in welcher ein Mann ein riesiges, ihn beobachtendes Auge in seinen Händen betrachtet. Manchmal erschließt sich das ihren Bildern eigene „Geheimnisvolle“ erst auf den zweiten Blick. Eine enorm aufwändige Buntstiftzeichnung zeigt eine Wohnküche mit einer Frau, die seltsam verklemmt mit Sonnenbrille am Küchentisch sitzt während ein Mann die Einkäufe auspackt. Einen Rollentausch der Geschlechter wollte sie inszenieren. Doch dafür ist die Zeit noch nicht reif: Die Zeiger auf der Küchenuhr stehen auf einer unmöglichen Position.

Aus 56 Kandidaten hatte die „Junge Kunst in Essen“-Essen die Meisterschülerin von Erwin Gross an der Akademie der Bildenden Künste ausgewählt. „Das kam für mich völlig überraschend“, sagt Hucht. Gerade mal eine Woche vor der Entscheidung hatte sie auf Empfehlung ihres Professors ihre Bewerbungsmappe eingeschickt. Das mit monatlich 1250 Euro, zwei Ausstellungen und einer Katalogproduktion ausgestattete Stipendium war ihr vorher unbekannt. In Essen will sie zunächst die Sehenswürdigkeiten und die Atmosphäre der Stadt auf sich wirken lassen – und sich überraschen lassen, wie sich das auf ihre Arbeit auswirkt. Ihre Ausstellung ist an der Rübezahlstraße bis zum 23. September zu sehen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Fleißige Präzision

Seine Werke sehen so aus, als hätte er die Überreste des garstigen Maschinenmenschen „Terminator“ aus dem gleichnamigen Science-Fiction-Film vom Schrottplatz geholt. Willi Irmen formt Metall zu skelettähnlichen Skulpturen. Robust und kaputt liegen  Teile von Wirbelsäulen, so scheint’s, auf den Podesten im Forum Kunst und Architektur. „Meine Skulpturen sind plastische Zeichen, die etwas sichtbar machen, das zwischen den Dingen oder unter ihrer Oberfläche existiert“, meint der Viersener Bildhauer – ein Anspruch, den man in mal mehr, mal weniger übertragenen Sinne allen in der Gemeinschaftsschau vertretenden Künstlern unterstellen kann. Bis zum 2. September stellen Mitglieder der Gemeinschaft Krefelder Künstler (GKK) am Kopstadtplatz 12 aus.

Den Kontakt zu der Künstlergemeinschaft vermittelte Christine Prause, die sowohl im GKK als auch im Ruhrländischen Künstlerbund (RKB) mitwirkt. Hoch professionell, so erinnert sich ein RKB-Mitglied, habe sich der Krefelder Verein mit allerlei Mappen bei seinem Essener Pendant beworben. Von 20 Künstlern wurden 13 ausgewählt, die nicht nur Objekte aufstellten und Bilder an die Wand hängten, sondern auch reichlich Informationsmaterial von sich auf Tischen und Mauervorsprüngen verteilten. So papierlastig dürfte bislang noch keine Ausstellung im Forum gewesen sein. 

Auffallend ist die große handwerkliche Präzision, mit der die meisten Krefelder arbeiten. Jeder Strich, jede Form sitzt. Während andere Künstler gerne das Momenthafte beim Schaffen in den Mittelpunkt rücken und entweder nach dem Motto „Die Idee ist wichtiger als die Ausführung“ oder „Nur durch impulsives Schnellmalen lege ich meine Seele frei“ ihrer Kreativität freien Lauf lassen, fertigen die Mitglieder des  GKK ihre Werke mit Sorgfalt und Geduld. Ein enormer Aufwand steckt beispielsweise in den Objekten von Karl-Heinz Heming, der Holz zu organischen Formen biegt und mit orangefarbenem Acrylglas kombiniert. Von Fleiß kündetet auch das „Tagwerk“ von Jürgen Drewer. An den Säulen im Keller hängen viele 15 mal 15 Zentimeter kleine Bildchen, die der Künstler offenbar tagebuchähnlich gemalt und gebastelt hat. Das Phänomen der Zeit greift auch Theo Windges auf. In einem seiner Fotocollagen hängt eine Uhr ohne Zeiger, darunter liegt ein Ei. „Z-Ei-t“ schrieb er dazu – im Angesicht der fast schon bedrückenden Ernsthaftigkeit dieser Ausstellung ein erfrischender Ulk. Nächstes Jahr will der RKB zum Gegenbesuch in Krefeld starten. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Ums Überleben fischen

Eine braune Straßenzeile. Auf dem Bürgersteig geht ein Mädchen im schwarzen Kleid. Ihr entgegen schwimmt ein Schwertfisch. Ein schwimmender Schwertfisch? So richtig skurril wird die Szene dennoch erst außerhalb der Leinwand. Denn vor dem Gemälde parken sechs Gehilfen.

Es ist Mittagszeit im Augustinum, und im Gang zum Speisesaal herrscht ein reges Treiben. Senioren grüßen sich neben Bildern, die, wenn sie keine Bilder wären, vermutlich entsetzlich nach verdorbenen Fischen riechen würden. Michael Oliver Flüß hat „Das Zeitalter der Fische“ gemalt: verrottete Fische, quicklebendige Fische, gefährliche Fische, Maschinenfische. Es gibt einen Gabeljau und reichlich „Störfaktoren“.

Der 1966 geborene Maler hat ein Gespür für absurde Situationen. Im Wald legt sich der Erkrather selbst im Selbstporträt mit einem Schmetterlingsnetz auf die Lauer nach einem Hammerhai. Flüß spielt mit der Malerei um sein Leben – bis zum 6. Januar im Augustinum an der Renteilichtung.(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Verwirrer lässt umherirren

Seine auf die Leinwand gebrachten Formen deuten Dinge an, verweigern sich aber einer eindeutigen Bezeichnung. Zum Realismus hält seine abstrakte Kunst ebenso wie zur Geometrie und Monochromie eine Distanz. Kurzum: Wolfgang Trischke mag sich nicht festlegen. Positioniert zwischen dem Vagerem und Deutlichen entfalten seine neuen Arbeiten in der Galerie Heimeshoff, Kennedyplatz, ihre Spannung.

Troschke „kommt“ vom Informellen her – jener Kunstrichtung, die nach dem zweiten Weltkrieg einen unbelasteten Neuanfang im reinen Ausdruck und in der Geste suchte. Eine Zeit lang stand er im Dienst von einer der Protagonisten, Gerhard Hoehme. Ihm verdankt der 1947 geborene Maler er nach eigenem Aussagen den Weg von Figuration zur eigenwilligen und selbstständigen Abstraktion, die ihren Ursprung jedoch nicht leugnet - sozusagen eine figurative Abstraktion.

Das hört sich nach Wortgeklingel an, und ist es auch: Abstraktion bezieht sich von selbst auf einen konkreten Gegenstand. Dieser wird eben „abstrahiert“. Die absolut ungegegenständliche Kunst, die nur sich selbst genügt, wird – um an dieser Stelle ein wenig Verwirrung zu stiften – „Konkrete Kunst“ genannt. Und damit ist man wieder bei Wolfgang Troschke, dem Verwirrer, der unbeirrt gezielt den Betrachter auf der Leinwand herumirren lässt. Wie Flipperkugeln werden die Augen durch den  äußerst dynamischen Bildaufbau von einem Motiv zum anderen geschossen: Offen legen und verbergen, frei geben und zurückholen: Troschkes Werke sind im ständigen Fluss – bis zum 23. Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Abgeklatschte Stellvertreter

Gleb Bas mischt schon kräftig mit. Der 1980 geborene und in Münster lebende Ukrainer studierte Kunst in Münster, Jerusalem und Paris hat Ausstellungsbeteiligungen unter anderem in Seoul und auf Mallorca – und stellt nun schon zum dritten Mal in der Galerie Klose aus.

Dabei fällt der Maler aus dem Rahmen. Genauer gesagt: In einem Werk ist der Rahmen selbst das Bild. Dabei ordnete er 16 verschiedene Porträts um eine leere Fläche an. Um ein anderes Bild malte Bas direkt auf die Wand einen goldenen Rahmen.

Der Künstler bricht mit Sehgewohnheiten. In einer idyllischen Badeszene am Teich holte er mit einer weißen Umrandung einen Mann heraus. Auf einem Strand setzte er eine phantomartige Figur ins Bild mit dem so genannten Abklatschverfahren. Dabei wird das Motiv auf eine Plastiktüte gemalt und nass auf die Leinwand „geklatscht“. Die Figuren erscheinen wie die Stellvertreter des Betrachters im Bild.

Eine Etage höher, im Kunst-Raum, sorgt Wolfgang Neumann für Stimmung. Der 1977 geborene Stuttgarter versteht sich auf ungewöhnliche Bildträger. „Togo“ nennt er beispielsweise ein Werk, dessen Material mit „Acryl auf Bundeswehrzelt“ angegeben wird.

Neumann versteht seine Gemälde als Persiflagen auf die Konsumgesellschaft. Die Gesten und Posen der Stars und Sternchen vermischen sich dabei mit Anspielungen auf die Kunstgeschichte. Dabei tauchen unter anderem mit Britney Spears, Lex Barker, Osama Bin Laden und Fiedel Castro Personen der Pop- und Zeitgeschichte auf. Immer wieder tauchen ein Laubsauger und ein Laubblaser auf: Das, was in die Welt hinausposaunt wird, muss man wieder schlucken. „Wenn das keine Stimmung ist“, heißt die Ausstellung. Beide Schauen sind bis zum 17. März an der Rüttenscheider Straße 56 zu sehen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Fotografierte Inszenierungen

Die Fotografie befreite die Malerei von der Fessel des dokumentarischen. Mit der Erfindung der Kamera musste man auf der Leinwand nicht mehr nach dem Abbild der Natur malen, diese Funktion übernahm die Fotografie – so lautet jedenfalls eine weit verbreitete Mär. Tatsächlich hat die Malerei selten die Wahrheit im Abmalen gesucht, sondern die Landschaft sortiert, ausgewertet, interpretiert und auch konstruiert. Dass es auch beim Fotografieren der Landschaft nicht ums Abknipsen der Natur, sondern um die Inszenierung des Menschen durch die Natur geht, wird an der Kahrstaße 59 deutlich. Als Ergänzung zur Caspar David Friedrich-Schau im Museum Folkwang schräg gegenüber möchte Galerist Torsten Obrist seine Ausstellung verstanden wissen. Diesen Anspruch erfüllt bis zum 25. Juli die „Konstruktion der Landschaft in der aktuellen Fotografie“ mit einer Reihe erstklassigen Arbeiten, von denen eine Vielzahl von Essener Fotografen stammt.

Henning Maier-Jantzen etwa bannte Touristen in der australischen Wüste aufs Fotopapier. Sie sind so grell beleuchtet wie im Fernsehstudio. Ihr Abenteurer ist „öffentlich“ und die besuchte Natur wurde schon von vielen aufgesucht. Es wird nicht mehr Landschaft, sondern eine gemeinsame Erfahrung „entdeckt“. Simone Nieweg orientiert sich mit ihren Fotografien an dem klassischen Bildaufbau der Landschaftsmalerei. Die Natur wird durch das Medium und die aufwändige Aufmachung doppelt kultiviert. Thomas Zika stellt seine atmosphärisch dichten Fotos vom Mount Ventoux aus, eine Hommage an Francesco Petrarca, der 1335 als einer der ersten Dichter eine subjektive Landschaftsbeschreibung eben über diesen Berg lieferte. Weitere Künstler: Gosbert Adler, Carsten Behler, Anke Grams, Volker Heinze, Peter Schlör.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Farben als organisierende Elemente

Bei der Vorbesichtigung der Räume an der Hauptstraße 4 staunte Ingo Nussbaumer. Das Licht und der Schattenwurf der Neonröhrenrechtecke an der Decke der Galerie Schütte erinnerten ihn an sein Werk. „Vielleicht signiere ich nur die Wand“, sagte der Österreicher. Doch dann schickte er doch ein doch zwei Gemälde und ein gutes Dutzend Aquarelle nach Kettwig.

Nussbauer ist studierter Philosoph und Autor von Sachbüchern. Eines heißt: „Die Idee des Bildes als Beitrag zu einer Noetik der Kunst“. Seine Bilder aus verschieden großen und farbigen Balken konstruiert er am Computer. Das Ergebnis überträgt mit dem Pinsel auf Holz oder Papier. Wenn aus Versehen mal Farbkleckse an der falschen Stelle landen, erklärt er sie zu „Brüchen“.

Man könnte Nussbauer für einen trockenen Theoretiker halten; einen, der nur malt, um seine Ideen zu veranschaulichen; einen, der lieber dreimal überlegt, als aus dem Bauch heraus drauflos emotional zu malen. Doch wer seinen Werken gegenübertritt, für den verwandeln sich die aneinander gesetzten Farbbalken in aufregende Räume. In seinen „color proposition“ werden Farben als organisierende Elemente für das Bild vor Augen geführt.  Durch die die Wechselwirkung der Farben sieht man mehr Farben, als tatsächlich aufgetragen wurden. Dabei zeigt sich Nussbauer als besonders akribischer, vorausplanender Maler: Der Österreicher übermalt keine Flächen, sondern nutzt optische Täuschungen, um unterbrochene Balken durchgehend von oben nach unten verlaufen zu lassen – bis zum 24. Juni.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Per Discokugel durchs Universum

Johanna Schwarz ist eine poetische Künstlerin – in Wort und Bild. „O die Kurven meiner Sehnsucht durch das Weltall“ nennt sie ihre Ausstellung im Best-Kunstraum, die als eine einzige Installation zu lesen und zu betrachten ist. Mit einer angeleuchteten Discokugel bläht Schwarz den Raum zu einer Galaxie voller kreisender Sterne auf: Ihr persönliches Universum, durch das die Künstlerin mit einem Paar silbernen, in der Mitte abgelegten Schuhen tanzt und das sie im Traum fortlaufend erweitert. „Wenn ich tanze, dann tanze ich, wenn ich schlafe, dann schlafe ich“, steht auf einem kleinen Bild mit aus schwarzer Farbe herausgeritzten Füßen.

Eine Klappleiter lehnt schräg an der Wand, Köpfe fließen in Malereien ineinander oder entstehen allein durch die Richtung des Pinselstriches. „Sie wartet auf die Gegenwart, die sich zart ihr offenbart“, reimt sie kaum wahrnehmbar in weißen Druckbuchstaben auf die weiße Leinwand. Schwarz entführt die Betrachter in eine Welt voller faszinierender Möglichkeiten, in der durch kleine Änderungen der Alltag poetisch überhöht wird – bis zum 23. November an der Ruhrtalstraße 415 in Kettwig. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Unwiederbringliche Zeiten

Sie tragen Zöpfe, ihre Uniform und Mao-Mütze wie ein modisches Accessoire und ein kokettes Lächeln zur Schau. Qi Zhilong malt junge Chinesinnen in angenehmen Pastellfarben als weltoffene und moderne Repräsentanten einer aufstrebenden Wirtschaftsmacht. Die Galerie Frank Schlag zeigt unter dem Titel „Recent works“ an der Meisenburgstraße 173 die erste Einzelausstellung des in Peking lebenden Künstlers.

Dass schon bei der Vernissage neben jedem Gemälde ein roter Punkt klebte, kommt nicht von ungefähr. Qi Zhilong, geboren 1962 in der Mongolei, gehört zu den gefragtesten Künstlern aus dem Reich der Mitte. Eine seiner Chinesinnen zierte im vergangenen Jahr den Katalog der Berner Ausstellung „Majong – Chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg“ (derzeit in der Hamburger Kunsthalle zu sehen). Die Schau war der Initialfunken für einen regelrechten China-Boom auf dem Kunstmarkt. Besonders Zhilongs Werke erzielen seitdem auf Auktionen spektakuläre Preise.

Parallel arbeitet die Malerin Eva Schwab bis zum 24. November im Erdgeschoss der Galerie Frank Schlag ihre Kindheitserinnerungen auf. Dabei erlaubt sie sich, Fotografien aus dem Familienalbum mit ihren „Nachbildern“ idyllisch umzuformen. Kinder laufen über den Bürgersteig, Mädchen posieren mit Schürze. Es gibt Männer bei der Jagd und einen Großvater mit Baby auf dem Arm. Die 1962 in Frankfurt geborene Künstlerin erzeugt ein „Gefühl“ für unwiederbringlich vergangene, mitunter gar nicht erlebte Zeiten. Schwab führt vor Augen, dass die Erinnerung durch die Phantasie wach gehalten wird. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Alltägliche Spannung

Wer durch das Fenster in der Galerie Obrist am Museum (GAM) schaut, mag sich denken: „Es passt zur feuchten Jahreszeit, aber so nass sollte es draußen auch wieder nicht sein.“ Da steht der Wasserpegel schon fast bis zur Mitte der Glasscheibe.

Julia Willms spielt in ihrer Videoinstallation „Vista“ mit dem kleinen GAM-Kabinett. Mitten in den Raum hat sie einen recht ramponierten Fensterrahmen gehängt. Auf die mit Papier zugeklebten Scheiben wird ein sich langsam füllendes Aquarium projiziert. Das sieht man aber nicht, sondern nur, wie das Fenster „geflutet“ wird. Dazu ertönen gurgelnde und plätschernde Geräusche. Ein weiterer bedrohlicher Aspekt ist eine mitgefilmte Glühbirne, die sich ihrem Spiegelbild auf der Wasseroberfläche immer weiter nähert, bis sie versinkt. Strom und Wasser, oh je.

„Ich stelle mir immer die Frage: ,Wie kann ich den Raum erweitern?’“, sagt die 32-jährige Künstlerin aus Wien. Ihr geht es darum, mit Alltagsgegenständen eine Spannung aufzubauen und mit der Realität zu spielen.
Ganz anders ist da David Alcántara. Der spanische Künstler malt auf die Leinwand gedruckte Fotos aus Fußgängerzonen. Dabei markiert er mit Pfeilen und Kringeln einzelne Passanten. Dazu schreibt er etwa: „Misstrauen  Wer ist das?“ Manchmal übermalt er Taschen. Oft malt der 32-Jährige ein selbst entworfenes Zeichensystem aus farbigen Rechtecken mit aufs Bild.

„Ich kann mehr Deutsch“; lacht Alcántara auf die Frage, was sich seit seiner letzten Ausstellung bei der Galerie Obrist geändert hat. Schon damals setzte er auf eine malerische Durchdringung des Alltags, die der Spanier jetzt um eine soziale und – wie der Ausstellungstitel „orfeo“ schon andeutet – mythische Komponente ergänzt. Recht naiv wirkt seine Malerei, aber auch erstaunlich ernsthaft vorgetragen. Sowohl Alcántara als auch Willms stellen bis zum 25. November an der Kahrstraße 59 aus. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Ekelige Zustände

Die Welt rast dem Abgrund zu. Doch einer will die Notbremse ziehen: Jürgen Trost, der sich in seiner Vita „Mensch, Kaufmann, Lehrer und freischaffender Künstler“ nennt. Im Kunstraum Notkirche, Mülheimer Straße 70, sollen seine Werke zum Nachdenken über den Zusammenhang von Überfluss und mangelnder Gesundheit anregen.

„Wenn Sie so wollen, bin ich ein völliger Naivling und Idealist“, sagt der 52-jährige Körneresser, der vor drei Jahren einen gut dotierten Job als Verkaufsleiter für Sonderprodukte im Vertrieb eines Stahlkonzern hinwarf, um fortan als Künstler das wachstumsorientierte Wirtschaftssystem anzuprangern. Als eine Art menschliche Ameise sammelt, sortiert und verwertet Trost dabei, was andere wegwerfen. Er bemalt und stapelt Obstschalen, lässt hermetisch dicht verpackte Früchte verschimmeln, hortet in verbrauchten Honiggläsern Nußschalen, Nikolaus-Pfeifen und Ikea-Schraubenschlüssel und „recycelt“ sogar im Keller seines Wattenscheider Hauses gefundene tote Frösche und Mäuse zu Kunstobjekten. Unter die Decke der Notkirche hängte Trost 1000 gebrauchte Teebeutel unter den Titel „Überfluss“. „Das ist ekelig“, gibt er zu. „Aber das sind die Zustände ja auch.“

Der Wattenscheider ist nicht der erste und einzige, der der „Wegwerfgesellschaft“ den Spiegel vorhält. So montiert der US-Amerikaner Chris Jordan bedrückende Fotos aus Zivilisationsmüll. Das Thema liegt in der Luft. Viele Künstler beschränken sich dabei nicht mehr auf die Beobachtung eines Phänomens, sondern wollen Werte vermitteln – und die Welt retten. Am kommenden Samstag führt Trost ab 15 Uhr selbst durch seine bis zum 8. Juni laufende Ausstellung. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Der Augenblick zählt

An die zehn Mal hat Peter Rusam den Film „Vergiss mein nicht“ gesehen. Die Lovestory mit Kate Winslet und Jim Carrey führt der Maler auf der Leinwand fort: Mit fotorealistisch gemalten Filmstills überhöht er einige intuitiv ausgesuchte Sequenzen. „Mich hat die Wandlungsfähigkeit der Schauspielerin stark beeindruckt“, sagt der 38-Jährige. Zu sehen sind die zehn Bilder bis zum 30. Juni in der Galerie Kalthoff, Sabinastraße 1.

Man sieht Kate Winslet mit Essstäbchen essen, verträumt Kaffee trinken, als Beifahrerin im Auto sich zur Seite wenden – alles keine spektakulären Einstellungen. Es sind Momentaufnahmen, in die allerdings Zeit geflossen sind. Bis zu 16 Stunden arbeitet Rusam an einem Gemälde. Und diese Zeit scheint der Maler dem Betrachter zu schenken. Jedenfalls strahlen seine Bilder eine bemerkenswerte Ruhe aus. Sie konzentrieren und kaprizieren sich auf einen Punkt und verdeutlichen, dass jede Situation und Sekunde im Leben bedeutend sein kann. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Überfrachte Koexistenzen

„Bedeutungsschwanger“ ist das erste, was einem zu den Malereien von Ivo Lucas einfällt. Die Leinwand erscheint überschwemmt von Ornamenten und Motiven, Figuren und Querbezügen, reizvoll arrangiert, aber aufdringlich Aufmerksamkeit heischend. Doch wie gut, dass man sich nicht immer auf den ersten Eindruck verlässt: Wer mit dem Maler auf der Eröffnung sprach, bekam eine Ahnung davon, wie sehr der zappelig Blondschopf sein Leben mit dem Werk verknüpft.

Lucas kann nicht anders. Seine oft düsteren, verqueren Arbeiten sind im ständigen Fluss. Selbst nachdem sein Galerist Colmar Schulte-Goltz vom Kunst-Raum ein Bild verkauft hatte, musste er daran noch weitermalen. Immer neue Einflüsse gilt es einzuarbeiten. Meist malt er an verschiedenen Bildern gleichzeitig. Ihm geht es um die Koexistenz von Bildwelten in einer Arbeit. Wenn ihm eine zu „glatt“ erscheint, so baut er störende Elemente ein - immer und wieder. Öfters tauchen ein Tigermann und Windmühlen auf. Am Ende überfrachtet der 36-Jährige oft seine Bilder – aber was soll’s? Sie sind authentisch, ein Produkt seiner selbst – bis zum 15. Juli an Rüttenscheider Straße 54. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Erinnerungen als Wasserschaden

Abstraktion? Figuration? Konkrete Kunst? Die französischen Maler und Grafiker ziehen die Schubladen auf und werfen den Inhalt unbekümmert gegen die Wände der Galerie Obrist. Sie eint der Wille, sich Stilen zu bedienen statt sich unterzuordnen. Herausgekommen ist eine leichte Schau, die bis 27. August wie Farbe auf die Leinwand in den Sommer passt. 

Dafür steht etwa Alexis Gorodine, der mit zarten Tönen mediterranes Flair zu verbreiten versteht. Der in Paris lebende Maler verfolgt die Spuren des Lebens. Aus der hellblau grundierten Leinwand tauchen als Zeugen vergangener Epochen schemenhaft blasse Pflanzen auf. Mehrschichtigkeit ist auch das Kennzeichen der Arbeiten von Pierre Marie Brisson. Der Künstler klebte farbig bemalte Papierschichten übereinander, um dann menschliche Figuren aus der Fläche zu reißen.

Was vom Weiten wie ein Bild mit Wasserschaden aussieht, sind Fetzen der Erinnerung. Seitdem er Vater geworden ist, knibbelt Brisson oft spielende Kinder aus dem Papier.Sein Lehrer ist bei der Ausstellung an der Rüttenscheider Straße 73 mit von der Partie: James Coignard gilt als Altmeister der Corborundum-Technik, einer Kombination aus Radierung und Prägedruck. Aufwändig setzt er plastisch wirkende geometrische Objekte in Szene. Einen menschlichen Kopf fügt er gleichfalls in sein künstlerisches Koordinatensystem ein, das durch rote Linien angezeigt wird.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Farbe als Schnittstelle

Physikalisch kann man Farbe als Licht einer bestimmten Wellenlänge beschreiben, chemisch als ein Material mit bestimmten Eigenschaften und künstlerisch als „flüssige Substanz“. Letzteres meint jedenfalls Johanne Meß, die mit ihren mal geometrisch, mal geschwungen gemalten Farbwelten eine von zwölf Positionen in „Farbe +“ darstellt. Die zweiteilige Ausstellung im Kunsthaus Essen will Farbe als gemeinsame Schnittstelle verschiedener künstlerischer Haltungen zeigen.

Wer an der Rübezahlstraße 33 eine richtig bunte Schau erwartet, der wird zumindest im ersten, jetzt präsentierten Teil von „Farbe+“ (bis zum 28. November) enttäuscht. Aufgedeckt werden sollen vor allem die materiellen, symbolischen, sinnlichen und geistigen Qualitäten der Farbe und „welche Haltung zur Farbe in den verschiedenen Erscheinungsformen sichtbar wird“, wie es in dem Begleittext zur Ausstellung heißt.

Das (Farb-)Spektrum ist breit. Bei manchen Künstlern erscheint die Farbe lediglich als herkömmliches Mittel der Komposition und um damit bestimmte Stimmungen zu erzeugen – etwa bei den grünstichigen, wunderbar melancholischen Swimmingpoolbilder von Moni K. Huber oder den Ödlandschaften in Öl von Fabian Weinecke. Andere, wie Johanne Meß oder Jörg Eberhard mit seinen beiden Wandgemälden, benutzen die Farbe mal als Kontrastmittel, mal als Ordnungskriterium. Günter Dohr erweist mit seinen Neonröhren-Skulpturen dem Altmeister Dan Flavin seine Referenz. Direkt auf die Farbe bezieht sich Raimer Jochims mit seinen als Allegorie zum Leben verstandenen „Farbkörpern“.

Der zweite Teil von „Farbe +“ wird vom 4. Dezember bis zum 9. Januar bestritten von Berhold Bock, Nan Hoover, Hildegard Skowasch, Anita Stöhr Weber, Armin Turk und Manfred Vogel.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Umwandlung der Welt in Kunst

Jan M. Petersen ist ein Idealist. Dazu gehört, dass er seine „fotografischen Materialbilder“ in der Galerie Ockhardt ab 12,50 Euro verkauft. Mit Kunst, so weiß der 35-jährige Berliner, lässt sich die Welt verändern – und den Weg dahin begleitet die Umwandlung von Fundstücken in Kunst. Auf kleine Holzkästen klebte er Gebrauchsanleitungen, wissenschaftliche Zeichnungen, alte Familienfotos, Pornobilder und selbst gedichtete Verse und überzog sie mit Wachs.

Petersen verarbeitete, was er in die Finger bekam und was seine Aufmerksamkeit erregte. Beispielsweise entdeckte er drei Passbilder von ernst dreinblickenden Damen in einer Berliner Kirche. Sie lagen umgedreht auf einem Tisch und dienten als Untersatz für Kerzen. Vergrößert auf der Holzkiste, mutieren sie zu „Heldinnen der Arbeit“ – einer Assoziation, die auch dem Ausstellungstitel „Kunstkaufhaus-Ost“ geschuldet ist. Petersen, der in Bad Vilbel in Hessen geboren wurde, eine Lehre als Tischler absolvierte und das Studium der Architektur als Diplom-Ingenieur abschloss, war einst Mitglied dieser Berliner Künstlergruppe.

Eine wesentliche Rolle spielt in seinen Bildern auch die Baader-Meinhof-Bande, die sich mit Steckbriefen in Erinnerung ruft. Das BRD-Trauma wird gleich daneben mit dem DDR-Traum konfrontiert. Freundlich lächelt in der hervorragend gehängten Ausstellung ein Bild des Sandmännchens den Betrachter an – bis zum 16. Dezember an der Kahrstraße 54.   (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Staffelei unter Wasser

Matthias Meyer setzt sich intensiv mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit auseinander. Dabei dekonstruiert der Meisterschüler von Gerhard Richter Stadt- und Naturlandschaften. Die Motive verflüssigen sich: Menschen geraten zu Schemen, Details verschmelzen zu Farbflecken, schlammige Farben verlaufen wässrig ineinander, Tropfen ziehen vertikale Linien über die Leinwand. Figuration und Abstraktion, Rationalität und Emotion, Realität und Imagination: Bei Meyer ist alles im Fluss. Da ist es konsequent, dass Meyers neue Arbeiten gleich so aussehen, als hätte er seine Staffelei unter Wasser aufgestellt. Man blickt in der Galerie Jürgen Kalthoff, Sabinastraße 1, auf verschwommene Korallen und auf einen schlickigen Fuß eines Bohrturms. Als Vorlage dienen ihm Fotos, die er meist auf seinen ausgedehnten Reisen knipst und Bilder aus dem Internet. In diesem Material spürt der Maler markante Elemente für durchdachte und verführerisch schöne Bildkompositionen auf – bis zum 12. Januar 2007. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Bleiben, wo andere fliegen

Figurative Zeichner sind eine vom Aussterben bedrohte Spezies. „Sie gehören zu den gefährdeten Arten im Kulturbetrieb, weil ihre Arbeit niemals leicht konsumierbar ist und vielleicht eine genauere, in jedem Fall eine andere Wahrnehmung verlangt“, erklärte Bernd Küster vom Oldenburgischen Landesmuseum bei der Ausstellungseröffnung in der Galerie Haas-Hoeppner, Huyssenallee 70. Dabei wirken die Bilder von Albert Schindehütte quicklebendig – und direkt.

Der 1939 nahe Kassel geborene Zeichner inszeniert mit virtuosem Strich Szenen aus Märchen. Er zeichnet bunte Blumensträuße, Porträts berühmter Komponisten und Tiere. Schindehütte geht dabei in mehreren Ebenen vor: Mit freien Bleistiftlinien gibt er dem Motiv halt, das später mit der Tuschefeder aufs Büttenpapier gebracht wird. Dezent koloriert der Künstler im Anschluss die Flächen. Zusätzlich setzt er bekannte Verse und Gedichte in Schönschrift ins Bild. „Lieber Vogel, flieg weiter, nimm einen Gruß und einen Kuss. Denn ich kann dich nicht begleiten. Weil ich hier bleiben muss“, heißt es auf einer Zeichnung mit einem Spatz auf dem Ast – was auch getrost auf Schindehüttes Beziehung zur zeitgenössischen Kunst übertragbar ist. Konsequent bleibt er sich treu. Die Ausstellung ist bis zum 20. Januar 2007 zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Geknickter Raum

Weißes Papier – mehr braucht Norvin Leineweber nicht, um ein schlüssiges künstlerisches Konzept vor Augen zu führen, das sogar noch mit ästhetischen Qualitäten brilliert. In die Galerie Obrist, Rüttenscheider Straße 73, hängte der 38-jährige Künstler aus Aachen jetzt seine „Falzungen“.

Das dicke Papier hat Leineweber lediglich leicht geknickt und beschnitten. Je nach Blickwinkel ergeben sich unterschiedliche Schattenwürfe und Aufsichten auf die monochrome Oberfläche. „Das Licht entfaltet sich“, sagt der einstige Meisterschüler von Günther Uecker an der Kunstakademie Düsseldorf. Eben weil die Bewegung des Betrachters eine Rolle spielt, versteht sich Leineweber als Bildhauer.

Mit seinen Bildern thematisiert Leineweber die Beschaffenheit des Raumes. „Es gibt keine absolute Wahrnehmung“, sagt der Künstler. Jeder verfüge über seine eigene Vorstellung über die ihm ungebenden Wirklichkeit.  „Der Betrachter erzeugt den Raum“, meint Leineweber, der mit ein paar Kniffen und Schnitten am Papier irreale Unräume schafft, in welchem man vergeblich nach Begrenzungen und Maßstäben sucht. „Ich möchte, dass man sich beim Sehen selbst zusieht“, sagt er zu seinen Papierarbeiten – bis zum 19. Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Mit und ohne Brimborium

Kunstwerke wollen nicht nur betrachtet werden, sondern auch anregen, sich mit ihnen auszutauschen. Während Ulla Kalkowskys Malereien im Forum Kunst und Architektur ein stilles Angebot zur Diskussion darstellen, bedrängen die interaktiven Objekte und Installationen von Wolfram Lakaszus den Betrachter am Kopstadtplatz. In der Gemeinschaftsausstellung „Versus“ wird um den Zugang zur Kunst gestritten.

Kalkowsky öffnet mit ihren Bildern Assoziationsräume. Bis zu zehn Farben schichtet sie dabei übereinander. Die Flächen überlagern sich mit freien Formen und bilden den Untergrund für Linien. „Ich verstehe mich als Zeichnerin“, sagt die Essener Künstlerin. Bestimmte Formen aus dem persönlichen Motiv- und Zeichenfundus der Malerin tauchen immer wieder auf. Frei nach Leonardo da Vinci hofft Kalkowsky, dass durch ihre „verworrenen und unbestimmten Dinge der Geist zu neuen Erfindungen wach wird“.

Dabei hilft Wolfram Lakaszus, der im Raum seiner Künstlerkollegin einen „Organon-Kollektor“ aufgebaut hat. Dieser soll angeblich die positive Strahlung aus dem All sammeln. Das sich durch Sonnenenergie drehende Objekt stellt allerdings einen esoterischen Ausreißer dar. Mehr ist Lakaszus daran interessiert, den Ausstellungsbesucher aus der „Ich-betrachte-Kunst“-Position zu reißen. Einmal fertigte er eine mit einem Radarsensor ausgestattete Figur, die  gehörig erschreckt, weil sie sich urplötzlich dem Betrachter zuwendet. Dass man selbst Teil des Kunstwerks ist, wird in der unteren Etage des Forums Kunst und Architektur vorgeführt. Der Bochumer zwängt einen dort auf einen mit roten Leuchtschläuchen markierten Weg. Ein pochender Herzschlag ist zu hören. Wer eine der zahlreichen Lichtschranken durchschreitet, produziert Geräusche. Lichtobjekte kann man mit kleinen Fernbedienungen zum Leuchten bringen. Diese sind für zwei Euro erhältlich.

Lakaszus hat nach eigenen Angaben eine Mission: „Veränderung geht doch. Individuelle Beteiligungsmöglichkeiten aufdecken.“ Dass diese Mission von der Malerin Kalkowsky mit weniger Brimborium erfüllt wird, ist der Clou der Ausstellung – bis zum 12. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Unbekannte Welten

Reisen in die Fremde führen oftmals zu sich selbst. Befreit vom eingeschliffenem Alltag, der vertrauten Umgebung und der Erwartungshaltung der bekannten Mitmenschen kann man in der Ferne manche überraschende Facetten seiner Persönlichkeit freilegen. Für Karin Bergdolt ist dies eine künstlerische Aktion. „Ich war da. Erwischt im Leben“, schreibt sie in zu ihrer Arbeit. Im Kunsthaus Essen animiert sie bis zum 14. Januar zu Reisen in unbekannte Welten.

Ich muss mir selbst zur Sache werden“, lautet der Anspruch. Der Weg ist das Ziel: Drei Monate lang bereiste die 1968 geborene Erlangerin mit dem Fahrrad die Mongolei mit einem Freund. Die inneren und äußeren Erlebnisse dokumentiert die Künstlerin vor Ort mit Zeichnungen, Fotos und Texten. Man sieht Waschbecken, Straßen und ein Getränk, liest „Wind“, „Regen“ und „Männer, die Schauen“. Ein unkonventionelles Reisetagebuch.

Die Route mit ihren Stationen gibt die Struktur vor: Eine Kartografie, aus der sich die Begegnungen mit der Landschaft und den hier beheimateten Menschen herauslesen lässt. Die Spuren der Entdeckungstour haben sich in Form von Schmutzabrieb, Knicken und Wasserflecken eingeschrieben. „Alles schließt sich zu einem assoziationsreichen Geflecht, das vom Betrachter weitergedacht und mit dessen Vorstellungen und inneren Bildern aufgefüllt werden kann“, meint Kunsthaus-Geschäftsführer Uwe Schramm. 

Parallel stellt Christine Clara Oppel an der Rübezahlstraße 33 ihre Klang-Raum-Skulpturen aus. Die Künstlerin will mit ihren Werken die Optik eines Raumes mit „Klangsubstanzen“ vermischen und so komplexe „Erlebnissphären“ schaffen. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 16 bis 18 Uhr. Vom 23.Dezember bis 6. Januar bleibt das Kunsthaus geschlossen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Schöne Illusion

Quer an der Wand hängt eine Zündschnur. Als Susanne Kutter diese zur Vernissage im Kunsthaus Essen ihrer Ausstellung anzündet, brennt sich schmauchend der Schriftzug „We will kill you anyway“ in den Putz. Die Künstlerin (Jahrgang 1971) hat ein Faible für das Spektakuläre, ja Aggressive. Ihr geht es um die Eskalation, um radikale Änderungen gewohnter Zustände innerhalb weniger Minuten.

Dafür scheut die 1971 in Wernigerode geborene Künstlerin keine Mühen. In ihrem Video „Moving day“ filmte sie ein kleinbürgerliches Wohnzimmer mit der Standkamera, wo nach und nach Lampen von der Decke, Bilder von den Wänden und Möbel durcheinander fallen. Das Erdbeben war ein LWK auf Schlingerfahrt, in welchem Kutter das Zimmer installiert hat. Noch zerstörerischer geht es bei dem Video „Flooded Home“ zu, wo sie ein Zimmer in einem leeren Schwimmbecken flutete. Am Ende zeichnet die Unterwasserkamera Bilder von schwebenden Möbeln auf. Dass die Katastrophe zauberhaft anzusehende Resultate erzeugt, ist gewollt: Das unschuldig Schöne ist für Kutter eine Illusion, wie eine Installation nahe legt, die mit ein paar Alltagsgegenständen eine Südseelandschaft in einen Pappkarton projiziert.
Parallel stellt Thomas Zika bis zum 19. März im Kabinett des Kunsthauses seine Fotoserie „Hierogamos“ aus – eine Hommage an Francesco Petrarca, der 1335 nach seiner Besteigung des Mount Ventoux die erste subjektive Landschaftsbeschreibung der Literatur geliefert haben soll. Zika wandelt auf den Spuren des italienischen Dichters und zeigt an der Rübezahlstraße 33 den französischen Berg, die schwerste Etappe der Tour de France, in atmosphärisch dichten schwarz-weißen Fotografien. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Aus der Haut fahren

In dem Video „Rock DJ“ reißt sich Robbie Williams auf der Tanzfläche die Haut vom Körper um die Aufmerksamkeit des Discjockeys zu erregen. Der Popstar trägt seine Haut zu Markte und versucht gleichzeitig, sich aller auf ihn projizierten Fantasien und Erwartungen zu entledigen. Übrig bleibt ein blutiger Klumpen Fleisch. Titus Lerner lässt seine Skulpturen in der Galerie Klose (Rüttenscheider Straße 56) gleichsam aus der Haut fahren. Doch statt gruseliger Selbstzerstörung steht hier die Häutung als positives Ereignis im Vordergrund: als Moment, wo ein Mensch einen Schritt weiterkommt und die Bürde seiner Vergangenheit hinter sich lässt. Daneben formt der 1954 geborene Künstler in seinem malerischen Werk nackte Figuren und kahlköpfige Porträts aus kurzen, pastös aufgetragenen Pinselstrichen, die nachdenkliche und introvertierte, in sich ruhende Menschen zeigen – bis zum 18. März.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Vom Leben und Arbeiten

Wenn ein tabellarischer Lebenslauf mit „Lebt und arbeitet in…“ abschließt, kann es sich nur um die Biografie eines Künstlers handeln. Wobei diese Floskel es durchaus mal verdient, näher untersucht zu werden. Zählt Arbeit nicht als selbstverständlicher Teil zum Leben, so dass sie nicht eigens aufgeführt werden muss? Anders gefragt: Wer „nur“ arbeitet, lebt nicht? Bei Andrea C. Hoffer heißt es „Lebt und arbeitet in Düsseldorf und Tobago, West Indies“ – und hier macht die Beschreibung ausnahmsweise mal Sinn, schwingt in ihr doch schon etwas mit, was den Bildern der 1964 in Bottrop-Kirchhellen geborenen Künstlerin zu eigen ist. Hoffer inszeniert aus dem Zusammentreffen von Vertrautem und Exotischem stimmungsvolle Gemälde, die Räume und Landschaften in ihre Bestandteile erst sortieren und dann auflösen.

Die gelernte Schneiderin, ehemalige Bühnenbildnerin und Meisterschülerin von A.R. Penck malt, was sie in und aus ihrem Atelier mit Meerblick in Tobago sieht: Sitzgruppen mit Korbstühlen, verzierte Fenster und üppig wachsende Natur. Details konfrontiert Hoffer mit abstrakten Schemen. Zimmerpflanzen wuchern ins Bild und vereinen sich mit den Ornamenten der Möbel und Wände. Mit Schlieren quer über den Malgrund erzeugt sie eine flirrende, hitzige Atmosphäre. Fast gerät man bis zum 3. März beim Anblick der Bilder in der Galerie Frank Schlag (Meisenburgstraße 173) ins Schwitzen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Schlampig gemalt, spannend inszeniert

„Es fährt ein Zug nach nirgendwo“, nennt Tobias Hild seine neue Bilderserie in der Galerie Ockhardt – und wie so oft, wird damit der Weg als Ziel ausgerufen. Die ausgestellten Malereien hängen an den Wänden unter Vorbehalt des weiteren künstlerischen Prozesses, der Reifung des Künstlers und der Entwicklung seines Umfeldes. Kurzum: Nichts erscheint auch in seiner Kunst mal wieder fertig, gewiss ist nur, dass es keine Gewissheiten gibt.

