11 Jahre Kunst: Hier
finden Sie Kurzkritiken von Ausstellungen in Essen aus dem Zeitraum von
1998 bis 2009, erschienen fast ausschließlich in der
wöchentlichen
Rubrik
"Ausgestellt" der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ). Ich habe die Texte
wahllos
zusammengeworfen. Die Reihenfolge kennzeichnet keine Chronologie. Der
Umfang wird sich noch erweitern.
Bitte benutzen Sie die Suchfunktion Ihres Browsers, um einzelne
Künstler oder Einrichtungen zu finden.
Ausgetauscht
Kunst und
Austausch - Vernissagenbesucher „tauschen sich
aus“, was
immer sie darunter verstehen. Sammler und Galeristen tauschen Geld
gegen Werke. Künstler entwickeln ihre Arbeiten, wie sie sagen:
gerne im Austausch mit den Werken - was vielleicht aus der logischen
Perspektive, wenn das jemand hinterfragen würde, zu einer
Auslöschung des Universums führen könnte.
Und dann regen
Werke zum Austausch an, meist mit irgendwelchen Problemen, die die
Künstler selbst nicht lösen können und die
nun die
Betrachter an der Backe haben. Noch was? Ach ja, da gibt’s
noch
den Künstleraustausch, ganz diplomatisch. Hin nach Nishnij
Nowgorod schickte Essen zuletzt Dagmar
Schenk-Güllich, die Partnerstadt revanchiert sich
mit Galina Myznikova
und Sergeij Provorov.
Die russischen Künstler beschäftigen
sich vorwiegend
mit
Video-Art. 2005 vertraten sie auf der Biennale in Venedig ihr
Heimatland. Beim Betreten des russischen Pavillons umwehte die Besucher
damals ein besonderes Lüftchen. Die aero-akkustische
Installation
sollte ein Gleichnis für den Wind, der sich gedreht hat, sein
– und steigerte sich zu einem alles umblasenden Orkan. Das
Künstlerduo, das sich „Provmyza“ nennt,
zeigt im Forum Kunst und
Architektur
am Kopstadtplatz 12 mehrere Fotos und drei Videoinstallationen, die
Nishnij Nowgorod mit den Augen eines Kindes sehen lassen –
bis
zum 27. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Reine
Museen, dreckige Kunst
Martin
Brüger
fühlt sich im Museum wie zuhause, so
sehr, dass
er dort mit dem Putzlappen hantierte. Lappen, mit denen
Ausstellungsräume sauber gemacht wurden, legte er vor zwei,
drei
Jahren in der Galerie
Schütte auf einen aufwändig und
passgenau geformten Sockel. Vielleicht als Beweisstück. Die
Reinheit der Museen führt zu dreckiger Kunst, lautet die
Botschaft, die Brüger nun am selben Ort wiederholt. Diesmal
heißt die Schau an der Hauptstraße 4 bis
zum 9.
August „Museumsfotoarbeiten“.
Irgendwie
ist Brügers Vorliebe für Kunst, die die
Präsentation von Kunst zum Inhalt hat, ja verdächtig.
Ist das
nicht eine oberflächliche Kunst, die sich nur in sich selbst
spiegelt? Nein. Brüger fragt nach einem ebenso alten wie nach
wie
vor spannenden Kernthema: Was - oder besser: wann ist Kunst? Warum wird
etwas im Museum ausgestellt? Mit seinen Werken steht der 1965 geborene
Künstler augenzwinkernd außerhalb des Betriebs. Sie
werden
zu Referenzen, auf die sich Werke, die im Museum aufgehängt
werden
sollen, beziehen können. Mit den
„Fotoarbeiten“,
bearbeitete Fotos von Museumsräumen, verhält es sich
ähnlich. Sie vermessen den Raum. Für die Kunst.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Das
Ende ist wieder der
Anfang vom Ende
Rosa Wolken
über der Einöde und ein Skelett, das von einem Pferd
fällt: So inszeniert Marcus
Schaefer
die Ausstellung „Sonnenaufgang zu Mitternacht“. Der
Düsseldorfer Künstler dreht dort, wo
üblicherweise der
Cowboy gen Sonnenuntergang reitet und das Wort
„Ende“
erscheint, die Filmrolle weiter. Jedes Ende ist wieder der Anfang vom
Ende – und dazwischen bewegen sich Baustelle/Schaustelle,
Brigittastraße 9, getriebene Figuren, die sich durch die
Wüste kämpfen und Berge überwinden.
Der 37-jährige Meisterschüler von
Siegfried Anzinger
an der
Düsseldorfer Kunstakademie zeigt mit dicken Pinseln,
kräftigen Farben und schemenhaften Motiven die Zerrissenheit
der
menschlichen Seele. Die Bilder erzählen Geschichten, der Geist
spinnt sie weiter. Das Gemälde ist fertig, der Betrachter
führt es in seinem Kopf fort, er wird selbst zum Anfang vom
Ende
– bis zum 29. Mai. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2009)
Affig
Geköpfte
Menschen,
posierende Badende: Das Nebeneinander von Leid und Freud, von Gewalt
und Spaß – das ist für Helmut Büchter
ein „Affentheater“. So harmlos nennt der 1947 in
Essen
geborene Maler und Bildhauer seine wahrlich grauenvolle Ausstellung in
der Neuen Galerie der
Volkshochschule am Burgplatz.
Gorillas und Schimpansen beherrschen den Bildraum,
darüber
hinaus
flanieren Löwen und Bären vorbei an leblosen Leibern
und an
einem im eigenen Blut liegendem Neugeborenen. Erotik, Elend, Exotik,
Ekel, gleich: egal. Brutal wird alles nebeneinander serviert.
„Es
ist ein schöner Planet auf dem wir leben, aber es
läuft so
Vieles verkehrt und schief“, sagt Büchter. Fotos aus
Zeitschriften, die ihn empören oder erschüttern,
sammelt er.
Sie bilden den Fundus, aus dem er seine Motive
schöpft.
„Die
Sprachlosigkeit, mit der wir über die alltäglichen
Nachrichten und Bilder des Grauens hinweggehen, treibt ihn an, seinem
Entsetzen Ausdruck zu geben“, heißt es im
Begleittext zur
Schau. Seine Gemälde würden die Parallelität
von Werbung
und Gewaltdarstellung in den Medien widerspiegeln. Ihre
Zusammenführung in seinen Gemälden soll provozieren
und
schockieren. Doch dreht sich Büchter mit seinen Schockbildern
im
Kreis. Die Mischung aus altbackener Medienkritik und selbstgerechter
Publikumsbeschimpfung ist das wahrlich affige des
„Affentheaters“ – bis zum 26.
Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Vergessene Gegenwart
Der Kunst-Raum
hat kulinarisch
aufgerüstet. Statt der
traditionellen Götterspeise in Plastikbechern gab’s
diesmal zur Vernissage ein
Büffet mit allerlei Leckereien. Das wäre hier kaum
der Rede wert, wenn es der
ausgestellte Künstler nicht zur Perfektion getrieben
hätte, derart appetitlich
Farben auf der Leinwand zu komponieren, dass einem wie bei den
aufgetischten
Häppchen das Wasser im Mund zusammenläuft. Doch wer
bei Martin Herler
zugreift,
bei dem bleibt der Gaumen- und Augenschmaus womöglich im Hals
stecken: Die
bonbonfarbenen Farbkleckse entpuppen sich als demonstrierende
tibetanische
Mönche.
Mit seinen „neuen
Arbeiten“, wie die Schau auch heißt, ist
der 35-jährige Bayer endlich im Hier und Jetzt angekommen. An
der
Rüttenscheider Straße 56 hat Herler schon Orchideen
gezeigt, süßlich, lecker
gemalt. Man war mehr betäubt als betört, weil Herler
den Zaunpfahl beim Wink
auf die erotische Komponente des Motivs auf den Kopf des Betrachters
krachen
ließ. Trotz allem kann man diese Ausstellung als Phase der
Vervollkommnung
seiner Bonbon-Maltechnik sehen.
Beim nächsten Mal
suchte er sein Heil in der Vergangenheit:
Die auf Fotos festgehaltene Atmosphäre der
Wirtschaftswunderjahre verwandelte
er in fotorealistische Malerei mit verwischten Pinselstrichen. Ihm
gelang es
kaum, der vermeintlichen gut-bürgerlichen Pieffigkeit eine
eigene Nuance
hinzuzufügen – und dennoch dürfte diese
Motivreihe ein wichtiger Schritt für
Herler gewesen sein. Mit den 50er-Jahre-Bildern machte er aufs Neue
deutlich,
wie sich die Vergangenheit als positiver Fixpunkt idealisieren
lässt: Sie lässt
sich nicht mehr ändern, ganz im Gegensatz zur Gegenwart und
Zukunft, die von
den Menschen etwas abverlangt, reichlich
Unwägbarkeiten enthält und
deshalb oft bedrohlicher wirkt
als das „sichere“ gestern.
Indem Herler nun eine aktuelle
Situation aufgreift, diese
mit grellen Farben zukleistert und zugleich per Pinselführung
verblassen lässt,
vereint er nun seine beiden Stärken zu der eindringlichen
Warnung, dass die
Gegenwart schon heute vergessen werden kann. In Herlers Fall geht es um
Tibet
und China, wohin der Künstler ausgedehnte Reisen unternommen
hat – zu sehen bis
zum 14. Juni.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
In den Schwanz gebissen
Figur und Raum, Raum und Zeit,
Zeit und Figur… „wunderbar
wandelbar“ ist die Kunst einer Berliner
Künstlergruppe, die sich „quer“ stellen
will – und dennoch im Forum
Kunst und Architektur, Kopstadtplatz 12, derartig im Kreis dreht,
dass sie sich in den
Schwanz beißt.