Und so flüchtet sich der 1975 geborene Leipziger Maler in technisch schlampig gemalte, dafür aber spontan und spannend inszenierte, romantische-düstere Bildwelten, in denen eine Pferdekutsche durch eine dunkle Schlucht trabt, eine Raumkapsel mit Geweihen in bizarrer Landschaft landet und eine Sonne sich als Mittelpunkt ins Gemälde einbrennt.

Hild studiert nach seiner Ausbildung zum Mediengestalter in Essen Kommunikationsdesign. Im vergangenen Jahr zog er nach Leipzig, wo er seitdem an der Hochschule für Grafik und Buchkunst eingeschrieben ist. Der Maler stellt bis zum 31. Mai bereits zum zweiten Mal an der Kahrstraße 54 aus. Öffnungszeiten: samstags 12 bis 16 Uhr. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Alles Druck

Druck macht Aqua-Tinta. Auf Zeche Zollverein stellt die Frohnhauser Ateliergemeinschaft sowohl herkömmliche Tiefdrucke als auch experimentelle Kombinationen mit anderen Gestaltungsmitteln wie Hochdruck, Collage oder Zeichnung aus.

Seit 1980 beschäftigt sich die fünfköpfige Gruppe in einer von ihr selbst eingerichteten Werkstatt mit künstlerischen Drucktechniken. Die Ansätze der Mitglieder sind unterschiedlich. Während Gerd Glöß Landschaftseindrücke seiner Reisen verarbeitet, thematisiert Ursula Hein-Heusen den Kontrast von geometrischen Formen und malerischen Elementen. In den Arbeiten von Ellen Schierling-Weinreich ist fern-östlicher Einfluss sichtbar. Markenzeichen von Nancy Watts sind großformatige Monotypien. Peter Drolshagen kitzelt Peter Drolshagen neue Eindrücke aus dem Alltag. Die Schau „pressto“ kann bis zum 28. Mai montags von 16 bis 18 Uhr, freitags von 11 bis 13 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 16 Uhr besichtigt werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Zum Todlachen

„Der Tod muss abgeschafft werden. Diese verdammte Schweinerei muss aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter.“ Dieser Forderung Barzon Brocks steht auf einem kleinen Objekt von Matthias Schamp im Treppenaufgang, ein Werk, das in der Schau „Tod“ von der Schippe springt. Denn ansonsten bemüht sich der Ausstellungsmacher und Künstler Karl-Heinz Mauermann darum, den Tod ins Leben zu holen, genauer: in sein Leben. Mit einem Sammelsurium an fremden und eigenen Kunstwerken, Kuriositäten und Alltagsgegenständen blickt er in seinem privaten Wohn- und Atelierhaus an der Byfanger Straße 91 dem Sensemann ins Auge.

Dass in dem 1867 erbauten, einstigen Bauernhaus in den 1990er-Jahre einmal ein Bestattungsunternehmen seinen Sitz hatte, sorgt für ein morbide Grundrauschen. Geräusche spielen im Keller eine wesentliche Rolle als Schnittstelle zwischen dem Dies- und Jenseits. „Das Urteil“ nennt Frank Niehusmann seine „elektroakustische Installation“. Hinter einer verschlagähnlichen Tür hört man jemanden auf einer alten Schreibmaschine seinen Abschiedsbrief tippen. „Hallo?“ versucht hingegen in der Installation von Dirk Schlichting eine Tonbandstimme unentwegt und vergeblich Kontakt mit einem im Flackerlicht „von uns gegangenen“ Menschen aufzunehmen. Jochen Leyendecker beleuchtet von hinten gespenstig Fotos seiner Großeltern. Diese hatten sich vorsorglich noch selbst Leichenhemden besorgt, die schließlich doch nicht nach ihrem Tod angezogen und stattdessen Teil der Installation wurden.

Nicht alle beteiligten Künstler bringen die nötige Sensibilität für das Thema auf. Dies zeigt sich ebenfalls in der „Unterwelt“. Pietätlos  geht Jürgen Kierspel daher, der aktuelle Stuttgarter Todesanzeigen allein unter dem Gesichtspunkt „Namensscherze“ zusammenfügt. Was bei den Namensvettern von Wilhelm Busch, Gerhard Hauptmann, Karl Marx und Richard Wagner schon angestrengt wirkt, entgleitet bei einem Herrn Schwanz und einer Frau Lutscher restlos zur Beleidigung Verstorbener.

Dabei gibt es in der Ausstellung durchaus Werke, über die man sich totlachen kann. Zum Beispiel über die Zeitungsanzeige aus den USA, in der ein gebrauchter Grabstein angeboten wird. „Perfekt für jemanden mit dem Namen Homer Hendel“. Mauermann hängte an die Wand die Werbung für die legendäre Zigarettenmarke mit dem Totenkopf „Death“, stellt in Vitrinen einen Friedhof für die Modelleisenbahn und eine Flasche „Grabsteinreiniger“. Dazwischen findet man Gegenstände, die sonst im Hause auch sonst genutzt werden – zum Beispiel eine Musiktruhe, die in den 60er-Jahren nur „Schneewitchensarg“ genannt wurde. Mauermanns tote Verwandte sind in Familienfotos und Erbstücken ohnehin stets präsent. Daneben gibt es westafrikanische Ahnenfiguren aus der Sammlung Peter Gutsche zu sehen, eine Installation von Martina Achenbach mit gewachster Wäsche aus Nachlässen, Druckgrafiken von Horst Janssen und, und, und - immer mehr Ausstellungsgegenstände. Mauermann berichtet, dass nach der Eröffnung Besucher wiederkamen, im Gepäck mit zum Thema passenden Stücken. Bei der Finissage am 16. Und 17. September im Rahmen der „Kunstspur“ können sie die Werke wieder abholen. Der „Tod“ bittet bis dahin nach telefonischer Absprache unter Telefon XXXX [Hier stand mal eine Nummer, T.S.]  zum Stelldichein. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Verwischte Grachten

Er zerpflückt Räume in ihre konstituierenden und universalen Bestandteile: Jim Harris fängt an der Staffelei das Wesen eines Ortes ein und übersetzt sie sogleich in Malerei. Äste, Geländer und Pfeiler abstrahiert er zu Linien, Wege, Büsche und Wasseroberflächen zu Flächen. Dabei interessiert den 38-Jährigen, der in Amsterdam wohnt, besonders die Oberfläche. Die Reflexionen der Wellenbewegungen in Grachten verwischt er zu Kompositionen. Dabei bleibt der gebürtige Londoner der Figuration treu, die meisten Elemente sind noch erkennbar - wenngleich mehr als eine Art Idee des gemalten Motivs. In der Galerie Kalthoff, Sabinastraße 1, zeigt er seine „recent paintings“ bis zum 31. Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Triumph des Künstlers

Dokumentieren, interpretieren, hochkochen, verreißen: Einflussreich ist die „Kunstzeitung“, die bislang die Künstlerin Miriam Giessler mit keiner Zeile namentlich zu würdigen wusste. Nur in ein einem Kommentar fühlte sie sich erwähnt. „Darin war davon die Rede, dass der Markt viele gute Künstler produziert, die er aber nicht verwenden kann“, erinnert sich die Essenerin. Jetzt hat Giessler die aktuellen Informationen über Kunst selbst in Kunstwerke verwandelt. Mit einer wandfüllenden, bemalte Zeitungscollage und kleineren Arbeiten aus zerrissenen, gekochten und neu zusammengeklumpten Zeitungen interpretiert sie in der Galerie Johannes von Geymüller ironisch bis trotzig ihre Stellung im Kunstmarkt selbst.

Auf die Zeitungscollage malte Giessler ein buntes Mandala: eine Anspielung auf den „Kosmos der Kunstwelt“, wie selbst sagt. Weil der Ausstellungsraum in der Wohnzimmergalerie am Schützdellerweg 11 beengt ist, steht man recht erschlagen vor der riesigen Arbeit. Und etwa so tritt auch Giessler dem Kunstbetrieb gegenüber. Doch aus der Not macht sie eine Tugend: „Wenn der Markt mir nicht nutzt, dann verwende ich eben nur sein Material“, sagt die 1960 geborene Künstlerin, die vor anderthalb Jahren in Essen zusammen mit Hubert Sandmann am Viehofer Platz mit dem „Viadukt“ (Kunst-Stück) Aufmerksamkeit erregte. Die kostenlos in Galerien und Museen verteilte „Kunstzeitung“ dient ihr als Rohstoff  für sensible Collagen und Materialarbeiten. In ihnen werden die Artikel nichtig, die einzelnen Buchstaben und das Papier hingegen wichtig: für das visuelle Erlebnis, für die Entstehung eines Kunstwerks.  Damit wird die Zeitung wieder zu ihrem Ausgangspunkt geführt. Der Triumph des Künstlers über den Kritiker ist unter dem Titel „Druck-Sachen“ noch bis zum 11. März zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Geknetete Leinwand

Rummatschen in der feuchten Erde – diese Kindheitserlebnis setzt Cveto Marsic auf der Leinwand fort. In seinen Malereien scheint sich die Erde selbst mit Erde zu malen. Schlammig trug er die erdige Farbe auf, es bilden sich Furchen und Verwerfungen, man möchte in das Bild wie in einen Acker hineingreifen und den Lehm kneten. Bis zum 5. März stellt der gebürtige Slowene und in Portugal lebende Künstlerin in der Galerie Ricarda Fox, Velberter Straße 66, aus.

Marsics malte einsame Landschaften, durch die sich als einziges menschliches Werk höchstens mal ein Weg schlängelt. Auf der Suche nach den Ursprüngen, nach Verwurzelungen hat er warme, sehnsüchtige Werke geschaffen. Zwar beziehen sich die Werke auf einzelne Orte in Slowenien und in Portugal. Doch dem 1960 geborenen Künstler kommt es mehr darauf an, seine an die Landschaft gebundenen Gefühle zu vergegenwärtigen als sie zu verorten. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Frivole Laune

Spermien, Messer, Senf, Brüste, Peperoni – all dies sind „scharfe Sachen“ im Forum Kunst und Architektur. War es in den vergangenen Jahren „Das kleine Format“, so leisten der Ruhrländische Künstlerbund (RKB) und der Werkkreis Bildender Künstler (WBK) diesmal mit ihrer Jahresschau einen Beitrag zu den Essener Lichtwochen. Die Gedankenkette: Partnerland....Ungarn...Paprika....Scharf...Ausstellung.

28 Künstler beteiligten sich. Manche holten aus der Schublade eine zur Vorgabe passende Arbeit, andere griffen zum Pinsel, um das Thema künstlerisch umzusetzen. Wie auch immer: Man merkt der Schau an, dass es bei der Vorbereitung zuweilen recht heiter zugegangen sein muss. Einige Künstler fühlten sich offenbar in einer selten frivolen Laune und nutzten die Möglichkeit, diese nun offen, ja geradezu erwünscht durch das Kunstwerk ausleben zu können. Aber es gibt auch eine Reihe von Malern, Zeichnern und Bildhauer, die sich der Sache mit schneidendem Ernst widmen.

Wen will man da besonders herausheben? Vielleicht Petra Goebel, die einen jungen Mann mit besonders scharfem Blick ablichtete? Oder Hans-Joachim Kasselmann, der eine Gesteinsformation auf einem Berggipfel als erotischen Höhepunkt fotografierte? Oder Hubert Hillmann, der in seiner Zeichnung aus formalen Strukturen körperliche Strukturen entwickelte? Oder Klaus Heuermann, der die weibliche Scham als Sektglas zeichnete? Oder Angelika Michalski, die Gewürzkörner in Malerei überführt? Oder Steffen Kindt, der den Zusammenhang von Schmerz und Blut mit Körperkult und Sinnlichkeit beim Tätowieren vor Augen führt? Oder Eberhard Bitter, der Akte mit seiner Maltechnik geradezu zerstückelt? Am Besten keinen, wäre nur ungerecht. Also selbst hingehen! – bis zum 23. Dezember. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Untersuchung des Zeichensystems

Sie zeichnet nicht auf, sondern mit Papier. Annette Brandhorst greift mit Papierreliefen oder frei hängenden Papierobjekten das Thema Fläche in verwandelter Form auf. Dabei sorgt die Bewegung des Betrachters oder des Werkes für eine pulsierende Verschmelzung der Installation mit dem Hintergrund – zu sehen derzeit im Kunstraum-Notkirche, Mülheimer Straße 70.

Brandhorst studierte Kunst und Englisch in Münster und wechselte 1981 an die Akademie Düsseldorf, Abteilung Münster. Seit 1992 arbeitet die 1958 geborene Dortmunderin als freischaffende Künstlerin, die insbesondere Zeichen der Zeit mit Formen in Beziehung setzt, die sie selbst aus dem eigenen Malen und Zeichnen entwickelt hat.

Insbesondere sucht sie bei einem langen Vergleichs- und Überlagerungsprozess die formalen Gesetze des Zeichensystems. Dabei führt sie in ihren Malereien, Installationen und Papierobjekten die Abwandlungen on immer neuen Zusammenhängen vor. „Ein Aufmerken gegenüber den Wahrnehmungs- und Formungsprozessen, die selber bildhaft werden und auf das Malen und Zeichnen – oder auf das Leben – zurückwirken“, wie es in einer Mitteilung des Kunstraum-Notkirche heißt. Die Ausstellung ist bis zum 21. Dezember zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Jeder Käufer verändert das Werk

Ein bisschen Geheimnis steigert die Spannung – und so verpackt, wie berichtet, der Rüttenscheider Galerist Torsten Obrist Kunst in Wundertüten, auf denen nur der Name des Künstlers steht. Der umgekehrte Weg wird in Kettwig gewählt. Im Best Kunstraum, Ruhrtalstraße 415, hängen die Werke gut sichtbar an der Wand. Nur wird diesmal der Name des Künstlers vor dem Kauf (100 Euro pro Blatt) nicht verraten.

Man merkt, dass hinter der Galerie zwei sensible Künstler stehen, die aus eigener Anschauung wissen, wie man respektvoll mit seinesgleichen umgeht: Anne BErlit und Peter STohrer. Das Konzept ist jedenfalls meilenweit von der Rüttenscheider Wühltisch-Aktion entfernt. Während dort Bilder von Künstlern, die sich noch keinen Namen gemacht haben, dazu verdonnert sind, verpackt in Tüten den Laden zu hüten, sind in Kettwig auch Unbekannte ein würdevoller Teil des Ganzen. Wie ein großes Puzzle formen sich die Zeichnungen, Collagen, Grafiken und Fotografien im DINA4-Format zu einer großen Installation. Jeder Käufer verändert das Werk. Denn Lücken werden sofort mit neuen Arbeiten gefüllt. Die große Kollektion“ entpuppt sich als eine sich ständig verändernde Gemeinschaftsarbeit von 42 Künstlerinnen und Künstlern. So viele Individualisten unter einen Hut bekommen zu haben, dafür muss man denselben ziehen – bis zum 21. Januar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Bizarre Lebewesen

Aus Kleister und Papier wachsen unter den Händen amorphe Organismen. Ihr Thema ist die Natur, die sie als Struktur und evolutionäres Prinzip reflektiert und transformiert. Der schöpferische Prozess erscheint bei Renate Neuser als der Auslöser von Mutationen. In der Neuen Galerie der Volkshochschule am Burgplatz treten ihre bizarren Lebewesen bis zum 1. Februar gleich im Rudel auf.

Inspirieren ließ sich die 1939 geborene Ex-VHS-Dozentin von Mikroorganismen. Viele Formen des Wachstums bringen ihre Objekte hervor. Manche der 20 grün gefärbten Plastiken auf Stelzen erinnern an Pantoffeltierchen, andere an Bakterien, die sich mit einer Geißel durch die Luft schwingen. Der Titel der Installation „Micromacro“ macht deutlich, dass Neuser im Kleinen das Große benennt. Sie umkreist das „Mysterium unerschöpflich evolutionärer Formenvielfalt“ und „umschreibt das Rätsel letztlich unbekannter Triebkräfte“, wie Ariane Hackstein von der VHS schreibt. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Nachdenklicher Kopf

Eine Schlange windet sich um den Kopf gleich in den Mund eines Mannes. Voll gemampft schaut er aus dem Gemälde mit dem Titel „Kulturhauptstadt essen“. Klaus Ritterbach hat ein drastisches Bild für das Geschacher um Posten und Programme gefunden. Der Düsseldorfer legt mit seinen Werken gern die Finger in Wunden. So malte er einmal apokalyptisch die Sortierstation einer Müllverbrennungsanlage, womit er seine Skepsis gegenüber modernen Industriegesellschaften kundtat. Seine Ausstellung in der Galerie KK, Rüttenscheider Straße 56, widmet sich hingegen seinen ebenso sensiblen wie eindrucksvollen Porträts.

Ritterbusch rollt die evolutionäre und geistige Menschheitsgeschichte auf. Porträtiert hat er vornehmlich Personen, die als Außenseiter durch das Leben gehen und gingen – und erst nach dem Tod, wenn überhaupt, anerkannt werden. Von Affen über Sokrates bis hin zum unbekannten, komplett mit Verbandzeug eingewickelten Künstler reicht das Spektrum. In das Gesicht eines Gorillas schaut man wie in einen Spiegel. Düster wirkt die Totenmaske von Karl Kraus. Optimismus verstrahlt das Porträt von Ritterbuschs lächelnder Freundin. Er selbst setzt sich als nachdenklicher Kopf in Szene.

Dabei malt der 1947 geborene Träger des „Bernhard-Prengel-Preis“ die Porträts in Öl auf Aluminiumplatten. Der Hintergrund ist in monochromen, meist starken Farben gehalten. Zwischen dem extrovertierten Äußeren und den introvertierten, oft wie Bronzeskulpturen wirkenden Köpfen baut sich eine Spannung auf. Mit seiner Malerei setzt er den Porträtierten ein eindringliches, zuweilen aber auch humorvolles Denkmal. Bis zum 14. April. (© NRZ / Tankred Stachelhaus 7. Februar  2007)

Reiseereignisse

Asien, Afrika, Australien und Europa: Michael Siewert kennt sich aus in der Welt. In den vergangenen 15 Jahren bereiste der Künstler die Kontinente. Im Gepäck lagen Kamera und Skizzenbuch bereit. Die Motive aus der Natur, Kultur und Ikonografie hielt er vor Ort fest, um sie im heimischen Atelier zu bunten Ölbilderserien zu verarbeiten. Eine Auswahl seiner Fotos, Druckgrafiken und Gemälden zeigt die Arka Kulturwerkstatt auf Zeche Zollverein, Schacht XII, Halle 12.

Die Werke werden thematisch mit Reiseereignissen zusammengestellt. Passau, Wien, Budapest heißt etwa ein Gemälde, auf dem unter anderem Begegnungen mit einem Trabi, einem Hahn und einem Feuerwehrhelm festgehalten wurde. Dabei zeigt es sich, dass Siewert sich besonders für die kulturellen Identitäten der einzelnen Länder interessiert. Die Lebhaftigkeit der Farben sollen dabei die verschiedenen Kulturkreise widerspiegeln. Bis zum 15. April. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 7. Februar 2007)

Totalitätsversuche

Fragt man Ingo Günther, was er tut, so antwortet er: „Ich bin mir nicht sicher, ob es Kunst ist.“ Dabei ist sein Werk davon gekennzeichnet, Unwissenheit durch Informationen aufzulösen. Ihm geht es um die Aufdeckung globaler Probleme wie Migration, Umweltverschmutzung, Terrorismus und Klimakatastrophen. Der in New York lebende Künstler versteht es, aufwändige journalistische Recherchen in eine eindringliche künstliche Darstellungsform zu überführen. Mit der Schau „Totalitätsversuch 1-3“ gibt der Kunstverein Ruhr am Kopstadtplatz einen Überblick über das Schaffen des 1957 in Dortmund geborenen Grenzgängers.
Künstler, Journalist und Aktivist: Er studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie, war Assistent von Name June Paik, besuchte Flüchtlingslager an der kambodschanischen Grenze, gründete den virtuellen Flüchtlingsstaat „refugee republic“ und den unabhängigen TV-Sender Kanal X in der ehemaligen DDR. Brisanz erhielten seine Arbeiten, als er durch elektronisch bearbeitete Satellitenbilder von Flugabwehraketen bei Syrte erstmals öffentlich Gaddafis territoriale Ansprüche visualisierte.

Im Kunstverein Ruhr geht Günther aufs Ganze. Beim ersten „Totalitätsversuch“ listet er in der Arbeit „Ruhrmensch“ alle im Ruhrgebiet vorkommenden Nachnamen lakonisch auf, insgesamt 195.425 Stück, von Aab bis Zyznowski. Die mittels digitaler Adressbücher am Computer zusammensortierte Namenskolonne auf schwarzen Grund führt die Region auf die teils zugewanderten Menschen zurück, macht sie aber auch unfassbar: Wer nahe herangeht erkennt den Einzelnen, verliert aber den Überblick auf das Ganze – und umgekehrt.  Im zweiten „Totalitätsversuch“ zeigte Günther Fotos von 18 seiner inzwischen 300 Globen aus der Reihe „World Prozessor“. Darauf eingetragen sind beispielsweise Glasfaser-Kabelnetze auf dem Meeresboden, Flüchtlingsströme und alle bisherigen Nuklearexplosionen. Die journalistische Distanz bringt Günther durch die Gesamtschau auf die Erde näher. Im dritten, gerade angelaufenen „Totalitätsversuch“ formen viele kleine Digitaluhren eine irritierende Vorstellung von Gleichzeitigkeit - bis zum 20. August.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Große Füße als Selbstläufer

Beim Aktzeichnen an der Düsseldorfer Kunstakademie hatte Jörg W. Schirmer immer Probleme mit der Standfestigkeit der Modelle. Irgendwie drohten sie optisch auf dem Papier umzukippen. Also verpasste der Essener Künstler den Frauen riesige Füße. Der Notbehelf entwickelte sich zu einer Marotte, zum Markenzeichen, zu einem künstlerischen Konzept: Schirmer setzt Proportionen außer Kraft und extreme Perspektiven dagegen. Überzeugender als in seinen Malereien zeigt Schirmer dies in den Skulpturen. Die Froschperspektive wird zur Überperspektive. Die Frauenakten scheinen mit ihren riesigen Füßen geradezu den Raum zu verformen. In der Galerie Klose, Rüttenscheider Straße, versucht der 38-jährige Maler und Bildhauer, aus den großen Fußstapfen seiner eigenen Werke zu treten.

Schirmer experimentiert mit neuen Ausdrucksformen. Denn wie jede Marotte drohen auch Schirmers große Füße zu einem Selbstläufer zu werden. Dieser künstlerischen Sackgasse ist sich der Essener offenbar bewusst. Für die Suche nach mehr Bedeutungsebenen in seinem Werke steht schon der Ausstellungstitel „Fundamentales“, grafisch in der Einladungskarte unterteilt als „Fun“, „damen“ und „tales“. Auch Schirmer selbst erscheint mehrfach: Mit Turban und langem Bart gibt er vom Kopf her den Taliban-Kämpfer, vom Hals abwärts erweist er mit Fliege und Nadelstreifen der Dandy-Mode seines Meisters Markus Lüpertz Referenz – wenn auch in einer etwas verlotterten Variante.

Die politische Symbolik reicht bis ins Werk herein. So verweist nun eine mit „Stars & Stripes“ bemalte Figur auf die USA. Während dieser Ansatz etwas bemüht wirkt, erscheint Schirmers Erweiterung seines Oeuvre auf das Medium des Reliefs als ausdrucksstarke Variation seines Hauptthemas. Insgesamt lässt sich bis zum 11. September an der Rüttenscheider Straße 56 ein Künstler am Scheideweg sehen – was die Ausstellung recht spannend macht.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Auratische Atmosphäre

Beim Schlafen verstellt sich der Mensch nicht. Wer einen Schlafenden beobachtet, dringt in seine intimste Sphäre vor. Es bedarf einiges an Fingerspitzengefühl, bei der Darstellung einer solchen Situation nicht ins Voyeuristische abzugleiten. Dies ist Nils Klinger gelungen. In der Galerie Ockhardt Temporary, Rüttenscheider Straße 128, verdichtet der 1976 geborene Fotograf die Schlafbewegungen in sensiblen Bildern.

Klinger hat Freunde und Freundinnen beim Schlafen fotografiert. Dazu wurde ein Zimmer schwarz ausgekleidet und ein Bett schwarz überzogen. Nur eine Kerze beleuchtete die nackten Schlafenden. Mehrfach belichtete der Künstler den Film. Die ständigen Bewegungen des Körpers sorgten für einen sanften Schleier auf den großformatigen Fotografien, die Zeit und Raum festzuhalten scheinen. Der Träger des Kasseler Kunstpreises 2003 versteht es dabei, mit seinen Bildern eine auratische Atmosphäre zu entfalten – bis zum 15. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Kalkül und Präzision

„Was du siehst, ist was du siehst“, lautet das Motto der Minimal Art. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Bei Rainer Spitt sieht man eine rote Farbfläche, die auf dem Boden des Ausstellungsraumes verläuft. Das war’s. Das war’s? Mit seinen Ausstellungen etablierte der Kunstverein Ruhr am Kopstadtplatz eine Konzeptkunst, die durch die Reduktion eine spektakuläre Wirkung erzielt. Waren es in der Vergangenheit hingeworfene Neonröhren, hinzugestellte Stützpfeiler oder rote Strichlinien an den Wänden, so ändern nun sieben ausgeschüttete Farbeimer à 30 Kilo die Wahrnehmung des Raumes.

Splitt schuf einen festen roten Farbsee, in dem sich der Raum im „Forum Kunst und Architektur“ spiegelt und der auf die Wände rot abstrahlt. Anhand der Farbverläufe kann nachvollzogen werden, wie das Werk entstand: In einer Ecke beginnend, schüttete der 1963 in Celle geborene Künstler beim Gehen einen Eimer nach dem anderen aus. Was lapidar klingt, ist immanent für das Werk des Berliners: Kalkül und Präzision, die Zähflüssigkeit der Farbe und einige nicht ganz zu kalkulierende Faktoren bestimmen den „Malprozess“. Dies verdeutlicht Splitt auch mit zwei an der Wand aufgehängten Kästen, in denen die Spuren von grüner und blauer ausgeschütteter Farbe haften blieben. „Mein mobiler Ausstellungsraum“, lacht Splitt. Laut des Kunsttheoretikers Michael Stoeber vereinigen sich in seiner Kunst „Minimal Art und Aktionskunst, Kalkül und Zufall, Farbe und Linie, Bild und Plastik, Sinnlichkeit und Spiritualität“. Die rote Farbe kann bis zum 12. September am Kopstadtplatz besichtigt werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Herr Maron ist da

Wie sich die Zeiten ändern: Als vor zwei Jahren bei einer Vernissage zur später Stunde ein Herr mit grauem Zopf eintrat, stürzte Dirk Ockhardt an sein Handy, um einen seiner gerade mal abwesenden Fotokünstler wieder in die Galerie zurück zu beordern. Er flüsterte hektisch: „Komm, ist wichtig, Herr Maron ist da!!!“

Nun ist der Herr wieder da, doch der Zopf ist ab, Dirk Ockhardt nach Greifswald verzogen und die kleinste Galerie Essens an der Kahrstraße 54 heißt nun „zone E“. „Ich war immer fasziniert von dem Raum“, lächelt Knut Maron, der Galerist. 

Vier Ausstellungen im Jahr sollen sich „kompromisslosen, radikalen Positionen im Kontext der zeitgenössischen Kunst“ widmen. Zu sehen gibt es Malerei, Bildhauerei, Fotografie und Raumkunst von Künstlern, die nach Meinung des hauptberuflich als Fotoprofessor in Wismar arbeitenden Galeristen eine größere Aufmerksamkeit verdient haben. „Der Markt interessiert mich nicht, weil mich die Kunst interessiert“, erklärt Maron. Im kommenden Jahr will er in Berlin auch eine „zone B“ eröffnen.

An der Kahrstraße setzt der in Essen lebende Maron auf den Vitrinencharakter der abends beleuchteten ehemaligen Imbissbude. Einen Besichtigungstermin jenseits der Verni- und Finissagen gibt es nur nach Absprache unter Telefon XXXX. Dreh- und Angelpunkt der Galerie soll aber die Homepage www.zone-e.info sein.

Zum Auftakt gibt es „Segmente, Sequenzen, Sedimente“ von Klaus Küster. Die experimentellen Fotografien entstanden größtenteils ohne Kamera, sondern nur mit Fotopapier, Fotochemikalien und dem Licht eines Feuerzeugs – bis zum 21. Januar 2006. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Gemaltes Tagebuch

„In einem halben Jahr landet die ganze Soße wieder auf dem Markt. Nur will sie dann keiner mehr haben“, prophezeit Ricarda Fox den Kollaps des Leipziger-Schule-Booms. Noch ließen sich unbesehen Kunstwerke für astronomische Summen verhökert, sofern deren Urheber nur den Anschein erwecken, zu sächseln. Nach Qualität frage zurzeit keiner, junge Talente würden vom Markt verschluckt und wieder ausgespieen. Die Werdener Galeristin hat nunmehr zum 4. Mal ihre Galerie in eine Förderkoje für junge Künstler der Burg Giebichstein verwandelt, jener Hochschule der Künste in Halle, die auch ins Fadenkreuz von Händler ostdeutscher figurativer Malerei zu geraten droht. An der Velberter Straße 66 gibt sie Jörg Kutschke bis zum 3. Juli Raum zur Entwicklung.

Kutschke schreibt Tagebuch auf der Leinwand. Während andere in ein Heft notieren „Ich habe heute einen Motorradfahrer mit gelben Helm gesehen“, malt er einfach gelben Helm. Rund 180 solcher Nebensächlichkeiten sind auf diese Weise in den Mittelpunkt gerückt werden. Motive sind Eiswaffeln, Strichcodes, „Play“-Tasten oder Luke Skywalker. Inspirationen holt er sich im Kinderzimmer. Er malt Puppen, aber auch großflächig Playmobilfiguren, die „um die Wette rennen“, so lautet ein Bildtitel. Kutschke (Jahrgang 1972) verarbeitet Einflüsse in einer kindlichen, bunten, unselektierten Weise. Eine bedeutende Rolle spielen in seinem Werk auch westliche Marken, Personen und Symbole. In seiner großen Arbeit „Motor Bizzaro“ gruppieren sich Fußballspieler, ein Plattencover der „Beastie Boys“ und Verweise auf Elvis, Andy Warhol und Cowboys um einen riesigen Turnschuh. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Wo sich Kunst entfaltet

„Gewagt“ findet Sybille Spelsberger, dass Galerist Torsten Obrist ihre Malerei mit Möbel-Objekten von Horst Meyrahn konfrontiert. An der Rüttenscheider Straße 73 flammt die Streitfrage wieder auf, ob es Künstlern zugemutet werden kann, in einen Topf mit Designer geworfen zu werden. Und ob sich Kunst am besten an Galeriewänden oder in Museen entfaltet oder vielmehr dort, wo sie letztlich nach dem Verkauf konsumiert wird: im Wohnraum.

Genau dafür suchte Meyrahn eines Tages vergebens eine passende Lampe. Uns so fasste der gelernte Chemiker und Angestellte beim RWE-Konzern den Entschluss, selbst eine Leuchte zu bauen. Eigens entwickelte der 51-Jährige einen besonderen Kunststoff mit Sandpartikeln, der sich leicht bearbeiten lässt und zu einem verblüffend nach verwitterten Stein aussehenden Material aushärtet. „Unikatmöbel aus gefalteten Stein und Metall“ nennt Meyrahn seine Tische, Sitzbänke und Hocker, die durchaus das Potenzial hätten, für Furore auf dem Möbelmarkt zu sorgen - wenn er denn damit in die Serienproduktion ging. 

Einzelstücke produziert auch Sybille Spelsberg, und auch sie entwickelt für die Werke ihr eigenes Material. Anstatt sich wie viele Künstler vom Angebot des Kunstbedarfhandels abhängig zu machen, mischt sie Marmormehl, Wachs, Eisenpartikel, Erde oder Eierschalen zusammen. Aufgetragen auf die Leinwand, entstehen warme, unfigurative Bilder, die die Gestik der Künstlerin in ertastbare Formen übertragen – bis zum 23. Juni.(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Eingeschmolzen

Für eine Bildhauerin muss es schmerzlich sein, das Material bei der Arbeit nicht anfassen zu können. Aber Verbrennungen durch Temperaturen von über 900 Grad Celsius würden vermutlich noch mehr wehtun. Seit Anfang der 90er-Jahre formt Heide Kemper Glas zu Objekten mal mit künstlerischem, mal mit dekorativem Anspruch. In der Arka-Kulturwerkstatt, Zeche Zollverein, Schacht XII, stellt die 53-jährige Dortmunderin bis zum 27. August unter dem Titel „Licht und Schatten“ aus.

Was Wald, Wiese und Schrottplatt hergeben, schmilzt sie zwischen zwei Glasplatten ein: Pflanzenblätter, aber auch Metallplatten und farbige Oxide ergeben zusammen mit Luftblasen auffällige Kompositionen. Kemper lässt zudem Glasfiguren Tango tanzen und als Silhouette an einer Säule lehnen. Daneben produziert sie Schalen, Briefbeschwerer und bunte Stangen, die man in den Blumentopf stecken kann. Wie gepfählte Totenmasken erscheinen ihre Gesichtsabdrücke auf Stäben aus der Reihe „Gesichter des Krieges“. Das beklemmende Gedicht „Der Kinderkreuzzug“ von Bertolt Brecht inspirierte sie zu einer Installation mit verformten Flaschen. „Sie erinnern mich an fliehende, menschliche Gestalten“, sagt Heide Kemper. Die Öffnungszeiten können während der Ferien unter Telefon XXXX erfragt werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Gemalter Gedankenstrom

Ins Zentrum des Universums sind die beiden Astronauten vorgedrungen. Von der kargen Oberfläche eines Planeten aus blicken sie in ein hell strahlendes Licht. „Hier finden sie die letzten Antworten“, ist sich Wulf Golz sicher. Wer den Raumfahrern in dem surrealistischen Science-Fiction-Fantasy-Bild noch einige Fragen mit auf den Weg geben will, hat dazu noch Gelegenheit bis zum 30. Januar im Forum Kunst und Architektur. Gezeigt werden am Kopstadtplatz Malereien, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien, Objekte und Installationen der Mülheimer Künstlergruppe „vorläufig“.

Die Gruppe „vorläufig“ setzt auf kein übergreifendes Konzept, sondern auf gegenseitige Inspiration. Ihre Werke begreifen die sechs Mitglieder als einen Zwischenschritt auf dem Weg zur Perfektion. Für diesen prozesshaften Ansatz steht Hermann-Josef Keyenburg. Seine Bilder vergleicht der Maler mit dem James Joyce’schen „Gedankenstrom“. Was gerade durch den Kopf gehen, wird sofort auf die Leinwand gebracht. Und so wurde aus dem Einfall, dass durch zwei Buchstaben mehr aus einem Schlosser ein Schlossherr wird, ein Gemälde eines Arbeiters, der ein Schloss auf seinen Schultern trägt.

Sehnsüchten widmet sich hingegen Ralf Raßloff. Der Fotokünstler zeigt Orte, wo die Seele wie von selbst anfängt zu baumelt. Doch die sperrigen Titel verraten, dass es sich um Betrug handelt. „Der Dinge romantisches Herz oder der Verlust des falschen Zaubers und seiner verdächtigen Innerlichkeit“ nennt sich ein lauschiges Plätzchen, eine Bank unterm Baum mit Blick hinab ins Tal, das Raßloff aus vielen Postkarten und Imagebroschüren am Computer zusammensetzte.

Mit dem Medium der Fotocollage beschäftigt sich auch Barbara Deblitz. In einer Diaprojektion schichtete sie alte Familienfotos derart übereinander, dass sich Vater, Mutter und Kind zu einem neuen Familienmitglied formen. In einer weiteren Fotoarbeit schickte Deblitz ihre Tochter auf die Straße: in selbstgefertigten und auf die Größe von Erwachsenen gebrachten 50er-Jahre-Puppenkleider. Die entsetzten Blicke der Passanten sollen dokumentieren, dass die kindlichen Zukunftserwartungen mit der Realität kollidiert sind.

Dass die Realität subjektiv gefärbt ist, sieht man an den abstrakten Landschaftsbildern von Vera Herzogenrath. „Ich filtere meine Eindrücke“, erklärt die Malerin, die aus der Erinnerung heraus vielschichtige Farb- und Raumerlebnisse in großen Formaten schafft. Vanessa Höttger schließlich orientiert sich bei der Wahl ihrer Mittel an dem Motiv. Ihr Repertoire umfasst Gegenständliches und Abstraktes, Leinwand- und Objektarbeiten – „vorläufig“ jedenfalls. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Vibrierender Raum

Linien, Flächen, Farben… aber wie er sie inszeniert! Michael Jäger berauscht in der Galerie Frank Schlag mit verführerisch schöner Malerei aus wenigen Grundelementen. Effektvoll pinselt der 50-jährige Kölner viele Schichten hinter eine Acrylglasscheibe. Räume in Räumen entstehen, verschachtelt, schemen- und rätselhaft. Dabei setzt der Künstler mit der antiquierten Technik der „Hinterglasmalerei“ sein Werk in Beziehung zu der heute verbreiteten Diasec-Rahmung von Fotografien.

Bekannt wurde Jäger vor allem durch seine Wandmalereien. Mit farbigen geometrischen Mustern verstand er es, Räume aufzuwerten und ihnen Tiefe zu verleihen. Die Arbeiten könnten als Statement eines bildenden Künstlers verstanden werden, Wände nicht allein Anstreichern zu überlassen. Inzwischen, so scheint’s, widmet er sich aber vorzugsweise dem Gemälde. Die raumverändernde Motivation hat Jäger aber beibehalten, wenn auch umformuliert: Die  Raster aus zahllosen, wackelig mit der Hand gezogenen waagrechten und vertikalen Linien, die farbigen und ungleichmäßigen Flächen, die Schwerpunkte aus organischen Formen – all sie bringen die Bildfläche und den umgebenen Raum zum Vibrieren. Es geht nicht mehr um die Erweiterung des Raums, vielmehr verdichtet und intensiviert Jäger dem vorhandenen Raum.
Die Ausstellung ist unter dem Titel „Bloom und Ornet“ bis noch bis Donnerstag, dann vom 1. bis 12. August an der Meisenburgstraße 173 zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Vielfalt XXL

„Format XS“ nennt sich die Gemeinschaftsausstellung des Ruhrländischen Künstlerbundes (RKB) und des Wirtschaftsverbandes Bildender Künstler (WBK), aber angesichts der Anzahl der beteiligten Künstlerinnen und Künstler müsste man eher von „Format XXL“ sprechen. „Wir wollen die Vielfalt zeigen“, sagt Lore Klar vom WBK. 60 Maler, Fotografen und Bildhauer zeigen im Forum Kunst und Architektur (Kopstadtplatz) bis zum 23. Dezember ihre auf das Format ein Meter mal ein Meter begrenzten Werke.

Das Spektrum ist entsprechend breit. Thomas Ohlert überführt die Erkenntnis „Die meisten Unfälle passieren im Haushalt“ auf die Leinwand, Franz-Josef Kampmann aktualisiert Blechkriegsspielzeug um „Weiche Ziele“ und Computerspiele, Bettina Zachow steckt alte Seifenstücke in Taschen aus geflochteten Haaren, und Georg Schreiber verfolgt mit der Kamera das Leben von der Wiege bis zur Bahre und noch darüber hinaus. Separat zeigt Katarina Ebel in einem sonst nur als Abstellkammer genutzten schlauchförmigen Raum ihre Installation „Heimatstube“, mit Blümchenmuster an dem Wänden, alten Ohrensesseln und Fotografien aus Siebenbürgen.(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Licht

Wenn man auf die Hohlspiegelobjekte von Adolf Luther zugeht, stößt man ein, zwei Meter davor auf ein Hindernis: ein imaginäres Bild im Raum. Dieses Phänomen konnte sich der 1990 gestorbene Künstler selbst nicht erklären. Er nutze es aber, um seine Theorie der Materialisierung von Licht praktisch zu untermauern. In der Ausstellung „Licht – Light“ zeigt die Galerie Neher, Moltkeplatz 61, bis zum 15. Januar neun Licht- und Kinetik-Künstler, die sich – manchmal eher im weitesten Sinne - mit der Wirkung von Licht und dem Verhältnis von Licht und Raum auseinandersetzen. Neben Luther sind dies Günter Dohr, Albert Hien, Hans-Martin Ihme, Heinz Mack, Christian Megert, Otto Piene, Jan van Munster und Peter Vogel.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Kreuz und quer

Wer in diesen Tagen auf Eiersuche geht, wird zumindest in der Galerie Obrist schnell fündig. In einer Ecke findet sich das Ei des Dieter Kränzlein. Das stachelige Exemplar hat der 1962 geborene Bildhauer aus Stuttgart gewissermaßen als Ostergruß platziert, ansonsten konzentriert sich sein Werk vornehmlich auf ungegenständliche und geometrische Skulpturen."Form, Struktur und Bewegung" sind für Kränzlein die Inhalte seiner Kunst, die er mit der Flex aus dem Muschelkalk offen legt.

Das spröde Material bildet die Basis von zwei Werkgruppen. Zum einen schneidet und poliert er aus einem Block Skulpturen, die wie aufeinander geschichtete Schieferplatten aussehen. Zum anderen fertigt Kränzlein Quader an, in die er mit den rotierenden Scheiben Linien fräst - mal vertikal und horizontal Linie neben Linie, überwiegend aber wahllos kreuz und quer. Doch letztlich folgen beide Werkgruppen einem Prinzip: Der strengen geometrischen Form steht eine "verletzte" Oberfläche gegenüber, die ihrerseits durch die scharfen ins Material hinein gefrästen Kanten selbst verletzen kann. Aus dem Aufeinandertreffen von polierten Oberflächen und brüchigen Kanten beziehungsweise rauen Strukturen und klaren Begrenzungen beziehen die Skulpturen ihre Spannung - bis zum 9. April an der Rüttenscheider Straße 73. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Verstehen zerstört

Ein Kampf mit Laserschwertern? Effektvolle Diskobeleuchtung? Explodierende Neonröhren? „Hinters Licht“ will die gleichnamige Ausstellung im Kunstverein Ruhr mit einer Installation von Jean-Francoise Guiton führen. Dabei setzen zwei sich überlagernde Videoprojektionen von ständig rotierenden Röhren den Raum am Kopstadtplatz bis zum 16. Januar in Bewegung.

„Ping, ping“ schallt es dazu aus Lautsprechern – jenes Geräusch, das beim Einschalten von Neonröhren entsteht und einem bei kaputten Exemplaren zur Weißglut treiben kann. Dies kann der Betrachter allerdings abstellen: Sobald er das computeranimierte Bild eines flügelschlagenden Schmetterlings in der Raummitte betrachtet, setzt das nervige Geräusch samt Röhrenprojektion aus. Für den 1953 geborenen, jetzt in Bremen lebenden Künstler ist dies mit zirpenden Grillen vergleichbar, die verstummen und sich damit verbergen, wenn man sie ausfindig machen will.

Die komplexe Medieninstallation spielt mit optischen Reizen, der Neugierde und mit Entzugserscheinungen. „Es ist vor allem das Bedürfnis, etwas genau zu untersuchen, festzuhalten oder besitzen zu wollen selbst, das die Projektion und Töne dieser Installation verlöschen lässt“, schreibt Kurator Peter Friese im Begleitkatalog zur Ausstellung. Kurzum: Sobald man versucht, die Installation von Guiton zu verstehen, wird sie zerstört. Der Mensch ist Teil der Kunst lautet die Botschaft, und als solcher ist er im Vornhinein befangen. In der Konsequenz dieses subjektiven Kunstverständnisses liegt es, dass Assoziationen des Betrachters zum Werk gehören. Also zieht die Laserschwerter! (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Interaktion der Farben

Auch wenn sich seine Filme nicht mit Hollywood-Produktionen messen lassen wollen, so hat Raimer Jochims doch zumindest früh deren Gesetz der Serie vorweg genommen: Nach dem 1972 gedrehten „Isar I“ folgte im gleichen Jahr „Isar II“. Zwei Jahre später legte er noch die „Mainstudien“ nach. Kassenschlager waren diese Filme nie. Im Gegenteil, sie wurden bislang nicht einmal öffentlich gezeigt. Das ändert das Museum Folkwang: Diesen Freitag gibt’s ab 18 Uhr an der Goethestraße 41 eine einstündige Uraufführung der genannten Werke – 34 Jahre nach ihrer Entstehung.

„Die Filme haben viel mit meiner damaligen Malerei zu tun. Bei beiden steht die Farbe im Mittelpunkt“; sagt der Künstler, der mit analytischer Kunst seit den 60er-Jahren die materiellen und geistigen Grundlagen der Malerei erforscht „Bei den Bildern arbeite ich mit Verläufen über die ganze Fläche, dem entspricht, dass die Filmsequenzen nicht geschnitten sind“. Stattdessen gibt’s Auf- und Abblendungen. An die Stelle der visuellen Bewegung durch die Interaktion der Farben tritt nach eigenen Angaben die Bewegung des Motivs und der Kamera. Wer einen Vergleich mit Jochims malerischen Werk ziehen will: Einige seiner Werke sind derzeit in der Ausstellung „Farbe+“ im Kunsthaus Essen zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Inkompatible Schnittstellen

Da hat man schon Hunderte Ausstellungen gesehen und meint nun, aus dem Steggreif zu jedem Kunstwerk eine gehaltvolle Bemerkung machen zu können. Aber von wegen: Zu den Bildern mit den bunten Farbklecksen, den Kringeln und Kreisen, den immer wiederkehrenden Worten „Sex“, „Hunger“ und „Tod“ will einem partout nichts einfallen. Vergeblich versucht man, eine Schublade zu finden. Und so lächelt man den Galeristen Gerd Schütte an der Hauptstraße 4 in Kettwig verlegen an und hofft inständig, dass dieser kein Gespräch über die Werke von Thom Barth sucht.

Dieser, angereist aus Friedrichshafen, sitzt bei der Vernissage mit seiner Tochter im Garten und will Gott sei Dank auch nicht über seine Kunst reden. Stattdessen philosophiert er über die Informationsgesellschaft und darüber, dass jede Generation ihre eigenen Kommunikationswege und Interessen hat. „Sehen sie hier meine Tochter, bei der dreht sich momentan alles ums Handy!“. Derart vorgeführt, blickt die Teenagerin kurz von ihrem Mobilfunkgerät auf und grinst in die Runde. „Da komme ich nicht mehr mit“, sagt Tom Barth.

Steckt vielleicht in diesem Stoßseufzer eines genervten Vaters der Schlüssel zum Werk? Ist es paradoxerweise so, dass nur derjenige Zugang zu den Arbeiten findet, sie versteht, der nichts versteht? In der Tat ist in seinen Bildern alles darauf ausgerichtet, Schnittstellen anzubieten, die sich letztlich aber als inkompatibel mit dem Leben des Betrachters erweisen. Barth beschäftigt sich jedenfalls augenfällig mit der Reizüberflutung und mit der Schwierigkeit, aus dem zunehmenden Informationsangebot Relevantes herauszufiltern. Verfremdete Bilder von den Osterinseln und dem Irakkrieg verdeutlichen, dass die meisten Orte und Ereignisse nur in den Medien und nicht im Alltag des Menschen präsent sind – bis zum 4. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Trügerischer Schein

Der „Bauhaus“-Stil knüpft im Ruhrgebiet weniger an die berühmte Dessauer Schule als vielmehr an die gleichnamigen Laden an. Wer billig ein Zechenhäuschen erwarb, der stattete es oft mit dem ganzen Arsenal der Baumarktkette aus. Wintergärten, Vordächer und frische Farben trieben die Freude am Eigenheim in die Höhe - und die Denkmalschützer aus ihren Amtsstuben. Slowomir Elsner hat für diese Art der „Verschönerung“, besser gesagt: „Beschönigung“ sowohl ein Auge als auch ein Faible. In seiner Abschlussausstellung im Kunsthaus Essen konfrontiert der Stipendiat „Junge Kunst in Essen“ mit „Rot Weiß“ bis zum 29. Mai das Allgemeine mit dem Individuellen.

Seinen gekonnten Umgang mit dem Skurrilen bewies der 1976 in Polen geborene Künstler, der jetzt in Berlin lebt, schon bei seiner Antrittsausstellung. Dort hatte er Fotos von sieben Hochzeitspaaren aufgehängt, um die sich – erst bei näheren Hinsehen erkennbar – immer die selbe Familie gruppierte. Zuvor hatte Elsner sich selbst in der Arbeitskleidung unterschiedlicher Berufe fotografieren lassen – eine humorvolle Annäherung an das Thema „Ich und die Uniform“, die nun an der Rübezahlstraße 33 auf Reihen- und Zechenhäuser übertragen wird. Es sind die Bewohner der Gebäude, die der negativ empfundenen, genormten häusernen Uniform ihrer Persönlichkeit anpassen wollen. Elsner greift in seiner Malerei dieses Phänomen durch aus dem Zusammenhang gerissenen Häuserensembles mit bunt bemalten Türen oder Balkonen auf. Eine Rauminstallation stellt einen selbst in den Mittelpunkt einer Verschönerungsaktion. Daneben zeigt Elsner Grafiken von Menschen, die offenbar einen wunderschönen Sonnenaufgang beobachten. Doch der Schein trügt. Die Zeichnungen entstanden nach der Vorlage von Atomtests aus den 50er- und 60er-Jahren. Dass nebeneinander von „Faszination und Grauen, von Schönheit und Schrecken“, wie es im Ausstellungstext heißt, gibt’s offenbar nicht nur beim Hausausbau.

Parallel zu der Ausstellung von Elsner steht im Kabinett der Trostautomat von Jennifer Baumeister. Die Studentin der Kunsthochschule Berlin-Weißensee hat tröstende Worte von rund 100 Kindern, Männern und Frauen auf Video aufgenommen. Wer an ihren Trostautomaten „Comfort XxL“ tritt, hört ermunterndes wie „Ich finde dich toll und mag dich“. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Geist von Materie getrennt

Unnütz, aber zu schade zum Wegwerfen: Der Heimcomputer aus den 80er-Jahren wird bei jedem Umzug von Keller zu Keller getragen – gewissermaßen als Erinnerung an durchspielte Donkey-Kong-Nächte und alberner, selbst geschriebener Basic-Programm. Doch damit ist nun Schluss. Die Installation von Susanne Wackerbauer im Kunsthaus Essen schafft Platz im Kopf und im Keller. Ihr „metArchiv“ trennt Geist von Materie, Erinnerungen vom Objekt und mich vom C64. 

Wackenbauer stapelte in der sehenswerten Gemeinschaftsausstellung „In den Raum gedacht“ auf Paletten 150 durchnummerierte Pappkartons über- und nebeneinander. Viele Kuscheltiere, Fotoalben, Briefe und Modelleisenbahnen, aber auch ein ganzes Motorrad sind darin verstaut, rein virtuell versteht sich. Auf der Internetseite www.metarchiv.de kann jeder die Kisten befüllen. Mit dem Wissen, dass die Erinnerung an den lieb gewonnenen Nippes im weltweiten Datennetz aufgefrischt werden kann, „fällt es vielen leichter, loszulassen“, hat Wackerbauer beobacht.

Mit Erinnerungen spielt auch Jochen Mura. Auf seinen Fotos sind Überreste von abgebrochenen Häusern zu sehen. Erkennbar ist, wo einmal eine Treppe befestigt war, im Bildhintergrund wird bereits ein neues Gebäude errichtet. Bei einer maßstabsgetreu nachgebauten Schornsteinattrappe ist nicht klar, ob die noch im Inneren eines Giebels in Funktion sein oder als Überrest aus Bauschutt herausragen könnte.   Muras Werk eröffnet einen teils humorvollen, teils melancholischen Blick auf das Werden und Vergehen des Stadtraumes.

Wer schon immer die Welt durch die Augen von Melanie Wiora sehen wollte: An der Wand hängen Fotos, die die Straßenzüge und Landschaften abbilden, die sich in der linken Pupille der Kölner Künstlerin spiegelten. Ihr Auge wird zur Schnittstelle zwischen Künstlerin, Betrachter und Raum.

Raum ist auch in der kleinsten Hütte, etwa in den drei „Oktabinen“ Joanna Schulte. In den Pappkabinen mit einer Grundfläche von wohl nicht mehr als einem Quadratmeter brachte die Künstlerin aus Hannover eine Animierbar mit drehender Tanzfläche, eine Kneipe mit Würfelspiel und ein Fernsehraum mit Aquarium unter. Auf eine Palmeninsel entführt hingegen die Installation von Kirsten Krüger – bis zum 17. Juli.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Gefährt der Seele

Das Auto ist die Verlängerung der Wohnung. Mancher Fahrer empfindet darin selbst den Weg zur Arbeit noch als Freizeit. Hier sitzt er mit Lieblings-CDs und Duftbaum. Durch die Autoscheibe hat Gosbert Adler das Innere der "Gefährte der Seele" fotografiert. Mit der Kamera verewigte er volle Aschenbecher, herumliegende Notizen und Getränkeflaschen. In der Scheibe spiegeln sich Straßenzüge, auf der Oberfläche der glänzenden Fotografien in der Galerie Obrist, Rüttenscheider Straße 73, wiederum die Betrachter. Bis 6. November. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Geformte Stadt

Sein Atelier, das ist die Stadt. Mit der Staffelei steht Jim Harris in Parks, auf Straßen und unter einer Eisenbahnbrücke. Hier entstehen schnell gemalte Gemälde, die sich an den formalen Gesichtspunkten einer menschlich geprägten Landschaft orientieren. Dem 38-jährigen Briten mit Wohnsitz in Amsterdam kommt es dabei auf die Komposition im Wandel an. Er lässt öffentliche Räume auf sich wirken, erfasst die diagonalen und vertikalen Verstrebungen der Brücke oder die Geometrie der Straßen – um sie wieder aufzulösen und punktuell zu verwischen. Es sind ungestüme Bilder, die den Prozess des Malens einfangen. Dadurch rückt Harris den in seinen Bildern abwesenden Menschen wieder in den Mittelpunkt: Der Mensch formt durch sein Handeln die Stadt.

„Inside - outside“ heißt bis zum 31. Oktober die dazugehörige Ausstellung in der Galerie Kalthoff, Sabinastraße 1, und während Harris „draußen“ bleibt, tobt sich Michael Meyer im „Inneren“ aus: Nach Vorlage von Fotos malt der 1969 geborene Mülheimer in seinen jüngsten Arbeiten vornehmlich Innenräume – etwa aus der Würzburger Residenz oder der Istanbuler Moschee Aya Sofia. Dabei versteht es der 1969 geborene Mülheimer, den Moment des flüchtigen Betrachtens zu konservieren. Unwichtiges verschwindet als Leerstelle auf der Leinwand, Details wie kleine Engel einer Barockkuppel verschmelzen zu Farbflecken, einem Lichtstrahl durch die Aya Sofia folgt Meyer mit einem Wisch über den Malgrund. „Ich versuche, den Eindruck der Skizze auf die Leinwand zu übertragen“, sagt Meyer. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Meditative Litanei

Dass eine Kopie ein Original sein kann, zeigt Stefan Pietryga in der Galerie Heimeshoff. Dem Seriellen drückt der 1954 geborene Künstler nicht nur seinen Stempel auf, das Serielle ist auch seine Handschrift. Bekannt wurde er durch seine hölzernen oder bronzenen „Pappel“-Skulpturen, ein Thema, das Pietryga inzwischen als abgeschlossen betrachtet:  Im Schaufenster am Kennedyplatz bläst eine goldene Figur jenen Baum, der zur Marotte werden drohte, einfach um. Doch das Hauptthema ist geblieben: die Wiederholung und die Vervielfältigung.

Kopieren heißt für Pietryga nicht fälschen, sondern interpretieren. Nach der Vorlage von Zeitungsfotos zeichnete er detailgetreu die Treppe von Odessa und die blaue Moschee in Istanbul. Darüber malte er horizontale Farbstreifen. Die symbolgeladenen Vor-Bilder überführte er in ein eigenwertiges Bildersystem, das „sowohl den Kontext des Zeitungsfotos wie auch die zeichnerische und malerische Sensibilität des Künstlers transportiert“, wie Roland Scotti vom Ernst-Ludwig-Kirchner-Museum in Davos im Ausstellungskatalog schreibt. In einer weiteren Werkgruppe kopierte der einstige Meisterschüler von Ernst Hermanns sich selbst – nicht nach seinem Ebenenbild, sondern maßstabsgerecht. Der Potsdamer vervielfältigte sich als Skulptur, aber auch einzelne Körperteile als großformatige Zeichnungen, die er wiederum mit vielen kleinen blauen, stets gleichen Figuren übermalte – für Pietryga eine meditative Litanei. Die „Kopien“ gibt’s bis zum 15. Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Bewegte Menschen

Anfang der 90er-Jahre suchte Laurentz Thurn in Berlin vergebens nach einer Wohnung. „Der Markt war völlig leergefegt“, erinnert er sich. Und so weitete der Künstler seine Suche auf andere Städte aus. Fündig wurde er in New York, genauer in Harlem, wo er seitdem nach eigenen Angaben  als einziger Weißer unter Farbigen, „als Migrant unter Migranten“ lebt, und von wo aus er seine Bilder in die Werdener Galerie Ricarda Fox.

Sein Revier liegt zwischen der 103. und 130. Straße. Als stiller Beobachter fühlt er sich in die Menschen seines Bezirks ein. Er malt mit dick aufgetragenen Farben die Gangs, die Frommen, Wartende an Haltestellen und Basketballspieler. Dabei sucht er vor allem Gemeinsamkeiten: „Die Personen verkörpern Archetypen“, sagt der 41-Jährige. Diese zeigen sich für Thurn weniger in dem Aussehen der Menschen, sondern vielmehr in ihren Bewegungen. Daher löst er die Bewegung über verschiedene Bilder hinweg auf. Der New Yorker splittert die Realität in bewegte Einzelbilder auf, in Filmschnipsel, die ohne Projektor bewegen. Beispielsweise verfolgte er in einer Serie über fünf Gemälde hinweg drei Männer, die an einem Auto stehen. Die Rollenverteilung wird anhand ihrer „Moves“ deutlich. Doch gelingt es Thurn auch, Bewegung in ein einzelnes Bild zu bringen, etwa indem er ein Paar mit Hund gleich doppelt über einen Zebrastreifen gehen lässt. Die Ausstellung an der Velberter Straße 66 ist bis zum 29. Oktober zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Ins Innere lockend

Brigitte Kurzrock widmete sich der Malerei mit unbändiger Experimentierfreude und Lust, und diese springt dem Auge aus ihren Werken entgegen. Die Malerin wollte den Betrachter am Prozess des Malens teilhaben lassen. Deutlich sind Pinsel- und Spachtelspuren zu erkennen, frühere Farbschichten scheinen durch die Schichtungen aus Farbe, Wachs, Sand oder Teer. Die Galerie Obrist erinnert an die im vergangenen Jahr im Alter von 45 Jahren an Leukämie gestorbenen Künstlerin mit einer Gedächtnis-Ausstellung.

Es sind kraftvolle, abstrakt informelle Bilder aus den letzten drei Jahren ihres Schaffens, die organische Formen auf geometrische Flächen treffen lassen. Kurzrock malte in warmen Farben und in Anlehnung an die spätinformelle Malerei von Antoni Tapies und Emil Schumacher vielschichtige, immer wieder aufbrechende und damit ins Innere der Komposition lockende Werke. Dabei wählte die Künstlerin auch untypische Malgründe - etwa Holzkästen oder Zink, dessen Oberflächenstruktur in dem Bild aufgeht. Die "Memories" getaufte Ausstellung ist noch bis zum 3. April an der Rüttenscheider Straße 73 zu sehen.

Entblößte Körper

Wind und Wetter trotzt der Torso eines nackten, dickbäuchigen Mannes, der seit 1989 auf dem Kennedyplatz steht. Seinem Schöpfer Waldemar Otto widmet die Galerie Heimeshoff eine Ausstellung. Gezeigt werden bis zum 12. März kleinere Arbeiten, die das Thema „Figur mit Gewand“ thematisieren.
War der 74-jährige Bildhauer bisher in erster Linie darauf passioniert, mit entblößten Körpern die Gefährdung des Menschen und seine Verletzlichkeit durch äußere Einflüsse in Bronze zu gießen, so reizte ihn an seinem neuen Werk vor allem der Gegensatz von voluminösen, schwellenden Körperformen und straff gezogenen Faltenwürfen – „also das Zusammenspiel verschiedenartiger Formelemente, die Spannung und Bewegung aufbauen, um schließlich in einer übergeordneten Harmonie zur Ruhe zu kommen“, wie der Künstler sagt.

Dass er dabei in seine Bronzeplastiken Konturen ritzt und so Gesichter, Brüste und Faltenwürfe skizziert, mag man als überflüssig erachten, kann aber auch als eine Fortsetzung des Zeichnerischen ins Bildhauerische verstanden werden. Zudem: Indem er die Oberfläche der Figur von außen verletzt, formt er den Menschen – wobei Otto wieder bei seinem Ursprungsthema angelangt ist. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Kopfreisen

Lichtgeschwindigkeit ist zu langsam. Wer so schnell wie möglich von Punkt A zu Punkt B reisen will, wählt daher nicht den direkten Weg, sondern faltet den Raum, so dass beide Punkte einfach aufeinander liegen. Was bislang nur in Science-Fiction-Fantasien funktioniert, realisierte Franka Hörnschemeyer am Kopstadtplatz. Aus beweglichen, wie Schwingtüren aufgehängten Rigipsplatten hat die Berliner Künstlerin für den Kunstverein Ruhr einen Raum geschaffen, der sich den Bewegungen des Menschen anpasst.

Um in die Installation vorzudringen, müssen die Raumbegrenzungen, sprich: die Rigipsplatten bewegt werden. Vorsichtigen Schrittes schreitet man dabei durch einen schmalen Korridor hin zu einem zentralen Raum. Dieser erinnert entfernt an ein ausgeschaltetes Holo-Deck des Raumschiffs Enterprise, jenem Ort, den die Raumfahrer nach ihrem Wünschen formen können, der eine Illusion der Wirklichkeit schafft.

Und an diesem Punkt bringt Franka Hörnschemeyer etwas ins Spiel, was mit dem Ausstellungsort selbst tun hat. Ausdrücklich bezieht sie sich mit ihrer Installation auf die Geschichte des Kopstadtplatzes, der vor hundert Jahren mit Theatern und Varietés einer der bedeutendsten Vergnügungszentren des Ruhrgebietes war und wo der ungarische Magier Houdini ein Gastspiel feierte. Für Hörnschemeyer tritt er im Hintergrund ihres künstlerischen Konzeptes als inspirierender Mittler der Themen Raum und Illusion auf, als einer, der sich mit seiner Entfesselungskunst über Raumbegrenzungen hinweg setzte und das Fremde und Exotische für seine Zuschauer nah heranzauberte. Die schnellste Reise von Punkt A nach Punkt B – die findet eben im Kopf mittels der Fantasie statt. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Mit Kunst den Ton angeben

Kunst kann so einfach sein. In ihrem Atelier in Stadtwald hat Erika Buck einen nach unten halb geöffneten kleinen Reisverschluss und darüber ein Drahtverschluss von einer Sektflasche an die Wand gehängt. So entstand aus zwei Verschlüssen eine menschliche Figur. „Ich arbeite gerne mit vorgefundenen Materialien“, bekennt die Essener Künstlerin. Als Mitglied der Künstlerinnen Sezession Düsseldorf stellt sie gemeinsam mit elf weiteren Malerinnen, Zeichnerinnen und Bildhauerinnen in der Folkwang Hochschule aus. 

„TonArt“ nennt sich die dritte Schau des Vereins in Werden, die mit Kunst den Ton angeben will. Oder Töne in die Kunst aufnimmt. Zumindest malen einige Künstlerinnen nach Musik: Rhythmen und Klangfarben spielen in vielen Bildern eine wichtige Rolle. Der Ausstellungsraum selbst steht für die Verknüpfung der Disziplinen. Das Foyer der Neuen Aula diente einmal als Aktzeichensaal und Werkstatt des längst zur Uni Duisburg-Essen ausgelagerten gestalterischen Fachbereichs. Heute ist es die Pforte zu Musik- und Tanzveranstaltungen. Dagmar Schenk-Güllich, Mitbegründerin der Künstlerinnen Sezession Düsseldorf, bezieht aus letzteren ihre Inspirationen. In „Pinas Tonleiter“ tanzen Körper zu imaginären Klängen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Entworfene Würfe

Vorhang auf für Alke Reeh. Die Künstlerin untersucht nun schon zum zweiten Mal in der Kettwiger Galerie Schütte das Verhältnis von Körpervolumen und Raum. Diesmal inszeniert sie den Faltenwurf von Vorhängen als spannendes Spektakel auf dem Boden und an die Galeriewände an der Hauptstraße 4.

Alke Reh wurde 1960 in Münster geboren. Sie studierte von 1981 bis 1984 Metallgestaltung  und im Anschluss an der Düsseldorfer Kunstakademie Bildhauerei. In der Vergangenheit implementierte sie Kirchen- und Moscheekuppeln in Teetasse. Grotesk waren ihre Symbiosen von Blumenvasen und Röcken. Diesmal erkennt sie die Hirnrinde in der Draperie eines Vorhanges. Mit Holz formte Reeh die Rundungen von Vorhängen nach, gestrichen in monotonem Weiß. Das Licht und die Schatten ergeben ein spannendes Spiel in den Würfen. Die Kompression eines Stoffes wechselt sich mit seiner Expansion ab - bis zum 24. Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Sehnsucht nach Geborgenheit

„Die Idylle erlebe ich nur gebrochen“, meint Ruth Habermehl. In der Tat erscheint in ihren Fotocollagen alles etwas irreal: vergilbte Farben, merkwürdige Proportionen und überdrehte Perspektiven. In ihren Arbeiten wird die beschauliche Harmonie zu einem Abziehbild der Werbeindustrie. „Schöne neue Welt“, nennt die 1969 geborene Künstlerin ihre Ausstellung in der Galerie Kalthoff, Sabinastraße 1.

Kinder, die im Sand buddeln werden vor einem See platziert. Ein Mann steht mit Badehose in einer Schneelandschaft. Wanderer laufen einen schmalen Pfad während gleich neben ihnen Korallen wuchern. Aus mindestens zehn einzelnen Schnipseln schneidet Habermehl per Hand ihre Bilder zusammen. Am Computer werden die dann abfotografierten Bilder lediglich nachgearbeitet. Inzwischen verfügt sie über einen riesigen Fundus an Reisekatalogen und DDR-Bildbänden aus den 50er- bis 70er-Jahren. Mit dem nostalgischen Material revitalisiert sie die Sehnsucht nach Geborgenheit und besseren Zeiten – bis zum 10. März.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Hart mutiert

Kunstvoll aneinander geklebte Plastiktüten und Pappkartons hängen an der Wand. Mit seiner Rauminstallation greift der Grafiker Clemens Behr das vorgegebene Thema „Speicher“ auf. Doch schon in drei Tagen müssen die Behältnisse selbst wieder verpackt und abtransportiert werden. Das Projekt „Hartmut“ besetzt jetzt zum dritten Mal nur vorübergehend ein leerstehendes Ladenlokal – diesmal im Haus der Technik (HdT).

Dort, wo zuvor Kommunikationstechnik verkauft wurde, wollen Kommunikationsdesigner „Kunst vom elitären Sockel holen“. So sagt es zumindest Paran Pour. Die 23-jährige Studentin der Universität Duisburg-Essen gehört zu den drei kuratierenden Initiatoren, die sich selbst „Eltern“ nennen. Ihr Baby, das heißt aus einer Laune heraus „Hartmut“, natürlich ein deutscher Vorname, aber auch die Kurzform für art mut(iert), eine Eigenschöpfung.

Mutiert ist der Verkaufsraum im HdT zur hippen Hausbesetzer-Galerie: fleckiger Boden, schmutzige Wände, zugegipste Bohrlöcher. Ein roter Teppich führt hinein. Da wirkt die gezeigte Kunst der sieben Mitwirkenden wie von selbst progressiv: Axel Braun etwa arbeitet fotografisch die Spuren an einer Briefkastenanlage heraus, Mona Mönnig und Margarethe Mielentz produzieren Tagträume mit einer Wolken-Installation aus Trockeneis und Licht und Almut von Pusch zeigt Fotos von sterilen Stadtlandschaften.
„In Berlin wäre das das keine große Sache“, sagt Pour über das Konzept. „Aber in Essen haben wir Aufmerksamkeit.“ Neben dem HdT und der Universität unterstützt das Kulturbüro das Projekt im Rahmen von „GAPart“. Vernissage mit einer Tanzperformance von Harald Schulte  ist an der Hollestraße heute um 19 Uhr. Im Anschluss gibt’s eine Party. Besichtigung danach: Samstag und Sonntag zwischen 14 und 19 Uhr.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Raum als formbare Materie

Seine Konstruktionen erinnern an Bootssegel, Sonnensegel, oder Segel, die in verhallten Räumen den Schall schlucken. Dass er vermutlich deswegen auf einer Internetseite unter dem Stichwort „Maritime Kunst/Kunsthandwerk“ geführt wird, quittiert Jens J. Meyer mit einem Achselzucken. Mit Tüchern und Schnüren spannt der 1958 geborene und in Essen und Hamburg lebende Künstler ein filigranes Netz in die Neue Galerie der Volkshochschule.

Meyer versteht sich als Bildhauer. Den Raum betrachtet er als formbare Materie. Die Schnüre sind seine Linien, die Tücher seine Flächen. Mit einer „Vorzeichnung“ knüpft Meyer an die lichte und geradlinige Architektur des VHS-Ausstellungsraumes im Eingangsbereich an. Mit schwarzen Schnüren skizziert er einen vertikalen Quader, der einen mit weißen Schnüren gezogenen horizontalen Quader durchdringt. In die geometrische „Vorzeichnung“ spannt der 1958 geborene Künstler elastische Dreieckstücher. Jedes neu hinzu geknotete Element verzieht das Werk. Sichtbar werden die Kräfte zwischen Flächen, Linien und Leere.
Meyer schuf ein Werk, das sich selbst genügt – spannungsgeladen, durchdacht, intuitiv und obendrein hübsch anzusehen, aber eines, was nicht (wie seine anderen Werke etwa im Museum Gelsenkirchen) dazu geeignet ist, wie gewünscht die „Wahrnehmung von Orten zu verändern“. Stattdessen verstärkt die Installation namens „Quader – textile tensions“ die lichte und gradlinige Architektur und den Durchgangscharakter der VHS-Galerie – bis zum 2. April. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Sich selbst malendes Bild

Bei der Vernissage legt sie noch mal nach. Routiniert reißt Eva-Maria Schön eine schwarze Tüte auf und verteilt den Inhalt auf dem Boden. Mehr als tausend Fotopapiere mögen es sein, die die Berlinerin so im Raum verteilt hat. Doch auf keinen Bildern ist etwas zu erkennen - nur einzelne Farben mit ein paar Schlieren drauf. „Mehr Licht“ fordert der Kunstverein Ruhr in seiner aktuellen Ausstellung. Mit jedem Sonnenstrahl verändert sich das Werk am Kopstadtplatz.

Das Material bekommt die Künstlerin zum größten Teil geschenkt. Durch den Siegeszug der digitalen Fotografie wurde das herkömmliche Fotopapier weitgehend  überflüssig. Je nach Marke und Packung reagiert es unterschiedlich auf Licht. Im Fotostudio würde man das Bild nach der Belichtung chemisch fixieren. Doch Eva-Maria Schön lässt der Entwicklung freien Lauf. Immer dunkler werden die Farbtöne, die mal rosa, mal grün, mal lila, mal blau ausfallen können. Aus den vielen Fotopapieren  formt sich ein Bild, dass sich selbst malt – bis zum 27. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Dämon der Modelleisenbahn

Ob blond, brünett oder schwarz: Mehr als nur ein Haar würde man in der Suppe finden, wenn man sie aus einem Teller von Sekyung Lee löffeln würde. Die koreanische Künstlerin setzt die Motive auf ihrem dekorativen Geschirr aus vielen Strähnen zusammen – eine wahrhaft haarige Fisselarbeit. Tugenden tischt hingegen Laura Muhle auf. Auf den Einmachgläsern im aufgehängten Regal steht Liebe, Geduld und Nachsicht. Bis zum 6. August geben 24 Studenten der Kunstakademie Münster im Kunsthaus Essen, Rübezahlstraße 33, Einblick in ihr Schaffen unter Prof. Guillaume Bijl.

Die Bandbreite der gezeigten Arbeiten ist groß, und doch eint die jungen Bildhauer, dass sie sich mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit auseinandersetzen – vor allem aus der Ich-Perspektive. „Ego“ nennt Moonho Lee ein über eine Treppe betretbarer Holzkäfig, in welchem, wie bei einer russischen Babuschka-Puppe, zwei weitere verkleinerte Kopien ineinander stehen. Weniger verschachtelt, aber gleichsam begrenzt sieht Gudrun Geyssel die Welt. Sie stellt einen milchig-durchsichtigen Gummiballon aus, in welchem es sich die Künstlerin einmal bei einer Performance mit Strandutensilien bequem gemacht hat. Es gibt heitere Werke, etwa die verblüffend einfache Installation von Damaris Salewski, in welcher drei Ventilatoren in der Raumecke zwei grüne Plastiktüten zum Tanzen bringen. Es gibt lustige Arbeiten, wie die von Edith Micansky mit Spoiler und Fuchsschwanz aufgemotzte Gehhilfe. Und es gibt ein großartiges Foto von einem Modelleisenbahner, das Bianca Voß, selbst mit im Bild, inszeniert hat. Wie ein Dämon greift der Mann in das Geschehen seiner künstlichen Modellwelt ein, gespenstisch beleuchtet durch eine Dachluke. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Gruppendynamische Prozesse

Sie sind unter uns. Laufen durch die Fußgängerzone und warten mit uns auf Grün an der Ampel. Doch die aufrechte Haltung und der respektvolle Abstand, den andere Menschen zu ihnen unbewusst einnehmen, verraten die Helden. Je mehr sie versuchen, in der Gruppe unterzutauchen, desto mehr ragen sie aus ihnen heraus. Die Fotografin In Sook Kim zeigt im Kunst-Raum ihr eindrucksvolles Gespür für solche Typisierungen und gruppendynamischen Prozesse.

„Faces with no name“ nennt sich die Foto-Schau, die Kopfschmerzen bereitet. Nahezu jedes Bild ist unscharf. Hinzu kommt, dass bei den Einzelporträts die Personen oft das Gesicht abwenden, sofern sie nicht ohnehin von hinten fotografiert wurden. Was als Masche erscheint, ist tatsächlich als solche gemeint: Die verschiedenen, ungefragt auf der Straße aufgenommen Menschen ähneln sich in irgendeiner Weise, als gebe es einen unausgesprochenen Standard. Mit der Unschärfe verschwimmen die noch verbliebenden Unterschiede. Kim, die vor drei Jahren aus Korea nach Deutschland kam, zeigte sich nach eigenem Bekunden jedenfalls verblüfft, dass es bei mitteleuropäischen Frauen mit glatten, langen, blonden Haar die Konvention zu geben scheint, diesen zu einem Pferdeschwanz zu binden und dazu ein ärmelloses Top zu tragen.

Die 34-jährige Schülerin von Thomas Ruff an der Düsseldorfer Kunstakademie bewertet dies nicht, sondern arbeitet solche Gesetzmäßigkeiten mit verschiedenen Mitteln großformatig heraus. Zum einen inszeniert sie Gruppenbilder. So stellte Kim in Mülheim einen „Schnappschuss“ von Dreharbeiten zu einem Film nach. Die herrlich skurrile Aufnahme macht die Rollenverteilung auch hinter der Kamera klar: Vom Kabelträger über den Regisseur bis zum Schaulustigen hat jeder seinen festen Platz in der beruflichen wie sozialen Hierarchie. Zum anderen lässt sie ursprünglich an Straßenkreuzungen fotografierte Menschen mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung auf weißer Fläche interagieren. Dass man sich Typisierungen und gruppendynamischen Prozessen unterworfen ist, kann bis zum 29. Oktober an der Rüttenscheider Straße 56 in dem aufgehängten großen Spiegel beobachtet werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Gestalt der Schattenwelt

Wer das Atelier von Kwang Sung Park besucht, mag sich über die bunten Farbspritzer an Staffelei und auf dem Fußboden wundern. Denn für seine Malerei scheint der 1962 in Seoul geborene Künstler nur schwarz und ein bisschen grau zu verwenden. Aber die im Dunklem verborgene Seele des Menschen ist für den 1962 in Seoul geborenen Maler genauso bunt wie sein schwarz, das mit Hilfe vieler Farben zusammengemischt wird. Die Galerie Klose an der Rüttenscheider Straße 56 (selbe Haus wie der Kunst-Raum) zeigt eine Auswahl aus seiner Werkreihe „avoir et etre“.

Park widmet sich den klassischen Themen der Malerei: Gesichter, Körper und Landschaften. Doch die Motive findet er in seinem Inneren. Er lässt dem Pinsel freien Lauf und gibt einer Schattenwelt Gestalt. Aus den schwarzen Untergrund tauchen Gesichter mit verschlossenen Augen schemenhaft auf, stets bereit, wieder in das Nichts abzutauchen. Ein weiblicher Akt lässt sich nur erahnen. Landschaften erscheinen als flüchtige Erinnerung. Die Malerei von Kwang Sung park öffnet ein Spannungsfeld zwischen schwarz und weiß, Motiv und Hintergrund, Meditation und Dynamik. Zur Finisage am 24. Oktober, 19 Uhr, ist der Künstler anwesend.   (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Wucherne Malerei

Das Tafelbild überlebte schon viele Anschläge. Irgendwie ging es immer um seine Überwindung. Oder zumindest Erweiterung. Wenigstens Hinterfragung. Irgendwie. Doch dann dämmerte es auch den hartnäckigsten Bilderstürmern: Fehlende Inhalte lassen sich nicht immer aufs Mittel schieben. Die sicherlich durch die „jungen Wilden“, aber auch durch die Kontinuität der informellen Altmeister unterstützte Renaissance des Tafelbildes in den achtziger Jahren gab auch Michael Jäger Auftrieb. Seine Malereien streben zwar auch die Erweiterung des Tafelbildes an, allerdings ohne es dadurch grundsätzlich aufzugeben. Vielmehr wird es in einen konzeptionellen Zusammenhang mit dem Raum gestellt. Mitunter hilft ein dazugemaltes Wandbildern – wie derzeit bis zum 26. September in der Galerie Frank Schlag an der Meisenburgstraße 173.

Der 1956 in Düsseldorf geborene Maler zerlegt Räume in geometrische Farbformen. Streifen kombiniert Jäger dabei sowohl mit kleinformatigen Farbräumen als Bild im Bild oder freien Formen zu einem vielschichtigen Gesamtbild. Dabei wendet Jäger die Hinterglasmalerei an. Der tatsächliche Ausstellungsraum spiegelt sich auf der Glasfläche wider, besonders bei den schwarzen Flächen. Seine Malerei wuchert über die Grenzen des Bildes heraus, das absichtlich über keinen Rahmen verfügt, und besetzt ganze Wandflächen. Der konsequente Schritt führte zur Wandmalerei, die dem Raum mit farbigen Formen eine neue Dimension zu vergeben mag.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Verleidete Urlaubststimmung

RWE – das Kürzel hatte einmal „den Ruf, für Ruhe, Wohlstand und Erholung zu stehen“, erinnert sich Jan Zilius, Vorstand des Energiekonzerns.  „Aber diese Zeiten sind längst vorbei.“ Sagt’s und schreitet durchs Foyer vorbei an mehren Swimmingpools, Projektionen von Urlaubsfotos und Ansichten aus Reiseprospekten. Am Donnerstagabend wurde im RWE-Turm die Installation „Pool“ von Thomas Böing eingeweiht.

Der Titel ist doppeldeutig gemeint. Der Kölner Künstler widmet sich dem Swimmingpool als Inbegriff für Urlaub und Freizeit schlechthin, indem er Plastiken, Zeichnungen und Fotografien zu einem „Pool“ zusammenführt. Über achtzig Mitarbeiter steuerten Bilder von Palmen, Sonne, Strand und Meer bei. Aufgestellt wurden unter anderem ein Turm aus gestapelten, aufblasbaren Babyplanschbecken, ein innen türkis bemalter Pappkarton und ein ovales Becken aus Schaumstoff.

Böing greift auf vorhandene Bildwelten mit den Mitteln der Fotografie zurück – selbst wenn diese nur noch als Vorlagen für seine Werke erkennbar sind. Die Farbe blau bezeichnet der 1963 geborene einstige Meisterschüler von A.R. Penck dabei als sein „ästhetisches Bindeglied“. Dass dennoch keine rechte Urlaubsstimmung im RWE-Foyer aufkommen will, gehört offenbar zum Konzept. „Indem Böing plastische Objekte auf flächige Ansichten reduziert, figurative Handlungen in statisch-lineare Konturen übersetzt und den Pool zu einem blauen Loch verdichtet, nimmt Böing den Insignien der Freizeitkultur nicht nur ihre Symbolkraft, sondern führt sie uns als sinnentleerte Stereotypen vor“, verleidet ein Text zur Ausstellung das Blättern von Reisekatalogen. Vorbei ist eben vorbei.

„Pool“ (bis zum 11. März 2005) ist die erste von drei Ausstellung im RWE-Turm, die von der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang betreut wird. Im nächsten Jahr bespielt Beat Streuli den Zylinder, geplant ist ferner eine Retrospektive von Diane Arbus. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

In Parallelwelt eingetaucht

Wenn sich das „fließend Wasser“ als undichtes Dach und die „zentrale Lage“ als viel befahrende Straßenkreuzung entpuppt – ja, dann wurde im Urlaubskatalog geflunkert. Der Fotograf Thomas Zika hat sich aus aller Herren Ferienländer Reiseprospekte besorgt und sehr, sehr, sehr genau angeschaut. Das Ergebnis erscheint aber alles andere als präzise. Grobkörnig schwimmen seine „Bathers“ durch neblige Gewässer. Sie lassen den Betrachter in der Galerie Obrist am Museum (GAM) in eine Parallelwelt einzutauchen.

Zika schafft in seinem 24 Einzelwerke umfassenden Zyklus hoch suggestive Bilder. Mit dem Makro-Objektiv nahm der 43-jährige Essener Strandszenen ins Visier. Schräg fotografierte Zika die touristischen Motive aus den Broschüren dicht über der Oberfläche ab. So entstand ein künstlicher, unscharfer Horizont, der einen räumlichen Eindruck vermittelt, während die fokussierten „Bathers“, die „Badenden“, sich in platte Spielzeugfiguren verwandeln. Mit digitaler Bildbearbeitung schließlich reduzierte der Fotokünstler die knalligen Prospektfarben auf ein Minimum.