Die Bandbreite der gezeigten
Arbeiten bewegt sich zwischen
„Alles schon gesehen“,
„harmlos“ und „Probleme fremder
Leute.“ Offenbar hat
sich niemand zuvor die Mühe gemacht, zu fragen: Warum muss das
aus Berlin
hergekarrt werden? Warum sollen sich das Menschen angucken? Bewegt die
Kunst
irgendwen? Es geht um den Künstleraustausch, gewiss. Offenbar
eine politische
Entscheidung, keine kuratorisch – bis zum 28.
September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Überraschende Wendungen
Der Titel ist nicht gerade
originell, man hat ihn schon oft
gehört. Aber: Er passt wunderbar zu Henning Kürschner.
„Figur, Fläche, Farbe“
nennt die Galerie
Heimeshoff die Ausstellung von dem Berliner
Künstler, der
sich ganz einfachen malerischen Problemen widmet, diese aber
großartig löst.
So einen entspannten Maler
sieht man selten. Im Gespräch
redet er über misslungene Werke, die einfach weggeworfen
werden, darüber, dass
er sehr wohl sich von anderen Künstlern etwas abguckt und
darüber, dass ihm an
einer „Botschaft“ nicht gelegen ist. „Ich
bin auch kein Selbstdarsteller und
mag nicht überall immer
Händeschütteln“, meint Kürschner,
der einst bei dem
Meister des Informellen, Fred Thieler, studierte, der
legendären Gruppe
„Großgörschen35“
angehörte und zuletzt an der Universität der
Künste in Berlin
als Professor lehrte.
Aus der Figuration heraus
entwickelt Kürschner in steter Abstraktion
seine Bilder. Oft übermalt er die Leinwand, bis er zu einer
Grundfarbe findet
und das „innere Bild“ langsam in Deckung mit dem
Dargestellten kommt. „Es ist
ein Dialog von mir mit dem Bild“, sagt Kürschner.
Spannungsreiche Gemälde mit
oftmals überraschenden Wendungen entstehen auf diese Art und
Weise, manchmal
über mehrere Jahre hinweg, wenn der 66-jährige
Künstler ein Bild zur Seite legt
um später wieder daran weiterzuarbeiten. Die Schau lockt bis
zum 30. April an
den Kennedyplatz 5. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Schauen, gucken, weitersehen
Mit einem Lappen wollte Frauke
Dannert
angetrockneten Kaffee
auf dem Tisch wegwischen. Doch verblüfft hielt sie inne: Der
Fleck sah aus wie Pacman,
der einem Krümmel nachjagt. Die koffeinhaltige Figur aus einem
Computerspiel
schmückt die Einladungskarte der Baustelle/Schaustelle,
und macht deutlich, wie
die 29-jährige
Düsseldorfer
Kunststudentin arbeitet: „Erstmal schauen, dann gucken, dann
weitersehen“, so
auch in dem Kunst-Schaufenster an der Brigittastraße 9.
„Lage“,
heißt das Werk, das aus drei leicht zueinander
verwinkelten, bis zur Decke reichenden Eisenblechen besteht. Ein wenig
achselzuckend
steht man davor, sieht auf jedem Stück ein schwarzes Rechteck
aus tropfenden
Bitum, läuft auf dem Bürgersteig vor dem Fenster auf
und ab – um plötzlich, wie
die Künstlerin beim Kaffeefleck – ebenfalls
innezuhalten: Genau auf einer
Gehwegplatte sieht man, dass der Schein der Deckenbeleuchtung aus vier
zu einem
Quadrat angeordneten Neonröhren das aufgemalte Rechteck
umrandet. Dannert
versteht es, mit wenigen Mitteln vorgefundene Situationen und
Räume derartig
umzuwandeln, dass ikonenhafte Bilder entstehen – bis zum 26.
September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Zusammengewürfelter Flohmarkt
Marilyn Monroe liegt
unbekleidet auf dem Bett und blickt
halb lasziv, halb unbekümmert in die Kamera von Bert Stein. Der
Fotograf nahm
die Schauspielerin im Jahr 1962
in
einer dreitägigen Foto-Session für die
US-Modezeitschrift „Vogue“ kurz vor
ihrem plötzlichen Tod auf. Unter dem Titel „Die
letzte Sitzung“ wurden die
Fotos weltberühmt – und ein von Stern signiertes
Foto hängt an in der Galerie
Haas Hoeppner an der Huyssenallee 70.
Es ist eine
merkwürdige Fotoschau, die Galerist Marc Hoeppner
da recht konzeptlos zusammengewürfelt hat. Jedes Bild steht
für sich, was aber
– sofern man sich zuweilen von vorformulierten
Interpretationshinweisen bedrängt
fühlt – auch mal ganz spannend sein kann. Die
Ausstellung als Flohmarkt: Vertreten
sind Altmeister wie der New Yorker Life-Magazin-Fotograf Andreas Feininger
mit
seinen ungeschönten Straßenszenen aus den 40er-
und 50er-Jahren
oder bahnbrechende
Fotokünstler wie Albert
Renger-Peatzsch mit seinen nüchternden
Interieurs- und Architekturbildern.
An den Wänden
hängen auch Bilder zeitgenössischer Knipser. Olaf Otto Becker
etwa lässt per Kamera nicht nur Momente gefrieren, er zeigt
auch die gefrorenen Landschaften. Das Resultat von Bootsfahrten an der
Küste
von Grönland erinnert stark und gewollt an das Eismeer von
Caspar David
Friedrich. Der Mensch spielt in der weißen, nebligen Welt
aber keine Rolle als
im Motiv festgehaltene Erscheinung mehr, dafür aber als
Betrachter, der beim
Anblick der Eisberge und des Meers an Kaltherzigkeit zunimmt.
Yukara
Shimizu indes
hat draußen nachts in der Dunkelheit
Blumen fotografiert. In den großformatigen Fotos spiegelt man
sich in erster
Linie selbst – und verschmilzt mit dem Bouquet.
Zerfließen lässt hingegen Andreas Lutherer
Details von Landschaften zu durchgehenden und quer laufenden
Farbstreifen – fast so, als würde er mit einem
Schnellzug übers Land fahren und
dabei aus dem Fenster ein Foto mit Langzeitbelichtung
schießen. Ist aber nur
per digitale Bildbearbeitung bearbeitet. Und vielleicht ist es gerade
diese
unmittelbare Konfrontation der alten mit der neuen Technik, die bis zum
13.
September neben Marilyn Monroe der der
Ausstellung ihren besonderen Reiz verleiht. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2008)
Vom Sinnlichen ins Reale gekippt
Fast kann einem die
Malerin Claudia Keller
ein
wenig Leid
tun. Da malt sie wunderbare Ansichten von Parks und Gärten, in
welchem sie die
strenge Geometrie der barocken Landschaftsarchitektur einerseits
überhöht,
andererseits ins Sinnliche kippen lässt. Und dann tritt ihre
Kunst in den
Hintergrund, weil Galerist
Johannes von Geymüller ihre Ausstellung aus
aktuellem
Anlass zum „Brückenschlag in den
Grugapark“ erklärt. Geymüller und sein
„Arbeitskreis 2010“
fordern mehr
Transparenz bei den Erweitungsplänen der Messe Essen.
Statt Menschen beleben Licht
und Schatten die Grünflächen.
Elegant schwingen Wege entlang getrimmter Hecken.
Wasserflächen reflektieren Himmel
und Bäume. Wurden die Gärten dereinst als Ausweitung
der Architektur in die
Landschaft verstanden, so holt die 1942
geborene Düsseldorferin diese wieder ins Haus zurück:
Die Ausstellung erweitert
also gewissermaßen in Geymüllers „Living
Art Gallery“ den Raum. Ob auf diese
Weise allein mit Claudia Kellers Werken der Platzanspruch der Messe
befriedigt
werden kann, darüber kann man sich am Schützdeller 11
bis zum 15.
März seine Gedanken
machen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Unfigürliche Körper
Lange war es still
um Stephan Marienfeld.
Der Bildhauer
wurde von Künstlerkollegen – etwa Tony Cragg
– mit Arbeit zugeschüttet. Seine
handwerklichen Fähigkeiten rund um Polyester-Plastiken waren
derart gefragt,
dass er fast keine Zeit mehr für seine eigene Kunst hatte. Nun
meldet sich der 1966
in Hattingen geborene Künstler im Kunst-Raum an
der Rüttenscheider Straße 56
wieder zurück
„Nachbarn, Torsen und
Unbekannte“ heißt seine Schau.
Seine Plastiken erinnern an
antike Marmorskulpturen:
Überlebensgroß steht ein „Atlas“
und eine „Unbekannte“ im Raum. Doch so
vertraut einem die Formen erscheinen, so groß ist die
Überraschung, gar nichts
erkennen zu können. Marienfeld gelingt es, eine Idee von einem
Körper zu
erzeugen, ohne sie figürlich darzustellen.
Doch Marienfeld arbeitet auch
anders herum: In
hochglänzenden Platten spiegelt man sich selbst. In
Gesichtshöhe ist ein Relief
angebracht, das das Körperliche des Betrachters betont.
Darüber hinaus schnürt
der Bildhauer mit Seilen gerne Wandobjekte ein, die so an
Körperlandschaften
erinnern – zu sehen bis zum 5. April. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2008)
Vor den Latz geknallt
Du bist der Star!
Zig
Hände strecken sich im
Blitzlichtgewitter der Bühne entgegen. Diese steht in der Galerie GAM und
besteht schlicht und einfach aus dem verdunkelten Kabinett, in welches Lukasz
Chrobok zur rechten und linken Seite jeweils
Gemälde gestellt hat: abgemalte Fotos
von Fans beim Konzertbesuch, die sich von den Bands Tokio Hotel und
Rolling
Stones zudröhnen lassen. „Euphorie &
Wahnsinn“, so der Ausstellungstitel,
liegen nah beieinander.
Der Anfang ist
süß, das Ende bitter. Chrobok umrandet seine
Bildnisse von mutmaßlich unter Drogen stehenden Stars mit
Zuckerstückchen. Bunt
flippen darauf unter anderem Robbie Williams, Paris Hilton und David
Hasselhoff
aus. Dem gegenüber hängen an der Wand in seltener
Eintracht feiernde, und ganz
krass: sich übergebende Partymenschen.