Zika versteht den technischen Vorgang als ein Prozess der „Aneignung“. Die fotografische Vorlage des Urlaubskataloges entwickelte der Künstler zum autonomen Bild. Lust auf Urlaub machen die Fotos ohnehin nicht. Die großformatig als Lambda-Prints aufgezogenen Fotos wirken bedrohlich, teils, weil sie an Aufnahmen eines Überwachungssatelliten erinnern, teils weil aus den unscharfen Regionen des Bildes jederzeit etwas Gefährliches hervorpreschen könnte – bis zum 19. September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Moleküle in Flüssigkeiten

Rote Blutkörperchen? Seeigel? Kürbisse? Lampions? Ufos? Die 446 rötlichen, kreisrunden Einzelteile der Installation „Woher/Wohin“ erinnern im Forum Kunst und Architektur an viele Dinge, ganz im Sinne der Künstlerin. „Ich sammle Assoziationen“, sagt Rona Rangsch. Das meint die studierte Physikerin vermutlich auch in einem anderen Sinne: Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut in Berlin erforschte sie so genannte „Assoziationskolloide“, kleine Teilchen, die sich durch die Zusammenlagerung von Molekülen in Flüssigkeiten bilden. Im Forum Kunst & Architektur am Kopstadtplatz streben diese Teilchen bis zum 18. April, nunmehr vergrößert und aufgehängt am Nylonfaden, zum Oberlicht, oder sie fallen dort herunter – wie man’s nimmt.

Ihre Inspiration mag die 1969 in Saarbrücken geborene Künstlerin aus chemisch-physikalischen Prozessen beziehen. Doch mit der Installation spielt Rona Rangsch mit den Möglichkeiten an Zuständen, die ein System aus vielen Einzelteilen im Grenzbereich zwischen lebender und toter Materie annehmen kann. Dabei ist „Woher/Wohin“ durchaus auch ein ästhetisches Erlebnis.

Das lässt sich auch über die Fotografien von Boris Kalinski sagen. Der Fotograf gehört zu den fünf Künstlern des BBK Kunstforum Düsseldorf, die zeitgleich mit Rona Rangsch im Untergeschoss ausstellen. Der hauptberufliche Kommunikationstrainer will mit seinen Farbräumen messbare Veränderungen der Gehinstromaktivitäten bewirken. Die Makroaufnahmen von Farbverläufen auf Plastikfolien erscheinen wie informelle Gemälde. Daneben zeigt Irene Leister ein filigranes Objekt aus 135 Pergamentröllchen. Elena Wohlreich öffnet „Körperwelten“, und Marilen von Wick präsentiert ihre Interpretationen des Themas Figur und Raum. Gitta Witzke schließlich baute ihre „Beschwerdestelle“ auf dem Kopstadtplatz auf. Hier werden Beschwerden aller Art zum Beispiel über das „schlechte Wetter“ oder „nervige Naturgesetze“ aufgenommen und an die „zuständige Stelle weitergeleitet“ – leider nur am Tag der Ausstellungseröffnung. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Inszenierte Inszenierungen

Wenn jemand die Schau „Ansicht Aussicht Einsicht“ prägt, dann ist dies Thomas Ruff – ohne allerdings mit einem Werk vertreten zu sein. Doch drei der fünf im Kunst-Raum ausgestellten jungen Künstler studieren bei dem einflussreichen Düsseldorfer Fotografen, dem die Frage nach der Wahrhaftigkeit des Mediums seit den 80er-Jahren zu einem immer größer werdenden Abstand erst zum Motiv, dann zur Kamera bewegte: zunächst mit ebenso großformatigen wie ausdruckslosen Porträts und monotonen Architekturbildern, dann mit grünstichigen Aufnahmen durch ein Nachtsichtgerät, später mit digital bearbeiteten Pornobildern aus dem Internet und mit der Veröffentlichung von fremden Negativen in Großformat. Seine Schülerinnen und Schüler führen an der Rüttenscheider Straße 56 vor Augen, dass es bei der Fotografie mehr um eine künstlerische Haltung geht als darum, wie man die Kamera hält.

Robert Voit fotografierte in Asien atemberaubend komponierte Stadtansichten, etwa einen Busbahnhof in Hong Kong, über den sich kulissenartig eine Silhouette aus Hochhäusern emporhebt. In einem anderen Foto wird ein roter Coca-Cola-Automat inmitten eines Gewusels aus Straßen, Masten, Kabeln und japanischen Werbeplakaten zur rettenden Identifikationsfigur. Ira Vinokurova porträtierte dagegen in altertümlichen Nachkriegsinterieurs junge Frauen. Dabei blendete sie bis zu zwölf Aufnahmen der Person in gleicher Pose übereinander, was ihnen eine dreidimensionale, bewegte Wirkung verleiht. In Sook Kim schließlich inszeniert Inszenierungen. Die Koreanerin setzte die Dreharbeiten von Werbefilmen, aber auch von außen durch die Glasfassade die Retrospektive von Otto Müller im Museum Folkwang ins rechte Licht.

Die „Positionen junger Fotografie“ komplettieren im Kunst-Raum die Werke von Jörg Steinmann und Roman Weis – bis zum 15. Mai. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Überlebender Wilder

Zu dem größten Hype, wie man neudeutsch sagt, gehörte in den 80er-Jahren die Kunst der „Jungen Wilden“. Manchmal noch nass rissen Galeristen den Malern die Leinwände von den Staffeleien, um sie für sagenhafte Preise unter ein Klientel zu bringen, welches nach jahrelangen Darbens an Konkreter Kunst endlich auch mal etwas konkretes auf den Bildern erkennen wollte: punkige Krawallszenen, markige Symbole, dicke Pinselstriche. Der Spuk war so schnell vorbei, wie er gekommen war. Ein Überlebender ist Giso Westing, der bis zum 2. Mai in der Galerie im Schloß Borbeck ausstellt.

Westing, 1955 in Hannover geboren, Mitbegründer der Gruppe „Weißes Pferd“, Preisträger der Villa Massimo, zeigt in der Ausstellung mit Bildern aus den letzten zehn Jahren, dass die Zurechnung  zu den „Jungen Wilden“ mehr eine Vereinnahmung war. Denn konsequent entwickelte sein eigentliches Thema: die Farbe. Monochrome Farbfelder schmiegen sich an vielfach übermalte Farblinien. Farbkörper werden im Grenzbereich zwischen angedeuteter Gegenständlichkeit und abstrakten Formelementen in Farblandschaften komponiert. In allen Gemälden ist die Stofflichkeit der Farbe präsent – nicht als Mittel zum Zweck sondern als Zweck an sich. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Setzieren und Isolieren

David Alcantara, der Rächer der Durchgefallenen. Drei Mal bewarb sich der spanische Künstler in Malaga um den andalusischen Preis für junge Kunst - ohne irgendeine Reaktion. Seinen Frust darüber formuliert der 1974 geborene Spanier auf der Leinwand. Mit geschriebenen Kraftausdrücken beschimpft Alcantara in einem Bild die Jury. Mit Erfolg. Jedenfalls wurde ihm im vergangenen Jahr in den Kategorien Malerei und Bildhauerei besagter Preis zuerkannt - aber da hatte der Künstler seinem Heimatland bereits den Rücken zugekehrt. In Duisburg fand er schon allein mangels Deutschkenntnisse ideale Bedingungen vor, sein Hauptthema voranzutreiben: die künstlerische Aufarbeitung des Alleinseins. In der Galerie Obrist, Rüttenscheider Straße 73, suchen seine Plastiken und Malereien bis zum 14. Februar die Gesellschaft des Betrachters.

Mit wenigen, nachlässig dahingeklatscht wirkenden und an Graffitti erinnernden Elementen konstruiert Alcntara Grundrisse seiner "Gedankenstädte". Der Spanier seziert und isoliert dabei emotionale und visuelle Eindrücke der menschlichen Beziehungsgeflechte. Schriftzeichen, schwarze Linien, farbige, flächige oder umrissene Rechtecke und bearbeitete Fotos von Straßenszenen fügen sich zu mehreren Bild- und Bedeutungsebenen zusammen.

Als eines der ersten deutschen Worte lernte Alcntara das Wort "allein". Fasziniert davon, dass sich das Wort aus "all" und "ein" zusammengesetzt, verewigte er die paradoxe Gleichung 1=0=1 in seinem Bild "Straße der Beziehungen". Nach seinem Verständnis verschwindet der Einzelne in der Menge ohne seine Individualität zu verlieren. "Wenn man allein ist, denkt man intensiv an andere", sagt Alcntara. Mit seinen Bildern und Skulpturen bietet er im Spannungsfeld zwischen dem Individuum und der Masse die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Spiel Tod

Die beiden Mädchen sind reizend für die Kommunion hergerichtet, tragen weiße Kleider und halten Blumen, eine Kerze und eine Puppe in der Hand. So sieht man es jedenfalls auf dem alten Familienfoto unbekannter Herkunft, das Marianna Gartner in die Finger bekam und damit dem Tod weihte. Auf ihrem Gemälde treten die zwei Kinder als Horrorfiguren mit hypnotischen Blick auf. Die Blumen sind verwelkt, die Kerze in ein Schwert verwandelt, die Puppe in einen kleinen Teufel. Die kanadische Künstlerin verbreitet in der Galerie 20.21 mit ihren fotorealistischen Malereien bis zum 15. Mai eine morbide Atmosphäre.

Gartner fürchtet weder Tod noch Teufel. Ein Kind mit Totenschädel hüpft Seilchen, ein weiteres in Marineuniform steht entspannt neben dem Sensemann. In einem dreiteiligen Bild rahmten zwei Leinwände mit jeweils einem androgynes Kind, das mit schwarzem Gehrock und Zylinder an einen Totengräber erinnert, schaukelnde Mädchen und Jungen ein.

Die alten Familienfotos, die sie als Vorlage nimmt, vermitteln eine Vertrautheit, die noch in den Bildern der 1963 in Winnipeg geborenen Künstlern weiterlebt. Das Vergängliche ist für Gartner ständig präsent. Damit knüpft sie an die flämischen Maler an, die prächtigen Blumen- und Obst-Stilleben mit Insekten garnierten, um den bevorstehenden Zerfall vorauszunehmen. Gartner trägt diesen Ansatz in einer gruseligen, manchmal kitschigen Variante verstörend in den Mittelpunkt der Gesellschaft: der Familie. „Play dead“, „spiel Tot“ heißt der Katalog zur Ausstellung.

Die Künstlerin spielt in ihren bildgewordenen Alpträumen aber auch mit den gestalterischen Mitteln der europäischen Portraitmalerei. So flattert ein buntes Band in der Hand eines Jungen in Uniform, mit dem auf alten Familiengemälden gerne das Kindliche betont wurde. Doch bei Gartner erhält dieses Band eine absurde Funktion. Mit ihm führt das Kind ein Baby an der Leine.

Parallel sind an der Meisenburg 169-173 Werke von Ebru Erülkü zu sehen. Die 31-jährige Fotografin, die in Essen Kommunikationsdesign studierte, inszeniert Räume und Situationen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Bestäubter Körper

Ein langsames, verzerrtes Atemgeräusch lockt vor zwei Videobeamer, die in der Ecke des Kunsthauses Essen eine dreidimensional wirkende Projektion werfen. Arme und Beine verschmelzen darauf in pulsierenden Bewegungen zu einem organischen Ganzen. Das sinnliche Werk von Rani Marius Le Prince spürt bis zum 4. April im Kunsthaus Essen dem Körper und der Verbindung zur Umwelt nach.

Die 1966 in Hamburg geborene Tochter eines in Frankreich aufgewachsenen Inders und einer Deutschen zeigt in der Ausstellung „hörbar abwesend“ Video- und Klanginstallationen sowie Zeichnungen. In einer Serie zeichnete Le Prince die Bewegungen von Tänzern wie eine Notation auf. Die flüchtigen Momente des Tanzes verdichtet sie mit leichten Strichen zu einem einzelnen Bild. Eine weitere Serie widmet sie dem Granatapfel, dessen Risse als eine über das Obst hinausführende Struktur und als Rhythmus wahrgenommen werden.

Der Körper als organisches, energetisches Ganzes – dieses Thema verfolgt die in Berlin und im französischen Autignac lebende Künstlerin auch mit ihren Videoinstallationen. So projiziert sie in die Mitte eines abgedunkelten Raumes auf eine Mehlfläche einen nackten, mit einer roten indischen Gewürzmischung bestäubten Frauenkörper. Oberfläche und Körper verschmelzen miteinander. Die Atembewegungen lassen immer neue, faszinierende Bilder entstehen. 

Gleich nebenan, im Kabinett des Kunsthaus, kann man es sich auf einem Sessel vor einem Fernseher bequem machen. Gezeigt wird ein Video, das Anke Grams in verschiedenen Märchenparks filmte. Doch bei dem Märchen „und wenn sie nicht gestorben sind“ will und soll gar keine märchenhafte Stimmung aufkommen. Die 29-jährige Künstlerin schnitt die Szenen so zusammen, dass die bewegten Holzfiguren als randalierende Chaoten erscheinen. Nach der Verzauberung kommt die Entzauberung. Dies leitet Grams mit dem schief interpretierten Musikstück „Märchen“ von Béla Bartók ein, führt es weiter über Märchen, die nur noch als Automaten in Märchenparks erzählt werden bis hin zur Glotze, vor die man Kinder setzt, anstatt ihnen lebhaft Märchen vorzulesen und zu vermitteln. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Hölzerne Akrobaten

Mein Freund, der Baum. Roger Löcherbach bearbeitet die Stämme mit der Kettensäge so lange, bis die Form auf einen menschlichen Stammbaum schließen lässt: Hölzerne Akrobaten wandern auf Stelzen, springen einem Ball hinterher und heben einander in die Höhe. Der Wuchs der von einer Gärtnerei angelieferten Bäume gibt die Form und die Haltung der Figuren vor. Meist sind es zwei oder mehr Figuren, die fest umschlungen aus einer Astgabel erwachsen. „Paarkonstellationen“ heißt es bis zum 31. Juli im Forum Kunst und Architektur am Kopstadtplatz – auch weil Löcherbach die Ausstellung gemeinsam mit Sara Niedermowwe bestreitet.

Nein, er könne noch durch den Wald spazieren, ohne in jedem Baum eine Skulptur zu sehen, antwortet der 1963 geborene Fischlaker Künstler ungefragt. Das erscheint verwunderlich, setzt Löcherbach doch eine Grundweisheit der Bildhauerei um: Die Figur war schon immer im Baum geborgen, er musste sie nur freilegen. Dass er dies mit dem Brachialwerkzeug Kettensäge macht, gibt Anlass zu Spekulationen: Ist die Beziehung des Menschen zum Baum durch Gewalt gekennzeichnet? Oder im Gegenteil: Muss Gewalt angewendet werden, um den Menschen vom Baum zu trennen? Doch wer über solche hölzernen Fragen sinniert, übersieht schnell die ästhetische Dimension der Werke.

Sara Niedermowwe indes entzweit den Stahl vom Beton. Die 1955 geborene Essener Künstlerin setzt mal Maschen-, mal Stacheldraht auf runde Betonscheiben. In einer siebenteiligen Serie entzwirbelt Niedermowwe von Betonrechteck zu Betonrechteck immer mehr ein Drahtseil. „Couples“ und „Singles“ nennt sie ihre ebenso schlichten wie eindrucksvollen Arbeiten, die Distanz und Nähe thematisieren.
Näheres lässt sich am 8. Juli, 19 Uhr, im Forum Kunst und Architektur am Kopstadtplatz bei einem Künstlergespräch erfahren. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Bewährter Ansatz

Welkende Blumen werden zu Stilleben, nackte Frauen zu Akten und topografische Merkmale zu Landschaften. So geht das schon seit Jahrhunderten; ein jeder Künstler sucht seinen Zugang zu den „klassischen Themen“. Aber warum immer was Neues erfinden? Manchmal reicht es ja auch, einen bereits bewährten Ansatz wieder vor Augen zu führen, frei nach dem Motto: „Es ist schon alles gezeichnet worden, nun auch von Eberhard Hückstädt.“

Der 1936 in Potsdam geborene Maler und Zeichner muss ein Faible für die Kaffeehausmalerei der Jahrhundertwende haben. Seine kolorierten Zeichnungen von entblößten fliegenden Frauen mit Hut, Vasen mit Blumen, die ihre Köpfe hängen lassen, und idyllisch verklärten Landschaften machen sich aber auch noch heute prima zu plüschigen Sesseln an gedeckten Tafeln. Sie  sind das auf Büttenpapier gebrachte Pendant zu geblümten Sammeltassen. Mit unleserliche Anmerkungen in Sütterlin steigert Hückstädt noch einmal die Nostalgie bis zum 9. November in der Galerie Aviva, Brückstraße 26.(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Unendliche Weiten

Es heißt, dass erst der Betrachter das Bild in seinem Kopf vollendet. Wenn dies zutrifft, gibt’s bei den Malereien von Franz Stanislaus Mrkvicka noch viel zu tun: In welligen Linien und verschwommenen geometrischen Formen gilt es, „Unbekannte Landschaften“ zu entdecken. In der gleichnamigen Ausstellung zeigt die Galerie Geymüller, Schützdellerweg 11, eine Auswahl der Bilder des österreichischen Malers.

Mrkvicka scheint eine Gegenwelt zu seinem Hauptberuf Ingenieur zu entwerfen. Statt nüchternen Zahenlreihen malt er lichte, transparent anmutende Landschaften. Um die schwebende Wirkung seiner Bilder zu unterstützen, wendet der 1950 in Wien geborene Maler eine besondere Technik an. Zum einen überzieht er die Leinwand mit feinem Japanpapier, zum anderen mischt er seine Farbe aus Acryl und Bienenwachsseife zusammen. So scheint eine Malschicht durch die andere. Seine Bilder kennen weder Urspung noch Ende, nur unendliche Weiten, die der Fantasie freien Lauf lassen. Mrkvicka schafft die Voraussetzung, den Schritt ins Bild muss der Betrachter in der Galerie Geymüller bis zum 22. November selbst gehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Persönliches bleibt unter Verschluss

Setsuko Fukushima ist eine Sammlerin. In ihren Bildern und Objekten hebt sie Erinnerungen auf. So, als ob sie das Hirn entlastet. Doch damit gibt sie längst nicht alles von sich preis: Das Geheimnis und das Unbewusste bleibt auch in der Galerie Beate Kollmeier bewahrt.

Eine große Rolle spielen in ihrem Werk Zettel und Schnipsel mit Schriftfragmenten. Mal klebt die japanische Künstlerin sie aufeinander, so dass die unteren Blätter kaum zu sehen sind. Das oberste Blatt dieser „Code Books“ wird farbig bemalt. Ein anderes Mal schichtet sie Texte und informelle Formen auf lackiertem Transparentpapier übereinander. Dies nennt die in Düsseldorf lebende Künstlerin „Ge-Schichte“. In einem Mini-Regal hebt sie ausklappbare „Spazierbilder“ als Erinnerung auf. Hinter dem Umschlag „Essen“ verbergen sich ein signierter Stein und Fotos von der Autobahn.

Mit ihren Objekten, Zeichnungen und Malereien bietet Fukushima nicht viel mehr als einen Anknüpfungspunkt für ihre Erinnerungen. Die Werke erscheinen wie Aktenordner, deren stichwortartige Kennzeichnung zwar den Inhalt anzeigt, aber nicht ausbreitet. Der Inhalt ihrer Werke geht ins Persönliche, was die japanische Künstlerin unter Verschluss zu halten gedenkt. Die Ausstellung mit dem entsprechenden Titel „Verschlüsselt“ ist bis zum 4. November an der Hufergasse 33 zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Schwebende Figuren

Manchmal ist es Liebe auf den ersten Blick. Vor 20 Jahren bestaunte Olaf Eybe in einer Warschauer Galerie einige mit „E.Lesser“ signierte Grafiken. E. entpuppte sich als Ewa. Mit der 1953 in Lódz geborenen Künstlerin und Professorin verbindet nun den heutigen Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Essen eine grenzüberschreitende Freundschaft. Zum zweiten Mal lädt die Gesellschaft zur Ausstellung mit der polnischen Künstlerin in die Galerie Bredeney.

Verbindendes Element ihrer Grafiken sind ein zusammengekauerter menschlicher Körper. Die grau-grünen Figuren schweben auf einem Untergrund aus erdigen Farben und vermengen sich mit organischen Ornamenten. Es ist eine Mischung aus dem Insichgehen und dem Schutzsuchen in einer deutlich abgetrennten Umwelt, die Lesser mit ihren aufwändig hergestellten Druckgrafiken thematisiert. Mit einem ausgestreckten Arm sucht die Figur den Kontakt zur Außenwelt, die sich in der Bredeneystraße 19 befindet.

In einem weiteren Raum hängen Werke von der 33-jährigen Polin Iwona Liegmann – witzige Fetisch-Puppen aus Flummis mit eingegossenen Tierköpfen und kleine charmante, surrealistische Malereien. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Sehnsüchtiger Bewahrer

Als „Bewahrer“, der seine Malerei als realistisches Zeitzeugnis in den Mittelpunkt rückt, versteht sich Marcus Freise. Doch im Mövenpick Hotel im Handelshof stellt der 1957 geborene Essener in erster Linie vergangene Epochen zur Schau: Szenen aus der vorvergangenen Jahrhundertwende, wo Kinder im Matrosenanzug im Hülsmannshof am Tisch sitzen und Herrschaften im Sonntagsanzug die Ruhr entlang flanieren. Die Sehnsucht nach einer Zeit, wo alles besser war, ist in jedem Pinselstrich spürbar -– insofern stellt Marcus Freise mit seinen perfekt gemalten Gemälden auch eine ständig vorhandene Befindlichkeit als allgegenwärtiges „realistisches Zeitzeugnis“ zur Schau. Daneben zeigt Manfred Raub seine vom französischen Impressionismus beeinflussten Städtebilder und Landschaften bis zum XX. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Bananenrepublik

Die Kunst von Thomas Baumgärtel ist Banane. In Nacht- und Nebelaktionen sprüht der Kölner Sprayer die gelbe Südfrucht an die Eingangspforten renommierter Museen und Galerien – meist ohne Genehmigung. Die polizeilichen Anzeigen füllen mehrere Aktenordner. Doch Baumgärtel sieht in seiner Spraybanane einen Kurzschluss zwischen Kunst und einem einfachen positiven Symbol. Zudem würden auf diese Weise die besten Kunstorte weltweit vernetzt. Mittlerweile gilt eine Banane bei vielen Kultureinrichtungen als eine hohe Auszeichnung. Das Museum Ludwig lobte die Aktion gar als die „größte dadaistische Aktion der Kunstgeschichte“. Gestern nun streifte der 1960 geborene Künstler im Rahmen seiner Ausstellung bei der Werdener Galerie Ricarda Fox durch Essen.

Ob er dem Museum Folkwang eine Banane verleiht? „Vielleicht“, sagt Baumgärtel, der neuerdings seine Auszeichnung auch wieder aberkennt, indem er sie durch eine geplatzte Banane ersetzt. Das Symbol für das Irrationale klaute der Künstler bei Andy Warhol. Geschaffen 1966 für das Cover einer Platte von „Velvet Underground“ , hatte der amerikanische Pop-Artist der Banane zu künstlerischen Weihen verholfen. [Update T.S.: In persönlichen Gesprächen versicherte mir Baumgärtel, dass Warhols Banane nicht Pate für seine Banane stand] 

Seitdem Baumgärtel sozusagen auf der von Warhol hingeworfenen Schale ausrutschte, kommt er von dem Tick mit der Banane nicht mehr runter. Aus dem Kölner Dom ließ er ein riesiges Exemplar kriechen. Seine aus aberzähligen kleinen Bananen gesprayten Bilder – die übrigens auch eine Erdbeere darstellen können - nennt er Bananenpointillismus. Derzeit plant Baumgärtel, Deutschland in eine Bananenrepublik zu verwandeln: Eine große Banane soll das Brandenburger Tor schmücken.

In der Galerie Ricarda Fox wird es ab heute 19 Uhr aber ein paar Nummern kleiner ausfallen. Ausgestellt werden bis zum 31. Oktober Gemälde, in denen seine Aktionen und die ausgezeichneten Kunstorte selbst zum Bildgegenstand werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Simulation der Lebenswirklichkeit

Als Bewohner einer von Volker Hinze entworfenen Stadt würde man sicherlich Depression bekommen. Der 1949 in Duisburg geborene Künstler setzt Hochhaus an Hochhaus und verbannt zugleich Menschen, Pflanzen und sogar Balkone aus seinen idealisierten Megacities. Die am Computer aus unzähligen Fotos zusammengesetzten düsteren Bilder verdichten unter dem Titel „urban defects“ beängstigend, aber zugleich fesselnd die Struktur der Stadt. Eine Auswahl seiner Bilder ist bis zum 18. Oktober in der Galerie Obrist zu sehen.

Wenn Volker Hinze gebeten wird, sich fürs Pressefoto vor seine Bilder zu stellen, reagiert er allergisch. Solche „gestellten“ Fotos berühren direkt sein Thema: die fortschreitende Simulation der Lebenswirklichkeit. Besonders mit dem Computer sind der Manipulation keine Grenzen gesetzt. Mit digitaler Bildbearbeitung speist Heinze selbst der Informationsgesellschaft neue künstlerische Bildfindungen ein.

Die Namen seiner vier Werkgruppen sind der Computersprache entliehen. In „Collapsed Systems“ stehen Landschafts- und Meeresfotografien für Ereignis-, Raum- und Zeitlosigkeit. Getaucht in diffusem Licht, sollen diese „Universalräume“ laut Hinze den „äußeren Zustand unseres Naturverständnisses bildhaft hinterfragen“.  Portraits junger ernsthaft dreinblickender Menschen streben dagegen unter dem Titel „random access memory“ einen inneren Schwebezustand, der „bewusst die Kontingenz unserer Gegenwart reflektiert.“ Daneben wird an der Rüttenscheider Straße 73 unter dem Titel „advanced companies“ Werbung für fiktive Unternehmen mit historischen Meilensteinen der Fotografie wie den ersten Röntgen- oder Satellitenaufnahmen gemacht. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Ikonografie von Werbeplakaten

Das de Prins am Isenbergplatz setzt seit jeher Maßstäbe in Sachen Kitsch. Die Wände quellen über vor Hirschgeweihen, Heiligenbilder, bunten Lampen und Plastikfischen; sogar eine Modell-Eisenbahn verkehrt über den Köpfen der Grölsch trinkenden Gäste. Nun hat die holländische Kneipe eine kleine Galerie gleich um die Ecke aufgebaut. Als erstes zeigt der „Showroom de Prins“ an der Rellinghauser Straße 112 bis zum 25. Juli Zeichnungen und Graphiken des Illustrators Helge Jepsen.

Der 1966 in Flensburg geborene Kommunikationsdesigner spielt mit der Ikonografie von US-Werbeplakaten aus den 40er- und 50er-Jahren. „The radio of tomorrow - today“ lautet eine Botschaft zu einem comicartig gezeichneten Radio. Fernseher oder Mixer werden von Jepsen in Szene gesetzt und stets mit dem offensichtlich geflunkerten Herstellernachweis „Jepsen Industries - Quality since 1909“ versehen. Eine weitere Serie widmet sich einem „Alphabetischen Trip durch New York City“. Das Guggenheim Museum erscheint als Apfel, das Woolworth Building als Einkaufstasche und das Rockefeller Center als Tresor.
Die Galerie ist Dienstag bis Samstags 15 bis 17 Uhr geöffnet. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Vor dem Werk steht die Arbeit

Statt die Natur zu malen, malt er die Natur des Malens. Diese hat bei Christian Stock etwas mit Beharrlichkeit zu tun. Etwa 600 Mal tauchte er bislang für ein Bild den Pinsel in rote Farbe um es immer wieder im gleichen Farbton zu übermalen. Innerhalb von drei Jahren schichtet der 42-jährige Konzeptkünstler so die Farbe zum „Würfelbild“. Bis ein durch und durch aus Farbe bestehender Kubus entstanden ist, dürften noch einige Jahre hinzukommen. Als „Work in Progress“ erstaunt das halbfertige Werk derzeit im Schaufenster des Kunstverein Ruhr am Kopstadtplatz.

Der Sohn eines Tiroler Kunstschnitzers ließ sich von aufgeschichteten Schneeflocken zu einer die Malerei an sich thematisierenden Malerei inspirieren. Reduziert auf die Grundfarben Rot, Gelb, Blau und die Nichtfarben Weiß und Schwarz, bilden seine Werke die technischen Bedingungen des Malens ab, die zugleich aber auch die Möglichkeit des kreativen Schaffens eröffnen.

Die Malerei gehorcht bestimmten Gesetzen. So wird der Strich immer blasser, bis der Pinsel erneut in Farbe getunkt wird, wie Stock im Ausstellungsraum am Kopstadtplatz zeigt. Von links nach rechts bemalte er die Wände mit zackigen, roten Linien. Man sieht, wo er immer wieder neu den Pinsel ansetzen musste. Obwohl kein Stück identisch ist, lebt der flimmernde „Farbraum in Rot“ von der Wiederholung des Strichs. Die beharrliche Wiederholung erscheint als eine Litanei für die eigene Schöpfung, sie macht die Kunst überhaupt erst möglich. Vor dem Werk steht die Arbeit – das überhaupt mal wieder vor Augen geführt zu haben, dafür gebührt dem Wiener Künstler sicherlich Dank. 

Der „Farbraum in Rot“ und weitere Werke sind gut durch das Schaufensterglas am Kopstadtplatz zu sehen. Eintritt ist erst wieder nach der Sommerpause des Kunstverein Ruhr am 2. September möglich. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Fantastische Fantasie

Dass ihre Bilder früher düster und aggressiv waren, sieht Moni van Rheinberg als eine überwundene Episode. „Mir wurde einfach bewusst, dass ich als Künstlerin eine gewisse Verantwortung habe“, sagt die in Köln aufgewachsene Essener Künstlerin. Anstatt also die ihrer Meinung nach depressive Gesellschaft mit gemalten Botschaften wie „Die Schweine von heute sind die Schinken von morgen“ noch weiter herunterzuziehen, verbreitet sie nun Freude und Zuversicht mit ihren Wandmalereien, Bildern und Objekten, aber auch sozial engagierten Kunstprojekten, etwa mit Bewohnern eines Kinderheims. Im Rahmen der Reihe „GAPart“ des Kulturbüros richtete van Rheinberg in Rüttenscheid jetzt ein leerstehendes Ladenlokal an der Baumstraße 4 her. Bis zum 31. Januar zeigt sie dort zwei Ausstellung. Erst ihre neuen Arbeiten und ab dem 16. Januar Fotografien, Modelle, Bilder und Objekte zum Thema Stadtverschönerung und „Schöner nisten im Ruhrgebiet“.

Das gerade erschienene, aufwändig gestalteten Kunstbuch „Bilder und Figuren Undnochmehr“ gibt Einblicke in die bildnerische Poesie von Moni van Rheinberg. Zu ihren Themen gehören Weiblichkeit, Verletzlichkeit, Heilung und Materialität. Bunte „Traumfängerinnen“ malte die Künstlerin mit Ölfarbe, Wachs und Sand auf Holzplatten, eine Skulptur gleichen Namens erwuchs aus Kaffeepulver. Echte Haare befestigte sie an ihrem Werk „Große Frau mit Springfisch und gestreiften Hund suchen seit Tagen das Lachen.“ Schon solche Titel-Ungetüme verraten, dass es van Rheinberg auch spannende Geschichten mit den fantastischen Bildern erzählen will. Ihre Galerie „Unamomenta“ ist freitags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 14 bis 17 und sonntags 14 bis 18 Uhr geöffnet. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)


Eiserne Kulisse

Zu den schwierigsten Momenten eines Künstlers gehört die Entscheidung, wann ein Werk fertig ist. Im Grunde genommen ist es ja nie fertig: Einmal in die Welt entlassen, führt es ein Eigenleben. Das Material bleibt meist konstant, der geistige Inhalt eines Werkes vermag sich im Zuge von Interpretationen, Belobigungen, Kritik oder schlimmstenfalls Nichtbeachtung zu wandeln. Besonders konkrete Künstler haben ihr Sein gegen ihr Schaffen deutlich abgesetzt. Sie verstanden sich als Geburtshelfer der Kunst, die für sich selbst, unabhängig von der Persönlichkeit, bestehen sollte.

Heiter Müller-Schlösser gehört zu diesem Typus. Er hämmerte acht mal acht Stifte in die Wand, an die er kurze, scharz-isolierte und verschieden gebogene Kupferdrähte hing. Bevor er das Werk jetzt in die Ausstellung verabschiedet,  prüft er immer  wieder die Komposition, biegt und tauscht einzelne Elemente seiner Installation, welche das vorgegaukelte quadratische Wandbild in 64 Einzelteile auflöst.
Der 1924 geborene Künstler spielt in der Werdener Galerie Geymüller mit der Wechselwirkung vom Detail zum Gesamten. Notationen und Figurationen nennt der Düsseldorfer seine Zeichnungen, Malereien und Skulpturen. Quadratisch sachlich, gut: In einem aufwändigen Verfahren spritzte Müller-Schlösser hellgraue, dunkelgraue und weiße Punkte auf die Leinwand, die sich in einigem Abstand in eine Meditationstafel verwandeln. Die Phantasie lässt aus einzelnen Konzentrationen der Punkte verschiedene Formen erwachsen. Es kommt Bewegung auf die Bildfläche.

Dass Müller-Schlösser als Bühnenbildner arbeitete, unter anderem am Düsseldorfer Schauspielhaus unter Gustav Gründgens, ist seinen Plastiken anzumerken. Die schwer nach Metall aussehenden, verzerrten geometrischen Formen sind federleicht: Der mit Putz überzogene Styropor sorgte schon bei mancher Inszenierung für eine eiserne Kulisse. Die Ausstellung ist am Schützdellerweg 11 dienstags bis freitags 15 bis 18 Uhr, samstags 11 bis 13 Uhr zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)

Dribbelnde Manager

Der Schweiß perlt übers Gesicht, tropft auf das Jackett, die Weste, die Krawatte. Die Manager in schwarzen Anzügen dribbeln, werfen Pässe und ab und an unter Ahaaa-Rufen des Publikums einen Korb. Zur Ausstellungseröffnung verwischten am Mittwochabend im RWE-Turm die Grenzen zwischen Sport und Kunst. Auf Einladung des Konzerns und in Zusammenarbeit mit dem Museum Folkwang lud Mira Schumann zum „Einwurf“.

Vier Basketballkörbe befestigte die 1968 in Stuttgart geborene Künstlerin in unterschiedlichen Höhen an den Stützpfeilern im hinteren Bereich des Foyers. Auf dem mit Spielmarkierungen überzogenen eigens verlegten Turnhallenboden liegen 30 Bälle verstreut. Zunächst traut sich keiner, nach einem Ball zu greifen. Aber dann fliegen die Bälle wild durchs Foyer, mitunter auf Köpfe, Canapé-Teller und Sektgläser – ein chaotisches, heiteres Spiel.

Mira Schumann, die bereits bei den legendären Wurstküchenausstellungen an der Gareisstraße teilnahm, sieht’s sportlich. Ob die Höhe der Körbe die Unternehmensstruktur und die Karrierechancen im Konzern widerspiegelt? „Das bleibt ganz dem Betrachter überlassen“, sagt sie. Ihr gehe es lediglich darum, das Foyer zu beleben und eine Irritation auszulösen. „Der hintere Raum wird überhaupt nicht genutzt, alle eilen direkt vorne zum Fahrstuhl!“ Die Spielsituation verfremde die sachliche Architektur und lockere die geschäftige Atmosphäre auf. 

Dass funktionale Räume durch eine künstlerische Gestaltung mit einfachen Mitteln eine neue Qualität erfahren, bewies Schumann im Jahr 2000 schon in einer Singener Straßenunterführung. Hier tauchte sie die Passage in blaues Licht, kachelte die Ende mit blauen Fliesen und befestigte eine Schwimmbadleiter. Anstatt wie üblich die als notwendiges Übel empfundene Unterführung zu durcheilen, schwammen die Passanten hindurch. Der Raum selbst wurde zum Erlebnis.

So soll es auch in ihrer jüngsten Installation sein. Die Spielfläche am Opernplatz 1 ist bis zum 19. März montags bis freitags 10 bis 18 Uhr und sonntags um 11 Uhr geöffnet. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)

Vom Nichts des Daseins

Mensch und Natur haben sich voneinander entfremdet. Kim Youn strebt die Versöhnung an. Der weibliche Akt, mit wenigen Strichen auf geschöpftem Papier skizziert, ist für die südkoreanische Künstlerin die Schnittstelle: Eingebettet in warmen, erdigen Farben und vielschichtig sich überlagernder Papierfetzen, sollen die Körper in der Galerie Klose taoistische Weisheiten von der Einheit der Gegensätze vermitteln.

„Ich möchte die Bilder vom Sinn entleeren“, gibt die eigens aus Südkorea eingeflogene, in Seoul lebende Kunst-Professorin der Myeongsin University in Suncheon bei der Ausstellungseröffnung eine Interpretationshilfe zur Hand. Indem sie verschiedenfarbiges Papier auf ihren Akten platziere, führe sie die Bilder in ein Nicht-Dasein über. Für die Südkoreanerin ist dieser Zustand der Ursprung aller „Schöpfung und Entwicklung“, so lauten auch alle Titel der ausgestellten Bilder.

Aus der Potenz des Nicht-Daseins, wieder in Dasein überzugehen, ziehen Kim Youns Werke ihre schöpferische Kraft. Man könnte nun darüber diskutieren, dass die abendländische Philosophie im Gegensatz dazu gemeinhin lehrt, dass aus dem Nichts nichts entstehen kann. Man kann es aber auch mit den Gegensätzen sein lassen und sich einfach an der ästhetischen Dimension der Papierarbeiten erfreuen. Kim Youn versteht es, Formen, Farben und Materialien in ausgeklügelten Kompositionen zu vereinen, die noch bis zum 8. November ihre harmonische Wirkung in der Rüttenscheider Straße 56 entfalten. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1997)

Prinzipien der Natur

Eberhard Ross als einen eintönigen Künstler zu bezeichnen, würde den 1959 in Krefeld geborenen Maler vermutlich schmeicheln. Ausgehend vom Interesse an organischen Prozessen, entdeckte Ross das Serielle in den Grundkomponenten der Natur als sein Thema. Dass die Natur trotz einer überschaubaren Anzahl von Bestandteilen enorm mannigfaltig ausfällt, überträgt Ross auf seine Bilder. In bewusster Reduzierung auf wenige Elemente sucht er Prinzipien der Natur auf die Spur zu kommen. Dabei bedient sich Ross sowohl der vorgefundenen Grundstruktur der Leinwand, als auch sich wiederholender Ornamente. Manche seiner bis zum 25. Oktober in der Galerie RM art, Rüttenscheider Straße 236, gezeigten Bilder scheinen selbst zu leben. Pulsierend „atmet“ so ein rotes Bild, ein anderes flimmert vor den Augen – womit die Natur offensichtlich die Werke als ihr zugehörig anerkennt. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1997)

Geräumte Räume

Neun Monate lang durfte sich Matthias Weischer im Kunsthaus Essen ausmalen: wie Räume entstehen und vergehen, wie sich Abstraktion und Realismus, Sachlichkeit und Surrealismus miteinander vertragen, wie man Ganzes mit Fragmenten konfrontiert. Ausgestattet mit einem der bestdotiertesten Förderpreisen für junge Künstler in Deutschland, dem Rotary-Stipendium „Junge Kunst in Essen“, vertiefte der 29-jährige Westfale die von ihm thematisierte Dialektik zwischen Realität und Illusion. Die Abschlusspräsentation in der Galerie an der Rübezahlstraße 33 heißt mehrdeutig „Räumen“

In Räumen sein, etwas hin und her räumen. Räume sind es, durch die sich der Mensch bewegt, Räume ordnet, räumt er an und auf nach seinem Belieben. Bei Matthias Weischer sind die Räume ebenso vom Kompositionswillen des Malers abhängig. Der Künstler hinterlässt deutlich seine Spuren. In den am Fotorealismus angelehnten Darstellungen von Zimmern, Häusern und Campingwagen tauchen tropfende Farbklekse auf. Manche Gegenstände deutet der Absolvent der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst nur noch abstrakt an. Weischer räumt Räume, macht deutlich, dass seine Imagination den Pinsel führt, dass die von uns als wahr erkannte Welt nur eine Interpretation bruchstückhafter Sinneseindrücke ist.

Mit diesem künstlerischen Konzept bestritt Weischer schon seine Ausstellung zu Beginn des Rotary-Stipendiats. Somit stellt sich die Frage: Was gibt es Neues? Das kostenlose Atelier, die freie Unterkunft und die 1250 Euro im Monat gaben Weischer Raum zum Experimentieren. Im Vergleich zu den ebenfalls aufgehängten „alten“ Bildern scheint der 29-Jährige ein wenig Abstand genommen zu haben von seinem Faible für die Innenarchitektur der 60er-Jahre. An die Stelle poppige Farben treten verstärkt schmutzig-monochrome Flächen. Die unterschwellig vermittelte Ironie macht bei einigen Malereien einer Melancholie Platz

Spaßig stellen Klaus Reinelt und Johannes Kaßenberg die Realität auf dem Kopf. Im Kabinett des Kunsthauses wird ihr mehrfach ausgezeichneter Experimentalfilm „Kann ich was abhaben?“ gegen die Wand projiziert. Aus 15 000 abgefilmten Fotos entstand ein aberwitziger Animationsfilm rund um einen fliegenden Mann, seinem Widersacher, den Frauen und einem Hai.

Beide Ausstellung sind bis zum 19. Mai, Mittwoch bis Sonntag, 16 bis 18 Uhr, erlebbar. Die namhafte Jury des Rotary-Stipendiums will am 13. Mai die nächste Preisträgerin oder den nächsten Preisträger küren. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2002)

Pessimistischer Start

Duncan Wright fixiert seine Zukunftsängste auf der Leinwand. Graue Puppen türmen sich zu heroischen Schlachtengemälden übereinander, kalt auf nacktes Weiß gesetzt. Mit dem Vertreter der „Neurotic Realism“ eröffnete Renate Moltrecht an der Rüttenscheider Straße 236 ihre Galerie RM art.
Damit wagt die frischgebackene Galeristin den Sprung von britischen antiken Möbeln zu britischer moderner Kunst. Ihr erfolgreiches Antiquitätengeschäft am Rüttenscheider Stern musste sie erst kürzlich nach 25 Jahrne aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Zu sehr in die Knochen ging das Treppensteigen und Tragen von Tischen und Kommoden. 

Dass nun ein Pessimist zur Neueröffnung bis zum 1. Februar ausstellt, soll kein böses Ohmen für die Galerie sein. Duncan Wright ließ sich zu seinen Arbeiten von den Erfindungen seiner geistig behinderten Schwester Vicky inspirieren, die Puppen erst zerstörte, und dann falsch wieder zusammensetzte. „Dies hat mich dazu veranlasst, eine Anzahl anscheinend unverwandter Themen zu recherchieren: Zeit, Erinnerung, Klonen, Gen-Technologie, Darwinismus und das Unheimliche“, erklärt der Absolvent des Londoner Royal College of Art. Aus den Puppen generierte der 1967 geborene Künstler Vorboten des Endes, das er wie viele Vertreter „Neurotic Realism“ ins Millenium datierte. 

Da der Untergang der Welt bekanntlich zum Jahrtausendwechsel ausfiel, widmet sich Wright in seinen gezeigten aktuellen Arbeiten nunmehr wunderschönen und abstrakten Landschaftsbildern, mit denen der Brite die Themen Sentimentalität und Nostalgie variiert. Vielleicht so, wie sie von antiken Möbel hervorgerufen werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)

Happy Pille ohne Nebenwirkungen

Waschechten Galeristen sträuben sich in der Galerie am Stern vermutlich die Nackenhaare. Hier sieht es aus wie in einem Souvenirshop in der Nähe des New Yorker Museum of Modern Art. Postkartenständer versperren auf der Straße den Blick ins Innere, am Eingang wird man empfangen von einem überdimensionalen Buch mit Aktfotografien von Helmut Newton. Den Weg durch die wenigen Quadratmeter Raum behindern Posterständer. Kaum eine Fläche an der Wand bleibt ungenutzt, und wenn dort noch bis zum 30. Juli die knallbunten Bilder von James Rizzi hängen, setzt der optische Overkill ein.

Rizzi, geboren 1950 in New York, gehört zu den derzeit bekanntesten und - man muss es wohl so ausdrücken: - beliebtesten Künstlern. Viel gibt es in seinen dreidimensional zusammengeklebten Druckgraphiken zu entdecken. Die Bildercomics wollen alles darstellen, und dies auf einmal. Den New Yorker Marathon begleiten U-Boote, Segelschiffe, Flugzeugträger und vor allem Hochhäuser mit Gesichtern. Wenn Rizzi sich Sehenswürdigkeiten zuwendet, dann gleich allen zusammen. So stehen Big Ben, der Eifelturm, der Schiefe Turm von Pisa, die Oper von Sydney und Stonehenge nebeneinander.

Früher verkaufte er im Eingangsbereich der New Yorker Museen seine Bilder. Dankbar erstanden nach Rizzis Angaben viele Touristen seine Werke als Souvenir, die sich zuvor „deprimierende Bilder“ haben ansehen müssen. Und in der Tat: Seine Druckgraphiken verströmen Optimismus und Fröhlichkeit. Allerdings gleich einer „Happy Pille“ ohne Nebenwirkungen. Rizzis Kunst erschöpft sich auch an der Rosastraße 6 schon beim Ansehen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2000)

Beißende Farben

In der Klamotte „Top Secret!“ aus den 80er Jahren steht Val Kilmer mit einer Staffelei im Abteil eines fahrenden Zuges, kneift ein Auge zu und peilt über den Daumen die Landschaft an. Heraus kommt, man ahnt es bereits, nichts als verschwommene Streifen. Was bei „Top Secret!“ ein Ulk ist, nimmt Vera Leutloff ernst. “Vorbeibilder” nennt die 1963 geborene Absolventin der Düsseldorfer Kunstakademie ihre Malerei, die trotz relativen Stillstandes des Betrachters gegenüber dem Bild die unkenntlichen Motive wie Blizzard oder Rennbahn in Bewegung setzen. Daneben zeigt die Galerie Neher noch bis zum 24. August drei weitere Positionen der Bildenden Kunst.

Christiane Laun löst Landschaften in grob verwischte Farbblöcke auf. Abstrakte Winter-, Herbst- oder Frühlingslandschaften entstehen so, die die 1961 geborene Meisterschülerin von Ulrich Erben sensibel komponiert. Auch Günter Malchow beschäftigt sich mit groben Farbblöcken, die jedoch in erster Linie durch Kontraste die Leinwand strukturieren. Distanziert und emotional zugleich berührt das Werk des gebürtigen Westfalen. Gelb beisst sich mit rot, blau mit grau, die geometrischen Formen wirken auf Dauer räumlich, ausgeglichen und scheinen zu schweben.

Aus der Art schlagen an der Moltkeplatz 61 gewissermaßen die Skulpturen von Ulrich Möckel aus Holz, Bronze und Aluminium. An sich strenge Formen wie Kreise und Rechtecke konfrontiert der 1949 geborene Künstler mit den Unregelmäßigkeiten und Unebenheiten des Materials. So legt er einen Kreis aus gebrannter Esche in die Raummitte. Die "4 Positionen" sind noch bis zum 6. August zu sehen, unterbrochen von den Betriebsferien der Galerie vom 16. Juli bis 6. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2000)

Fraktalität ausgehebelt

Aus dem Filigranen zaubert Wojtek Sachocki das Grobe. Ein Wiederkäuer formt sich im Flur des ersten Stockes der Volkshochschule aus kleinen Menschen- oder Tierfiguren. „Tätowierter Stier“, „Schwarze Witwen“ oder „Champion“ nennt der 1951 geborene Pole seine Zeichnungen auf braunem Packpapier, die den fraktalen Charakter der Welt, sprich, dass sich im Großen das Kleine wiederfindet und umgekehrt, auszuhebeln versuchen. Sein „Magischer Realismus“ sucht noch bis zum 30. November an der Hollestraße 75 nach Alternativen.

Ein Stockwerk höher zeigt der Studienkreis Fotografie „Ich und die Anderen.“ So bannte Inge Reuter spannende Konstellationen von Menschenansammlungen aufs Fotopapier. Lutz Niemann widmete sich Spiegelungen im Zugabteil, und Manfred Kaczerowski zog den „Anderen“ eine Kapuze über. Claudia Schön fotografierte ihre Oma, eine Großmutter wie sie im Buche steht - oder an der Wand hängt -, die bis zum 10. Dezember die Besucher mit einem Stück Kuchen und einem Lächeln in der Volkshochschule begrüßt. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2000)

Der dritte Weg

Effizienz gehört zu den wichtigsten Zielen einer Unternehmensberatung. So wurmte es die KPMG, für ihre Geschäftsräume an der Alfredstraße 277 einfach Geld für Kunst am Bau sinnlos zu verplempern. Anstatt sich also wie gewohnt Werke unbedeutender Regionalkünstler von einer Laienjury auswählen oder Bilder international bekannter Künstler teuer von einer Galerie andrehen zu lassen, kam die KPMG auf einen dritten Weg.

Das Wichtigste nämlich, so die Idee, ist, dass die Mitarbeiter etwas von der Kunst haben und sich mit ihr beschäftigen. Wie man das erreicht? In Kooperation mit dem Kunsthaus Essen ließ man von Mai bis Oktober zehn Künstlern in Geschäftsräume und Büros ihre Ateliers einrichten. Vor Ort entstanden Bilder, Objekte und Plastiken, die zum einen nahezu zwangsläufig die Arbeitssituation und Atmosphäre in der Unternehmensberatung aufgreifen und zum anderen die Mitarbeiter am kreativen Prozess beteiligen. So wurde eine Beziehung zwischen der Kunst am Bau und den darin arbeitenden Menschen aufgebaut.

Dass unter einem solchen effizienten Kunstverständnis die Qualität nicht litt, zeigen eindrucksvoll die Werke von Martina Achenbach, Peter Cloos, Petra Göbel, Karl-Heinz Mauermann, Renate Neuser, Christian Paulsen, Claudia Sacher, Matthias Schamp, Gerda Schlembach und Ingrid Weidig. Ein Jahr begleiten ihre Installationen, Bilder und Plastiken die Mitarbeiter der KPMG auf Schritt und Tritt. Die Ausstellung kann nach Voranmeldung besichtigt werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2000)

Antenne nach oben

Robin Horsch ist von kräftiger Statur, hackt selbst sein Kaminholz und wählt bedächtig seine Worte. "Ich bin ein Naturmensch", charakterisiert er sich selbst nach einer Bedenkzeit. Doch letztlich rückt der 41-jährige Mülheimer der Natur zu Leibe. Mit einer Kettensäge - was erstaunt, weil er mit dem Brachialwerkzeug aus Eichenbalken und abgestorbenen Wurzeln filigrane, hochgeschossene Figuren formt. Bis zum 2. Oktober verbreiten die "Horschfiguren" in der Galerie Obrist, Rüttenscheider Straße 73, ihre meditative Stimmung.

"Das Material leitet mich", erklärt Horsch. Die Form der Bäume, die Struktur der Rinde und die Maserung des Holzes rufen in ihm Assoziationen hervor, "denen ich dann folge". Meistens landet der Bildhauer dann bei sich selbst - und mit ihm der Betrachter. Die Figur wird zum Spiegel - und dank ihrer langen, schmalen Proportion zur "Antenne nach oben", wie Horsch im Sinne einer "Vergeistigung" hofft.

Zwar geht Horsch bei der Arbeit vom Material aus, doch ab dem "Punkt, wo die Figuren für mich anfangen zu leben", gewinnen Form und Oberfläche an Bedeutung. Mit Gips und Schaum sorgt er für ein metallisches Erscheinungsbild des Holzes, oder er gibt die Skulptur gleich in eine Bronzegießerei. Die Arbeitsmittel wie Schleifscheiben verarbeitete Horsch zudem mit gezeichneten Figuren und biografischen Erinnerungsstücken zu Collagen - einer Art "Lebenslauf" seiner "Horschfiguren".  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Berechnende Plastiken

Mathematik ist eine Kunst, Kunst ist Mathematik. Berechnend schraubte Eva Weinert ihre raumbezogenen Plastiken aus Holz zusammen. Immer gleiche Flächen tun sich bei einem Werk auf, das nur aus zu Dreiecken zusammengefügten Holzstäben besteht. Eine andere Plastik stellt zwei Kisten, verbunden durch einen Winkel, miteinander in Beziehung. Minimale Verschiebungen stören beim näherem Hinsehen im Forum Bildender Künstler unter der Alten Synagoge die Ausgewogenheit.

Dieses Prinzip verfolgt die Künstlerin vom Ruhrländischen Künstlerbund ebenso mit ihren Zeichnungen. Mit wackeligen Strichen untersucht sie bestechend sachlich die ästhetische Beziehung zwischen versetzten geometrischen Formen. Parallel zur Ausstellung von Eva Weinert zeigt Christine Atmer De Reig ihre Keramischen Gefäße nebenan im Kabinett an der Alfredistraße 2, zu sehen bis zum 26. November. (© Tankred Stachelhaus 2000)

Die Gewaltorgie bleibt aus

Zig Schachteln Camel ohne Filter mag Phillip Zaiser im Kunsthaus Essen aufgebraucht haben. Auch ohne Qualm scheint der „Junge Kunst in Essen“-Stipendiat einem Italo-Western entsprungen zu sein: über zwei Meter groß, sechs Tage-Bart, lange Haare und undurchsichtige Mimik. Doch nicht Leichen, sondern Kunstwerke pflastern seinen Weg. Der 31-jährige baute akribisch in einer Galerie ein Hotelzimmer nach, um es kurz vor der Ausstellungsöffnung in einer riesigen Gewaltorgie wieder zu zerlegen. Mit Golfbällen beschoss er eine grüne Wand. Ein Geschäftslokal verwandelte er in eine Stehpizzeria, nur um sich den Spaß zu erlauben, dorthin das Pizza-Taxi eines italienischen Schnellimbisses zu bestellen.

Einst befürchtete man an der Rellinghauser Rübezahlstraße 33, der Frankfurter Trash-Künstler würde das Kunsthaus bis auf die Grundmauern niederreißen und das obendrein für Kunst erklären (wer hätte dem argumentativ etwas entgegensetzten können?). Doch jetzt, kurz vor Ende des Stipendiums, zeigt sich, das Zaiser zwar radikal, aber durchaus von dieser Welt ist. Sein von dem Rotary-Club finanziertes Atelier nutzte er, um in selbstgewählter Isolation neue Projekte vorzubereiten und zu zeichnen. „Hier klingelt kein Telefon“. Erst im Mai sind die Arbeiten des vielbeschäftigten Installations-Künstlers auch in Essen zu sehen. (© Tankred Stachelhaus 2000)

Labile Konstruktion

Pressspann – wie kaum ein anderes steht das aus Holzresten zusammengeleimte Material für serielle Jugendzimmer, billige Einbauküchen und bröselnde Bücherregale. Gewöhnlich landet dieses Mobiliar als erstes auf dem Sperrmüll. Dieses Schicksal, wenngleich es assoziiert wird, bleibt dem Werk von  Markus Kleine-Vehn im Kunsthaus Essen wohl erspart. Perfide, kaum wahrnehmbar spielt der 32-jährige Künstler mit dem Material und seiner Oberfläche, die entweder klinisch weiß daherkommt oder, als kaum steigerbare Künstlichkeit, eine Holzmaserung vorgaukelt.

So formte er einen Käfig aus Elementen eines Bettes. Die scheinbar schon vorgefundenen und genormten Verbindungsstücke aus Plastik und Metall baute Kleine-Vehn erst nachträglich ein. Die Spannung zwischen Wirklichkeit und Vorstellungen wird hier aufs Material und seine Oberfläche verlagert. Dass man nicht nach der Gestalt gehen sollte, zeigt in Rellinghausen der abseitige und blödsinnige Ausstellungstitel „Rock ‚n’ Roll. Die äußere Hülle, so lautet Kleine-Vehns nicht gerade neue, aber künstlerisch beachtenswert umgesetzte Botschaft, muss Schicht für Schicht entblättert werde. Hier entdeckt man immer neue Dimensionen und Fragen. Dass es aber auch Antworten geben muss, darauf deutet eine Video-Installation hin: Aus eingescannten Fotos von Fliesen, Teppichvorlegern und PVC-Böden aus dem Kunsthaus formte Kleine-Vehns am Computer einen Käfer. Nur isoliert im virtuellen Raum, von der Oberfläche entrissen, sind die sonst perfekt getarnten Insekten zu sehen.

Wem das ein wenig zu konzeptionell und kopflastig erscheint, wird gleich nebenan von Michael Göring im Kabinett des Kunsthauses Essen mit „Fallobst“ verköstigt. Rund 60 Vasen hängen an einer langen Schnurr von der Decke, labil gehalten von einem in ihnen aufgeblasenen bunten Luftballon. Auf dem Boden liegen bereits heruntergefallene und zersplitterte Glas-, Ton- und Porzellangefäße, die Göring auf Flohmärkten preiswert erstand. Die bunte und lustige Konstruktion des 32-jährigen Münsteraners ändert im Laufe der Ausstellung seinen Zustand. Doch welche Vase mag als nächstes herunterfallen? Unmerklich entweicht Luft aus den Ballons, jede kann es treffen. Plötzlich wird dann die scheinbar starre Installation hörbar. Ein Krachen ergibt ein neues Bild.

Das Fallobst tanzt Rock ‚n’ Roll bis zum 19. Okt. 2000 in der Rübezahlstraße 33. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, jeweils 16 bis 18 Uhr. Die beiden Ausstellungen werden am Freitag, 20. Oktober, um 20 Uhr eröffnet. (© Tankred Stachelhaus 2000)

Mehr als die Summe seiner Teile

Wohin Ivan Andersen einen aus den tristen und öden Straßen, Häusern und Zimmern auf der Leinwand auch immer führt, man folgt gern seiner Richtung. "Follow My Directions" heißt die Ausstellung in der Galerie Frank Schlag, in der Motive spektakulär in ihre Bestandteile aufgelöst werden.

Der 1968 geborene Künstler aus Dänemark hat ein Auge für stereotype Wohnsituationen, für die immergleichen, sich in jeder Stadt wiederholenden Orte der Anonymität. Er malt Sonnenliegen in Hinterhöfen, Tiefgarageneinfahrten und Betonblumenkübel. Rund um das Hauptmotiv verändert er den Focus: Getrennt werden Farben und Formen, die Standardformen werden mit ausgemalten Trapezen in die Geometrie des Raumes überführt, Fragmente gehen in Leerraum über. Wirbel verwischen Strukturen. Aus farbigen Rechtecken formt er das Raumschiff Enterprise. Das alles meistert der vornehmlich in Berlin wohnende Künstler mit einer solch kraftvollen Stringenz, dass ein interessanter Effekt auftritt: Wird gemeinhin von abbildhafter Malerei gesprochen, so entlarvt Andersen solche Sichtweisen - sicherlich nicht als erster (Magritte würde mit "Das ist keine Pfeife" grüßen), aber durchaus überzeugend - als Illusion: Die Fiktion des Figürlichen weicht der Realität des Abstrakten. Das Bild besteht aus in Form gebrachten Farben. Dass es aber immer noch deutlich mehr als die Summe seiner Teile ist, lässt sich bis zum 10. Oktober an der Meisenburgstraße 173 bewundern. (© Tankred Stachelhaus 2008)

Anstoß zum Sehen

Beklemmend, abstoßend und schockierend - so fanden viele Bewohner des Augustinums ein Werk des Essener Bildhauers Jörg W. Schirmer. Dieser hatte kürzlich die Senioren des Nobel-Wohnstifts mit einer nackten und orange bemalten Frauenfigur erschreckt, die tanzend den Bewohnern im Foyer einen Totenschädel entgegenstreckte. Flugs wurden Unterschriften gegen diese Ungeheuerlichkeit gesammelt. Im dritten Lebensabschnitt, so der Tenor, wisse man schon, was auf einen zukommt. Doch müsse man dies nicht ständig unter die Nase gerieben bekommen.

Die verantwortliche Kulturreferentin des Hauses, Gisela Figgen, äußert im Nachhinein Verständnis. "In Kunstgalerien braucht man nicht gehen, wenn's einem nicht gefällt. Doch das Wohnstift gehört zum persönlichen Lebensumfeld." Die Hausleitung knickte allerdings nicht ein - und lud stattdessen den Künstler zu einer Diskussionsveranstaltung. Schirmer stellte sich rund 150 aufgebrachten Senioren. In der Hauszeitschrift des Augustinums heißt es dazu: "Das Gespräch entwickelte eine eigene kreative Dynamik." Schließlich durfte die Skulptur bis zum Ende der Ausstellung stehen bleiben.

Inzwischen ist wieder Ruhe im Wald eingekehrt. An den Fotos aus den vergangenen 15 Jahren, die Bernhard Trautvetter bei der aktuellen Ausstellung an die Wände des zentralen Flures hängte, dürfte nur anstößig sein, dass sie den Betrachter zu einem anderen Sehen anstoßen. Der Titel "Wo Menschen leben" wird in 32 Bildern vor Augen geführt. Die Architekturfotos zeigen Details von meist Essener Gebäuden und Plätzen. Dabei kommt es den 53-jährigen Fotografen und Radfahrer ("Auf dem Fahrrad sehe ich mehr") besonders auf die ungewöhnliche Perspektive an. Spiegelungen sind bei ihm ein Thema. So rotiert das Riesenrad auf dem Burgplatz in der Glasfassade der Volkshochschule. Der Handelshof wird reflektiert in den Scheiben des gegenüberliegenden Kaufhauses. Linien an Häusern kombiniert Trautvetter gern mit Schatten. Aus der Fassadenbeleuchtung eines Rüttenscheider Hotels entwickelte der Essener minimalistische Farbflächen.

Alle zwei Monate stellt im "Augustinum" ein anderer, meist Essener Künstler aus - als "Beitrag zur Kulturhauptstadt 2010", wie es heißt. Bernhard Trautvetters Arbeiten sind bis zum 28. Oktober zu sehen. (© Tankred Stachelhaus 2007)

Verhunzte See, verwackeltes Festland

Seine Fotos bilden nichts wirklich ab, sie erzeugen Atmosphäre. Helge Emmaneel gibt entrückten Träumereien einen Rahmen, einen Rahmen, wie er für Gemälde vorgesehen ist. "Licht-Malerei" heißt seine Ausstellung in der Galerie Obrist am Museum (GAM).

Der 39-jährige Künstler arbeitet unter anderem mit einer alten Agfa-Click-Kamera aus den 60er-Jahren und mit Filmen, die allesamt schon lange ihr Haltbarkeitsdatum überschritten haben. Seine Bilder sind verwackelt, grobkörnig und überblendet, die Farben irreal. Früher hätte man so etwas im Fotolabor reklamiert, heute wärmt man sich am Retro-Charme solcher Aufnahmen. Emmaneel schafft es dabei mit seinen absichtlich verhunzten, besser gesagt: manipulierten Motiven, die Nostalgie in eine Zukunftsvision zu verwandeln.Bildaufbau, Perspektive - alles ist stimmig, wie aus einem Guss.

Bislang hatte sich der in Essen geborene, in Bochum aufgewachsene und nun in Hamburg lebende Fotograf auf Meer- und Strandaufnahmen konzentriert. Wasser bis zum Horizont, Wolken, Dünen, Sand bestimmten den Bildaufbau der oft auf Amrun entstandenen Fotos. In der Kahrstraße 59 zeigt Emmaneel erstmals, dass er auch das Festland verwackeln kann. In Irland entstanden wunderbar unwirkliche Bilder, die es vermögen, die Zeit still stehen zu lassen. Die Ausstellung ist bis zum 4. April zu sehen.  (© Tankred Stachelhaus 2009)

Genesis als Beta-Phase

Die Gesichter erinnern ein wenig an solche von virtuellen Gestalten, denen in Computerspielen nur mühsam mimikähnliche Grimassen einprogrammiert wurden. Unfertig - oder, um im IT-Jargon zu bleiben: wie in der Beta-Phase, dem ersten Versuchsstadium, wo es darum geht, Fehler auszumerzen - wirkt die ganze Szenerie, die der Künstler mit so etwas wie "Sinn" aufgeladen hat. Das Unperfekte paart sich mit einer extremen Bedeutungsschwere der Details in der Komposition, mit der Gabriel Heimler die Schöpfung verbildlicht. Sein "Genesis-Zyklus" hängt in der Alten Synagoge.

Die Ausstellung des Berliner Künstlers gehört zu dem Austauschprojekt des Forums Kunst und Architektur. Gewissermaßen kehrt man selbst wieder, wenn nicht zu den Wurzeln, so aber doch zu einem wichtigen Abschnitt in der Geschichte des Forums zurück. Im Erdgeschoss des jüdischen Gotteshauses waren einst die jetzigen Nutzer des Forums beheimatet. "Alles ist eine Wiederholung", sagt der 1964 geborene Künstler. "Die Genesis-Geschichte lehrt uns das Leben."

Voller Anspielungen sind die 24 Bildrollen, es hat eine Bedeutung, wenn eine Wiege leer ist, wenn ein blaues Pferd die Mähne schüttelt, ein blauer Schleier durchs Bild flattert, wenn Babypuppen zu Boxkämpfen geführt werden. Man muss schon bibelfest sein, um jeden Hinweis der sehr subjektiv gehaltenen Schöpfungsgeschichte zu begreifen.

Wer es nicht ist, erlebt Heimler als expressionistischen Künstler, der rätselhafte Bilder malt, die eine Lösung herausfordern. Die Bilder entfalten sich ausschließlich im Kontext der Intention des Künstlers - bis zum 28. Juni. (© Tankred Stachelhaus 2008)

Vom Himmel geholte Stars

Bei Stars ist es wie mit richtigen Sternen: Man kann sie sehen und doch sind sie unnahbar. Aber Michael Strauss holte sie vom Himmel, lichtete sie ab als gefühlvolle Menschen, die heiter mit dem Fotografen herumschäkern (Jeanne Moreau), sich bedrängt von Mikrofonen ins Träumerische verlieren (Lino Ventura) oder einfach nur im Trubel innehalten (Robert de Niro). Solche Bilder legte der Fotograf bei seinen Auftraggebern, verschiedenen Bildagenturen, erst gar nicht vor. "Hätte sowieso keiner gedruckt." Genauso wie seine in schwarz-weißen, teils verwackelten Aufnahmen erzählte Liebesgeschichte "Katz und Maus", die nur bedingt der Ästhetik einer BRAVO-Foto-Lovestory entspricht. Stattdessen werden die Fotos nun ausgestellt in der Galerie Obrist.

Der in Saarbrücken geborene Michael Strauss kam 1977 zu Otto Steinert an die Folkwang-Hochschule. Hier lernte er die subjektive Fotografie kennen, die bestimmend für sein Werk geworden ist. Der 49-Jährige sieht seine Aufgabe darin, Bilder des Inneren zu schaffen, die Empfindungen einfangen und Gefühlsregungen auslösen. Die von Steinert geforderte Befreiuung vom Duktus des Realen, Dokumentarischen setzt Strauss auch mit Mitteln der digitalen Bildbearbeitung um. Die eindrucksvollen Fotografien sind bis zum 15. Mai an der Rüttenscheider Straße 73 zu sehen. (© Tankred Stachelhaus 2004)

Auf den Index gesetzt

Nein, provozieren tut Kunst nur noch selten. Das Publikum ist einiges gewöhnt, erregt sich kaum noch über Schmiere- und Schweinereien, ja selbst eine ausgestellte weiße Leinwand ist schon "durch" und akzeptiert. Was waren das noch für Zeiten, als Kunstaktionen Polizeieinsätze auslösten? Als Skulpturen im öffentlichen Raum nicht von gelangweilten Vandalen, sondern von empörten Bürgern zerstört wurden? Als man noch für Kunst streiten, gar kämpfen musste? Vorbei. Und so müssen Galeristen ihre Ware selbst auf den "Index" setzen.

"Index 07 Malerei" heißt es im Kunst-Raum. Die Jahresabschlussschau vereint zehn Künstler, die im Jahr 2007 an der Rüttenscheider Straße 56 ausgestellt haben plus einen Neuzugang, den Chinesen Xianwei Zhu, der putzige Figuren herrlich in Szene setzt.Mit dabei ist Norbert Bauer, der Amokläufer verfremdet porträtiert hat, Jörn Grothkopp, der einen Koi-Schwarm über die Leinwand schwimmen lässt, Uwe Groß, dessen Malerei nunmehr dank plastischer Körperabdrücke von Cheerleadern in den Raum hineinragt, und Wolfgang Neumann, der mit dem Pinsel Menschen als variable Spielzeugfiguren gruppiert.

Was auf dem Index steht, verkauft sich gemeinhin besser - bis zum 22. Dezember läuft das Weihnachtsgeschäft. (© Tankred Stachelhaus 2007)

Vorsicht, rollender Hund!

Vor zwei Jahren lief "Das fotografierte Tier" im Museum Folkwang. Nun ist es im Kunst-Raum angekommen: als Malerei und Plastik. "Du liebes Tier" nennt Colmar Schulte-Goltz seine Schau, in denen Bekannte wie Uwe Groß oder James Larsen ihren Auftritt haben, aber auch junge Maler und Bildhauer wie Frederic Spreckelmeyer und Sophie Waldburg, von denen der Galerist sagt: "Die habe ich entdeckt!" Und entdecken kann man reichlich. Es ist eine schöne, kleine Ausstellung geworden, facettenreich und komprimiert zugleich, trotz der vielen Beteiligten auf geringer Wandfläche nicht überladen. 20 Künstler ließen sich auf das tierische Thema ein.

Die Beziehung vom Menschen zum Tier lässt sich bekanntlich nicht auf die Nützlichkeit reduzieren. Auf Haustiere richten sich Emotionen. Noch nie lugten nach Angaben des Galeristen derart viele Passanten durch die Scheibe wie zu dieser Ausstellung. Dort sehen sie als erstes eine Installation von Annika Burbank, die acht identischen Lämmern das Fell über die Ohren gezogen hat. Ihre zu Stricksocken verarbeitete Wolle wärmt nur die Hufe. Die Arbeit aus Porzellan verbindet ein christliches Motiv mit der Gentechnik. Ein weiteres Werk der Künstlerin greift die These auf, dass manche Halter sich ihre Kindheit unbewusst mit verspielten und niedlichen Hunden vergegenwärtigen. Ein Dobermann aus schwarzem Polyesterharz, der wie ein Spielzeug auf Rädern durch die Galerie rollt, stellt die Bindung auf den Prüfstand.

Ohnehin richten sich die meisten Darstellungen nicht aufs Tier, sondern auf das, was das Tier für den Menschen repräsentiert. Dafür braucht man nicht einmal beide Lebewesen zu zeigen. Frederic Spreckelmeyer etwa malte nur die Rüstung eines Ritters und seines Pferdes. Ross und Reiter denkt man sich hinzu. Maßlos in den Proportionen hat James Larsen seine Katzen- und Hundebilder übersteigert. Sie erscheinen als furchtlose Helden. Zu tragischen Helden verarbeitet Julia Laupus jene Vögel, die als Silhouetten auf Fensterscheiben ihre lebenden Artgenossen vor dem Aufprall bewahren. In der Ausstellung stoßen sie selbst an eine Mauer und bleiben liegen. Bis 10. November. (© NRZ / Tankred Stachelhaus 3. Oktober 2007)

Figuren ohne Bühne

Dieser Künstler ist ein Snob! Feinstes italienisches Marmor, aus dem sonst traditionell versierte Bildhauer gerne anmutige Göttinnen liebevoll meißeln, zersägt Klaus Scheckenbach zu unförmigen Leibern mit zerstückelten Fratzen, schlampig bemalt mit Öl- und Acrylfarben. Und das mit voller Absicht. Die Ergebnisse seines Tuns sind im Kunst-Raum zu besichtigen.Der Künstler versteht es, "präziöse Materialien unprätentiös zu verarbeiten und seine künstlerische Ausdruckskraft in den Vordergrund zu stellen", lobt Galerist Colmar Schulte-Goltz in seinem Begleittext zur Ausstellung. Aber reicht das? Der 34-jährige Meisterschüler von Georg Baselitz pendelt zwischen den Kulturen. Er lebt in Genf und Berlin. Lehraufträge führen ihn regelmäßig nach China. In seinen Werken blickt er mit westlichen Augen auf Fernost. In anderen Ausstellungen baut Scheckenbach für seine Skulpturen gerne kleine Häuser, eine Reminiszenz an chinesische Ahnengalerien. An der Rüttenscheider Straße 56 fehlt den Figuren diese Bühne. Und so wirkt das Werk bis zum 17. September enttäuschend ziel- und wirkungslos. (© Tankred Stachelhaus 2007)

Aneinander vorbeigehen

Täglich marschieren tausende Menschen die Kettwiger Straße hoch und runter, ein jeder mit einer anderen Geschwindigkeit, wobei manch einer noch von einer Seite zur anderen pendelt, abrupt stoppt oder unvermittelt die Richtung wechselt. Kurzum: In Fußgängerzonen herrscht offenkundig das Chaos und so ist es verwunderlich, dass nicht täglich aufeinandergeprallte Passanten mit den Rettungswagen abtransportiert werden müssen. Die Menschen laufen, als hätten sie sich abgesprochen, aneinander vorbei. Dieses unbewusste Miteinander von Fremden hat Gudrun Kemsa zu ihren Fotoarbeiten inspiriert.

Im Raum des Kunstvereins Ruhr am Kopstadtplatz 12 isolierte die Düsseldorfer Künstlerin die Teilnehmer der alltäglichen "Choreographien" - wie auch der Titel der Ausstellung heißt - auf weißem Grund: Menschen, die allein durch ihre Körperhaltung, Gestik und Mimik miteinander kommunizieren. Dass es dabei mitunter mehr als um das Problem geht, aneinander vorbeizukommen, wird in der fotografischen Untersuchung bis zum 9. September deutlich. (© Tankred Stachelhaus 2007)

Irrealer Raumkörper

Das Werk ist die Galerie. Aber um es würdigen zu können, muss man sich vor dem Fenster auf den Hosenboden setzen, die Beine lang strecken und solange herumrutschen, bis die Farbflächen im Blick auf eine Ebene kommen. Doch die Suche nach der richtigen Perspektive wird in der Galerie Schütte belohnt: Aus den in gelb, grau und weiß angestrichenen Wänden, Fußböden und Decken formt sich ein irrealer, plastischer Körper. "Journey into space" nennt Roland Geissel seine Wandmalerei.

Farbe, Fläche, Raum - der in Shanghai lebende Künstler geht das Thema planvoll an. Viel Zeit investiert er in die Vorarbeit mit Fotos, Skizzen und Berechnungen, wie die Konturen der Flächen laufen müssen. Doch letztendlich gehen ihm dann bei der praktischen Umsetzung die Pferde durch, wie ein Video dokumentiert. Immer kraftvoller und gestischer geraten die Farben. Die Hand des 1965 in Frankenberg/Eder geborenen Künstlers bleibt bei dem konstruktiven Werk präsent.

Geissels "Raumzeichnungen" sind eine Weiterentwicklung seiner rechteckigen, auf den Namen "Melusinen" getauften Farbkörper. Während bei diesen der Blick durch Wachs- und Farbschichten ins Innere geleitet wurde, so darf man an der Hauptstraße 4 in Kettwig nun auch ihren "Innenraum" begehen. Im Gegensatz zu seinen Plastiken handelt es sich jedoch nur um eine temporäre Arbeit, zu sehen bis zum 11. August (Galerieferien: 24. Juni bis 23. Juli). Dann werden die Wände überstrichen. Was bleibt, ist ein großformatiges Foto. (© Tankred Stachelhaus 2007)

Moment des Wechsels

Installationen sind sperrig, oft nur für einen besonderen Raum gedacht und deshalb meist auch schwer verkäuflich. Kein Wunder also, dass es Künstler in letzter Zeit immer mehr zur Leinwand drängt. Auch Bas Coenegracht griff zum Pinsel, obwohl er sich als Kunststudent an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam mit konzeptionellen und raumgreifenden Projekten beschäftigte. Für den 33-jährigen Künstler war dies allerdings nur eine Station auf dem Weg zu seiner wirklichen Profession. In der Galerie Kalthoff, Sabinastraße 1, kann man nun bis zum 28. Juli untersuchen: Wie viel Installation steckt in seiner Malerei?

Aber auch eine andere Frage steht im Raum: Passt Bas Coenegracht gut in das Programm der Galerie? "Er schließt die Lücke zwischen Matthias Meyer und Jim Harris", unkte ein Vernissagenbesucher; und in der Tat: Jene zwei auch von Jürgen Kalthoff vertretenden Künstler erscheinen als ungewollte Paten Coenegrachts - Meyer mit tropfenden Farben und seiner Inszenierung vibrierender Urbanität und Harris mit fragilen Strichen und seiner als Stadtporträt getarnte Spurensammlung menschlicher Artefakte. Beides findet sich in Coenegrachts Bildern wieder.

Nichtsdestotrotz zeigt der in Lissabon lebende Künstler deutlich seine eigene Handschrift. Mehrere Schichten Farbe legt Coenegracht bei seinen abstrakten Gemälden verlassener Industrieanlagen übereinander. Sie lassen Blicke zu oder verdecken sie. Geschichtet werden Wahrnehmungsebenen und trotz der meist gezoomten Ausschnitte breite Raumeindrücke - womit er letztlich eine malerische Installation pflegt. "Mich interessiert der Moment des Wechsels", erklärt der Künstler. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Die Welt im Wandel

Das Unstete ist ihr steter Begleiter: Weit über ein dutzend Mal ist Anja Köller bereits umgezogen, jeden Monat nimmt sie ein paar Tage Reißaus, um in der Fremde neue Eindrücke zu inhalieren. Sie fotografierte die Show der Coyote Ugly Girls, auf der Kirmes und auf Pressebällen. Manche Bilder verarbeitete sie in Malerei-Foto-Collagen, manche druckte sie als Reise- Impressionen auf die Leinwand. Derzeit stellt die 1966 geborene Künstlenn in einem leer stehenden Ladenlokal an der Witteringstraße 81 aus.

"Ich fahre meist allein“, sagt Köller, die oft stundenlang vor einem Detail am Wegesrand verweilt. "Das hält ja keiner aus.“ So arrangierte sie einmal im Gebüsch gefundene Farbspraydosen recht langwierig vor einem Graffiti an Überresten der Berliner Mauer. Auf dem Foto ist von dem Aufwand nicht viel zu sehen, sie lenkt den Blick durch die brüchige Mauer hindurch auf die Grünanlage. Der Spalt in dem Beton zerteilt gleichzeitig die Zeitung, die zwei links und rechts auf die Mauer gesprayte Figuren in den Händen halten.

Köller durchdringt dabei Oberflächen und legt den Inhalt frei. Die Struktur spielt für die Rüttenscheider Künstlerin eine wesentliche Rolle. Mit immer neuen Farbschichten verbirgt sie in ihrem malerischen Werk Ebenen, um sie mit Schmirgelpapier wieder freizulegen. In .ihren Fotos experimentiert sie ebenfalls mit Strukturen und Oberflächen. Mehrere Ebenen schieben sich zu einem Gesamtbild übereinander, wenn sie beispielsweise einen grob gewebten Vorhang abbildet, auf dem sich der Schatten einer Blume wie ein riesiger Tintenfleck ausbreitet, oder wenn sie Straßenszenen in Amsterdam als Spiegelung im Schaufenster fotografiert. Die Welt im steten Wandel kann nach Voranmeldung unter Telefon XXXX besichtigt werden.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 4. April 2007)

Mona Lisa vom Sockel geholt

Yongbo Zhao ist ein Kind der Revolution. Doch anstatt sich von ihr fressen zu lassen, beißt der gebürtige Chinese mit Zynismus brutal zurück. "Bilder" lautet schlicht der Ausstellungstitel in der Galene KK, die mit Mythen, Ikonen und Idolen sowohl der östlichen, als auch westlichen Welt alles andere als zimperlich umgeht.

Zhoa tobt sich technisch brillant und mit Anleihen ans Barock hemmungslos auf der Leinwand aus. So deckt ein Hammel in Mao-Uniform inmitten von Kadavern ein Schaf. Fratzenhafte Wesen winken und säugen, gemalt im Stil von propagandistischer Heldenverehrung, ihre willige Meute. Mit einem gewaltigen Hieb holte der Maler die Mona Lisa von Leonardo Da Vinci von ihrem Sockel. Blut quillt aus der Ikone heraus. Fliegen laben sich an ihr, und die Brüste verwandeln sich in einen Parma-Schinken. Marylin Monroe zeigt sich in pornografischer Pose als vielarmige indische Göttin.

Der 1964 in der Mandschurei geborene Künstler rechnet drastisch mit seiner Heimat ab. Fünf Jahre lang war er als Dozent für Malerei an der Pädagogischen Universität in Changchun tätig, malte die Große Mauer und Landschaftsbilder. Mit der Begegnung der westlichen Kunst als Student der Münchener Akademie der Künste kam der Bruch, den Zhoa mit künstlerischen Mitteln forcierte. Hoch anzurechnen ist ihm, dass er dabei nicht stehen blieb und auch seine neue Heimat, ihre Mythen und Idole einbezieht bei näherer Betrachtung witzig, skurril und vielschichtig. Die Schau ist noch bis Ende Januar an der Rüttenscheider Straße 56 zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus XXXXX)

Strandaufenthalt

Dem Reiz der Toskana mag sich kaum einer verschließen. Eine warme Brise rauscht über die Hügel und durch die Zypressenwälder, die Sonne gewährt ein wohl einzigartiges Licht - wer hier ans Arbeiten denkt, muss entweder Workoholic oder Künstler sein. Michael Nowottny hat mit beiden etwas gemeinsam und versteht es zudem noch, die durch die Landschaft aufgedrängte Leichtigkeit des Lebens kreativ umzusetzen. Bereits zweimal erhielt der 1961 geborene Kölner ein Stipendium der Villa Romana. Nun stellt er in der Galerie Eikelmann, Witteringstraße 38, bis zum 23. November die malerischen Ergebnisse seines Aufenthaltes in Florenz vor.

Ein großer Garten umsäumt die Villa Romana. wo etwa ein halbes Dutzend Ateliers nebst Wohnung für die Dauer von mehreren Monaten gestiftet werden inklusive Taschengeld. Die Versuchung ist groß. sich am Brunnen, im Schatten der Weinreben oder in einem der vielen fußläufig erreichbaren Cafés der Altstadt niederzusetzen, mit Hausherr Commendatore Joachim Burmeister ein Gläschen Rotwein zu trinken, Kunst Kunst sein zu lassen und ansonsten dem gepflegten Nichtstun zu frönen. Warum auch nicht? Wer von hier wieder nach Deutschland zurückkehrt, hat meist wieder den Kopf voll mit neuen Ideen.