Chrobok malt spritzig, im
doppelten Wortsinn. Flott scheinen
die Farben über die Leinwand gemalt, und auch viele Tropfen
gegen dem Gesamten
einen impressionistischen, augenblicksbezogenen und gleichwohl
zerfallenen
Eindruck. Geisterhaff verdichten sich Fans in amorphe Massen, mit
kaleidoskopartigen Kompositionen sucht er bewusstseinserweiternde
Erfahrungen
auf die Leinwand zu bannen. Über allem schwebt eine
Disko-Kugel – nicht aus
Spiegeln, sondern aus Zuckerstückchen.
Es ist eine explosive Mischung
aus Alko-Pops, Beats und
Masse, die Chrobok den Betrachter regelrecht vor den Latz knallt. Wer
selbst in
jungen Jahren all dies mitgemacht hat (wie der Autor dieser Zeilen),
wird mehr
den Wahnsinn in den Bildern wiedererkennen. Wer mittendrin steckt, wird
sich
von der Euphorie anstecken lassen. „Es ist eine
Bestandsaufnahme“, sagt der
Künstler.
Chrobok wurde 1976
in Polen geboren und lebt seit 1983
in
Hamburg. Von 1998
bis 2004
studierte er dort an der Hochschule für
angewandte Wissenschaft. Die Ausstellung läuft bis zum 19.
April. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Aufgepumpte Farberfahrung
Die einen malen
große
Formate, weil sie möglichst viel in
einem Bild unterbringen wollen, andere, um eine wuchtige Wirkung zu
erzielen.
Und dann gibt es noch solche Künstler, die vermeintlich
Unwichtiges groß
aufpumpen und ihnen die verdiente Bedeutung verleihen. Auf Hans-Willi Notthoff treffen
alle drei Motive zu: Seine Bilder vereinen sehr viel Farbe auf der
Fläche, sie sind so groß, dass man schon fast das
fantastische Gefühl hat, in
sie hineingehen zu können, und erinnern an groß
kopierte Wassermalfarben-Malereien
von Kindern, deren komplexe und wunderbar komponierte Schichten und
Farbkonstrukte man in dieser Größe endlich einmal
ausgiebig würdigen kann. Die Galerie Kalthoff,
Sabinastraße 1, zeigt seine Ausstellung „revolving
shift“.
Inspiriert von vorbeifahrenden
Containerschiffen auf dem
Rhein, setzt der Düsseldorfer Künstler bei seiner
Werkgruppe „Cargo“ mit
riesigen Pinseln Farbstreifen in unregelmäßigen
Abständen leicht krumm und
schief auf die Leinwand. Rot trifft auf grün, auf
weiß, auf blau – Notthoff,
einem Schüler von Gotthard Graubner, geht es um die positive
Farberfahrung. In
seiner Reihe „Shift“ klebt er Tesafilm-Streifen auf
das Bild. Die Streifen
bilden zusammen einen Mittelpunkt. Immer wieder übermalt
Notthoff das Plastik,
um es nach und nach wieder abzureißen. So bilden die
verschiedenen
Farbschichten einen Stern – der, wie es in einem Text zur
Ausstellung heißt,
„Teil einer größeren und über den
Bildraum hinaus existierenden Ordnung“ ist.
Vielleicht so eine Art Kosmologie?
Mit Hans-Willi Notthoff geht
die Galerie an der Sabinastraße
in die Breite. Bislang spezialisiert auf figurative, junge Malerei,
will man
künftig verstärkt auch abstrakte Kunst sowie
Fotografie zeigen. „revolving
shift“ ist bis zum 19.
September zu
sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Wie Vergänglichkeit in die Gänge kommt
In ihren Werken
dreht es sich
um das Thema
„Vergänglichkeit“. Das nahm ein
Vernissagenbesucher in der Galerie im Schloss Borbeck
offenbar allzu wörtlich und rempelte eine von Cornelia Griess
geschaffene
Porzellan-Plastik um. Ein Versicherungsfall? Konsequenterweise
müsste die
Essener Künstlerin das abgebrochene Teil mit einem
Stück Teppich als Verband
„heilen“ – so wie bis zum 27. Juli in
ihrer raumfüllenden Installation „Kalt ist der
Abendhauch“.
Rindenlose Äste ragen
aus Wachsblöcken, die offenen Wunden des
Holzes verschließt sie an einigen Stellen mit dem gewebten
Stoff. Florale
Ornamente sind darauf zu erkennen, fast so, als würde die
Künstlerin versuchen,
die Verletzungen der Natur mit künstlichen Strukuren
ungeschehen machen. So
geht man durch eine Art Wald, in welchem sich die Äste
hilfesuchend nach dem
Menschen recken.
An der Wand finden sich
vergoldete Alltagsgegenstände und in
Wachs gegossene Erinnerungsstücke, als Quader
eingeschnürt in Hanffäden. Die
Schlagworte heißen hier: konserviert,
überhöht, geborgen, gesichert. Griess
reißt die Dinge aus ihrem Schicksal, materiell wie
immateriell vergänglich und
bald aus der Erinnerung zu sein.
Die 1952
geborene
Bildhauerin und Keramikerin hängt
darüber hinaus einen Quader aus kleinen, an einer Schnur
aufgereihten und
vergoldeten Steingutstücken in einen kubusförmigen
Rahmen. Von Werk zu Werk
verwandelt sich der Quader über mehrere Etappen hinweg in eine
Art DNA-Kette.
Von der Struktur zum Chaos, das wiederum der Anbeginn des Lebens ist
– so kommt
die Vergänglichkeit wieder in die
Gänge. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Mut zur Lücke
Galeristen
unterstellt man ja
gerne ein berufsmäßiges
Interesse, von ihren Künstlern zu schwärmen.
Schließlich sind sie auch Händler,
die verkaufen wollen. Das ist auch richtig so. Wer aber am
Schützdellerweg 11
anschellt, wo gerade die Ausstellung „Verite
Variete“ von Thomas
Ruch läuft, sollte den Hausherrn bitten, das
„Klappmeter“
aufzuschlagen. Dann zieht Dr. Johannes
von Geymüller weiße Handschuhe an,
bevor
er das Kunstbuch mit zwölf Linienätzradierungen eines
Zollstocks langsam Seite
für Seite umblättert. Die Zeichnungen des Schweizer
Künstlers ergreifen den
Galeristen derart, dass man schon fast Tränen der
Glückseligkeit in seinen
Augen sieht. Die Werke sind aber auch zum Niederknien gelungen.
Thomas Ruch, wohnhaft in
Düsseldorf, war früher einmal
Ingenieur bei dem Uhrenhersteller Swatch. Dass er die technische
Zeichnung
beherrscht, merkt man seinen künstlerischen Zeichnungen an.
Diese sind nicht
nur technisch brillant, sondern strukturieren die Oberflächen
mit Mut zur Lücke.
Wenige Striche reichen ihm meist, um beispielsweise den Rundblick rund
um das
Hotel „Bellevue des Alpes“ am Jungfrauenjoch in
Szene zu setzen. Dabei lässt er
gerne in einem Bild mehrere Perspektiven verschmelzen. In der
herannahenden
Bergbahn sitzt man als Betrachter so plötzlich mittendrin.
Die Zeichnung und ihre
Möglichkeiten faszinieren Ruch. In
vielen einzelnen Büchern untersucht er etwa die Wirkung von
Kringeln. Band für
Band sieht man nur Kreise, mitunter zieht sich ein Kringel durchs ganze
Buch.
Dabei ist sein Platzverbrauch immens. Von einer Seite nutzt er
höchstens ein
Zehntel. Manchmal sagt die Leere aber auch mehr als Tausend Striche
– bis zum 20.
Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Weiße Flecken
Auf dem
weißen Tuch
steht der eingestickte Spruch
„Blitzblank die Wäsch’, das Leinen rein,
das soll der Hausfrau Freude sein.“
Klar, denkt man sich: Wer will schon dreckige Klamotten haben? Aber
natürlich
geht es Cornelia
Regelsberger mit ihren Objekten in der Neuen Galerie der
Volkshochschule um die Rolle und das
Selbstverständnis der Frau.
Weiß, die Farbe der
Unschuld. Die 1955
in Detmold geborene Künstlerin hat weiße Kleidchen,
Deckchen und Stickereien zu
einer Art kulturhistorischen Installation zusammengenäht. Es
ist wie ein Blick
in die Vergangenheit, als noch Begriffe wie
„Aussteuer“ einen wichtigen Platz
im Verhältnis von Mann und Frau hatten. Regelsberger
dokumentiert in erster
Linie, ein wenig „Kritik“ spürt man in
einer zu Boden gefallenen Nähmaschine zu
sehen, die am Ende eines von der Decke baumelnden Seils mitsamt
festgezurrtem
Stuhl liegt. Vermittelt wird: Auch weiße Westen
können Flecken haben, weiße
nämlich. Dass die früher propagandierten weiblichen
Tugenden wie Fleiß,
Sauberkeit und Genauigkeit ziemlich langweilig waren, sieht man auch
der
Installation an. Gut, dass das Ideal damals schon nicht mit der
Realität
übereinstimmte. Dreck hätte die „Hoch-Zeit
– Installation für eine
Weißnäherin“
gut vertragen können - bis zum 14.
November. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Scheue Wesen
Man kann es platt
sagen: Seine
Bilder erinnern an
Ultraschallbilder von Embryonen. Man kann es atmosphärisch
beschreiben: Die
Gesichter auf den Gemälden treten unheimlich und vertraut
zugleich aus dem
dunklen Hintergrund hervor. Man kann es aber auch mit KwangSung Park
fühlen:
„Meine Malerei enthält eine menschliche Seele, die
so rein ist wie eine Träne.“
Bis zum 7. Juni stellt der Koreaner in der Galerie Klose,
Rüttenscheider Straße 56
aus.
KwangSung
Park malt und mal und malt. Die schwarz.-weiße
Litanei der Figuren, Gesichter und Landschaften
überträgt sich meditativ auf
den Betrachter. „To have fun and to be“,
„um Spaß zu haben und zu sein“, nennt
er seine Ausstellung. Schemen tauchen aus dem Nichts auf. Nur kurz
bieten sie
ihren Anblick dar. Alle Eindrücke sind fließend. Wie
im Vexierbild scheinen
sich die Köpfe um ihre eigene Achse zu drehen, „um
im nächsten Augenblick
wieder ins Nichts des Schattenreiches abzutauchen“, wie
einmal über den 1962
geborenen Künstler geschrieben wurde. Fast alle
Figuren scheinen die Betrachter zu scheuen.
Der Koreaner beherrscht die
Magie, mit den Mitteln der
Malerei seinem Thema eine Gestalt zu geben und den Eindruck von
Leichtigkeit
und Flüchtigkeit zu erzeugen. „Ich vermittle mit
meiner Malerei die Freiheit
für ein Lebewesen in Würde in dieser Welt zu leben,
in der selbst ein Schatten
seinen Platz nicht finden kann“, erklärt Park.
„Schwarz ist der Raum der Leere.
Weiß ist das Porträt der erfüllten
Freiheit.“ (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2008)
Überlieferte Kompositionen
Richard Sagen ist
eher von
zurückhaltender Natur, gleichwohl
bricht die Begeisterung aus dem Galeristen heraus, wenn er voller
Wärme von der
Akademie der Schönen Künste Krakau spricht, von den
Gesprächen mit den
Professoren, die sich mit Kunstwerken in erster Linie ihren strengen
Kollegen
stellen würden und nicht wie hier dem Kunstmarkt.
„Wir sind die Kunstakademie
Krakau hier“, entfährt es Sagan im Girardethaus. Und
tatsächlich bestimmen die
Akademielehrer mittlerweile vollkommen das Programm der
Rüttenscheider Galerie.
Bis Ende April 2009
präsentiert Sagan unter dem Titel „Poesie der
Farbe“ im monatlichen Wechsel
zehn Professoren, Assistenten, Absolventen und Studenten der Akademie.
Den
Anfang machen der Maler Andrzej
Zieblinski und der Bildhauer Jósef Murzyn.
Ersterer führt die Ausrichtung der Akademie vor Augen: Seine
konstruktivistischen Bilder hinken auf den ersten Blick der Kunst 30 Jahre hinterher und
bestätigen damit die
Marschrichtung. „Wir machen keine Abkürzungen in der
Kunst und erarbeiten uns
alles selbst“, gibt Sagan die Losung der Akademie weiter.
Dennoch strahlen die fabelhaft
komponierten geometrischen Arbeiten ein eigenes, mehr noch:
eigentümliches
Wesen aus. Es ist die sonderbare, seit Generationen
überlieferte Komposition
der Farben, für die die Akademie bekannt ist, eine
melancholische Melange aus
blau, grau und schwarz. Jósef Murzyn führt die
Stimmung in seinem
Holzskulpturen weiter: „Bluttränke“
heißt ein Werk, dass den Längsschnitt einer
Ader über einer roten Schüssel zeigt. Er hat ein
Totem, ein vergittertes
Fenster, und grausige Folterinstrumente geschnitzt. Das Leid
unterdrückter
Menschen wird grausam vergegenwärtigt. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2009)
Wege durch die kaputte Nacht
Rock’n
Roll steht
eingeritzt in der Hinterglasmalerei, doch
anstalle des ;n’ sticht ein Hakenkreuz ins Auge. Florian Süssmayr
hat das Motiv
von einer dunklen Münchner Ecke abgemalt, wo sich Grafitti,
Schmierereien,
Vandalismus und Gestank die Hand reichen. Der 45-jährige
Maler und Ex-Punker schaut dorthin, wo andere meist drüber
wegsehen. Doch im Kunsthaus
Essen sind seine Bilder Hingucker.
Punkbands,
voll gekritzelte Fassaden, Vorhänge einer
muffigen Eckkneipe, Kacheln von einer U-Bahnstation: Süssmayr
nimmt einen mit
auf dem Weg durch die kaputte Nacht. In seinen fabelhaft gemalten
Bildern geht
es nicht so sehr darum, die dreckige Atmosphäre zu vermitteln,
sondern die
Ikonografie der Straße zu ästhetisieren. In dem
weißen Ausstellungsräumen an
der Rübezahlstraße 33
droht man der
Sozialromantik zu verfallen: Die Bilder halten auf Abstand zu ihrem
Ursprungsmotiv.
In Erinnerungen schwelgt man
hingegen im Kabinett des
Kunsthauses mit Brigitte Spiegeler. Die Niederländerin besucht
mit einer
Handkamera bewaffnet die Untiefen der eigenen Biografie. Ihre Videos
spielen im
Haus ihrer Kindheit. Beide Ausstellungen laufen bis zum 14.
Dezember. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Glotzende Vasen
Eine Frau liegt im
zerwühlten Bett. Sie hat Mantel und
Stiefel an und greift nach einer Brotscheibe auf dem
Frühstückstablett. Ihre
Augen sind nach unten gerichtet. Um das Bett in der Dachstube herum
liegen
Zeitschriften, Bücher, Hausschuhe, Wecker und vieles weitere,
fast so, als
hätte sie ihr Leben auf dem Boden ausgebreitet. Aber da sind
wir schon mitten
drin im Interpretieren; und wem die Beschreibung der Bildszene schon zu
detailreich war, wird beim Anblick der Zeichnung von Anna Leo Hucht erst
recht
überwältigt. Die Rotary Stipendiatin hat in ihrer
Abschlussausstellung im Kunsthaus
Essen grandios gezeichnete und subtil komponierte Bilder
aufgehängt,
in welchem alles seinen Platz und seine Bedeutung findet.
Die 28-jährige
Künstlerin trifft und hält den Punkt, wo
„sich realistische Wahrnehmung und
surreales Empfinden nicht voneinander trennen lassen“;
schreibt Michael Hübl im
zur Schau erschienen Katalog. Mit ihren enorm aufwändigen
Zeichnungen friert
sie Stimmungen fest. Und diese verharrt zwischen Untergangs- und
Aufbruchsstimmung in einer Phase der Selbstvergewisserung, des sich
selbst
Beobachtens. Augen spielen eine große Rolle in ihrem Werk.
Eine Person hält ein
großes Auge in der Hand, Augen blicken durch den Betrachter
hindurch – und in
ihren keramischen Plastiken glotzen einen Augen von den Vasen an.
Parallel stellen im Kunsthaus
drei neue Ateliermitglieder
ihre Werke aus. Paran Pour hängt „typisch“
deutsche und orientalische Symbole
und Gebrauchsgegenstände an die Wand – und
übertüncht alles weiß. Sandra
Setzkorn dekonstruiert mit wenigen Pinselstrichen Städte,
einen Hund und John
Rambo. Cornelia Baltes experimentiert in ihren fragmenthaften Malereien
mit dem
Thema Figur und Raum – bis zum 22.
Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Momente der Macht
Schepper, klirr: An
der
Ruhrtalstraße 19A kann man
Handschuhe und eine Schutzbrille aufsetzen, eine 30 mal 40 Zentimeter
große
Glasscheibe von einem Stapel nehmen und drei Treppenstufen hochgehen.
Dort
steht man nun, angestrahlt von einem Scheinwerfen, blickt auf einen
Scherbenhaufen am Fuße des Podestes, in dem sich hundertfach
die
Deckenbeleuchtung spiegelt – und trifft eine Entscheidung:
Fallen lassen oder
nicht fallen lassen? Bislang haben sich in der Halle vom Verein „Kunstwerden“
alle Besucher bei dem Werk von Simona Pries
für ersteres entschieden.
1,5
Tonnen Glasscheiben stehen bereit, zerdeppert zu werden.
Der Lichtkünstler Adolf Luther hat schon einmal
ähnliches mit Glasflaschen
gemacht; er interessierte sich für die Reflexionen und
Brechungen des Lichts
beim Aufschlag. Die 1969 in Burgdorf geborene Künstlerin hat
damit wenig im
Sinn. „Mich interessiert die Beziehung zwischen dem,was ist,
was war und was
bleibt“, sagt sie. Ihr
geht’s aber auch
um die Versuchung. Und um die Verantwortung in Momenten der Macht. Auf
durchbrochenen Betonplatten lehnen Milchglasscheiben an der Wand. Ohne
viel
zutun könnte man sie zu Boden kippen. Von der Decke
hängt an einer dünnen
Angelschnur auch ein Paket zusammengebundenen Glasscheiben. Darunter
liegt eine
Schere. Bis gestern schwebte die fragile Konstruktion noch
über den Boden. Wer
weiß, ob dies zum Ende der Ausstellung so bleibt.
„Wünsche...“
nennt Pries ihre Mitmach-Installation. Wer eine
Scheibe kaputt macht, soll sich was wünschen dürfen.
Scherben bringen ja Glück.
Aber eigentlich scheppert folgende Frage mit: Kann man an seinen
Wünschen
zerbrechen? – bis zum 4.Oktober. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2009)
Absturz in die Vergänglichkeit
Die Party ist aus:
Gefeiert
haben sie bis zum Abwinken, und
nun blecken sie zerschunden, blutig und allein ihre Wunden. Kathrin Landa hat
die jungen Menschen so auf die Leinwand gemalt, mit schwarzen
Augenringen und
aufgeplatzten Lippen. Es ist der Absturz nach einem kurzen Rausch und
für die
gebürtige Ravensburgerin die bildliche Aktualisierung des
religiösen
Vanitas-Motivs, das immer wieder daran erinnert, dass das Leben ein
eitler
Schein ist, Schönheit vergänglich und
überhaupt alles Irdische dem Tod zueilt.