Derlei Überlegungen muss Michael Nowottny nicht abgeneigt gewesen sein, zumindest bei seinem zweiten Besuch in Florenz. Verblüffend erscheint an der Witteringstraße 38 die Gegenüberstellung seiner Werke aus dem Jahr 2000 und derjenigen aus dem Jahr 1990. Während Nowottnys frühere Malerei deutlich ambitionierte Ziele mit Anleihen der christlichen Ikonographie verfolgt („Große Kreuzabnahme“, im Hintergrund ruht die Villa Romana), widmen sich seine jüngsten Werke der sanften Schönheit von Landschaft, florentiner Architektur und Kunsthandwerk. Strandszenen lassen erahnen, wo Nowottny einen Teil seiner Zeit verbrachte. Der Stipendiat nutzte den zweiten Aufenthalt, seine Maltechnik zu vervollkommnen und schuf, scheinbar ganz nebenbei, lockere, unverfängliche Studien, die in warmen Farben die einlullende Wirkung der Toskana auf den Menschen einfangen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus XXXXX)

Makellos

Beim Malen ist Willi Kissmer sicherlich der Pinsel ausgerutscht - solch üppige weibliche Formen erscheinen jedenfalls wie nicht von dieser Welt. Makellose Brüste betören, kaum durch Top, Tuch oder BH gebändigt, in der Galerie Nr. 3. Der Duisburger Maler meint es gut mit dem Betrachter und seiner Freundin Beate, die ihm Modell steht. Wo es anatomisch nicht reichte, ließ er die Phantasie den Pinsel führen. Die fotorealistisch gezeichneten Torsi strotzen vor plakativer Erotik. Rot ist die rechte Farbe, die Stilmittel wie wallende und drappierte Stoffe seit Jahrhunderten bekannt - aber was soll’s? Das Geheimnis "Frau" lüftet Kissmer an der Alfredstraße 60 genauso wenig wie seine unzähligen Vorgänger, hält aber gekonnt das Interesse an dem anregenden Thema wach. (© NRZ/Tankred Stachelhaus XXXXX)

Bestandsaufnahme

Vor rund einem Jahr hat Knut Wolfgang Maron die Galerie an der Kahrstraße 54 übernommen und bislang zehn Künstler gezeigt. "Mehr sollen es auch nicht werden, ich will mich ja um jeden Einzelnen kümmern", erklärt der Kunst-Professor, Fotograf und Galerist. Zeit für eine Bestandsaufnahme? "Ich bin genauso enthusiastisch wie am Anfang", sagt Maron zur Jahresschau mit allen Künstlern der ZoneE.

Mit zwei, vielleicht drei Schritten hat man die ehemalige Imbissbude in jede Richtung durchquert. Die Abmessung der ZoneE hat ihren besonderen Charme. Von Enge kann man aber nicht sprechen. Auf die Pelle rücken sich die Bilder durch ihre Zusammenstellung. Maron hat die christliche Symbolik, weltliche Zeichen und visionäre Ikonografie seiner Künstler zu einer aufregenden Schau gemischt. Fließend sind die Übergänge von Fotografie, Skulptur, Malerei und Objektkunst. Die Ausstellung kann nur nach Anmeldung unter Telefon XXXXX besichtigt werden. Aber wer durchs Schaufenster guckt,  sieht noch bis zum 23. Feburar reichlich. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Zwischenstation

Stimmungen mit Farben und Flächen zu erzeugen, darauf versteht sich Ralf Bohnenkamp als einstiger Bühnenbilder. Nun hat der Essener Maler auch die Figur entdeckt, und zwar auf dem Flughafen. "Stop Over" heißt seine derzeitige Ausstellung in der Galerie Obrist, Rüttenscheider Straße 73. Gekonnt gelingt es ihm, die eilenden und wartenden, die hektischen und orientierungslosen Menschen in den Terminals einzufangen und sie als schwarze Schemen in seine Bildwelten zu integrieren. Und so, wie der Flughafen für die Reisenden meist nur eine Zwischenstation ist, so hebt Bohnenkamp im Gespräch das Experimentelle seiner jüngsten Serie hervor: Ob er bei den Figuren landet oder doch wieder zu seinen Flächen abfliegt, ist noch nicht entschieden - bis 28. September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Pathologie des Alltags

Sie häkelt Köpfe, um sie wie der aufzuribbeln, schlägt Figuren den Kopf ab, aus dem dann Stofftränen weinen, und legt deformierte Babypuppen in Kinderwiegen, die sie mit einem Wecker aus den Träumen reißen will: Wiebke Bartsch versteht sich auf den Horror morbider Infantilität, wie Manfred Schneckenburger schrieb, und entführt die Besucher der Galerie am Museum (GAM) unter dem Titel "Einer kommt, einer geht..." in die Pathologie des familiären Alltags.
In ihren Keramiken, Textilien und Zeichnungen geht es um Leben und Tod. Die mal melancholischen, mal humorvollen Werke legen Emotionen als Triebfeder für das Prozess hafte des Daseins frei. Beeindruckend gelingt dies der 1968 geborenen Künstlerin in ihren "Tafelbildern", die durchaus wörtlich zu verstehen sind. Auf schwarzen Tafeln zeichnete sie mit wenigen Kreidestrichen die Beziehung von Mutter und Kind auf. Mit einem Wisch könnte alles vergessen sein  bis zum 27. Oktober an der Kahrstraße 59. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Geschminkte Damen zeigen ungeschminkte Wahrheit

Hündchen umspielen die Frauchen, die sich auf dem Sofa in Unterwäsche fläzen. Distanziert, fast verächtlich blicken die beiden Damen aus dem Bilddern ungewollt zum Voyeur abgestempelten Betrachter an. Li Ji hat diese Szene gemalt. Dieser stellt in der Galerie Frank Schlag aus.
"Lust und Besitz" heißt das tragende Thema von Li Jis Gemälden. Der 1963 geborene stellvertretende  Leiter  der Yunnan Kunstakademie lässt in seinen Bildern stark geschminkte Frauen mit Hunden, Affen und Katzen auftreten. Die Tiere sollen den Bildern einen "Hauch von Unschuld" verleihen, wenn man einer Mitteilung der Galerie Glauben schenkt. Darin steht auch, dass die Arbeiten des chinesischen Künstlers auf die "oft dekadent und vulgär erscheinende Schattenseite der heutigen materialistisch eingestellten Gesellschaft verweisen". Wer sich selbst ein Bild machen will, hat dazu bis zum 12. Oktober an der Meisenburgstraße 173 Gelegenheit. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007) 

Räume für Emotionen

Wer vergangenen Freitag gegen Mitternacht an der Rüttenscheider Straße 73 vorbeischlenderte, konnte zwei heitere Gestalten beim Zuprosten beobachten: Galerist Torsten Obrist und Maler Ralf Bohnenkamp. Sie hatten allen Grund zu Feiern. Nach der Vernissage klebte nahezu an jedem Bild ein roter Punkt. 

Ralf Bohnenkamp, der Verkaufsschlager. Von morgens bis spät nachts spachtelt Bohnenkamp an seinen "Farbkörpern", die er rechteckig auf der Leinwand anordnet und übereinander schichtet. Das Werkzeug hinterlässt Spuren. Farbtropfen ziehen Linien übers Bild. Bohnenkamp schafft verschachtelte Flächen mit einfacher Formensprache. Als gelernter Theatermaler versteht es der Essener dabei geschickt, Räume zu schaffen, in denen sich Emotionen und Assoziationen ausleben können. Die Ausstellung ist bis zum 22. Juni zu sehen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Wischi-Waschi

Christophe Hohler kann sich nicht entscheiden, ob er Maler, Fotograf oder Filmer ist. Mit Videokamera filmte der 1961 geborene Elsässer Tanzvorführungen im Fernsehen von der Mattscheibe ab. Die daraus gewonnenen Standbilder nimmt Hohler als Vorlage für seine Malerei. "Versuch zur Bewegung" heißt bis zum 22. November die dazugehörige Schau in der Galerie Obrist, Rüttenscheider Straße 73.

Der Versuch ist missglückt: Die Bilder erscheinen mehr als eine Aneinanderreihung von gestalterischen Stereotypen denn als eine Zusammenführung der einzelnen Medien zu einem Bild, das mehr als die Summe seiner Einzelteile ausmacht.Klar: Die verfremdet fotorealistisch auf der Leinwand festgehaltenen Tänzerinnen und Tänzer verkörpern Energie. Ebenso fühlt sich der Künstler in die Bewegungen ein. Doch damit geht Hohler nicht über den Film oder das Foto hinaus. Mit Verwischungen und herunterlaufenden Farbtropfen soll die Bewegung und die Momentartigkeit angezeigt werden. Durch dieses Wischi-Waschi wird aber zugleich auf das Einfachste dem Bild der Stempel "moderne Kunst" aufgedrückt. Hohler übersetzt den künstlerischen Ausdruck des Tänzers eins zu eins in verschiedene Medien - ohne selbst etwas dazu beizutragen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Unfertig

Ein brauner Farbklecks auf weißem Lack, der wiederum unvollständig ein Baumwolltuch bedeckt, das mit ein paar Strichen versehen wurde: Bei den Gemälden von Eva-Maria Kollischan sieht alles ein wenig unfertig aus, als ob sie jemand ans der Arbeit gerissen hätte. Gerne werkelt sie auch bei ihren Installationen mit Bauplänen und Verpackungsmaterialien, Dinge. die gebraucht werden, um etwas anderes entstehen zu lassen oder transportieren zu können. Die Kölner Künstlerin lässt offen, was dies denn sein kann, und konzentriert sich auf Zwischenwelten, in denen alles und nichts passieren kann. Sichtbar machen möchte sie die Entstehung von Begriffen. Die Galerie Schütte zeigt ihre beachtenswert unkonkreten Werke.

Eva-Maria Kollischans Installationen und Bilder funktionieren als Werkzeuge oder Medien, die Räume poetisch aufladen. Wie ein Schuppengeflecht zieht sich so eine einfache Schnur entlang eingeschlagener Nägel an der Wand. Blasse, kaum sichtbare Malereien, die an übrig gelassene Farbflecke erinnern, setzt sie auf MDF-Platten. Wie ein Löschpapier saugt bei ihren Gemälden ungrundierte Leinwand die Acrylfarbe auf. Darauf gesetzte Linien simulieren Strukturen.

Die 1966 geborene Schülerin von Ulrich Erben nimmt derzeit auch bei dem Transfer-Projekt "türkiye-nrw 2005-2007" teil. Ihre Arbeiten sind im Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen und im Museum Bochum zu sehen - und bis 10. November an der Hauptstraße 4 in Kettwig. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Kraft des Bildes

Ein wunderschöner Kupferstich eines Baumes, filigran, meisterlich, wie einem alten Buch entrissen. Doch der Schein trügt: Dieter Weber hat mit dem Computer ein Foto eines Baumes bearbeitet und auf "alt" getrimmt. Geht es dem Künstler um Irreführung oder um technische Spielerei? Nichts dergleichen: Weber setzt selbstbewusst auf die Kraft des Bildes - egal, wie es entstanden ist. Diese Kraft ist in vielen Werken in der Gemeinschaftsschau des Ruhrländischen Künstlerbunds (RKB) und des Werkkreises Bildender Künstler (WBK) im Forum Kunst und Architektur zu bewundern. "Neue Arbeiten", so der Ausstellungstitel, zeigen 50 Mitglieder beider Vereine.

Die Palette reicht von Fotografie über Malerei bis hin zur Plastik. Wuchtige Bilder treffen auf zarte Papierarbeiten, etwa düstere Landschaften von Ingrid Geyer auf zurückhaltende Prägedrucke von Friedbert Reihl. Als Gegenpart zur "Leipziger Schule" mit ihren traumwandlerischen Fantasiewelten versteht sich- mit einem gewissen Augenzwinkern - Klaus Heuermann. Seine Malerei fußt auf Mathematik. Linien setzt er auf der Leinwand so zusammen, dass jede einem Sechseck zugeordnet werden kann. Aus der Geometrie heraus entwickelt auch Hubert Hillman seine Porträts: Die geschwungenen farbigen Flächen werden zu Gesichtern. Eher den impulsiven, gestischen Ansatz verfolgt Christine Prause. Dick spachtelt sie Farbe in vielen Schichten zu irrealen Räumen. Spielerisch geht Jurek Jarzombek vor, der Häuser aus Treibgut auf Sandpapier setzt. Ernst wird es mit Gabriele KIages. Unter die Zeichnung einer verschleierten Frau schrieb sie langatmige Texte, mit Sätzen wie "Es ist mir wirklich wichtig, was andere Leute von mir denken." Eine Meinung darüber kann man sich bis 6. Januar am Kopstadtplatz 12 bilden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Entdeckung der Langsamkeit

Ihm gelingt es, gegen den Strom zu schwimmen, indem er sich treiben lässt: Achim Bertenburg malt und filmt das Leben als ständigen Fluss. Das Wissen, dass da schon viel Wasser heruntergeflossen ist und noch viel nachkommen wird – all dies stellt er im Raum des im Kunstvereins Ruhr am Kopstadtplatz 12 fern von Melancholie als beglückende Positionsbestimmung im Kontinuum des Daseins dar.

Im Mittelpunkt der Schau steht das in Kooperation mit dem Künstlerduo Korpys/Löffler entstandene und auf die Wand projizierte Video „Kanu“. Zu sehen sind Aufnahmen einer Bootstour in welcher innerhalb von zwölf Tagen von Berlin nach Bremen gepaddelt wurde. Das Ufer zieht endlos vorbei, Pferde grasen – selten wurde die Entdeckung der Langsamkeit derart ausgekostet. Bei längerer Betrachtung verschwimmt das Bild und ein eigener Gedankenfluss kommt in Gang, der sich selbst seinen Weg durch die Landschaft bahnt.

Darüber hinaus zeigt der 1954 in Solingen geborene und heute in Bremen lebende Künstler mehrere Gemälde, auf denen sich Farbschlieren und Flächen zu undurchdringlichen Gebilden vereinen. Zum Teil meint man Uferböschungen zu erkennen oder Flussläufe. Die ungewisse Zukunft und versperrte Vergangenheit, die Zweifel an der Wahrnehmung und die Gewissheit von Emotionen vermag Bertenburg mit dem Pinsel auf der Leinwand zusammenzuführen.

Die Ausstellung wird von der Karin und Uwe Hollweg-Stiftung und dem Kulturbüro unterstützt und durch einen üppigen Katalog mit Texten von Sabine Maria Schmidt und Peter Friese ergänzt – bis zum 30. März (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008).

Fantasie bekommt Flügel

Er bringt das Holz zum Sprechen: Stefan Borzecki verarbeitet Bretter, Äste und Wurzeln zu Gesichtern und Figuren. Mit Farbe erweckt der polnische Bildhauer die Skulpturen zum Leben. Die Galerie Sagan, Girardetstraße 2-38, zeigt in einer Retrospektive sein Schaffen der vergangenen 50 Jahre.

Das polnische Kunsthandwerk ist das Fundament des Professors der Krakauer Akademie der Künste. Borzecki, geboren 1930 in Sromowce Nizne, geht aber weit darüber hinaus: Die aus Fundstücken gebastelten, geschnitzten und bemalten Wesen „scheinen nach Freiheit zu schreien“, wie einmal ein Kritiker schrieb. Mit Kordeln wird einigen von ihnen der Mund zugenäht. Holz wird transformiert zum Medium, das Sehnsüchte erfüllt. So wird in Essen die „Aussicht aus dem Fenster“ gezeigt. Aus dem Naturstoff schnitze sich Borzecki den idyllischen Blick auf ein Gebäude mit Schornstein, auf einen Kirchturm mit Baum und eine Ente. Wenn die politischen und territorialen Grenzen dicht sind, so bekommt die Fantasie Flügel – bis zum 22. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Drecksspuren der Vergangenheit

Allerweltsmotive lichtet Andy Scholz ab. Rolltore, Straßen, Kaugummi-Automaten, Tunnel und immer wieder: Hausfassaden. Doch dies macht er mit so einer solch lakonischen Iroine, dass man fasziniert vor den Fotos stehen bleiben muss. Die Galerie Obrist am Museum (GAM) widmet dem Essener Künstler bis zum 23. Mai eine groß angelegte Schau.

Scholz spricht „von meiner Art zu sehen“ und „dem Charme der Rudimenten alter Zeiten“. Düster sind meist seine an Filmkulissen von Endzeitthrillern im Heroin-chic wie „Blade“ erinnernde Bilder, große Schatten legen sich aufs Mauerwerk, Kohlenstaub färbt den Putz ein. Ihn interessiert der Moment, wo eine Situation kraftvoll erscheint. Die Motive findet der 35-Jährige im ganzen Ruhrgebiet per Zufall. Etwa einen heruntergekommen Tunnel aus der Jugendstilzeit in Duisburg. Die einst prachtvollen Ausstattung lässt sich nur noch erahnen. Der helle Mittelstreifen und die Neonleuchten zeichnen eine Linie ins Foto. Überhaupt: Die Komposition spielt eine wesentliche Rolle. Geschickt setzt Scholz an der Kahrstraße 59 die Drecksspuren der Vergangenheit unauffällig in Beziehung zu geometrischen Formen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Alles fließt

Unter Wasser steht derzeit das Forum Kunst und Architektur. 45 Künstler des Vereins Berliner Künstler haben im Rahmen eines Austauschprojekts mit den zwei am Kopstadtplatz 12 beheimateten Essener Künstlervereinen die Wände mit ihren Werken geflutet. Das nasse Element ist das Bindeglied zwischen den Malereien, Zeichnungen und Fotografien. Die Schau markiert zugleich einen Wechsel im Ausstellungskonzept.

Zum einen treten der Werkkreis Bildender Künstler (WBK) und der Ruhrländische Künstlerbund (RKB) über ihren Schatten und nach außen geschlossen unter dem Namen "Forum" auf. Zum anderen bestreiten nicht Künstler beider Vereine die Ausstellung, sondern Mitglieder auswärtiger Künstlervereine. Das Kalkül: Im Forum gibt es mehr "Neues" zu sehen und die eigenen Mitglieder können bei den Gegenbesuchen ihre Werke in anderen Städten zeigen. Jeder Austausch soll ein anderes Element aus der Natur behandeln.

Bei dem jetzigen Gemeinschaftsprojekt einigte man sich auf das Wasser; auch weil die Berliner zufällig das Thema gerade bei einer anderen Ausstellung hatten und die meisten Künstler nur aus ihrem Fundus schöpfen mussten Oft reichte es manchen Künstlern dabei offenbar, dass auf den Bildern irgendwie ein Fluss oder ein Meer abgebildet waren. So malte Karl Heinz Matthies eine idyllische Flusslandschaft mit Kajakfahrern und Brücke als Sinnbild eines domestizierten Naturraums. Auf gleicher Linie liegt Matthias Koeppel, der Spuren der Zivilisation in vermeintlich unberührter Umwelt drapiert.

An Intensität gewinnt die Schau, wenn man auf Bilder trifft, die Wasser nicht nur als landschaftliches Beiwerk, sondern seinen Bezug zum Menschen zeigen, hinterfragen und karikieren: als Elixier des Lebens, als Sinnbild für das beständige Unbeständige. Tine Schomann widmet etwa eine neunteilige Serie dem "Durst", eine beklemmende Geschichte von nicht zu löschender Begierde. Ralf Kleine modellierte Wasser als drei Meter lange Welle - ein intereressanter Versuch, Wasser "begreiflich" zu machen. Wilhelm Otto malte Badende als Torsi auf weißem Grund in einer Haltung, die sie genauso gut auf einem Stehempfang haben könnten, ein humorvoller Seitenhieb auf gesellschaftliche Konventionen. Alles fließt bis zum 7. Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Einblicke ins Hyperarchiv

Ein Archiv taugt ohne Systematik nicht viel, es mutiert zu einer Fundgrube. Im Kunstverein Ruhr erinnert die Installation ebenfalls mehr an ein Depot eines Messis als an ein geordnetes „Hyperarchiv" - wie die Ausstellung von Jürgen Paas am Kopstadtplatz 12 genannt wird. Der Essener Künstler hat hier die Bestandteile seiner verschiedenen Projekte aus der Vergangenheit gelagert und in eine vorsortierte, aber nicht aufgeräumte Beziehung zueinander gebracht.

„Die Ästhetik von Aufbewahrungssystemen", erklärt Paas zurückhaltend, habe ihn „schon immer interessiert". In seiner Kunst geht es jedoch nicht nur vorrangig ums Sammeln, Bewahren und Präsentieren. Ausgangspunkt seiner Werke ist vielmehr ein offenes System, dass die Möglichkeiten und Bedingungen der Malerei in Einzelteile zerlegt untersucht: Farbe, Form, Raum.

Dabei bewegt er zwischen Bildhauerei und konzeptioneller Malerei. In seinen Werken archiviert er Tafeln in Farben des Industriestandards RAL auf Rollständern oder Wandhalterungen. Die Tafeln und ihre Träger kann man als Pinsel und Leinwand übersetzen - oder moderner: als Pixel auf einem Bildschirm. Es sind zahlenmäßig begrenzte Einzelteile, die der 1958 geborene Künstler seinem privaten und doch universell gültigen Bildarchiv einverleibt und aus der sich eine unerschöpfliche Anzahl von bildnerischen Kompositionen kombinieren lassen. Nebenbei wird vor Augen geführt, dass auch der bewusst sparsame Umgang mit Materialien eine große Wirkung entfalten kann.

Im Kunstverein Ruhr gewährt Paas bis zum 5. April Einblicke in sein „Hyperarchiv" - und das ist wörtlich gemeint: Die Schaufensterscheibe ist zugeklebt, nur ein paar Sichtlöcher sind offen. Man sieht als ersten Eindruck ein Durcheinander aus Regalen, Befestigungen und Farbtafeln - ein schlecht sortiertes Depot, das sich selbst archiviert. Betritt man den Raum, so sucht man zwangsläufig nach dem Ordnungsprinzip. Welches man findet, überlässt Paas, der - wenn er wollte - alle Bestandteile seinen früheren Aktionen zuordnen könnte, aber den Besucher. „Ich stelle nur das Orchester, musizieren dürfen die Leute selbst."(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)

Verblüffende Verknüpfung

Das ist eine schöne Geste: Auf der Einladungskarte der Galerie Heimeshoff steht, dass „unsere Nachbarn der ,Baustelle Schaustelle' gleichzeitig die Ausstellung Uwe Huxholl „eli, eli'" eröffnen. Irgendwie passt das auch zu der Schau von Gisoo Kim in der Galerie Heimeshoff: Sie fügt Dinge zusammen, die gar nicht so zusammenpassen wollen. Und schafft umso verblüffendere „Neue Realitäten", wie der Titel der Ausstellung an der Brigittastraße 7 lautet.

Gisoo Kim, geboren 1971 in Seoul, Südkorea, hat erst in ihrer Heimatstadt, dann in Hamburg und in Düsseldorf Kunst studiert. Vielleicht hat die Konfrontation zweier Kulturkreise dazu beigetragen, dass sie zwei Techniken in einem Bild verdichtet: die Fotocollage und eine figürliche Stickerei.

Die Künstlerin versucht erst gar nicht, die Illusion zu vertuschen: Ihre Collagen haben Brüche und Kanten, die Übergänge zwischen den Fotos sind klar erkennbar. In einem Bild ist unten eine bayerische, oben eine norddeutsche Landschaft zu sehen. Mehrere südländisch anmutende, verfallene Häuser schichtete sie an einem Geröllhang übereinander. Ein Gitter verlängert sie mit einem Faden in einen Hauseingang - alles nichts Spektakuläres, aber es ist spannend festzustellen, dass verschiedene Fotos ein neues Bildgefüge ergeben, über das sich noch mit den Stickereien eine zeichnerische, höchst handwerkliche Ebene legt. Auf eine Fotocollage aus Landschaftsfragmenten stickte sie unter anderem mit einem Einhorn und einen Pegasus zwei Fabeltiere, die auch erst aus der Kombination bereits bekannter Tiere ins Fantasieleben gerufen wurden. Bis 3. Januar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Ins Zwischenlicht geholt

Ja, die Fotografie: Wo jeder mit der Digitalkamera knipst und die Bilder nach Belieben am Computer bearbeitet, meint ein jeder fotografieren zu können. Technik wird mit Können verwechselt, was beiderseitig zu Irritationen führt. Während die Fotopuristen auf die Computertüftler nach dem Motto „klicken kann doch jeder" hinabblicken, so schütteln die Bildbearbeiter über die Fotografen den Kopf, deren Chemie den Blick dafür vernebeln, dass ein gutes Bild nicht auf Handwerk, sondern auf einer Idee fußt. So welche, wie sie Janet Zeugner hat, die erst gar nicht zur Kamera greift und in der Zone E , Kahrstraße 54, mit ihrer „Erinnerung" Personen fragmentarisch aus dem Zwischenlicht holt.

Die 1977 geborene Rostockerin ist eine Schülerin des Galeristen und Hochschullehrers Prof. Knut Maron. Sie hat sich an der beachtenswerten Ausstellungsreihe „Absage an die Wirklichkeit" beteiligt. Auf der Grundlage von Schwarz-Weiß-Vorlagen entwickelt Zeugner sinnliche und malerische Bilder. Dabei knüpft sie mit ihrer experimentellen Arbeitsweise an die Avantgarde der zwanziger Jahre an. Sie verzichtet auf Kamera, Objektiv und Fixierer. Bakterien und chemische Substanzen lösen die benutzten Fotos partiell auf. Das Blatt Papier erinnert an ein „verblichenes, latentes Bild aus dem Unterbewusstsein und lässt sich nur durch eigene Erinnerungen rekonstruieren", heißt es in dem Ausstellungstext. Die Schau ist bis zum 18. Januar nach vorheriger Anmeldung zu besichtigen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Alles Illusion

Wohin Ivan Andersen einen aus den tristen und öden Straßen, Häusern und Zimmern auf der Leinwand auch immer führt, man folgt gern seiner Richtung. „Follow My Directions" heißt die Ausstellung in der Galerie Frank Schlag, in der Motive spektakulär in ihre Bestandteile aufgelöst werden.

Der 1968 geborene Künstler aus Dänemark hat ein Auge für stereotype Wohnsituationen, für die immergleichen, sich in jeder Stadt wiederholenden Orte der Anonymität. Er malt Sonnenliegen in Hinterhöfen, Tiefgarageneinfahrten und Betonblumenkübel. Rund um das Hauptmotiv verändert er den Focus: Getrennt werden Farben und Formen, die Standardformen werden mit ausgemalten Trapezen in die Geometrie des Raumes überführt, Fragmente gehen in Leerraum über. Wirbel verwischen Strukturen. Aus farbigen Rechtecken formt er das Raumschiff Enterprise. Das alles meistert der vornehmlich in Berlin wohnende Künstler mit einer solch kraftvollen Stringenz, dass ein interessanter Effekt auftritt: Wird gemeinhin von abbildhafter Malerei gesprochen, so entlarvt Andersen solche Sichtweisen – sicherlich nicht als erster (Magritte würde mit „Das ist keine Pfeife" grüßen), aber durchaus überzeugend – als Illusion: Die Fiktion des Figürlichen weicht der Realität des Abstrakten. Das Bild besteht aus in Form gebrachten Farben. Dass es aber immer noch deutlich mehr als die Summe seiner Teile ist, lässt sich bis zum 10. Oktober an der Meisenburgstraße 173 bewundern. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Haarige Angelegenheit

Waschen, schneiden, legen: Bettina Zachow frisiert ihre Werke. Das, was andere vom Kamm rupfen, auf dem Boden zusammenfegen oder aus dem Sieb des Abflussrohres fischen, verwendet die Essenerin als Material für ihre Kunst. Ekelig sind die Objekte trotzdem kein bischen, sondern filigran, zart, mitunter spielerisch amüsant - wie es einem derzeit in der Neuen Galerie der Volkshochschule wie Schuppen von den Augen fällt.

Aus vornehmlich ihren eigenem Kopfbewuchs formt Zachow in haariger Fisselarbeit Taschen, Mieder und Regentropfen. Neben einen abgeschnittenen Zopf legt sie ein dazu passendes Etui, natürlich auch aus Haaren. Die körperhaften Hüllen verweisen auf Zachows zentrales Thema: die Leiblichkeit. Haare sind Speicher genetischer Informationen, schützen den Körper vor Kälte sowie zugleich etwas Intimes wie Öffentliches. Sie wachsen ohne zu leben. Aus den Gegensätzen bezieht Zachow die Spannung ihrer Objekte. Gegen den Strich wird am Burgplatz 1 noch bis zum 9. Mai gebürstet. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Schnüre als Linien

Die Installation erinnert an einen mit Spinnenweben verhangenen Höhleneingang aus einem Abenteuerfilm. Der Eindruck wird verstärkt durch auf die Dreieckstücher projizierten Fotos. Eine dreidimensionale Leinwand öffnet sich, die betreten werden kann und soll. Bei der Vernissage in dem Verein "kunstwerden" tanzten vier Tänzer in dem Werk von Jens J. Meyer.

Der in Hamburg und Essen lebende Künstler versteht sich als Bildhauer. Die Schnüre sind seine Linien, die Stoffe seine Flächen. Jedes neu verknüpfte Element verzieht das komplette Werk. Sichtbar werden so die Kräfte im Raum. Diese wirken an der Ruhrtalstraße 19A auch in einer Reihe weiterer Objekte und Zeichnungen unter dem Titel "rato" bis zum 7. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Widersprüche der Werkstoffe

Er ist der aktuelle Träger des Ruhrgebiets-Kunstpreises "Junger Westen", wohnt in London und tut Dinge, die gar nicht so recht zusammenpassen wollen. Gereon Krebber verknüpft Materialien wie Acryl, Holz, Gips und Folienpapier mit der Idee, "diese Vorlagen gegen den Strich auszunutzen und dadurch neu zu bewerten", wie das Kunsthaus Essen mitteilt. Der gebürtige Oberhausener stellt an der Rübezahlstraße 33 unter dem Titel "Droopy" aus.

Die Skulpturen und Objekte des 1973 geborenen Künstlers kreisen in der Galerie des Kunsthauses um die Themen Materialität und Widersprüchlichkeit. Stets sind es einfache Formen. Sein Motto könnte lauten: Je weniger Aufwand, desto mehr Wirkung. Ihm gelingt es, durch ungewöhnliche Größenverhältnisse und ungewohnte Oberflächen einen magischen Sog auf seine Arbeiten auszulösen. Beispielsweise, indem er Kugeln mit kilometerlanger Frischhaltefolie umwickelt. Die Form wirkt schwer, die Oberfläche leicht. Krebber greift zu ungewöhnlichen Materialien, um die Wahrnehmung des Betrachters für das Ausdruckspotenzial von Werkstoffen wie Haferflocken, Gelatine, Zahncreme oder Spaghetti zu sensibilisieren.

Parallel stellt Grit Hachmeister im Kabinett des Kunsthauses wandfüllende Collagen aus. Unruhig streift der Blick des Betrachters über die Mischung aus Strichen und Abzügen. Die bewusst "kunstlosen" Aufnahmen der 1979 in Leipzig geborenen Künstlerin treffen auf gezeichnete Ideen und rufen mit ihren drastischen, schonungslos autobiografischen Motiven ein Gefühl der Beklemmung hervor - bis zum 27. April. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)

Geschützte Parallelwelten

Thomas Ritter ist ein sensibler, freundlicher und langmütiger Mensch - das spiegelt sich in seinen Gemälden wider. Warme Farben dominieren das Geschehen, das sich im weitesten Sinne um Figur und Raum dreht. Die Werdener Galerie Aviva widmet dem 52-jährigen Künstler bis zum 13. März eine Einzelausstellung.

Mit einer Pferdekutsche erkundet Ritter gern die Umgebung seines Wohn-Ateliers in einem Bauernhaus bei Hannover. Inspirieren lässt sich der Maler auch im schwedischen Västergodland. Die Ruhe der Natur führt seinen Pinsel. Aus vielen Schichten schnell trocknender Acrylfarben und Spachtelmasse entwirft Ritter abstrakte Malgründe. Immer wieder verändert er die Strukturen, bis sich ein räumliche Tiefe vermittelndes Geflecht ergibt, auf dem angedeutete Figuren ein Eigenleben entfalten. In der Brückstraße 26 finden sich harmonische Bilder, die von einer geschützen Parallelwelt künden: Hier kommt der Mensch wieder zu sich selbst. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Explodierende Flächen

Nach der Vernissage wollte die Künstlerin in die Disco "Hotel Shanghai", und irgendwie passt das zu ihrer Kunst, einer Technomalerei, die das Leben als Sample versteht. Eklektizistisch komponiert Giulia Bowinkel all das zusammen, worüber sie gerade stolpert. Die Galerie Kalthoff zeigt eine Auswahl ihrer Werke an der Sabinastraße 1.

Die Motive sind Krieg, Paraden, Boxen, Künstlerdasein und Party, die Mittel Manga, Grafitti und Recycling - gern alles auf einmal. So lässt Bowinkel rechteckige Flächen explodieren, sie sprengt gleich ganze Bilderserien durch die Hängung, sie integriert "Tags" - Schriftzeichen, mit denen Grafitti-Sprayer ihr Revier markieren - in die Bilder und zerknüllt fotorealistisch gemalte Porträts, um sie auf Stoffbeuteln zu fixieren. Ihr Werk zeugt von einer überbordenen Ideen- und Umsetzungskraft, ein Fundus, aus dem die 23-jährige Studentin der Düsseldorfer Kunstakademie noch lange schöpfen wird - sofern sie sich für einen Weg entscheidet - bis zum 13. April. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Wirklichkeit und Selbsttäuschung

Bluttropfende Herzen am Fleischerhaken, Selbstporträts im Clownskostüm und Pelzmantel und Fotos von einem heruntergekommenen Hotel: Der Rundgang der Freien Akademie der Bildenden Künste, Prinz-Friedrich-Str. 28A, gibt einen Einblick in die Lehre der Kupferdreher Institution und das Schaffen der rund 210 Studierenden.

Zu sehen ist etwa das autobiografische Werk von Isolda Middelberg. Ihre Eltern ließen von ihr im Kleinkindalter ein "schönes Porträt" anfertigen. Die Zeichnung hängte die Künstlerin neben ein zeitgleich entstandenes Foto aus den Akten des Arztes, der sie wegen ihrer Gaumenspalte behandelte. Wirklichkeit und Selbsttäuschung, aber auch elterliche "blinde" Liebe sind selten so eindringlich thematisiert worden. Auf den Gängen der Kunstakademie gibt es zahlreiche weitere Objekte, Fotos, Installationen, Gemälde zu entdecken - und selbst das neue Campusgebäude ist schon ein Besuch wert. Bis zum 16. März. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Melancholisches Geflecht

Ich bin ein richtiges Landei", lacht die Künstlerin. Aufgewachsen in der Eifel, ländlich lebend in Belgien, begeisterte Wanderin: Wer ein Bild von Vera Hilger in der Galerie Geymüller ersteht, bei dem hängt bald die Auswirkung ihres Hanges zur Landschaft an der Wand. Bis zum 24. März stellt die Malerin am Schützdellerweg 11 aus.

"Capricci", nennt Galerist Johannes von Geymüller die Schau, was sich mit "Kleinigkeit" übersetzen lässt. Hilger versteht es, mit beiläufig erscheinender Geste eindrucksvolle Wirkung zu entfalten. Sie webt die Farben zu dunklen, von Wolken verhangenen und von Nebeln bedrückten Gemälden. Die Inspiration ist die Landschaft, heraus kommt mehr ein melancholisches Geflecht, ein Organismus aus meisterhaft herausgearbeiteten Licht- und Schatteneinflüssen. In ihren kleinen Formaten malt sie auf Holz, die sich in vielschichtige Farbkörper voller räumlicher Tiefe verwandeln. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Unbeirrt geht sie ihren Weg

Sollte sie es nicht geben, dann muss sie jemand schreiben: Eine Untersuchung, inwieweit der Versandhandel für Künstlerbedarf die Kunst beeinflusst. Das Angebot bestimmt die Nachfrage, und das, was nachgefragt wird, landet auf dem Bild. Auf sehr vielen Bildern. Umgekehrt werden diejenigen, die ihre Farben selbst herstellen, schnell zu eigenbrötlerischen Geheimniskrämern.

Gabriele Musebrink wählt den Mittelweg. Die Essener Künstlerin produziert ihre Farben nach geheimer Rezeptur selbst, weil sie einen bestimmten Effekt erreichen möchte: Ihre in der Hofwerkstatt, Sibyllastraße 15, ausgestellten Werke reagieren schon auf leichte Lichtwechsel und ändern ihre Farbigkeit.

"Gesehenes und Unveröffentlichtes" heißt der Untertitel der Schau mit Bildern von 1986 bis 2007. Zu sehen ist etwa ihr erstes großes, von einem Traum inspiriertes Ölgemälde einer kraftstrotzenden Frau, die unbeirrt ihren Weg geht. Im Hintergrund hält sich eine androgyne Person auf, die "unbewusst beim Malen des Bildes" entstand, wie es im Erklärungstext tiefenpsychologisch heißt. Weiter steht da: "Die Bilder ähneln der Künstlerin selbst: Sie sind zart, entrückt, vieldeutig, aber auch kraftvoll, energiegeladen und entschlossen." Das nimmt man Musebrink gern ab. Vor zehn Jahren gründete sie die Hofwerkstatt mit eigener Kunstschule. Die Ausstellung ist noch bis zum 24. März zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)

Alles andere als linientreu

Ein Blatt Papier, ein Bleistift. Der materielle Aufwand zum Zeichnen ist überschaubar - denkt man. Im Kunsthaus Essen zeigen aber sechs Künstler, dass die Kunst der Linie alles andere als linientreu sein muss: "Die Zeichnung als Medium der Reflexion" heißt die bemerkenswerte Ausstellung an der Rübezahlstraße, welche die Ausdrucksmöglichkeiten der Zeichnung mitunter spektakulär bis zum 19. November vor Augen führt.

Mit Buntstiften zeichnete so Anja Schreys ein fotorealistisches, deckenhohes Monumentalbild von zwei sich umarmenden Frauen. Derart vergrößert, erscheint die intime Pose als Bollwerk in einer unpersönlichen Welt. Gleich gegenüber entwirft Robert Kraiss auf großen Blättern geometrische Muster, um sie mit gestischen, spontanen Bildern zu überzeichnen. Dass sich die Zeichnung durchaus in den Raum verlagern kann, zeigt Hannes Kater mit seinem Werk "Die Legende der Lust". Mit Schaschlikspießen hebt er seine Zeichnungen auf Styropor und Tapete von der Wand ab: Eine raumgreifende Erzählung über die menschliche Fortpflanzung mit piktogrammähnlichen Elementen, an deren Ende eine schwangere Frau mit zwei Gewichten im Bauch steht.

Hyojin Jeong setzt ihre Zeichnung ebenfalls als Installation um. Viele kleine Skizzen und Papierbasteleien geben tagebuchähnlich Auskunft über die Eindrücke der Künstlerin - verdichtet zu dem Titel: "I love germany". Gleich das ganze Kabinett des Kunsthauses füllte Adriane Wachholz aus. Entlang der Wände zeichnete sie für ihre "Außenwelt" einen Gartenzaun und Wolken, die mit einer Videoprojektion zusätzlich in Bewegung gebracht werden. Dass aber auch die "konventionelle" Zeichnung als eine der unmittelbarsten Ausdrucksmittel des Künstlers eine ungeheure Intensität erzielen kann, beweist Patrick Borchers. Ausgehend von Pressefotos der Terroranschläge in Beslan und London, bringt er mit wenigen Linien das Leid der Opfer auf den Punkt. Erschütternd. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Ewiger Naturkreislauf

Es glitzert kostbar auf den sechs grünen Samtkissen. Doch Tatsuya Higuchi hat weder Perlen noch Edelsteine, sondern lediglich Wassertropfen aufs Podest gehoben. Langsam verdunsten sie, um Wolken am Himmel zu bilden und alsdann wieder auf die Erde hernieder zu regnen. Was banal klingt, verdichtet der 1972 geborene Japaner im Kunsthaus Essen zu der poetischen Schau "Slowly forgotten now", die inmitten des Werdens und Vergehens einen Moment innehält.

Higuchi, der in Kanagawa geboren wurde und Kunst an der Tama Universität in Tokio studiert hat, kennt sich in Essen aus. Als Stipendiat des Stellwerk Zollverein bat er vor einem Jahr 16 Menschen, ihm ihre "gewöhnlichen Wege" zu zeigen. Heraus kam ein ungewöhnliches Stadtporträt, das die Bewohner fotografisch in ein zeitliches und räumliches Koordinatensystem einordnet.

An der Rübezahlstraße 33 porträtiert Higuchi hingegen sich selbst als Bestandteil eines ewigen Naturkreislaufes von kosmischer Dimension. Bevor man das Kabinett des Kunsthauses betreten darf, muss man die Schuhe ausziehen - zum einen, damit die extra verlegten Bodenplatten noch lange weiß bleiben, gewiss zum anderen aber auch, damit man seinen Respekt vor der künstlerischen Arbeit durch eine Zeit in Anspruch nehmende Handlung zeigen kann. Drinnen findet sich eine spartanisch beleuchtete Installationen aus mehreren tausend kurzen Haaren des Künstlers. Diese stecken einzeln im Boden, angeordnet zu einem astronomischen Spiralnebel. An der Wand lehnt als zweites Objekt eine Art "Himmelsleiter", gefertigt aus akkurat geschnittenen Fingernägeln, die Higuchi zwei Jahre lang gehortet hatte. Was sich ekelig anhört, sieht faszinierend aus: Der körperliche "Abfall" wird ästhetisiert und aus dem Kreislauf der Natur herausgerissen, den er zugleich symbolisiert.

Einem ähnlichen Gedanken folgt die Arbeit "Boxed Sky". Zweihundert Himmelsfotos faltete Higuchi zu kleinen Schachteln. Sie liegen auf einem weißen (Wolken-)Teppich. Jede bewahrt ein nur für kurze Zeit sichtbar gewesenes Stück Himmel auf. Dass dieser seinen Preis hat, beweist ein Blick in die dezent ausliegende Preisliste. Der Jungkünstler verkauft die Installation für stolze 50 000 Euro - und zwar nur die gesamte. Wer lediglich den siebten Himmel haben will, geht leer aus.