Zu dieser Verheißung wurde nach der Vernissage in der Galerie Kalthoff
erstmal
zur Party geladen.
Landa,
die in Leipzig Malerei studiert, zeigt Menschen in
ihrer ganzen Verletzlichkeit: erschöpft, kraftlos, dann wenn
sie am Nullpunkt
angelangt sind. Sie unterstützt das mit einer fragmentarischen
Malweise. Die
Körper und das Interieur werden teilweise abgeschnitten, Dinge
werden halb
übermalt, zum Beispiel die Armaturen an einer Badewanne mit
Fliesen. Dass es
jetzt nur noch aufwärts gehen kann, diesen Hoffnungsschimmer
verbreitet die
Farbe Gold, mit der die Künstlerin zuweilen ikonenhaft die
Porträts einrahmt.
Eine
andere Bilderserie der 28-jährigen Malerin namens
„Mensch und Maschine“ greift ebenso
religiöse Symbole auf. Mit nacktem
Oberkörper sitz da ein kahlköpfiger Mann im
bläulichen Schein seines Laptops,
der den Betrachter durch die Galerie an der Sabinastraße 1
regelrecht mit
seinem Blick verfolgt. Ein christliches Kreuz prangt an dem Computer
dort, wo
sonst das Hersteller-Emblem zu finden ist. Eine weitere Serie widmet
sich dem
Thema „Frau“: Selbstbewusst sitzt eine schwangere,
nackte Frau auf dem Sofa –
ganz ohne Allüren, sie ist nur sie selbst:
vergänglich, aber neues Leben in
sich tragend. Das Baby ist das Gold des Bildes – bis zum 6.
März. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Spirituelle Bodenhaftung
Auf die verschiedenen
weißen, rechteckigen Sockel könnte man
Skulpturen und Plastiken stellen. Doch Irmgard Niederreiter meint
per
Werktitel: „Alles schon gesagt“. Die Podeste sind
leer, sie präsentieren sich
selbst, aufsteigend angeordnet, zugleich geplündert als auch
als bereit, Dinge
aus der Masse hervorzuheben und nach ihrer Wertigkeit zu sortieren.
„Immerwährendes Verblassen“
heißt die Ausstellung im Forum
Kunst und
Architektur, in der ein Künstler und drei
Künstlerinnen Erinnerungen
auffrischen, transformieren oder auslöschen.
Das Spirituelle ist Heina
Tara Gaman ebenso
wichtig wie die
„Bodenhaftung“, wie er sich ausdrückt
– und beides führt der Essener mit großem
Ernst zu einem künstlerischen Ereignis zusammen. Flacher
können Malereien kaum
sein. Jegliche dreidimensionale Ausdehnung in den Raum unterbindet
Gaman. Er
malt auf Dibond Platten, vertreibt Formen in die Fläche, zeigt
Gegenstände in
der perspektivenlosen Draufsicht. Und er fotografiert eigene
Gemälde ab, um sie
nach einer digitalen Farbbearbeitung in
Originalgröße auszudrucken und als
weitgehend konturenlosen Brei wieder aufzuhängen. Bilder aus
seiner Kindheit,
aber auch in Serie gemalte Porträts seiner Tochter Penelope
oder Versuchungen
wie eine Pralinenschachtel erscheinen flüchtig als aktuelle
Ahnung eines
vergangenen Glücks. Der Glanz der alten Zeit strahlt durch den
Firnis oder
durch Plexiglas hindurch in den Raum hinein.
Mit
Videos arbeitet Ulrike
Hoffmann. In ihrer Installation
„Oberlagerung“ lagert sie drei Monitore in einem
Kellerregal. Gezeigt werden
Filme in unterschiedlichen Geschwindigkeiten von verschiedenen Orten.
Dabei
versucht sie die Bilder ins Diffuse abdriften zu lassen, indem sie
beispielsweise durch ein Tuch hindurch filmt. Vom Werden und Vergehen
erzählt
auch Elisabeth
Höller. In ihrem Film entwickelt sich ihr Gesicht
langsam aus
dem Untergrund heraus: ein Polaroid-Foto, dessen Entwicklungsprozess
sie
festhielt. Die Schau am Kopstadtplatz 12 versucht sich bis zum 24. Mai
ins
Gedächtnis einzubrennen. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 6. Mai 2009)
Gegenwelten aus Parallelwelten
Die Rollen sind klar verteilt:
Er sitzt lässig auf der
Leiter und strahlt gewinnend in die Kamera. Sie reicht ihm liebevoll
das
Werkzeug und Material. Für Ruth
Habermehl war diese Bohrmaschinenwerbung aus
einer alten Broschüre schon so perfekt, dass sie das Foto als
„Readymade“ zum
Kunstwerk erklärte. Und als solches vereint es in der Galerie Kalthoff ,
worauf
es der Leipziger Künstlerin ankommt: Gegenwelten aus
Parallelwelten schaffen.
Die 1969 geborene
Künstlerin sammelt Prospekte und
Zeitschriften aus den 50er- bis 70er-Jahren. Viele Exemplare hat sie
aus der
DDR. Die Landschaften, Pflanzen und Figuren schneidet sie aus. Sie
verfügt
mittlerweile über ein großes Archiv: Blumen, Berge,
Schluchten, Wälder, Kinder,
Erwachsene – all dies sortiert und bezeichnet sie penibel.
Es ist das Material, aus denen
sie neue Bilder erschafft:
Ein Säugling, der auf einem Baumstumpf zwischen
Blüten liegt und von einem
anderen Kind mit Leopardenmuster-T-Shirt
„gewittert“ wird. Ein schwarz-weißer
Waldweg mit einer Frau im roten Kostüm, die hinter einem Baum
eine Leiche
erspäht. Immer wieder wandern Menschen durch unwirkliche und
unwirtliche
Landschaften, durch Geröllhalden und Bergschluchten.
Es kommt nicht von
ungefähr, dass Habermehl sich alten
Bildmaterials bedient. Einerseits wiegt es einen mit seinem
nostalgischen
Retro-Look in der Sicherheit der „guten alten
Zeit“. Anderseits war die
werbende und illustrierende Bildwelt oftmals so geschaffen, dass sie
mit
übertriebenen Farben und harmlosen Motiven den Menschen fern
von den Sorgen des
Daseins hielt: Eine in Zeitschriften konservierte Parallelwelt zur
Wirklichkeit
entstand, die durch Habermehl nun in eine zum Teil abenteuerliche, zum
Teil
humorvolle, zum Teil aber auch schockierende Gegenwelt
überführt wird – bis zum
9. Mai an der Sabinastraße 1 unter dem Titel „ein
Viertel neben der Stille“. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2009)
Die Sünden auf sich genommen
Er schrieb auf
Fünf-Mark-Scheine „Dafür gab ich meine
Unschuld“ und nannte auf der documenta 7 eine Installation
„Ich habe Anne Frank
umgebracht“. Fast könnte man Felix Droese in
Verdacht haben, wie einst ein ans Kreuz genagelter Religionsstifter die
Sünden
der Menschheit auf sich nehmen zu wollen. Doch weit gefehlt: Der 1950
geborene
Künstler, Josef Beuys-Schüler und Züchter
von Highlander-Rindern in Mettmann,
der seine Jugend in Essen zugebracht hat, versucht mit seinen teilweise
bizarren Werken die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem
Augenblick
zusammenzuführen – als eine Art plastischen Vorgang.
Es geht darum
Verantwortung zu übernehmen: für gestern, heute und
morgen. Dies wird in der Galerie
Frank Schlag wieder vor Augen geführt.
„Zwischen Bernestraße und
Porscheplatz“ heißt die Schau, die frühe
Zeichnungen in den Kontext aktueller
Arbeiten stellt.
Droese zog mit 16 Jahren von
der beschaulichen
Nordseehalbinsel Nordstrand „ins pralle Leben“ der
Essener Innenstadt, wie er
sagt. Seine Erlebnisse verarbeitete er sogleich in Kunstwerke: Bilder
aus dem
Ruderverein, Verhaftungen bei Vietnam-Demonstrationen, das Nachtleben.
Der
spartanische Einsatz von Mitteln zeichnet sich schon damals ab: Ein
paar
Linien, fleckiger Karton, Holzreste, fertig ist das Kunstwerk.
Seine neueren teilweise
figürlichen Werke aus Tierblut,
Glas, Karton, Eisendrähten und Karton wirken wie
Prophezeiungen: meditativ,
orakelhaft, assoziativ, sinnlos. Eine eigenartig vereinnahmende Aura
umgibt die
Bilder, fast so als würden sie gerade jetzt fragen:
„Und? Schon morgen an
gestern gedacht?“ – bis zum 29. Februar an der
Meisenburgstraße 173.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus
2008)
Ausfluss künstlerischer Ideen
Zwischen Ekel,
Neugierde und
Sinneslust schwankt die
Videoinstallation, die Julia
Kälin im Best-Kunstraum
zum Besten gibt. Zu sehen
ist ein Mann, dem die ganze Zeit eine weiße, dickliche
Flüssigkeit von oben
über den Kopf gegossen wird. Die Mimik verrät seine
Gefühle, die Tonspur
intensiviert das „Erlebnis“ an der
Ruhrtalstraße 415.
Die 1977 geborene
Künstlerin lebt in Luzern und Zürich. Sie
malt, zeichnet, filmt und tritt als Darstellerin auf. Ihr Interesse
gilt dem
Ungewöhnlichen und Unerwarteten im Alltag, wobei sie die
Wirkkraft von
verschiedenen Materialien auslotet. Oft denkt man bei ihrer Kunst an
Körperausscheidungen.
Kunst – das hat auch was mit dem Ausfluss
künstlerischer Ideen zu tun: Aus
einer grob zusammengenähten Puppe ließ sie einmal
Hefeteig langsam heraus
quellen. Die gezeigte Videoinstallation „experiment on
oneself no. 2“ ist
dritte und letzte Ausstellung in der Reihe „Leuchten bei
Anbruch der
Dunkelheit“ in Kettwig. Am 27. Februar
hört’s auf. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2008)
Ja, Schuhe. Und Tee.
Wenn eine
Künstlerin
ein Material verwendet, das, sagen wir
mal: ungewöhnlich ist, dann lenkt sie darauf die volle
Aufmerksamkeit. Bei Marion
Menzel ist es Tee. Mit Leim mischt die Kölnerin
ihn zu einem schwarzen,
teerähnlichen Gemisch, das sie auf allerlei Dinge verteilt:
Wandobjekte,
Gemälde, zuweilen mit Besenborsten ergänzt,
– und vor allem auf Schuhe. Ihre
Werke kann man im Forum
Kunst und Architektur am Kopstadtplatz besichtigen.
„Form trifft Farbe“, heißt bis zum 3.
Februar die Gemeinschaftsschau von Menzel
und Crischa Siegel,
die vor allem die Frage aufwirft, warum diesen zwei
Künstlerinnen gleich das ganze Forum zu
Füßen gelegt wird.
Ja, Schuhe. Und Tee. Das meint
die Künstlerin ernst, wie ein
Begleittext nahe legt, den sie sie zur theoretischen
Überhöhung ausgelegt hat:
„Die Teeobjekte von Marion Menzel verknüpfen zwei
Traditionen der
Kunstentwicklung im 20.
Jahrhundert.
Einerseits die der Arte Povera und des Nouveau Réalisme und
andererseits die
Jahrtausende alte Auffassung der Skulptur als ewig
Währendes“, heißt es da. „Menzel
hat einen Weg gefunden, das organische Material Tee dem Zerfallsprozess
zu
entreißen.“
Crischa Siegel indes hat die
Architektur Teneriffas auf der
Leinwand in kräftigen Farben verewigt. Die
kubenförmigen und weißen Gebäude mit
ihren kleinen Fenstern und roten Treppen vor blauem Himmel und Meer
strukturieren
das Bild. Der Übergang zur konkreten Farbfeld-Malerei ist
fließend. Schön,
belanglos. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2008)
Koordinierte Collagen
Mit Längen-
und
Breitengraden kann man seinen Standpunkt
bestimmen; und den bringt Shinichi
Tsuchiya gehörig ins Wanken: Ein schräg
zum
Boden hin fotografiertes Detail eines Parkplatzes kippte der Japaner
per
digitaler Bildbearbeitung noch einmal um 90
Grad. Beim Anblick des Fotos wird einem schwindelig. Da geben auch die
am
Bildrand angegebenen Koordinaten des Aufnahmeortes kaum halt. Die Galerie
Obrist am Museum (GAM) zeigt die
„Fotoarbeiten“ des 1973
in Yokohoma geborenen Thomas Ruff-Schülers.
Tsuchiya lief mit Hilfe eines
GPS-Systems auf genau einem
Längengrad, um die dabei aufgenommenen Gebäudefotos
später als Collage zu
Gebirgen aufzuschichten. Er zeigt sein Wohnhaus in Düsseldorf
und platziert dazu
im maßstabsgerechten Abstand Häuser aus London,
Venedig, Dubai und Tokio als Gipfelkette
im Nebel. Die Silhouette des Kölner Doms verarbeitete er aus
vielen
Perspektiven in ein wolkiges Mandala.
Die Navigation
überführt Tuchiya in sinnliche Erlebnisse. So
wie Stadtpläne und Landkarte nie die Wirklichkeit abbilden,
sondern
entsprechend ihrem Zweck gestaltet werden, so kartografiert der
japanische
Künstler die Welt für seine Augen. Stellvertretend
hängt für ihn eine
Fotoskulptur in der Ausstellung. Rund 250
Bilder seines Körpers und seines Gesichtes nähte er
zu einer lebensgroßen Kopie
seiner selbst zusammen. Auch ihn kann man vermessen, doch wer hinter
die
Oberfläche blicken will, schaut ins Leere. Subjektive Inhalte,
so die
Botschaft, entziehen sich jedem GPS-System – bis zum 8.
März an der Kahrstraße 59.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus
2008)
Schöne Katastrophen
Katastrophen sind
schön: Tanker, die im tosenden Meer
versinken, Eisenbahnwagons, die sich kunstvoll ineinander schieben,
Autos, die die
Leitplanke umarmen. R.J.
Kirsch hat Nachrichtenbilder von spektakulären
Unfällen fotorealistisch abgemalt und mit Licht- und
Schattensetzungen effektvoll
in Szene gesetzt. Es sind dramatische Gemälde, aber nicht
traumatische: Dass
nahezu jedes Bild auf Opfern beruht, blendet der Kölner Maler
in seinen
menschenleeren Bildern aus. Und vielleicht ist das die wirkliche
Katastrophe in
der Galerie
Jürgen Kalthoff, Sabinastraße 1.
Zweierlei hat der 1959
geborene Künstler offenbar im Sinn: Zum einen setzt er den
schnellen, zum
Seh-Konsum bereitgestellten Bildern aus den Nachrichten seine Malerei
als etwas
Bewahrendes und Analysierendes entgegen. Zum anderen lässt er
in den Wracks
eine gehörige Portion Technikpessimismus aufblitzen. So
glänzend die Vehikel
gemalt sind: Kaputter geht’s nimmer.
Vielleicht ist die malerische
Überhöhung der Katastrophen ja
eine Möglichkeit, Distanz zum Ereignis zu wahren. Doch letzten
Endes werden es
auch bei allen Interpretationswendungen immer schön gemalte
Unfallbilder
bleiben, die Distanz zum Leid der Menschen schaffen – bis zum
29.
Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2008)
Tierisch weiblich
Nein, schön
malt Joanna Danovska
nicht. Aber ausdrucksstark,
sprich: expressiv. Die Bulgarin drischt regelrecht mit dem Pinsel auf
die
Leinwand ein. Dabei legt sie mit dicken Strichen und Tupfern in
gedeckten
Farben ihr Innerstes frei. „Tierisch weiblich“
heißt die fünfte Ausstellung der
Künstlerin in der Galerie
Irene Sagan.
Johanna Danovska wurde 1965 in
Sofia geboren. Nach einem
Studium an der Kunstakademie in ihrer Heimatstadt wechselte sie zur
Kunstakademie Düsseldorf. Ein immer wiederkehrendes Motiv
ihrer jüngsten Bilder
ist eine meist völlig unbekleidete Frau, die physisch eine
gewisse Ähnlichkeit
mit ihrer Schöpferin aufweist. „101 Prozent von mir
steckt da drin“, lacht die
Meisterschülerin A.R. Penck. Die Figur inszeniert sich in
einer symbolgeladenen
Umgebung. Eine ausgeblasene Kerze in ihrer Hand steht offenkundig
für eine
erloschene Liebe, mehrmals taucht ein Greifvogel auf, dem die Nackte
mal
verletzlich den Rücken kehrt, mal selbstbewusst entgegentritt.
Tiere spielen
ohnehin eine große Rolle als Wegbegleiter verschiedener
Situationen: Zebras,
deren gestreifte Tarnung sie ausnutzt, ein Vogel Strauß, der
sie flott auf dem
Rücken trägt, Hühner, die um sie
herumpicken. Wild und unruhig kommen ihre
Bilder daher, bis zum 5. April im Girardethaus. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2007)
Durchnormierte Welt
Die Form folgt der
Funktion und
anders herum, und so ist es
kein Wunder, dass die Rahmengröße einen gewissen
Einfluss auf den Inhalt eines
Bildes hat. Ein breites Format fordert geradezu eine
erzählerische Perspektive
von links nach rechts heraus, ein hohes lenkt den Blick nach oben. Bis
heute
haben sich in Frankreich standardisierte Formate beispielsweise
für Porträts
oder Landschaften gehalten. Sabine
Straßburger thematisiert diese Normen und
Relationen in der Galerie
Schütte unter dem Titel
„Maßnahme IIII“.
Die „IIII“
ist keine falsch
geschriebene römische Zahl,
sondern soll auf die Markierung eines Lineals deuten. Oft zeichnet sie
ein
solches Maß an den Rand ihrer Werke. Unterschiedliche Farben
kennzeichnen die
Abweichung ihrer Formate von der Norm. Straßburger produziert
die
Ausnahme von
der Regel und führt zugleich ästhetisch vor Augen,
wie weit
die Welt schon
durchnormiert ist. vom DIN A4-Block bis zur Adresse, die eine Nennung
der
Straße nebst Hausnummer vorsieht. In diesem Fall
Hauptstraße 4, bis zum 31.
März. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Übersteigerte Wirklichkeit
Inzwischen ist Peter Schlör
wie viele Fotografen auf
digitale Bildbearbeitung umgeschwenkt, womit ihm nahezu unbegrenzte
Möglichkeiten zur Manipulation zur Verfügung stehen.
„Es ist ein Werkzeug“,
betont der Mannheimer Künstler. Während der 43-Jährige
heute mit ein paar Mausklicks hier und da im Foto etwas nachbessert,
musste er
früher mit Filmen experimentieren, mit Entwickler und Fixierer
hantieren und
unter dem Belichter mit der Hand dunkle Stellen abwedeln. Es war noch
richtige
Arbeit, bei der viel schief gehen konnte. Vielleicht macht dies gerade
seine
Ausstellung in der Galerie
Obrist am Museum (GAM) so spannend. Gezeigt wird bis
zum 11.
September sein „analoges
Frühwerk“, entstanden in den Jahren 1985
bis 1995.