Zeitgleich stellt sich bis zum 1. Oktober Simon Halfmeyer im Kunsthaus Essen vor. Auf zwei großen Stellwänden zeigt der 1974 geborene Berliner jeweils ein Foto aus Botanischen Gärten. In langwieriger Fisselarbeit hat der neue Rotary-Stipendiat die Umrisse der Pflanzen und der Fenster der Gewächshäuser ausgesägt. Ihm geht es um die Beziehung von künstlicher und natürlicher Landschaft - ein Thema, was er in seinem neunmonatigen Aufenthalt in Essen vertiefen und womöglich um das Thema "Industrielandschaften" ergänzen will. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Wie schwebende Quallen

Scherben bringen Glück - und dieses hat Gerda Schlembach baggerschaufelweise eingefangen. In einem Gladbecker Recyclinghof filmte die Essener Künstlerin in Nahaufnahme, wie die Maschine tonnenweise Flachglas zermalmte. Das Ergebnis fasziniert als Videoprojektion in der Galerie Schütte, Hauptstraße 4, in Kettwig: Scheiben zerbersten, Bruchstücke schieben sich wie Eisschollen übereinander, Splitter türmen sich zu funkelnden Bergen auf. "Ich will den spröden, harten Stoff in einen fließenden Energiezustand überführen", sagt Schlembach. Das ebenso mitreißende wie meditative Schauspiel namens "g.l.a.s.s." wirkt bis zum 16. September in ihrer Ausstellung "fluid".

Mit Glas und Silikon hat Schlembach zwei Materialien gefunden, die ihre Objekte in einen Zustand zwischen fest und weich, sachlich und emotional, fassbar und unfassbar versetzen. Die 1951 geborene, im Kunsthaus "beheimatete" Künstlerin, die an der Fachhochschule Münster eine Professur für Design inne hat, sorgt für fließende Übergänge. In Abhängigkeit vom Blickwinkel und Abstand wechseln sie zuweilen zwischen Erscheinen und Verschwinden. In einer mehrteiligen Installation hat Schlembach jeweils rund 40 rechteckige Glasplatten übereinander geschichtet. Was in den einzelnen Glasblöcken von Weitem wunderbar wie schwebende Quallen ausschaut, entpuppt sich aus der Nähe ganz profan als zwischen Glas gequetschtes Silikon. Schlembachs Werke sprechen die Vorstellungskraft an, man kann sich von ihnen verzaubern lassen, sie aber ebenso gut entzaubern. Das ist vermutlich wie mit dem Glück: Man muss es nur wollen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Zerplitterte Vergangenheit

Er war einer der Helden von Bern: Max Morlock schoss im WM-Finale von 1954 das erste Tor für Deutschland. Bejubelt wird der Treffer derzeit im Kunsthaus Essen. Philipp Morlock, ein entfernter Verwandter des Nationalkickers, baute aus einer Schubkarre eine polternde Trommel und eine Apparatur mit lautstarken Fanfaren. Die beiden "Fanmaschinen" sind nicht nur eine Referenz an seinen Urgroßonkel, sondern geben auch der Begeisterung für den Aufbruch in neue Freiheiten eine Gestalt. Bewegung und Euphorie sind die zentralen Themen des achten Rotary-Stipendiaten, der in der Rübezahlstraße 33 seine Abschlussausstellung zeigt.

"Ich bin schon da", nennt Morlock seine Schau, ein Verweis auf die Geschichte vom Hasen und Igel. Während der eine durch Schnelligkeit und körperliche Verausgabung gewinnen will, katapultiert sich der andere, ohne einen Meter zurückgelegt zu haben, zum Ziel. Morlocks nach berühmten Pferden wie "Jolly Jumper" benannte Skulpturen funktionieren ähnlich. Abgestellt stehen zwei Mofas im Raum, ein anderes hängt an einem Bügel an der Wand. Sie sind Gefährte der Seele, die mit Phantasie, Träumen und Erinnerungen Distanzen überwinden wollen.

Die Mofas versteht der 31-jährige Künstler dabei nur als reine "Bildträger". Ein Vehikel versah er mit elf Rückspiegeln, in denen sich nach hinten die Vergangenheit zersplittert, und mit zahlreichen Kabelbindern, die sich wie Fühler in die Zukunft ausstrecken. Daneben stellt Morlock einige Besen mit Stocknägeln aus. Die Motive dieser Wanderandenken hängen vergrößert an der Wand als Trophäen des Aufbruchs. "Die Welt beginnt vor der Haustür", heißt es - und das vermeintliche Abenteuer entpuppt sich als ein (Zurück-)Kehren.

Parallel verkauft Wolf Klein im Kabinett des Kunsthauses Narzissen, Geranien, Vergißmeinnicht und Nelken. An die 700 verschiedene Pflanzen hat der Künstler auf Lager. Das dürfte wohl einmalig in der Branche sein - wenn es sich dabei nicht ausschließlich um Fotos handeln würde. Wie Memorykarten hängen sie an der Wand, zu haben für jeweils fünf Euro. Als eine "stationäre Performance" sieht der 37-jährige Berliner seine Ausstellung. "So wie die Fotografie einer Rose tut, als ob sie eine Rose sei, so tut der Blumenladen, als ob er ein Blumenladen wäre" - bis zum 11. Juni.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Besser sehen durch Stereo

Wie gut, dass Thomas Hannappel in der Bildmitte keine Menschen fotografieren will - sonst müsste Blut fließen. Denn seine Werke sehen auf den ersten Blick nur aus wie langweilige Collagen aus zwei fotografierten leeren Zimmern. Beim näheren Hinsehen erweisen sie sich als kunstvoll arrangierte Einzelbilder, die dank zersägter Tische, Stühle, Wandgemälde und Teppiche in zwei Teile zerfallen. Eine unauffällige Verbindung, sei es ein Staubsaugerrohr, ein Gummischlauch oder ein Blick, den sich zwei Teenager zuwerfen, verbindet die Hälften. Die verblüffenden "Fotowerke" des 1956 geborenen Essener Bildhauers und Fotografen hinterfragen in der Kettwiger Galerie Schütte (Hauptstraße 4) spielerisch die Beziehung zwischen Abbild und Wirklichkeit.

Jedes Auge liefert einen anderen, leicht verschobenen Ausschnitt aus der Welt. Erst im Kopf werden die beiden Einzelbilder zu einem räumlichen Bild zusammengesetzt. Hannappel orientiert sich an diesem "Stereo sehen". In seinen Bildern sorgen jedoch weniger leichte Differenzen, sondern Polaritäten für räumliche Eindrücke: Schwarzweiße Zimmer treffen auf bunte, Innen- auf Außenräume und leere Zimmer auf voll gestopfte. Eine Dokumentation der Einheit der Gegensätze? Mitnichten. Hannappel, und das macht die Bilder unprätentiös und sympathisch, führt fast mit kindlicher Freude und Bastelwut vor Augen, dass sich außerhalb des rechteckigen Fotoausschnitts durchaus Überraschendes verbergen kann - bis zum 25. Februar (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)

Bruchstücke

Das einzelne Bild zählt nichts bei Norbert Fleischmann, sondern nur die ganze Ausstellung - und insofern darf man sich fragen, warum Galerist Gerd Schütte Einzelwerke verkauft. Sie erscheinen als Bruchstücke, die höchstens noch als Souvenirs Verwendung finden dürften.

Aber der Reihe nach: Nachdem Norbert Fleischmann in seiner vorhergehenden Galerieschau an der Hauptstraße 4 (Kettwig) vor allem die Frage nach der musealen Präsentation von Kunstwerken in den Raum geworfen hat, widmet sich der 1951 in Wien geborene Künstler nun unter dem Titel "Einzelheiten" inhaltlichen Bezügen der verschiedenen Werke. Fleischmann tritt dabei als Kurator auf, der sich seine Bilder selbst malt: Konkrete Farbflächen, romantische Seeansichten, militärische Tarnmuster und weitere Gemälde verschiedener Stile.

Die Schubladen reißt Fleischmann alle gleichzeitig auf, dennoch erscheint die Ausstellung wie aus einem Guss: Durch das Aufeinandertreffen der Bilder schafft Fleischmann sinnstiftende Zusammenhänge und Stimmungsbilder, wie Galerist Schütte meint - bis zum 29. Oktober.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Kunst im freien Fall

Michail Pirgelis konnte bislang in den Himmel gelobt werden. Seine vornehmlich aus ausgemusterten Flugzeugteile erschaffenen Kunstwerke stecken voller Poesie, aktualisieren den Ikarus-Mythos und verbreiten Zuversicht. Dem griechischstämmigen Essener geht es darum, für den Schutz des Menschen auch außerhalb seines angestammten Lebensraumes, der Erdoberfläche, zu sorgen - was im übertragenen Sinne auch für geistige, innovative Höhenflüge gilt.

Deshalb kümmert er sich auch um den Schutz des Schutzes, beispielsweise indem er einen Notausstieg eines Flugszeugs sicher verpackt. Doch seine derzeitige Schau in der Galerie Kalthoff zeigt, dass selbst Himmelsstürmer Pirgelis nicht immer auf der Höhe seines Könnens sein muss. In der Schau schlachtet der 1976 geborene Student der Kunstakademie Düsseldorf seine eigenen Ideen aus und präsentiert ein wenig erhabenes Nebenthema seiner Arbeit: die Profanität der Flugzeugtechnik, der sich der Mensch ja schließlich ausliefert. Dies beispielsweise anhand eines von außen verspiegelten voluminösen Flugzeug-Waschraums und mit gerahmten Kopfstützentüchern - bis zum 31. August an der Sabinastraße 1.

Wenig erbaulich auch, was derzeit in der Meisenburgstraße 173 an den Wänden hängt. "Gelblinge" schuf Frank Michael Zeidler, der Vorsitzende des Deutschen Künstlerbundes - und man fragt sich, wie man heute noch derart malen kann? Es sind immergleiche, irgendwie der Seele entsprungene Farbschichtungen in Gelb, die man vielleicht bei Ikea erwartet - aber nicht in der Galerie Frank Schlag bis zum 23. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Erkenntnistheoretische Näherung

Mit Blindenschrift versieht Klaus Schneider seine Werke - weniger, um Sehbehinderten den Zugang zu seiner Kunst zu erleichtern, sondern mehr, um die Beziehung zwischen der Sprache und dem Bild auszuloten. Der 1951 geborene Frankfurter will wie viele Künstler mit seinen Bildern mehr sagen, als man sieht. Dabei hat Schneider es sich aber zur Aufgabe gemacht, gerade diese Schnittstelle zwischen dem Sichtbaren und dem Gesprochenen, vielleicht auch der ins Werk hineininterpretierten "Aussage" zu thematisieren. Mit einer "Apologie des Unsichtbaren" bespielt Schneider bis zum 8. Januar die Galerie Schütte in Kettwig, Hauptstraße 4.

Schneider, studierter Philosoph, wagt sich auf das schwierige Terrain der Erkenntnistheorie. Die Welt ist für den erklärten "Sprachskeptiker" nur eine Interpretation sinnlicher Erfahrungen und entsprechend verlegt er seine Kunst in den Kopf des Betrachters. Beispielhaft dafür ist sein "Louvre"-Projekt. Von bekannten Gemälden aus dem Pariser Museum wie Rembrandts "Selbstbildnis am Fenster" oder Munchs "Schrei" sind nur noch die maßstabsgerechten Rahmen übriggeblieben. An Stelle des Bildes sitzt eine schwarze, spiegelnde Glasscheibe. Das Bild wirft den Betrachter wieder auf sich selbst zurück. In Braille stehen dazu museumstypische Angaben wie das Format oder das Entstehungsdatum des Originals. So vereint Schneider sprachliche Näherung und ästhetische Wahrnehmung in einem Bild.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)

Genormte Architektur

Fabian Birgfeld ist ein globaler Mensch. Der gebürtige Hamburger zog mit 19 Jahren in die USA, studierte dort Betriebswirtschaftslehre an der Harvard University, ließ in Großbritannien ein Fotografiestudium am Bournemouth College of Art and Design folgen und setzte noch ein Architekturstudium an der Princeton University in New York drauf. Immer auf Achse, das war er auch in seinem späteren Job als Strategieberater. Paris, Wien, Hongkong, Tokio, Berlin und Madrid zählten zu seinen Stationen - und vielleicht wurde es ihm beim Warten auf Flughäfen und in U-Bahnhöfen, nun ja, etwas langweilig. Also suchte er in der weltweit standardisierten Funktionsarchitektur für Reisende, in der genormten Mischung aus Einkaufszentrum, Verweilorten und Bewegungskorridoren die Abwechslung. Es ist sein subjektiver Fotografenblick, der den öffentlichen Räumen mit dreiteiligen Bildern individuelle und erhabene Eindrücke abtrotzt. Unter dem Titel "Interior Landscapes" stellt der 1968 geborene Foto- und Videokünstler aus in der Privatgalerie von Christiane und Lothar Pues, Moltkeplatz 5. Besichtigung bis zum 31. Januar nur nach telefonischer Absprache unter Telefon[XXXX.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Auf der Suche nach sich selbst

Entrückt, verirrt, fragil, antiquiert - die Gesichter der von Katsura Funakoshi aus Kampferholz herausgemeißelten Menschen sorgen sowohl für Faszination als auch für Beschützerinstinkte beim Betrachter. Mit den bemalten Holzskulpturen avancierte der 53-jährige Bildhauer zu einem der wichtigsten japanischen Künstler, dem die Kunsthalle Recklinghausen vor fünf Jahren eine eigene Ausstellung gewidmet hat. Nun präsentiert die Galerie Frank Schlag, Meisenburgstraße 173, bis zum 7. August eine weitere Facette seines künstlerischen Schaffens: Zeichnungen und Drucke.

"Mich interessiert die menschliche Existenz, ich will Aussagen zur Menschheit selbst machen", sagt Katsura Funakoshi. Entsprechend stellt er den Menschen auf der Suche nach sich selbst in den Mittelpunkt. Die träumerisch-poetische Wirkung seiner Portraits setzt sich fort in den Titeln. "Tanzendes Papier" steht unter einer dynamischen Seitenansicht eines Mannes, "Worte tragen" unter einem anderen Gesicht. Waren die Zeichnungen ursprünglich Vorstudien für das skulpturale Werk des Japaners, so entwickelten sie sich zu einem eigenständigen mit den Skulpturen korrespondierenden Oeuvre.

Dabei vereint Funkakoshi Einflüsse aus der deutschen Gotik mit antiker japanischer Kunst, Bilder buddhistischer Gottheiten mit christlichen Madonnenfiguren. Zu Recht verweist die Kunsthistorikerin Petra Mostbacher-Dix darauf, dass der Künstler aus Tokio etwas in der Kunst Seltenes schafft: "Er vermittelt ein Menschenbild, das Anmut und Würde, Stille und Zeitlosigkeit vereint." (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Wandrelief aus Küchentuch

Auch wenn die Röcke geradezu überperfekt sitzen - mit ihren Entwürfen würde Alke Reeh keinen Blumentopf gewinnen. Den haben ihre Fotomodelle zwar an, aber nur dank Bildbearbeitung am Computer. In Wirklichkeit könnte man die genau an die Konturen des Körpers angepassten Blumentöpfe weder an- noch ausziehen. Das Spiel mit den Assziationen und Proportionen verblüfft in der Kettwiger Galerie Schütte, Hauptstraße 4.

"Ich leihe als Künstlerin dem Betrachter meine Augen", meint Alke Reeh. Der 1960 geborenen Düsseldorferin kommt es darauf an, verschiedene Dinge so zusammenzuführen, als wären sie schon immer eins gewesen. Mit digitalen Collagen führt sie zudem die Austauschbarkeit von Formen vor Augen. So ersetzen in ihren Fotos dreckige Teetassen und gehäkelte Deckchen die Kuppel von Kirchen und Moscheen. Ein Wandrelief ließ Alke Reeh aus einem verwaschenen Küchentuch entstehen.Die Ausstellung "Von Kuppeln und Tassen" ist bis zum 31. Juli und nach den Galerieferien wieder vom 7. bis 18. September zu sehen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Ins Abseits gerückt

"Vielleicht entwickele ich mich in diese Richtung weiter", sagte Hans-Jürgen Schlieker. "Ich bin ja noch jung." Da hatte ihn Frank Schlag in Vorbereitung auf die Ausstellung "Ausgewählte Werke 1953 - 2003" in seiner Galerie auf ein dreiteiliges, überraschend optimistisch wirkendes Bild angesprochen. Es sollte sein letztes Gemälde sein. Kurz vor seinem 80. Geburtstag am 8. April dieses Jahres starb der Maler. Die Retrospektive mit 30 Werken wird nun ohne Verni- oder Finissage an der Meisenburgstraße 173 bis zum 7. Mai gezeigt.

Schlieker gehörte zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Informel, das in Anlehnung an den abstrakten Expressionismus, dem Action-Painting und dem Tachismus eine organisierte Formstruktur ablehnte. Dabei hat Schlieker jedoch nie ganz das Gegenständliche aus den Augen verloren. 1955 malte er eine abstrakte Industriekomposition mit angedeuteten Fördertürmen, später besann er sich auf Kalligrafien und Landschaften als Inspirationsquellen - deutlich zu sehen etwa auf seinem gezeigten großformatigen "Moorbild".

Die Schau gliedert sich in zwei zeitliche Schwerpunke. Die Malereien aus der Spätphase Schliekers werden Arbeiten aus den Jahren 1953 bis 1963 gegenübergestellt. Letztere verdeutlichen den intensiven Austausch des Bochumers mit der informellen Bewegung. Manche Bilder aus dieser Zeit erinnern an Werke von K.O. Götz oder Emil Schumacher. Vielleicht auch andersrum. Dass Schlieker neben diesen "Stars" des Informel ein wenig ins Abseits rückte, mag an seiner schon früh parallel zur Malerei ausgeübten Lehrtätigkeit an Gymnasien und der Ruhruniversität Bochum liegen.(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)

Innige Beziehung

Wenn Peter Sandkamm-Möller die Landschaft seiner Heimat malte, so portraitierte er sich selbst. Der expressionistische Maler von der dänischen Insel Alsen verstand sich als Teil der Natur, die er mit künstlerischen Mitteln erhöhte. Seine letzten elf Lebensjahre bis zu seinem Tod im Jahre 1981 verbrachte der Däne vornehmlich in Essen. Sandkamm-Möller ging in der Wallotstraße 22 ein und aus, der "Wolfsburg", die er als "Heimat meiner Liebe" beschrieb. Die "Liebe" in Gestalt der Helene-Charlotte Wolf legte nun ihre Erinnerungen über die Zeit mit dem Maler vor.

Sandkamm-Möller, geboren 1893 in Schauby auf der Insel Alen, verwandelte Landschaften in dramatische Szenenbilder. Farben stürmen und drängen über die Leinwand, beeinflusst von Emil Nolde forderte er die Natur heraus. Im Blick hatte er vorwiegend kultivierte Landschaften. Windmühlen und Gebäude verschmelzen mit den Naturgewalten, arrangierte Gärten rücken die schöpferische Leistung des Menschen in den Vordergrund. In den 70er Jahren, als er fast erblindet war, reduzierten sich Farben und Formen. Viele dieser in Essen bei Helene-Charlotte Wolf entstandenen Spätwerke sind erstmals in dem Buch abgebildet.

Dass die beiden eine innige Beziehung pflegten, liest sich aus fast allen Zeilen der im Klartext-Verlag erschienenen Hommage heraus. Einmal, so erzählt Wolf, portraitierte Sandkamm-Möller sie in einem Cafe. Die Skizze habe er nach den Initialien benannt. "Wir wurden #1#19S.-M.+S.-M., und unsere tiefe Verbundenheit wurde durch das doppelte Kürzel transparent", schreibt die Nervenärztin.
"Peter Sandkamm-Möller. Der Alsen-Maler. Erinnerungen - Ein Bildernbuch" wagt den schwierigen Spagat zwischen Kunstbuch und Liebesgeschichte. Man könnte die Erzählungen als rührseligen Kitsch abtun. Doch durch die Schilderungen der mittlerweile 80-jährigen Muse scheint das Wesen des auf dem Essener Ostfriedhof begrabenen Spätexpressionisten weiterzuleben. "Die Schönheiten, wovon die Welt voll ist, habe ich gemalt", sagte Sandkamm-Möller einmal. "Ich gebe es ja zu: Ich bin ein Gefühlsmensch". 

Helene-Charlotte Wolf. Peter Sandkamm-Möller. Der Alsen-Maler. Erinnerungen - Ein Bilderbuch. Klartext-Verlag 19,80 Euro. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2002)

Meinungsbildende Projektionsräume

Mehr als ein Zeichen setzt Friedebert Reihl. Auf Leder, Holz und Zeitungspapier finden sich seine geschnittenen, geschnitzten und gemalten Symbole. Manchmal sind es Tiersymbole, manchmal erinnern sie an germanische Runen. "Botschaften" lautet der Titel der Ausstellung des Wirtschaftsverbandes Bildender Künstler (WBK) im Forum Kunst und Architektur, die Reihl gemeinsam mit Jochen Leyendecker bestreitet.

Dass es ein hoffnungsloses Unterfangen ist, ein Zeichen an sich, unabhängig von seiner Bedeutung, darzustellen, weiß auch Reihl. Also öffnet der 1940 geborene Mülheimer gewissermaßen Projektionsräume, in denen man sich gemeinsam eine Meinung darüber bildet, was das Zeichen wohl bedeuten mag. Seine gekringelten, gezackten in Variation immer wiederkehrenden Symbole bieten sich als Schnittstelle zwischen der Vorstellungswelt des Betrachters und des Künstlers an. Bedeutungen von Zeichen befinden sich im ständigen Fluß und so ist eines der zentralen Objekte von Reihl bezeichnenderweise ein Boot. Doch auch andere Objekte wie Fahrzeuge aus Holz thematisieren die Bewegung. Runenverzierte Türen deuten den Übergang von einer Bedeutungsebene zur anderen an. Etwas archaisch, indianisches haftet dabei Reihls Werken schon allein durch die Materialien Holz und Leder an.

Ganz andere Materialien verwendet hingegen Jochen Leyendecker. Das verbindene Element zu Reihl ist das Boot, das der 1957 in Mülheim geborene Bildhauer mit Stahl und Beton umsetzt. "Fundstück" heißt zum Beispiel solch ein Objekt, das wohl nichts anderes ist, als der Titel verrät - aber an ein gestrandetes Schiffswrack erinnert.Die Ausstellung "Botschaften" ist noch bis zum 16. November am Kopstadtplatz in der Innenstadt zu besichtigen. Am 9. November, 12 Uhr, wird zum "Künstlergespräch" unter der Moderation von Falko Herlemann geladen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)

Wo Weg und Ziel zusammenfallen

Wenn Dirk Gently bei einem Kriminalfall nicht weiter kommt, fährt er einem x-beliebigen Auto hinterher. Dann ist der Romandetektiv von Douglas Adams zwar nicht dort, wo er hin wollte, aber dort, wo er sein sollte. Auch bei Johanna Timaeus fallen der Weg und das Ziel zusammen. Mit dickem Strich trägt sie Acrylack auf die schon vorskizzierte Leinwand auf. Eine innere Stimme führt den Pinsel, stellt Farbkombinationen zusammen, die bald ein dynamisches Eigenleben entwickeln. Timaeus kämpft gegen sie an, übermalt bis zu zwölf Mal die Leinwand. Doch am Ende nimmt ein Motiv überhand. Die Farben verdichten sich zu einer Frau im Kleid, die mit Kindern unterm Arm in den rechten Bildgrund läuft. "Die Flucht meiner Mutter aus dem Osten setzt sich in ganz vielen meiner Bilder durch", sagt das Mitglied des Künstlerverbandes Bildender Künstler (WBK). Drei Künstlerinnen geben im Forum bildender Künstler an der Alfredistraße 2, unterhalb der Alten Synagoge bis zum 5. Mai Einblick in ihr Schaffen.

Johanna Timaeus lehnt sich an die "Seelenlandschaften" der informellen Malerei an. Gleichzeitig schränkt sie mit figurativen Elementen die Phantasie ein. Ihre dennoch verblüffende Spannung beziehen ihre Bilder aus den unter der Oberfläche verborgenen Versionen des Bildes, die als Weg schon das Ziel vorausnehmen - sofern man davon weiß.

Bei Tanja Lazarevic stellt sich die Kunst hingegen in den Weg. Naturfarbene Fäden verleimte die 28-Jährige zu rindenähnlichen Objekten. Die von der Decke hängende Installation "Lose" muss durchschritten werden. Das S-förmige, schwingende Dickicht scheint zu Atmen. Der filigrane Organismus fordert Nähe ein und wirkt zugleich kühl und distanziert. Ebenfalls von der Decke hängt ihr Werk "Licht und Linie". Frei beweglich schwingen hier Kunststoffstäbe, die sich zu einer Line formen, in der das Licht gebrochen und reflektiert wird.

Die dritte im Bunde lenkt den Blick in die Landschaft. Mit Drucken und Skulpturen abstrahiert Christiane Rasch radikal die von ihr wahrgenommene Welt. So reicht ein rechteckiger, hochkant gestellter Körper bis zur Augenhöhe. Um ein Loch in der Mitte führt sie eine Art Rampe herum als minimalen Ausdrucks eines Landschaftsreliefs. "Es geht um meine Wahrnehmung", stellt Rasch klar, die nach eigenen Angaben ihren Zeichenblock wie einen Fotoapparat benutzt. Sie ist es, die auf den Auslöser drückt. Das Werk soll ihren Blickwinkel konservieren. Diese konsequente Haltung erlaubt der Künstlerin, die Skulptur auf ihre Augenhöhe zu justieren. Damit ist Höhe vielleicht für einen Betrachter mit anderen Körpermaßen nicht so, wie er sein sollte, aber wie sie wollte. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2002)

Ins Loch gefallen

Der Urschlamm wälzt alles nieder. Häuser und Landschaften versinken unter der braunen Schicht. Nur vereinzelt schauen schräge Dächer von umgekippten Gebäuden heraus. Langsam trocknet der Schlamm. Es knackt und kracht. Sintflut? Vulkanausbruch? Erdrutsch? Brigitte Jurack geht auf Nummer sicher. Damit nur keine falsche Vermutungen bei ihrem Werk "grassover" aufkommen, stellt sie ihrer Schlammschlacht in der Galerie des Kunsthauses Essen ein Foto zur Seite. Es zeigt das "Wattenscheider Loch", in das, Bergbau sei Dank, ein ganzes Haus stürzte. Nun rutscht Kunst hinterher. Was gezeigt wird, ist das, was drin steckt. Jurack bleibt an der Oberfläche des Schlamms kleben. Ihr Werk erscheint als eine effektvolle Kulisse für ein Theaterstück, das erst geschrieben werden muss. Die Inhaltsleere überbrücken Stichwörter wie "Haldenbegrünung" und Verweise darauf, dass die Vorlagen der beiden versunkenen Häuser aus der Nachbarschaft des Kunsthauses stammen. Schlamm drüber. 

Im Kabinett der Rübezahlstraße 33 zerlegt derweil Matthias Weischer malerisch die Wahrnehmung von Räumen und Oberflächen. Abstraktion trifft noch bis zum 23. September auf Fotorealismus. Knallig und bunt sind die Farben, aus denen Hochhäuser, Swimmingpools und Pyramiden entstehen. Korbstühle, Topfpflanzen, Tapeteten und Sessel erscheinen als penibel gemalte Versatzstücke aus der Pop Art, die auf der Leinwand in nur angedeutete Elemente übergehen. Damit will der 28-jährige Rotary-Stipendiat die Dialektik zwischen Realität und Illusion thematisieren. Von der Stadt Essen, in der er nun seit neun Monaten weilt, erwartet der Westfale nach eigenen Angaben diesbezüglich einige Anregungen.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)

Geisterhafte Porträts

Eberhard Bitter zerhackt Körper mit nervösem Pinselstrich in seine Bestandteile. Schwarz, Grau und Braun sind die vorherrschenden Töne. Wie ein Bildhauer formt der 1960 geborene Maler auf der Leinwand klobige Menschen - einsame und verletzliche Wesen, verloren zwischen mathematischen Computerpixeln und entblößenden Körperwelten. Vier Künstler stellen im Forum Bildener Künstler unter dem Titel "Ruhelos" aus.

Wobei "Ruhelos" sich mehr auf die gemischte Hängung bezieht als auf die einzelnen Werke. So begegnen sich Bilder von Jürgen Marose und Anna Schriever im großen Raum. Doch ihr Anblick verströmt Ruhe und Harmonie. In verwischte, naturfarbene Flächen setzt Marose mit sicherem Gespür für Bildkompositionen schwarze Schatten. Mit geisterhaft verschwommenen Portraits wartet hingegen Schriever auf. Rainer Storck kann seine geistige Nähe zu Emil Schumacher kaum verleugnen. Das Informelle packte ihn. Meisterhaft versteht es der in Barcelona lebende Künstler dies zu übertragen und den Betrachter mitzureißen. Kraftvoll explodieren Farben und Formen auf der Leinwand, zerknülltes und bemaltes Papier wird zu einer Topografie der Energie. Eine Energie, die Rainer Tillmann im Kabinett des Forums Bildender Künstler aufzufangen versteht. Leuchtend Grün, Orange, Blau oder Rot sind seine quadratischen Farbkissen, die Tillmann zu einem Farbraum anordnet. Fast hört man bis zum 16. September die meditative Musik heraus, der der Künstler beim Malen lauschte. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)

Portal nach Potsdam

Schon immer versucht der Kunstverein Ruhr mit seinen Ausstellungen auf die örtliche Situation einzugehen. In dem weißen Raum fordern die zwei Stützpfeiler die Künstler am meisten heraus. Sie strukturieren den Raum, symbolisieren Kräfte, die um der Kunst willen gehalten werden müssen, und können zugleich ein Tor bilden, durch das man in neue Kunst(-Welten) schreitet. Diesmal ist's ein Portal nach Potsdam.

„Modifikation - stetig steigende Steine", nennt Sandra Peters ihr Werk, das weit auseinander liegende Orte und historische Ereignisse vereint: Potsdam in Essen, Essen in Potsdam. Die Schornsteine des dortigen Schlosses Cecilienhof, Schauplatz der Potsdamer Konferenz der vier Siegermächte, haben die 1969 geborene Berlinerin zu ihrer Rauminstallation inspiriert. Die höfische, orientalisch angehauchte Ästhetik des 1912 bis 1917 errichteten letzten Bauwerks wird auf die repräsentativen Industriebacksteinbauten des Ruhrgebiets zur Kaiserzeit gespiegelt.

Die eigens angefertigten Backsteine ummanteln die Pfeiler spiralförmig. Die Fremdkörper aus bekanntem Material nehmen formal die runden Säulen am Fenster und die gemauerten Pfeiler der Pergola am Kopstadtplatz auf. Die Räume und geschichtlichen Ereignisse überlappen sich bis zum 30. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009) 

Ein Fotograf, der die leisen Töne pflegt

Rund 60 Zentimeter breit war die Maschine, und breiter konnten die Abzüge nicht werden. Als die Folkwang Hochschule im Jahr 1979 ein Farblabor einrichtete, waren die Arbeitsplätze eine Sensation und oft von Andreas Gursky, Joachim Brohm, Gosbert Adler und Knut Maron belegt. In der ambitionierten heute zu Ruhm gekommenen Studentenclique „versuchte jeder den anderen zu überbieten", erinnert sich Maron, der in der ZonE, Kahrstraße 54, aus dieser Phase seine „frühen Bilder über Landschaften" ausstellt.

Drachenflieger, Badeufer, Meeresklippen: Die Fotos wirken diesig, die Farben trübe, die Szenerie beliebig, fast harmlos. Doch die vordergründig schnappschussartige Banalität wandelt sich rasch zu einer hintergründigen, durchdachten Stellungnahme. Im Fotolabor diskutierte man Anfang der achtziger Jahre über den Ost-Konflikt, über die atomare Bedrohung, über die Friedensbewegung und über die als imperialistisch eingestuften USA, die als optisches Ablenkungsmanöver die beherrschte Welt mit einem Exportschlager schöner machte, als sie war: das Gras grüner, den Himmel blauer - und die Firma „Kodak" reicher. Mit seinen vergrößerten Polaroid-Fotos betrieb Maron Farbkritik, er zeigte die Welt, wie sie farblich war und dass man nichts künstlich hinzufügen muss. Zudem machte er deutlich, dass man sich vom technischen „Fortschritt" abkoppeln kann.

Maron pflegt die leisen Töne. Seine Bilder transportieren eine Leichtigkeit und ein stilles Einvernehmen mit seinen Sujets außerhalb jeder Einflussnahme. Lange wartete er, bis der richtige „Moment" zum Abdrücken kommt, sobald etwa abgebildete Badegäste sich in einer beziehungsreichen Konstellation befinden. Präzise ist der Bildausschnitt gewählt, mit abschließenden Horizonten und imaginären Motivweiterläufen an den Rändern des Fotos. Maron pflegt zudem eine malerische Beziehung zur Landschaft, die im Laufe seiner späteren künstlerischen Entwicklung immer näher heranzoomte.

Knut Wolfgang Maron ist seit 1993 Professor für experimentelle Fotografie an der Hochschule Wismar. Er ist zugleich Betreiber des Ausstellungsraums ZonE an der Kahrstraße 54, in dem jetzt seine Werke zu sehen sind.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009) 

Zwischen den Welten

Orient trifft Okzident, das ist bei Zeynep Yüksel schon in der Biografie angelegt: Geboren in Istanbul, ging sie dort in die Deutsche Schule, um später ganz nach Deutschland überzusiedeln, in Essen Kunst zu studieren und auch hier – wie derzeit ihre Bilder in der Werdener Galerie Aviva – hängen zu bleiben. In ihren Grafiken sucht die 50-jährige Künstlerin immer wieder die Motive aus den Grenzgebieten der beiden Kulturräume auf. An der Brückstraße 26 ist es vornehmlich die Lagunenstadt Venedig.

Man sieht Gondeln, Brücken, Paläste, Plätze. Die Zeit scheint in den Zeichnungen, Radierungen und Aquarellen fast still zu stehen. Man hat den Eindruck, ein nachcolouriertes Bild aus der Epoche vor sich zu sehen, als Venedig noch die mächtige Handels- und nicht Touristenstadt war. Melancholie schwingt bei jedem Strich mit, der filigran die Fülle von Ornamenten der Gebäude einzufangen sucht und an anderer Stelle große Lücken lässt.

Das Fragmentarische der Komposition verbildlicht eine gewisse Zerrissenheit. Dass die Häuser zuweilen auf den Betrachter „zukippen", gibt den Grafiken eine bedrohliche Komponente. Die Kontraste zwischen scharf und verwischt, zwischen fein ausgearbeiteten Strukturen und großflächigen Auslassungen, zwischen anheimelnden Details und bedrohlichen Zusammenhängen finden sich fast in allen ihren Arbeiten und beleben sie. „Aus der Düsternis blitzt der Schalk, hinter vordergründiger Geborgenheit lauert Gefahr", heißt es zu Recht in einem Begleittext zur Ausstellung. Yüksel verstehe ihre Arbeiten als Aufforderung, genauer hinzuschauen, um versteckte Anspielungen und Hinweise zu entdecken - bis zum 19. April.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009) 

Mit notwendiger Leichtigkeit

Immer diese Künstler: Auf Zollverein skizzierte Hans Edlinger Förderturm, Koksbatterien und Rohrverbindungen – und was sieht man auf den daraus entwickelten Guachen? Farbschichten, Strukturen und Verstrebungen. Kein figürliches Abbild also, sondern das, was der Maler und Grafiker aus dem Motiv abgeleitet oder abstrahiert hat. Kurzum: Es ist „sein" Bild des Weltkulturerbes geworden, ein überaus faszinierendes, gleichwohl universelles Bild einer Industrielandschaft – und mit ihm teilen kann man es in der Galerie im Schloss Borbeck bis zum 1. März.

Hans Edlinger hat eine didaktische Ader. Auf der Folkwang Hochschule lehrte er Malerei. Die Schau ist gewissermaßen seine Abschiedsausstellung – wenngleich er weiter als Künstler und als Lehrer präsent bleiben will. So bietet er am 14. und 15. Februar einen Workshop im Schloss Borbeck an.
Auch in seinen Arbeiten neigt er dazu, den Betrachter an die Hand zu nehmen und zu bilden, ihm das riesige Potenzial an Farben und Formen auf Zollverein vor Augen zu führen, das jeden Kreativen zu einer freien bildnerischen Artikulation geradezu drängt.

„Ihr sollt nicht nur schön malen, sondern es in den Kontext setzen", lautet eine Forderung Edlingers an seine Studenten. Schön sind seine eigenen Werke aber dennoch anzuschauen. Schweres erscheint leicht, Massives transparent. Farbschicht schiebt sich über Farbschicht, dicke Pinselstriche sind als gestischer, lebendiger Ausdruck über das Papier gezogen. In Leinöl getränkte und auf den Malgrund geklebte Zeichnungen verleihen den Bildern Tiefe. Gern arbeitet der Künstler in Serien mit immer wiederkehrenden Elementen.

Edlinger vermittelt in seinen Arbeiten eine Art „notwendige Leichtigkeit", als könnte man gar nicht anders, als Industriebauten genau so und nicht anders aus einem inneren Blickwinkel zu malen. Dieser wie eine Selbstverständlichkeit anmutende Zusammenhang zwischen Motiv und Werk ist aber alles andere als zwangsläufig, sondern von Edlinger exakt bildnerisch formuliert.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009) 

Fotos für die Ewigkeit

Er strich Fotos mit dem Stift durch, riss sie entzwei – und manche sagen sogar, der strenge Lehrer hätte sich eigens einen Stempel mit dem Schriftzug „Scheiße" angeschafft, mit denen er manche Werke seiner Schüler benotete. Ob wahr oder nicht: Der Beziehung zwischen Otto Steinert und seinen Schülern hat derlei Gebaren kaum geschadet. Seine Schüler widmen nun dem 1978 gestorbenen Folkwang-Professor und Begründer der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwangs eine sehenswerte Ausstellung in der Galerie Schütte, Hauptstraße 4: „Hommage à Otto Steinert - Fotografie 1956/2008".

Viele Schüler des bedeutenden deutschen Nachkriegsfotografen machten sich selbst einen großen Namen: Sie schossen Fotos, die sich ins kollektive Gedächtnis einbrannten. Als da wäre: Guido Mangold, der 1962 eines der bekanntesten Fotos von Konrad Adenauer machte, von hinten, mit leicht verrutschtem Hut, alt, irritiert, zerzaust – ein Stück auf Papier gebannte Geschichte. 1968 brachte Mangold dann mit einem Coverfoto in Farbe für die Zeitschrift „Twen" die Hormone einer ganzen Generation in Wallung: Uschi Obermaier, wie sie freizügig, aber mit taxierendem Blick am Strand posiert.

Oder Peter Thomann, dessen Siegerfoto beim 1. World Press Photo Award 1963 wohl in keinem Poesiealbum einer Pferdenärrin fehlen darf: „Stute mit Fohlen". Atemberaubend, zuweilen auch inhaltlich verstörend sind auch die Fotos von Jürgen Heinemann. Von einer „kultischen Handlung der Indios am Titicacasee" sieht man nur Umrisse, Schatten und Rauch. Der „Esstisch im Waisenhaus Ambalena, Kolumbien" wurde von oben fotografiert. Die Tafel, die kleinen Stühlchen und die Pampe in den Blechschüsseln verwandeln sich in eine unkonkrete, erschreckend verantwortungsferne Komposition.

Die Fotos der Schüler des Meisters der subjektiven Fotografie gingen weit über die Dokumentation hinaus: Mit der Kamera und der Dunkelkammer als Werkzeug gestalteten sie ihre Vorstellung von der Realität. Das zeigt sich auch in der Stilleben-Reihe von Arno Jansen, den Industriefotografien von Michael Bässler und in den Experimentalanordnungen von Erich vom Endt.

Zwei Bilder von Otto Steinert markieren die Referenz. Ein Porträt des Nobelpreisträgers Gustav Hertz (1961) und die „Bäume vor meinem Fenster" (1956). Auf die Fotos könnten heute seine Schüler „Wow" stempeln – bis zum 3. Januar.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009) 

Enthüllen und verbergen

Ob Besitz glücklich macht? „Habseligkeiten" nennt Oran Hoffmann seine Fotoserie, in welcher er das Innere von Schubladen nach außen kehrt: Geschirr, das vor aufgestellten Regalböden oder aufgehängten Tischdecken als Stilleben präsentiert wird. Die Bilder des niederländisch-israelischen Konzeptkünstlers stehen für ein behutsames Freilegen von Erinnerungen. Sie enthüllen und geben den Blick frei auf verborgene Dinge – und dieses kann man durchweg von allen Werken der acht Studenten der Amsterdamer Gerrit Rietveld Academie sagen, die derzeit als Gäste im Kunsthaus Essen beeindrucken.

Die Ausstellung führt vor Augen, dass an der Akademie die Fotografie tendenziell „zum integralen Bestandteil oder Anstoß eines umfassenden Prozesses wird, der eine Wechselwirkung von Theorie, Gestaltung, Mediengeschichte und Bildproduktion ist", wie Kuratorin Christiane Kuhlmann in der begleitenden Publikation schreibt. Am deutlichsten dürfte das bei Idan Hayosh sein. Der israelische Künstler nimmt keine Kamera in die Hand, sondern baut Fotos nach. Ausgangspunkt ist stets die Abbildung eines Militärhubschraubers, vor dem auf dem Flugfeld sein ganzes Arsenal an Munition und Waffen ausgebreitet wurde. Die symmetrische Anordnung der Bomben und Geschosse kopierte Hayosh an der Rübezahlstraße 33 auf einem Tisch mit Löffeln, Messern, Gabeln und Kännchen – 246 an der Zahl, angestrahlt von gleißendem Licht. Ihm gelang es, die bedrohlich-schöne Anmutung mit trivialen Gegenständen erfahrbar zu machen. Stundenlang hat er dafür das Besteck auf Hochglanz poliert.