Peter Schlör
verwandelt die Welt in eine schwarz-weiße
Mondlandschaft. Erosionen überziehen den Boden, Furchen ziehen
über Hügel,
Brüche über Lehmklumpen. Fotografiert hat er viel in
seiner Heimatstadt
Mannheim, aber auch in Anatolien, wo ihm eine atemberaubende Aufnahme
von einer
Schafherde im Hang
gelang, die förmlich
mit dem Fels verschmilzt - genauso wie das oberhalb zu sehende Dorf mit
dem
Berg. „Mich interessieren die essentiellen Dinge“,
meint Schlör. Seine Fotos
übersteigern die Wirklichkeit. Mit brutalen Kontrasten und
großen weißen, blendenden
Bilderrahmen schafft er es, absolut schwarze Flächen aus dem
Fotopapier
herauszuholen.
Seit 1989
arbeitet
Schlör oft in Serien. Mit dem Foto
„Kohleberg“ hängt die erste des
Autodidakten
an der Wand: Sieben Bilder, wo der Künstler mit der Sonne auf
eine Abraumhalde
blickt, jeweils nur um wenige Meter versetzt. Seinen eigenen Schatten
verbirgt
der Schatten von mächtigen Betonbarrieren. Eine Stromleitung
ist das Bindeglied
zwischen den einzelnen Bildern. Da Schlör nicht exakt immer
dieselbe Höhe beim
Fotografieren einhielt, ist das Kabel mal höher, mal tiefer.
Um dennoch eine
durchgehende Linie zu erreichen, hängte er die Bilderrahmen an
der Kahrstraße 59
mal höher, mal tiefer. Die charmant verwackelte
Serie macht deutlich: Unfälle sind oft
Glücksfälle. Da erscheint es fast
schade, dass Schlör nun mit dem digitalen Fotografieren auf
Nummer sicher geht. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Schmetterlinge im Bau
Diese Installation
rührt sich: Anja
Luithle lässt sechs
Suppenlöffel sich in Kochtopfen drehen. Die computergesteuerte
Suppenchoreographie ist herrlich sinnlos. Aber, obacht! Da neben der
Allbau
Stiftung die Gleichstellungsstelle der Stadt Essen die Ausstellung der
Künstlerin in der Galerie
im Schloss Borbeck unterstützt, sind die Weichen
für
die Rezeption gestellt: Es geht um die Rolle der Frau in der
Gesellschaft, um
„geschlechtsdefinierte Rollen und traditionell verankerte
weibliche
Verhaltensmuster“, wie es im Begleittext zur Ausstellung
heißt. Das mechanische
Kochtopfrühren wird damit zur Kritik. Diese trägt
Luithle mit ihren Werken aber
mit einem feinsinnigen Humor vor.
Aus Objekten der Begierde
werden begierige Objekte.
Hüllenlose Körper wandelt sie um in
körperlose Hüllen. Kleider ohne Körper
durchschreiten Wände, drehen sich vor der Galerie im Rondell
oder stehen im
Schlossteich im Wasser. Sie machen Kopfstand oder spielen sich dank
eingebauten
Motor über eine Schiene eine Glaskugel zu. Überhaupt
beweist Luithle bei ihren
kinetischen Werken viel Einfallskraft und technische Begabung. Eine
Figur hat
einen flatternden Schmetterling im Bauch, an der Wand entlang
läuft mit
surrenden Geräuschen ein Paar Schuhe.
Anja Luithle, geboren 1968, hat an der Staatlichen
Akademie der Bildenden
Künste in Stuttgart Bildhauerei studiert. Für ihre
Arbeit ist sie mehrfach
ausgezeichnet worden. Die Ausstellung läuft bis zum 7.
Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Geisterbeschwörung
„My
Generation“ steht auf der Einladungskarte in poppiger
Schrift – und zwar so, dass jeweils drei Buchstaben
übereinander stehen und man
erst mal seine Augen reiben muss, um den Sinn der Zeichenfolge
entziffern zu
können. Überaus passend, denn die
„Generation“, die sich in der Galerie des Kunsthauses Essen darstellt,
nutzt ihre eigenen Codes und gibt knallig was auf
die Augen. Mit ungeheurem Selbstbewusstsein setzen die fünf
beteiligten
Künstler ihre figurative Malerei in Szene.
Das gerät mal plakativ
flach, wie bei Anja
Janssen, die ihre
aalglatten fotorealistischen Malereien von Teenagern mit ins Bild als
„Brüche“
getarnten Fremdkörpern aufpeppt oder wie bei Justine Otto, die
Sprüche auf
T-Shirts mit dem Gesichtsausdruck ihrer Träger korrespondieren
lässt, aber auch
mal ungeheuer wuchtig stark, wie bei Andrea Lehmann, die
auf vier mal drei
Metern eine Geisterbeschwörung durchführt. Eine der
Tänzerinnen legt den Kopf
in den Nacken und schaut derart intensiv aus dem Bild, dass man zum
Teilnehmer
der okkulten Zeremonie rund um die Fetische „der
Generation“ wird.
Großartig ist auch
das Bild von Markus
Willeke. Der Berliner
arbeitet mit Versatzstücken aus der Jugend-Szene. Grimmige
Soldaten aus
Skeletten malte er nebst Panzer wie ein Tatoo auf einem
Rücken: Beim längeren
Hinsehen formt sich dieser zur Flasche. Die Armee ist jederzeit bereit,
aus der
Flasche zu entweichen – bis zum 23.
September. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Subtile Szenen
Wenn Anna Lea Hucht so
weiter wie bisher macht, dann werden genau
drei Bilder auf der Abschlussschau hängen. Mitunter braucht
die zehnte
Rotary-Stipendiatin drei ganze Monate für eine ihrer
detailversessenen
Zeichnungen. Neun Monate lang wird die Karlsruherin in Essen leben und
arbeiten. Im Kabinett des Kunsthauses
Essen stellt sie sich mit einer
Antrittsausstellung vor.
In ihren
Bildern tanzen gespenstische Figuren mit
durchdringenden Augen. Man blickt von außen durchs Fenster
auf Szenen, deren
Merkwürdigkeiten sich mal brachial, mal subtil ihren Weg
ebnen. Mit deutlichen
Anleihen an den Surrealismus schafft die 27-Jährige
subjektive Welten, in denen sie Personen sich selbst aussetzt
– wie etwa in
einer Zeichnung, in welcher ein Mann ein riesiges, ihn beobachtendes
Auge in
seinen Händen betrachtet. Manchmal erschließt sich
das ihren Bildern eigene
„Geheimnisvolle“ erst auf den zweiten Blick. Eine
enorm aufwändige
Buntstiftzeichnung zeigt eine Wohnküche mit einer Frau, die
seltsam verklemmt
mit Sonnenbrille am Küchentisch sitzt während ein
Mann die Einkäufe auspackt.
Einen Rollentausch der Geschlechter wollte sie inszenieren. Doch
dafür ist die
Zeit noch nicht reif: Die Zeiger auf der Küchenuhr stehen auf
einer unmöglichen
Position.
Aus 56
Kandidaten
hatte die „Junge Kunst in Essen“-Essen die
Meisterschülerin von Erwin Gross an
der Akademie der Bildenden Künste ausgewählt.
„Das kam für mich völlig
überraschend“, sagt Hucht. Gerade mal eine Woche vor
der Entscheidung hatte sie
auf Empfehlung ihres Professors ihre Bewerbungsmappe eingeschickt. Das
mit
monatlich 1250
Euro, zwei
Ausstellungen und einer Katalogproduktion ausgestattete Stipendium war
ihr
vorher unbekannt. In Essen will sie zunächst die
Sehenswürdigkeiten und die
Atmosphäre der Stadt auf sich wirken lassen – und
sich überraschen lassen, wie
sich das auf ihre Arbeit auswirkt. Ihre Ausstellung ist an der
Rübezahlstraße
bis zum 23.
September zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Fleißige Präzision
Seine Werke sehen so
aus, als
hätte er die Überreste des
garstigen Maschinenmenschen „Terminator“ aus dem
gleichnamigen
Science-Fiction-Film vom Schrottplatz geholt. Willi Irmen formt
Metall zu
skelettähnlichen Skulpturen. Robust und kaputt liegen Teile von
Wirbelsäulen, so scheint’s, auf den
Podesten im Forum Kunst
und Architektur. „Meine Skulpturen sind
plastische
Zeichen, die etwas sichtbar machen, das zwischen den Dingen oder unter
ihrer
Oberfläche existiert“, meint der Viersener Bildhauer
– ein Anspruch, den man in
mal mehr, mal weniger übertragenen Sinne allen in der
Gemeinschaftsschau
vertretenden Künstlern unterstellen kann. Bis zum 2. September
stellen
Mitglieder der Gemeinschaft
Krefelder Künstler (GKK) am Kopstadtplatz 12 aus.
Den
Kontakt zu der Künstlergemeinschaft vermittelte Christine Prause,
die sowohl im GKK als auch im Ruhrländischen
Künstlerbund
(RKB) mitwirkt. Hoch professionell, so erinnert sich ein RKB-Mitglied,
habe
sich der Krefelder Verein mit allerlei Mappen bei seinem Essener
Pendant
beworben. Von 20
Künstlern wurden 13
ausgewählt, die nicht nur Objekte aufstellten und
Bilder an die Wand hängten, sondern auch reichlich
Informationsmaterial von
sich auf Tischen und Mauervorsprüngen verteilten. So
papierlastig dürfte
bislang noch keine Ausstellung im Forum gewesen sein.
Auffallend ist die
große handwerkliche Präzision, mit der
die meisten Krefelder arbeiten. Jeder Strich, jede Form sitzt.
Während andere
Künstler gerne das Momenthafte beim Schaffen in den
Mittelpunkt rücken und
entweder nach dem Motto „Die Idee ist wichtiger als die
Ausführung“ oder „Nur
durch impulsives Schnellmalen lege ich meine Seele frei“
ihrer Kreativität
freien Lauf lassen, fertigen die Mitglieder des
GKK ihre Werke mit Sorgfalt und Geduld. Ein enormer
Aufwand steckt
beispielsweise in den Objekten von Karl-Heinz
Heming, der Holz zu organischen
Formen biegt und mit orangefarbenem Acrylglas kombiniert. Von
Fleiß kündetet
auch das „Tagwerk“ von Jürgen Drewer.