In Unordnung ist dagegen „die Psycho" von Vincent Zedelius, so nennt der Fotograf seine Bilderreihe, die den verlotterten Außenbereich einer Amsterdamer Psychatrie atmosphärisch dicht erfasst. Das Auge hält sich an umgefallenen Plastikstühlen fest, alles ist menschenleer, aus-, ja, fast abgestorben. Man ertappt sich dabei, wieder Ordnung in die Tristesse bringen zu wollen. Gleichsam melancholisch ist die Serie „Sebastians" von Rob van der Nol, der mit 15 schräg nach links unten blickenden Porträts junger Männer dem Merkmal der Introvertiertheit und Gemeinsamkeiten nachspürt. Ähnlichkeiten haben auch die Bilder einer Mauer, die Marianne Viero knipste. Diese hat die Dänin jedoch immer wieder in einem Raum neu errichtet. Die Unterschiede sieht man erst auf dem fünften Blick. Erforderlich ist ein scharfes Auge. Motto: Genaues Hinsehen verhindert eine Mauer im Kopf.

Lust auf einen Tapetenwechsel hatte offenbar Eyal Pinkas. Dafür brachte er nur mehrmals bei sich an der Wand zu zupfen. Hinter den Rosentapeten verbarg sich erst eine Tapete mit maritimen Motiven wie Muscheln und Booten und dahinter ein schwarz-weißes ornamentales Muster. Alles andere als sorgsam und handwerklich ausgereift hatten die Vormieter die Rollen angebracht, die Wand war wellig, fast so, als pochten die alten gegen die neuen Tapeten. Und irgendwie schließt sich auch hier der Kreis der sehenswerten Ausstellung. Es geht um die Präsentation und den Umgang mit Erinnerungen, bis 19. Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008) 

Flohmarkt

Marilyn Monroe liegt unbekleidet auf dem Bett und blickt halb lasziv, halb unbekümmert in die Kamera von Bert Stein. Der Fotograf nahm die Schauspielerin im Jahr 1962 in einer dreitägigen Foto-Session für die US-Modezeitschrift „Vogue" kurz vor ihrem plötzlichen Tod auf. Unter dem Titel „Die letzte Sitzung" wurden die Fotos weltberühmt – und ein von Stern signiertes Foto hängt in der Galerie Haas Hoeppner an der Huyssenallee 70.

Es ist eine merkwürdige Fotoschau, die Galerist Marc Hoeppner da recht konzeptlos zusammengewürfelt hat. Jedes Bild steht für sich, was aber – sofern man sich zuweilen von vorformulierten Interpretationshinweisen bedrängt fühlt – auch mal ganz spannend sein kann. Die Ausstellung als Flohmarkt: Vertreten sind Altmeister wie der New Yorker Life-Magazin-Fotograf Andreas Feininger mit seinen ungeschönten Straßenszenen aus den 40er- und 50er-Jahren oder bahnbrechende Fotokünstler wie Albert Renger-Patzsch mit seinen nüchternden Interieurs- und Architekturbildern.

An den Wänden hängen auch Bilder zeitgenössischer Knipser. Olaf Otto Becker etwa lässt per Kamera nicht nur Momente gefrieren, er zeigt auch die gefrorenen Landschaften. Das Resultat von Bootsfahrten an der Küste von Grönland erinnert stark und gewollt an das Eismeer von Caspar David Friedrich. Der Mensch spielt in der weißen, nebligen Welt aber keine Rolle als im Motiv festgehaltene Erscheinung mehr, dafür aber als Betrachter, der beim Anblick der Eisberge und des Meers an Kaltherzigkeit zunimmt.

Yukara Shimizu indes hat draußen nachts in der Dunkelheit Blumen fotografiert. In den großformatigen Fotos spiegelt man sich in erster Linie selbst – und verschmilzt mit dem Bouquet. Zerfließen lässt hingegen Andreas Lutherer Details von Landschaften zu durchgehenden und quer laufenden Farbstreifen – fast so, als würde er mit einem Schnellzug übers Land fahren und dabei aus dem Fenster ein Foto mit Langzeitbelichtung schießen. Ist aber nur digital bearbeitet. Und vielleicht ist es gerade diese unmittelbare Konfrontation der alten mit der neuen Technik, die bis zum 13. September neben Marilyn Monroe der Ausstellung ihren besonderen Reiz verleiht. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008) 

Wo die U-Bahn im Keller hält

Ein schmaler Flur, Gäste-WC und Wohn-Essbereich, darüber Bad, Schlafzimmer, Bügelraum und im Dachstuhl zwei Kinderzimmer: Für die meisten Bauherren endet der Traum von der zentral gelegenen Jugendstil-Villa mit großem Garten in solchen Allerwelts-Reihenhäusern irgendwo in der Pampa. Schuld daran ist - wen wundert's? - das fehlende Kleingeld. Was könnte man hingegen mit fünf Millionen Euro bauen? Heike und Helmuth Hahn wollten es wissen. Das Nürnberger Künstlerpaar legte über 750 Personen einen Fragebogen vor. Detailliert bis hin zu Vorlieben bei Wandputz und Giebelform konnten die Menschen ihr Luftschloss beschreiben. Die Hahns verwandelten die Sehnsüchte unter dem Motto „Ihr Traum ist unsere Realität" in Kunst.

Das Konzept im Forum Kunst und Architektur ist nicht wirklich neu. Jeder, der schon einmal Lotto gespielt hat, mag schon einmal geträumt haben, was er wohl alles mit seinem Millionengewinn so anstellt. Schön aber, es einmal am Beispiel „Haus" so geballt vorgeführt zu bekommen: Viele Wünsche ähneln einander, selten schlägt einmal einer über die Stränge. Es geht von dunklen Kuschelecken in lichtdurchflutete Wintergärten, von der heißen Sauna in den erfrischenden Obstgarten. Doch manch einer gab auch „Joggingweg auf dem Dach" oder „U-Bahn im Keller" an.

Als geschriebene oder vorgelesene Stichworte tauchen die Begriffe in den Kunstwerken am Kopstadtplatz 12 wieder auf – von A wie Abenteuerspielplatz bis Z wie Zypresse. Es sind nicht einfach 1-zu-1-Modelle, vielmehr versuchen Heike und Helmuth Hahn die dahinter steckenden Lebensvorstellungen abzubilden und einzuordnen. In bunten Farben werden Hauslandschaften unter Käseglocken modelliert, es gibt skurrile Beton-Architekturen „von der Stange", Guckkästen mit übertrieben grellen Wohnzeichnungen – und eine fiktive Baugesellschaft ImmAGo, die das Kunstwerk von der Marktforschung über die Bauleitung bis hin zum Vertrieb abwickelt.

Dem gegenüber hängen an der Wand Zeichnungen von Denis Andernach. Der 32-jährige Kaiserslautener Architekt hat selbst fiktive Häuser entwickelt, die er mit großem zeichnerischen Talent dramatisch in Szene setzt: Beispielsweise das „180 Grad-Haus", das auf dem Giebel an einem Hang steht.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008) 

Aufgepumpte Bilder

Über die Bilder von Uwe Groß kann man viel erzählen: Dass er mal mit Gummi-Fingerhüten, die als Motiv in seinen Bildern immer wieder auftauchen, bei der Post Briefe sortiert hat. Dass er Eindrücke von Reisen auf der Leinwand verarbeitet. Dass er das mit Linien comicartig Dargestellte vielfach überblendet. Dass er die Größe der Leinwand im Sinne von Leonardo da Vinci an seinen Körpermaßen orientiert. Dass er literarische Vorlagen (hier: „Der zerbrochne Krug" von Heinrich von Kleist) mit seiner eigenen Vorstellung von der Welt verbindet. Man kann reden, reden und reden – und muss sich am Ende fragen, wenn man den Kunst-Raum an der Rüttenscheider Straße 56 verlässt, warum einen die Bilder so wenig berührt haben.

Es gibt reichlich Künstler wie der 1961 geborene Meisterschüler von Jörg Immendorff, die nach Konzept vorgehen, die eine einmal gefundene Bildsprache nur noch in Nuancen variieren, die nach Kalkül ihre Werke konzipieren. Und doch tun sie dies aus einer Leidenschaft, aus der inneren Notwendigkeit heraus, nämlich genau so und nicht anders zu malen, zu formen, zu gestalten. In Uwe Groß' Bildern kann eine solche Leidenschaft kaum nachgespürt werden. Die mit Bedeutung aufgepumpten Bilder verwehren das unmittelbare Empfinden bis zum 12. September.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009) 

Botanische Bilder

Die Werke sind frisch aus ihrem "Bildgehege", so nennen Miriam Giessler und Hubert Sandmann ihr gemeinsames Atelier in Werden. Nun schlagen sie am Burgplatz gewissermaßen Wurzeln: Grüne Samenkapseln, die aus dem Boden und durch die darüber gelegte Plastikplane sprießen, die an
der Wand hängen und die den Glasanbau der Volkshochschule als Gewächshaus vereinnahmen. "Weltenbilder" heißt ihre Schau.

Giessler, von ihr stammen die Plastiken, beschäftigt sich schon länger mit organischen Formen und seinem Wachstum. In durchsichtigen, luftdicht verschlossenen Kunststoffkugeln lässt die 1960 geborene Künstlerin Pflanzen wachsen. Sie brauchen nur Licht zum Leben. Die merkwürdigsten Gewächse und Gespinste entwickeln sich in ihren "Capsule" genannten Arbeiten, die an die mobilen Pflanzenkästen aus dem 19. Jahrhundert erinnern. Mit ihren haben Botaniker seltene Pflanzen halbwegs sicher aus Kolonialländern überführt. Ob nun das Leben heimischer Pflanzen derart geschützt werden muss?

Sandmann hat dagegen alte Fotos seiner Arbeiten übermalt. Dahinter stand die Frage, wie sich die Projekte wohl weiterentwickelt hätten - auch eine Art unkontrolliertes Wachstum. Die Bilder hat er zu einer aufwändigen Video-Animation verarbeiten lassen. Ein wie eine Weltkugel anmutendes Objekt schwebt dabei über futuristische Landschaften mit verschiedenen räumlichen Ebenen. "Utopia" nennt es Sandmann - und man
kann nur hoffen, dass Sandmann zukünftige Projekte nicht dort ansiedelt - bis zum 20. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008) 

Schade, kein Tipp

Lebensweisheiten möchte Frank Hauptvogel laut der Galerie Aviva ausdrücklich nicht mit seinen Bildern vermitteln. Schade, man freut sich ja über jeden Tipp, der das Dasein angenehmer und durchschaubarer macht. Und so bleibt bei dem Leipziger Maler nur der Blick nach innen: Was sagen seine Bilder über einen selbst aus? Titel der Ausstellung: "Unterwegs durch mich selbst".

Der 1959 geborene Meisterschüler von Arno Rink stellt Tätigkeiten oder Milieus dar. Dabei verformen sich die figurativen Sujets. Sie kommen als bildgewordene Träume und Gefühle daher. Mal bleiben sie farblich in der Grauskala und anderswo brechen sie auf in sphärische Gebilde - bis zum 22. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008) 

Ausstellung vor lauter Bilder nicht sehen

Im Kreis ist ein goldenes Fernrohr abgebildet, ganz so, als würde man selbst durch ein Fernrohr auf das Fernrohr blicken. Oder ist es dasselbe Fernrohr? Norbert Fleischmann mag es, um die Ecke zu denken und nach den Sternen zu greifen. Seine Malerei ist höchst eigentümlich, fast altertümlich; ein Bild "funktioniert" selten allein, es braucht oft sein abstraktes Gegenbild, um zu wirken. Die Galerie Schütte, Hauptstraße 4, ist derzeit der Schauplatz seiner Irritationen.

Altmeisterlich malte der österreichische Künstler den Spiegelsaal des Grazer Kunstmuseums. Das Tageslicht stößt auf den flackernden Schein der Kerzen auf den Kronleuchtern. "Heat", Hitze, nennt Fleischmann das Bild. Direkt daneben friert's mit einem Schwarz-Weiß-Foto des Mondes mit dem Schriftzug "Freeze". Weiß der Himmel, worauf der Künstler damit hinaus will! Vielleicht nur thematisch zu dem Fernrohr ein paar Bilder weiter? Oder zu weit, weit entfernten Welten? Oder im Gegenteil ganz nah dran? Daneben hängt ein ockerfarbenes kleines Gemälde, dass man als vergrößerte Wandprobe des erwähnten Spiegelsaals deuten kann.

Fleischmann ist davon entfernt, seine dunklen Bilder als Rätsel zu gestalten, das dem Schlauen einen vermeintlich vom "Künstler hineingelegten" Sinn offenbart. Seine Bilder sind im übertragenden Sinne die Bäume, die Ausstellung ist der Wald. In ihnen lässt sich eine Einheit aus Kunst, Wissenschaft - und ja: Religion - erkennen. Fleischmann wird so zum modernen Barockmeister, der die Welt und ihren Schöpfer mit ästhetischen Mitteln preist. Bis 31. Mai.(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008) 

Zwischen gestern und heute

Zum zweiten Mal stellen der Ruhrländische Künstlerbund (RKB) und der Werkkreis bildender Künstler (WbK) zusammen aus, und ob da zusammenwächst, was zusammen gehört - das dürfte eine Frage der Fördermittel sein, die jeder der beiden Künstlervereine im Forum Kunst und Architektur ja einzeln beantragen oder einwerben kann. Aber inhaltlich stehen sich die beiden Leiterinnen Lore Klar und Dagmar Schenk-Güllich offenbar recht nah, so nah, dass sie Zank bei ihren Mitgliedern riskieren. Denn: Wieder einmal durfte nicht jeder Vereinskünstler ein Bild aufhängen. Aus 50 Bewerbern hat eine Jury aus zwei Kunsthistorikern und einer Künstlerin 18 Maler, Zeichner und Bildhauer ausgewählt. "Wir wollen das Forum auf ein gewisses Niveau heben", sagt Schenk-Güllich.

Und das war gut so. Selten hat man am Kopstadtplatz ein derartiges Zusammenspiel, eine so qualitativ gute Schau von RKB und WbK gesehen. Das etwas verwunderlich klingende Thema "Zum 2. Mal" erwies sich als didaktischer wie auch künstlerischer Glücksgriff: Paarweise hängen die Bilder eines jeden Künstlers an der Wand, es geht um ein früher/jetzt, um ein vorher/nachher, darum, sich eben zum zweiten Mal einem Thema
zu widmen. "Mir ging der knorrige Baum nie aus dem Kopf", sagt etwa Hans Joachim Kasselmann, der sich von seiner zehn Jahre alten "Hommage an Caspar David Friedrich" zu "Klingsors Garten" inspirieren ließ.

Gewaltig geht's bei dem Elefantenbild von Ralf Koenemann zu, der verdeutlicht, dass man mitunter dem Rüsseltier lieber nicht "zum 2. Mal" begegnen sollte, weil sie nie vergessen. Spaßig wird's bei Ulrike Janssen, die in ihrer früheren Arbeit horizontale Linien setzte und bei dem aktuellen Bild vertikale. "Toll, was für ein künstlerischer Schritt!" - scheint einem die Künstlerin selbstsarkastisch zu sagen.

Eine der besten Arbeiten ist das Werk von Reni Scholz. Diese hat den Garten Eden abstrahiert und mit ein paar Blumen gemalt. Die neue Version ist aus grauem Filz. Die Blüten sind ausgeschnitten, hängen schlaff herunter und hinterlassen ein Loch. Was schert die Künstlerinihr Geschwätz von gestern?! Da wächst nichts mehr zusammen. Bis 25. Mai.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008) 

Der doppelte Wasserhahn

Die Dachkammer sieht aus, wie man sich eine heruntergekommene Junggesellenbehausung vorstellt: Fahles Neonlicht, fleckiges Mobiliar, ranziges Geschirr, versiffter Aschenbecher. Doch das einzige, was hier tatsächlich hingehört, ist die verkalkte Spüle. Diese steht schon immer an der Wand im Best-Kunstraum - um sie herum errichtete Dirk Schlichting seine "Zwischenbebauung". Das teilweise von innen begehbare Hausdach verstellt bis 22. Novemberg nahezu komplett den Ausstellungsraum in Kettwig.

Die Installation bräuchte einen Installateur. Denn sie leckt. Im Best-Kunstraum hört man Tropfgeräusche; in dem Fenster sieht man den Schatten eines tropfenden Wasserhahnes. Dies ist jedoch mitnichten der Wasserhahn der Spüle, sondern sein verborgener Doppelgänger. Ein wenig zeigt der 42-Jährige hier, dass ihm der Schalk im Nacken sitzt. Eine Erwartung wird geschürt und anders aufgelöst, als man sich dachte. Einen besonderen Reiz entfaltet Schlichtings Arbeit nach Sonnenuntergang. Wenn man durch die Schaufensterscheibe in den Best-Kunstraum blickt, die Umrisse des tropfenden Wasserhahns sieht und nach hinten den Schein der Neonleuchte ausmacht, dann füllt sich die unbelebte Kargheit mit Wärme. "Leuchten bei Anbruch der Dunkelheit", heißt auch die Ausstellungsreihe an der Ruhrtalstraße 415, die Schlichting fortgesetzt hat. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007) 

Künstlerische Mutationen

"Survival of the fittest" - die am besten angepassten Lebensformen überleben. Die Evolutionstheorie von Charles Darwin findet bei Renate Neuser ihr Ende. Die Essener Künstlerin setzt auf künstlerische Mutationen, aber ihre selbst entwickelten Geschöpfe finden wohl nur schwer ihre Nische. Als Kuscheltiere sind sie jedenfalls zu gruselig. Nur als Kunstwerke können sie sich behaupten, bis zum 25. November in der Galerie im Schloss Borbeck. "Neo Bio" heißt die Schau, die Formvariationen der Mikroorganismen, Insekten, Organen und Pflanzen neu kombiniert.

Die Objekte tragen Titel wie "Piedestrien", "Astroschlupf" oder "Siebradiolar". Bei der 1939 geborenen Essenerin geht es vordergründig streng wissenschaftlich zu. Sie zerlegt in einem "Schaukasten" ein aus Stoff und Schwamm geformtes Insekt in seine Bestandteile, vermisst auf einer Gitterstruktur krebsartige Wesen und stellt mit einer raumbezogenen Installation die Evolution von Käfern nach. "Sind es Fundstücke aus fernen Welten, Mutationen einer fiktiven Evolution oder furchterregende Ergebnisse menschlichen Eingreifens?", wird imAusstellungstext gefragt. Das ist leicht zu beantworten: Es sind Kunstwerke von Renate Neuser. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007) 

Ausdauer und Leidenschaft

Gerd Schütte ist ein Galerist, der seine Künstler mehr mit dem Herzen als mit dem Blick auf den Kunstmarkt auswählt. In seiner Galerie in Kettwig vertritt er Maler, bei denen er sich freut, wenn nach der Vernissage zwei rote Punkte neben kleinen Arbeiten kleben. Ausdauer und Leidenschaft braucht man dafür, beides Wesenszüge, die er mit seinen Künstlern teilt. Einer von ihnen ist Armin Turk, der derzeit an der Hauptstraße 4 ausstellt. Der kleine, zierliche und mit äußerster Zurückhaltung auftretende Künstler hat sich schon seit Jahrzehnten einem Thema verpflichtet, das unermütlich variiert oder besser gesagt: zur Perfektion treibt. Es heißt schlicht: "Farbe".

Wer den 64-jährige Velberter mal beim Malen beobachten durfte, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Zwei Pinsel taucht er in dünnflüssige Eitempera, um sie schnell mit beiden Armen auf dem Segeltuch zu verteilen und zu verwischen - und zwar so lange, bis man meint, die Farbe sei ganz verschwunden. Doch Turk sieht sie weiterhin - als ganz blasse Schicht, auf die er noch viele weitere aufträgt. Am Ende blickt man in einen mal glühenden, mal diffusen Farbnebel, der zuweilen losgelöst vom Untergrund als Aura vor dem Bild zu schweben scheint. Turk vermag es, Farbe leuchten zu lassen oder ihren stillen, bedächtigen Charakter zu betonen. Das Auge gleitet über und durch die Farben, ohne sich irgendwo festhalten zu können. Man versinkt und verliert sich förmlich im Bild - bis zum 22. September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007) 

Triumph der Kunst über die Gewalt

Am 29. Mai 2007 gab die Essener Polizei eine Pressemitteilung heraus. Darin wurde berichtet, dass Räuber einem zwölfjährigen Jungen und seinem Freund auf der Steeler Straße eine Videokamera entwendet hatten. Die Mitteilung Nr. 586 hängt nun an einer Stellwand im Kunsthaus Essen als Teil der Foto- und Videoinstallation "Order of play". 

Der Kunststudent Philipp Kern hat den dreisten Raub zum Anlass genommen, über das gedrehte Filmmaterial zu spekulieren: Vorgeführt werden ein Video vom Steeler Platz und Aufnahmen von vermüllten Blumenkübeln und kaputten Rolltreppen. Eine höhnische Feststellung, dass da bei dem Überfall nicht viel Erhaltenswertes verloren gegangen ist? Mitnichten. Kern nimmt die kreative und dokumentarische Arbeit der filmenden Jungen ernst und gibt ihnen im übertragenen Sinne ihr Material zurück - ein künstlerischer Triumph über die Gewalt, passend zum Ausstellungstitel "Liebe. Freiheit. Alles", unter dem sich die 20-köpfige Klasse Daniele Buetti von der Kunstakademie Münster an der Rübezahlstraße 33 präsentiert.

Es ist eine vielfältige und liebevolle Schau geworden, keine zum eilig Durchschreiten, sondern eine zum lange Verweilen. Dafür sorgt schon Clemens Botho Goldbach, der einen mit einem Wald im Eingang die Hast nimmt. Mit einer Bank zum Niederknien vor einem Spiegel, in welchen man sich mit goldenem Heiligenschein sieht, will Barbara Hlali den Glauben an sich selbst bestärken. Radikal das Werk von Jan Andreas Ernste: Mit dicken Steinen bewarf er die Wand im Kabinett. Die Spuren betitelte er mit "Wer glaubt, dass heute morgen ist, hat gestern schon vergessen." Insgesamt beeindruckend, dass sich die Klasse Buetti augenfällig als Einheit versteht, hinter die der einzelne Künstlerzumindestens bei dieser Ausstellung zurücktritt - bis zum 5. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007) 

Wuchernde Striche

Kraftfelder tun sich in der Zeche Zollverein auf. Energetische Farbspiralen richten sich auf den Mittelpunkt aus, mythische und religiöse Bücher sind in Anlehnung an Joseph Beuys mit Wachs beträufelt und leere Kokons als Metapher für die Schöpfung aneinander gereiht. Katharina Lökenhoff und Eberhard Ross stellen sich im Schacht XII, Halle 12, der Frage nach dem Ursprung.

Ross ritzte akribisch kleine Leitern in monochrome Farbflächen. Dabei reduzierte der 40-jährige Künstler das zeichnerische Repertoir auf die Grundelemente, die Krummen und die Geraden. Langsam wuchsen so die Striche beim Arbeitsprozess zu einem meditativen Ganzen zusammen. Spiralen, Sinnbilder für den Ursprung, formen sich aus den Leitern. In rechteckiger Anordung erscheinen die rhythmischen Strukturen wie ein genetischer Code, quasi als moderne Interpretation der Schöpfung.

Lökenhoff behält die Spirale als Grundelement für ihre Kraftfelder bei, wobei die 30-Jährige die Farbe in den Vordergrund rückt. Bunt geht es in den 24 kleinformatigen Werken zu. Dazu reicht Lökenhoff gleich gut ein Duzend künstlerisch bearbeitete Bücher aus einem holländischen Antiquariat. Der Text der religiösen und mythischen Lektüre inspirierte die Essenerin zu einer bildlichen Umsetzung des Schöpfungsgedanken, die sie gleich auf den Seiten umsetzte. Dazu begibt sich eine Arche aus Holz, Kohlenstaub und Kordel auf eine Reise zu einem neuen Anfang.Besuchern sind die Kraftfelder noch zum 6. Januar zugänglich. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999) 

Stöbern im Keller

Der Keller ist schon immer ein Ort des Staunens gewesen. Im Halbdunkel, nur mit einer funzeligen Glühbirne notdürftig beleuchtet, rücken hier beim Stöbern abgelegte und vergessene Gegenstände wieder ins Bewusstsein.Wer im Kabinett des Forums bildender Künstler in den Keller von Volker Ullenboom steigt, nimmt seinen eigenen Keller nie mehr so wahr wie vorher. Klebrige Einmachgläser gibt's hier, abgebrannte Kerzen, unnütze Holzlatten, rostige Hammer, Bücher, die nie mehr gelesen werden, und quasi als Höhepunkt einen Kasten mit Asche von fünf Bildern von Ullenboom. Werkzerkleinerung oder Werkumwandlung nennt der 1966 geborene Künstler die verbrannten Reste im Glas, Sinnbild für alles, was einmal im Metamorphosenraum Keller zwischengelagert wurde.

Daneben werden im Forum acht weitere Mitglieder des Ruhrländischen Künstlerbundes (RKB) gezeigt. Es ist die zweite Ausstellung zum 50jährigen Bestehen. So arbeitet Peter Buchwald mit lang belichteten Fotografien. Rolf Escher zeichnete verlassene Räume wie Bibliotheken, die sich zu kafkaesken Traumgebilden aufblähen, und Christa Matusch formte in ihren Collagen intensive und dichte geometrische Reliefs. An Höhlenzeichnungen angelehnt ist die Malerei von Claudia Tebbens, die bemerkenswert informell erscheint. Gerhard Schwermer zeichnete angenehm detailgenau Landschaften wie Strände und südländische Landschaften. Die Ausstellung ist noch bis zum 26. September, täglich außer montags, an der Alfredistraße 2 unter der Alten Synagoge zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999) 

Kitsch-Schau

"Die Wirklichkeiten unterhalten sich" derzeit in der Galerie Eikelmann, Witteringstraße 38. Der Titel der Ausstellung von Andreas Silbermann ist zugleich Programm. Hier werden florale mit konstruktiven Elementen gepaart, Paprika und Löwenzahn treffen auf ein gelbes Huhn, ein Schaubild von einer Maschine wird von einem Vogel angeflogen, eingerahmt von strenger Geometrie im Stil Piet Mondrians. Inspiriert von Fresken aus Pompeji, sucht der 1964 geborene Künstler vergangenes mit heutigem zu verbinden und zugleich inhaltliche Brüche bildlich dargestellter Geschichten hervorzurufen.

Reichlich Stoff also, an dem Silbermann letztlich scheitert, zumal er nicht davon lassen konnte, das ganze einer dekorativen und gefälligen Ästhetik unterzuordnen. "Die Wirklichkeiten unterhalten sich" gerät bis zum 28. August mittels Vögel und Zahnbürsten zu einer Kitsch-Schau, die auch durch einen angestrengten theoretischen Unterbau kaum an die Tiefe und den Reiz der Pompejischen Malerei anzuknüpfen vermag.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999) 

Eindringliche Intensität

Ein festlicher Kerzenständer beleuchtet die weiße Tischplatte im beengten Raum. Hier kehren sich zwei galant gekleidete Frauen den Rücken zu. Ramon Lombartes kommt es in seinen Lithographien auf Geschichten mit offenem Anfang und Ende an, und was die beiden dargestellten Frauen bewegt, das überläßt der spanische Künstler in der Galerie No. 3, Alfred Straße 60, der Phantasie des Betrachters. Dabei orientiert sich der 1956 in Barcelona geborene Maler an der Lichtregie von Edward Hopper. Er verdichtet die Atmosphäre des Raumes mit goldenem Licht, daß reliefartig über die Gegenstände flutet. Heraus kommt eine eindringliche Intensität trotz der unspektakulären Motive. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999) 

Malen mit dem Licht des Mondes

Ein heller Lichtstrahl durchbricht von schräg oben die schwarze Fläche. Informell wirkt die Arbeit, wie eine Guache, und doch ist sie eine Fotografie. Reneé Pötzscher scheint mit der Kamera zu malen. Den Pinsel taucht sie ein in das Licht des Mondes. Abstrakte Welten entstehen, deren Ausgangsmotiv verwischt. Mit Langzeitbelichtung bildete sich so die Künstlerin nackend auf dem Bett liegend im Mondschein ab. In einer weichzeichnerischen Farbigkeit stürzen Strukturen ineinander, implodieren auf dem Fotopapier und öffnen den Blick in den Kosmos. Lunographien nennt Pötzscher ihre Technik, die allein den Mond als Lichtquelle erlaubt. Die Künstlerin ist eine von sieben Stipendiatinnen und Stipendiaten der Kulturstiftung der Sparkasse Stormarn, die im Foyer der Neuen Aula der Folkwang-Hochschule zum dritten "Brückenschlag" nach Schleswig-Holstein ausholen.

Marc-Oliver Loerke schnitzte einen Torso auf einen Ast, Heinke Both zeichnete Phantasiegestalten auf Papier, und Christianie Baetcke modellierte eine Tonfigur, die als Vorlage für eine Spielskulptur auf einem Schulhof dienen soll. Daneben bemalte Gertraud Maria Baudy selbstgeschöpftes Papier mit phosphorizierenden Zinkoxyd. Die eindrucksvollen und wohlausgewogenen Papierschichtungen verschwimmen ineinander. Über allem herrscht eine Kreuzsymbolik, im Hintergrund sind Ansätze von Schriften zu erkennen. Der Betrachter soll angeregt werden, in sich selbst zu lesen, meint die Künstlerin selbst. Der Brückenschlag III wird bis zum 28. Juli zu den üblichen Öffnungszeiten aufrecht erhalten. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)

Versenkte Gedanken

Wiebke Leister, geboren 1972 und studierte Kommunikationsdesignerin, möchte mit ihren Fotografien dem Menschsein nachspüren und Gefühls- und Bewußtseinszustände abbilden. Ihre Portraits im Kunsthaus Essen geben den fotografierten Personen Raum, sich in ihre Gedanken zu versenken. Leister tritt dabei als Beobachterin auf, die sich bei dem Akt des Fotografierens stark zurücknimmt. Sie lichtete Schauspiel-Studenten ebenso wie Patienten aus der Psychatrie ab. Die Arbeiten sind unter dem Titel Eigenzeit noch bis zum 1. August an der Rübezahlstraße 33 zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)

Rauschen im Damenklo

Knatternd rotiert eine Trennscheibe durch den Lichtstrahl zweier Diaprojektoren. Abwechselnd werden so zwei nahezu gleiche Fotos auf einen Fleck an der Wand geworfen. Nahezu gleich, weil Peter Cloos bei einem der beiden identischen Fotos mit Schere und Klebstoff kleine Details wie die Positionen einer Krawatte oder eines Arms nach seinem Gusto veränderte. Herausgekommen sind verwackelte und vor allem witzige 2-Bilder-Filme, die die öden Schnappschüsse aus dem Familienalbum einer neuen Ästhetik zuführen. Der 34jährige Duisburger Künstler zeigte vorgestern sein Werk im Rahmen der Performance X-Media 2 im Kunst- und Kulturcafe der Uni-Essen (KKC).

13 junge Künstler und Studenten des Fachbereichs 4 (Kunst, Gestaltung und Design) kamen zu der Werkschau zusammen. Die Bilder, Fotos, Filme, Installationen und Konzepte zeugen von einer teilweise hohen künstlerischen Leistung der Studentinnen und Studenten. Es gab Metamorphosen von Glühbirnen zu Obstbirnen, Videos vom hektischen Zappen am Fernseher, Geschichten in Gestensprache, eine Fußgängerampel, die bei Bewegung sofort auf Rot schaltet und Rauschen auf der Damentoilette.

Bettina Zachow sammelte Körperbehaarung ihrer Kommilitonen, um damit Ausweise zur inneren Identität herzustellen. Die ständige Erneuerung des Körpers wird damit zumindestens für einen Zeitpunkt fixiert worauf man sich bei Persönlichkeitsverlust zurückberufen kann.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)

Umbrandeter Reichstag

Nun hat auch Essen seinen Christo. Zugegeben, zum verhüllten Rathaus hat es nicht gereicht und es sind auch keine Ölfässer auf dem Kennedy-Platz gestapelt worden. Essens Christo-Liebhaber müssen sich mit einer Werkschau des Künstlers begnügen aber immerhin ist die Ausstellung im Kunsthandel United Arts eine der größten dieser Art in diesem Jahr.

Gestern eröffnet, werden in der Westfalenstraße 93 bis zum 15. Juli 14 Unikate, mehrere Drucke und 39 Fotos gezeigt. Von bekannten Projekten der Vergangenheit wie den riesigen Schirmen in einer kalifornischen Wüste oder den mit lila Folien umspannten Inseln oder verhüllten Pariser Seine-Brücke Pont Neuf und dem Berliner Reichstag spannt sich der Bogen zum aktuellen Projekt The Wall in Oberhausen und weiter zu seinem nächsten Vorhaben. Christo will den Colorade in den USA mit Tüchern überspannen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht wie sollte es auch anders sein der verpackte Reichstag, jenes kubistische Zauberschloß, welches im Sommer 1994 in Berlin die Volksseele einte und wie kaum ein anderes Kunstwerk ungeahnte positive Kräfte quer durch alle Bevölkerungsschichten freisetzte. Die Erinnerung an dieses lange umstrittene, schließlich jedoch einhellig bewunderte Projekt wird mit Fotos von Christos und Jeanne-Claudes Leib- und Magenfotografen Wolfgang Volz wieder wach. Menschenmassen umbranden den verhüllten Reichstag aus der Vogelperspektive.

Die Nahaufnahmen zeigen wie sie vorsichtig, als würden sie überglücklich und dennoch ungelenk ein Neugeborenes über den Kopf streicheln, die silbernde Hülle betasten. Kitschig geht die Sonne über dem Reichstag auf, rechts erscheint überdimensional die Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Originalskizzen und Collagen, mit deren Erlös das Künstlerehepaar wohl immer noch die Kosten für den Wrapped Reichstag abträgt, vervollständigen den Überblick über das Projekt.

Wer sich daran beteiligen will und zudem ein Werk eines der bedeutensten zeitgenössischen Künstler sein Eigen nennen möchte, ist ab 28 000 Mark dabei. Das teuerste Objekt schlägt mit 417 000 Mark zu Buche. Öffnungszeiten: montags bis freitags 14 bis 20 Uhr; samstags 10 bis 15 Uhr.  (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)

Perfider Effekt

Grau in grau formt sich  im Kunsthaus Essen aus einzelnen Leinwänden eine überdimensionale Einbauküche. "Regina - die Königin der Küche" nennt Beate Spalthoff, nach eigenem Bekunden begeisterte Köchin, ihre Installation. Spülbecken, Herd, Kühlschrank, Pril-Blumen, Fernseher die 1957 in Paderborn geborene Künstlerin forscht nach einem einheitlichen Standard des erlebten Raumes, einer Blaupause für die Wahrnehmung, und fordert damit verbundene individuelle Erinnerungen heraus. Überraschend sind ihre drei Skizzen "Siedlungsformen". Nur wenn man ganz nahe herantritt, sind eine Hotel-Lobby oder eine Hochhausanlage zu sehen - so blass sind die Striche gezeichnet. Der Kopf muss richtig bewegt werden, um das ganze Bild zu erfassen. Perfide nennt Spalthoff selbst diesen Effekt, der im Gegensatz zu ihrer erst auf Distanz wahrnehmbaren Regina steht.

Gleich nebenan versucht Claudia Sacher ein Gedicht räumlich erlebbar zu machen. "Rinderhände" heißt ihre Installation. Fetzen der grob abgerissenen Tapete sowie des Gedichts bestimmen das Kabinett im Kunsthaus. Skizzen menschlicher Umrisse sind direkt auf den Putz gezeichnet, Papierfragmente an die Wand geklebt ein spannendes Chaos, das es zu entwirren gilt.

Die 33-jährige Künstlerin will einen Gedankenraum beschreiben und mittels Worten Form geben. Dabei machte sie schon vorab eine Entdeckung: Hinter einer abgerissenen Tapete kam eine vergessene Tür zum benachbarten Dachboden zum Vorschein. Die Ausstellungen sind bis zum 27. Februar an der Rübezahlstraße 33 mittwochs bis sonntags (16 bis 18 Uhr) zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)

Kunst um die Wurst

Der Vegetarier Karl-Heinz Mauermann bewältigt nun schon im dritten Anlauf die Biografie seine Frau. Im stillgelegten Betrieb der Metzgerstochter inszenierte der Künstler und Pädagoge nach "Schlachten, Zerlegen, Verwerten und Fleischzubereitung in Einzelbildern" nun die Gemeinschaftsausstellung "Wie sieht unsere Wurstküche aus?" Bei acht Künstlern geht es am Wochenende in der Schonnebecker Gareisstraße 90 um die Wurst.

So installierte Fabian Weinecke im Keller einen Altar für die Familie, die hier früher lebte, wie es der 29jährige ausdrückt. Hinter zwei Kerzen portraitierte er eine Sau mit fünf Ferkeln. Dirk Schlichting will hingegen die Temperatur im ehemaligen Kühlraum wieder senken. Dazu fror der 33jährige Herner wochenlang 1 500 Liter Wasser in der Tiefkühltruhe ein. Im Laufe der Ausstellung sollen die Blöcke auftauen und den Blick auf Fotos aus Familienalben der Metzgerei freigeben.

In Anlehnung an Briefe seines Schwiegervaters aus der russischen Kriegsgefangenschaft projiziert Karl-Ernst Mauermann den Film "Das Wolga Würstchen" in der Wurstküche. Hier spielt Andreas Kunze einen skurrilen Metzgermeister im Kampf gegen ein explodierendes Huhn.
Die recht persönlich gehaltene Ausstellung rund um die Geschichte der Hinterhofwurstküche und ihrer Menschen führt bis in den hauseigenen Garten. Im Gartenhaus zieht Sven Drühl Bilanz des Sammelsuriums rund um die Wurst. Das Thema hat mich zu Trash-Kunst inspiriert, erklärt der 29jährige Essener. Vasen aus Gartencentern bemalte er mit dicken Filzstiften. Griechische Helden übergeben sich da Würste, völlig schlecht gezeichnet, wie Drühl selbst findet. Der museale Charakter der Ausstellung soll auf die Schippe genommen werden. Am Freitag wird ab 20 Uhr zur Eröffnung gegrillt natürlich Würstchen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1998)

Schwebende Tuscheklekse

In kaum einer Ausstellung wird das geradezu zwangsläufig zunehmende Maß an Abstraktion im Laufe der Entwicklung eines bildenden Künstlers so deutlich wie in der Schau von Jürgen Liefmann in der Städtischen Galerie, zu Gast in Halle 12 der Zeche Zollverein, Schacht XII. Während die frühen Arbeiten von 1991 noch Figuren in eine vergleichsweise detaillierte Landschaft setzen, so behaupten sich Liefmanns jüngste Körper manchmal nur noch als schwarze Tuschekleckse ohne Bezug zum Raum auf den DIN-A3-Blättern.

Abstraktion bedeutet für den 45jährigen Düsseldorfer Künstler Genauigkeit so wie eine Geschichte, die sich nach mehrmaligem Erzählen auf das Wesentliche konzentriert. Herausgekommen sind spannende und reduzierte Bewegungs- und Haltungsstudien, die aus den mit wenigen Strichen gepaarten dicken Farbflächen extrapoliert werden können. Hinzu kommen intensive, mit Leimfarbe gemalte Köpfe.

Die konturenlosen Figuren erscheinen abhängig vom räumlichen Blickwinkel mal filigran in den Gliedmaßen ausgearbeitet, mal nur als massive Körper. So liegt eine Figur quer zum Betrachter, eine weitere lehnt an der Wand, eine andere hängt an der Stange, daneben trägt eine einen Rucksack für Liefmann die Reduktion seiner erlebten Geschichten, die in interpretatorischer Hinsicht jedoch völlig offen bleiben sollen. Ohne Titel ist für ihn programmatisch.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 27. Juni, um 16 Uhr in der Halle 12, Zeche Zollverein, Schacht XII, eröffnet. Es sprechen Elke Esser, stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses, und Gerhard Finckh, Kurator für Ausstellungen Zeitgenössischer Kunst beim Museum Folkwang. Bis zum 1. August ist die Schau täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1998)

Kaleidoskopische Landschaften

35 Künstler aus dem Nachbarland Belgien stellen im Foyer des RWE Turms aus. Einen repräsentativen Querschnitt durch die belgische Kunstszene ermöglichen ab heute die "Brüsseler Begegnungen". Die Ausstellung vereint im Foyer des RWE Turms 35 zeitgenössische Künstler, die im Laufe der vergangenen zehn Jahre ihre Gemälde und Skulpturen in der Brüsseler RWE-Vertretung zeigten. Entsprechend variantenreich fällt die bis zum 12. Dezember zu sehende Schau aus. 

So entwickelt Betty Cuykx "Brüsseler Spitzen" zu spirituellen Nähobjekten weiter. Die Fäden unterschiedlicher Stärke und Farbe verdichten sich in endlosen Schleifen zu kaleidoskopischen Landschaften. Monique Muylaert indessen modellierte keramische Plastiken, die fragil phantastische Szenen einfangen und ihren Ursprung im Brüsseler Jugendstil haben dürften. Die belgische Nachkriegskünstlergruppe "Cobra" vertritt der 1923 geborene Georges Collignon mit einem pointillierten, grellfarbigen Akt.

Die Künstler schwimmen Freistil in internationale Strömungen: Guy Vandenbranden orientiert sich mit seinen Farbfeldern am Konstruktivismus, Guy Van den Bulcke mit gemalten Gänsen am Fotorealismus, Luc Janetzky mit pastös aufgetragener Farbe am Informel und Jacky De Maeyer mit Holzplastiken am Kubismus.

Qualitativ höchst unterschiedlich gehen die 35 Künstler zu Werk. Mitunter kann man bei dem Anblick ihrer Werke dem Wort "Kunst" getrost "-handwerk" anhängen. Schon daher ist ein Rundgang durchs Turm-Foyer eine spannende Auseinandersetzung mit der Kunst: "Taugt's was oder nicht?" lautet die Frage im Einzelnen, für die ganze Ausstellung wird hier als Antwort "Ja!" vorgeschlagen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)