An den Säulen im Keller hängen viele 15 mal 15
Zentimeter kleine Bildchen, die der Künstler offenbar
tagebuchähnlich gemalt
und gebastelt hat. Das Phänomen der Zeit greift auch Theo Windges auf. In
einem
seiner Fotocollagen hängt eine Uhr ohne Zeiger, darunter liegt
ein Ei. „Z-Ei-t“
schrieb er dazu – im Angesicht der fast schon
bedrückenden Ernsthaftigkeit
dieser Ausstellung ein erfrischender Ulk. Nächstes Jahr will
der RKB zum
Gegenbesuch in Krefeld starten. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Ums Überleben fischen
Eine braune
Straßenzeile. Auf dem Bürgersteig geht ein
Mädchen im schwarzen Kleid. Ihr entgegen schwimmt ein
Schwertfisch. Ein
schwimmender Schwertfisch? So richtig skurril wird die Szene dennoch
erst
außerhalb der Leinwand. Denn vor dem Gemälde parken
sechs Gehilfen.
Es ist Mittagszeit im Augustinum, und im
Gang zum Speisesaal
herrscht ein reges Treiben. Senioren grüßen sich
neben Bildern, die, wenn sie
keine Bilder wären, vermutlich entsetzlich nach verdorbenen
Fischen riechen
würden. Michael
Oliver Flüß hat „Das
Zeitalter der Fische“ gemalt: verrottete
Fische, quicklebendige Fische, gefährliche Fische,
Maschinenfische. Es gibt
einen Gabeljau und reichlich
„Störfaktoren“.
Der 1966
geborene Maler
hat ein Gespür für absurde Situationen. Im Wald legt
sich der Erkrather selbst
im Selbstporträt mit einem Schmetterlingsnetz auf die Lauer
nach einem
Hammerhai. Flüß spielt mit der Malerei um sein Leben
– bis zum 6. Januar im
Augustinum an der Renteilichtung.(© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Verwirrer lässt umherirren
Seine auf die
Leinwand
gebrachten Formen deuten Dinge an,
verweigern sich aber einer eindeutigen Bezeichnung. Zum Realismus
hält seine
abstrakte Kunst ebenso wie zur Geometrie und Monochromie eine Distanz.
Kurzum: Wolfgang Trischke
mag sich nicht festlegen. Positioniert zwischen dem Vagerem
und Deutlichen entfalten seine neuen Arbeiten in der Galerie Heimeshoff,
Kennedyplatz, ihre Spannung.
Troschke
„kommt“ vom Informellen her – jener
Kunstrichtung,
die nach dem zweiten Weltkrieg einen unbelasteten Neuanfang im reinen
Ausdruck
und in der Geste suchte. Eine Zeit lang stand er im Dienst von einer
der
Protagonisten, Gerhard Hoehme. Ihm verdankt der 1947
geborene Maler er nach eigenem Aussagen den Weg von Figuration zur
eigenwilligen und selbstständigen Abstraktion, die ihren
Ursprung jedoch nicht
leugnet - sozusagen eine figurative Abstraktion.
Das hört sich nach
Wortgeklingel an, und ist es auch:
Abstraktion bezieht sich von selbst auf einen konkreten Gegenstand.
Dieser wird
eben „abstrahiert“. Die absolut
ungegegenständliche Kunst, die nur sich selbst
genügt, wird – um an dieser Stelle ein wenig
Verwirrung zu stiften – „Konkrete
Kunst“ genannt. Und damit ist man wieder bei Wolfgang
Troschke, dem Verwirrer,
der unbeirrt gezielt den Betrachter auf der Leinwand herumirren
lässt. Wie
Flipperkugeln werden die Augen durch den
äußerst dynamischen Bildaufbau
von einem Motiv zum anderen geschossen: Offen
legen und verbergen, frei geben und zurückholen: Troschkes
Werke sind im
ständigen Fluss – bis zum 23.
Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Abgeklatschte Stellvertreter
Gleb Bas mischt
schon kräftig mit. Der 1980
geborene und in Münster lebende Ukrainer studierte Kunst in
Münster, Jerusalem
und Paris hat Ausstellungsbeteiligungen unter anderem in Seoul und auf
Mallorca
– und stellt nun schon zum dritten Mal in der Galerie Klose aus.
Dabei fällt der Maler
aus dem Rahmen. Genauer gesagt: In
einem Werk ist der Rahmen selbst das Bild. Dabei ordnete er 16 verschiedene
Porträts um eine leere Fläche an. Um
ein anderes Bild malte Bas direkt auf die Wand einen goldenen Rahmen.
Der Künstler bricht
mit Sehgewohnheiten. In einer
idyllischen Badeszene am Teich holte er mit einer weißen
Umrandung einen Mann
heraus. Auf einem Strand setzte er eine phantomartige Figur ins Bild
mit dem so
genannten Abklatschverfahren. Dabei wird das Motiv auf eine
Plastiktüte gemalt
und nass auf die Leinwand „geklatscht“. Die Figuren
erscheinen wie die Stellvertreter
des Betrachters im Bild.
Eine Etage höher, im Kunst-Raum, sorgt Wolfgang Neumann
für
Stimmung. Der 1977
geborene
Stuttgarter versteht sich auf ungewöhnliche
Bildträger. „Togo“ nennt er
beispielsweise ein Werk, dessen Material mit „Acryl auf
Bundeswehrzelt“
angegeben wird.
Neumann versteht seine
Gemälde als Persiflagen auf die
Konsumgesellschaft. Die Gesten und Posen der Stars und Sternchen
vermischen
sich dabei mit Anspielungen auf die Kunstgeschichte. Dabei tauchen
unter
anderem mit Britney Spears, Lex Barker, Osama Bin Laden und Fiedel
Castro
Personen der Pop- und Zeitgeschichte auf. Immer wieder tauchen ein
Laubsauger
und ein Laubblaser auf: Das, was in die Welt hinausposaunt wird, muss
man
wieder schlucken. „Wenn das keine Stimmung ist“,
heißt die Ausstellung. Beide
Schauen sind bis zum 17.
März an der
Rüttenscheider Straße 56
zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2007)
Fotografierte Inszenierungen
Die Fotografie
befreite die
Malerei von der Fessel des
dokumentarischen. Mit der Erfindung der Kamera musste man auf der
Leinwand nicht
mehr nach dem Abbild der Natur malen, diese Funktion übernahm
die Fotografie –
so lautet jedenfalls eine weit verbreitete Mär.
Tatsächlich hat die Malerei
selten die Wahrheit im Abmalen gesucht, sondern die Landschaft
sortiert,
ausgewertet, interpretiert und auch konstruiert. Dass es auch beim
Fotografieren der Landschaft nicht ums Abknipsen der Natur, sondern um
die
Inszenierung des Menschen durch die Natur geht, wird an der
Kahrstaße 59
deutlich. Als Ergänzung zur Caspar David Friedrich-Schau im
Museum Folkwang
schräg gegenüber möchte Galerist Torsten Obrist
seine Ausstellung verstanden
wissen. Diesen Anspruch erfüllt bis zum 25. Juli die
„Konstruktion der
Landschaft in der aktuellen Fotografie“ mit einer Reihe
erstklassigen Arbeiten,
von denen eine Vielzahl von Essener Fotografen stammt.
Henning
Maier-Jantzen
etwa bannte Touristen in der australischen
Wüste aufs Fotopapier. Sie sind so grell beleuchtet wie im
Fernsehstudio. Ihr
Abenteurer ist „öffentlich“ und die
besuchte Natur wurde schon von vielen
aufgesucht. Es wird nicht mehr Landschaft, sondern eine gemeinsame
Erfahrung
„entdeckt“. Simone
Nieweg orientiert sich mit ihren Fotografien an dem
klassischen Bildaufbau der Landschaftsmalerei. Die Natur wird durch das
Medium
und die aufwändige Aufmachung doppelt kultiviert. Thomas Zika stellt
seine
atmosphärisch dichten Fotos vom Mount Ventoux aus, eine
Hommage an Francesco Petrarca,
der 1335 als einer der ersten Dichter eine subjektive
Landschaftsbeschreibung
eben über diesen Berg lieferte. Weitere Künstler: Gosbert Adler, Carsten
Behler, Anke Grams, Volker Heinze, Peter Schlör.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus
2006)
Farben als organisierende Elemente
Bei der
Vorbesichtigung der
Räume an der Hauptstraße 4
staunte Ingo Nussbaumer.
Das Licht und der Schattenwurf der Neonröhrenrechtecke
an der Decke der Galerie
Schütte erinnerten ihn an sein Werk.
„Vielleicht
signiere ich nur die Wand“, sagte der Österreicher.
Doch dann schickte er doch
ein doch zwei Gemälde und ein gutes Dutzend Aquarelle nach
Kettwig.
Nussbauer ist studierter
Philosoph und Autor von
Sachbüchern. Eines heißt: „Die Idee des
Bildes als Beitrag zu einer Noetik der
Kunst“. Seine Bilder aus verschieden großen und
farbigen Balken konstruiert er
am Computer. Das Ergebnis überträgt mit dem Pinsel
auf Holz oder Papier. Wenn
aus Versehen mal Farbkleckse an der falschen Stelle landen,
erklärt er sie zu
„Brüchen“.
Man könnte Nussbauer
für einen trockenen Theoretiker halten;
einen, der nur malt, um seine Ideen zu veranschaulichen; einen, der
lieber
dreimal überlegt, als aus dem Bauch heraus drauflos emotional
zu malen. Doch
wer seinen Werken gegenübertritt, für den verwandeln
sich die aneinander
gesetzten Farbbalken in aufregende Räume. In seinen
„color proposition“ werden
Farben als organisierende Elemente für das Bild vor Augen
geführt. Durch
die die Wechselwirkung der Farben sieht
man mehr Farben, als tatsächlich aufgetragen wurden. Dabei
zeigt sich Nussbauer
als besonders akribischer, vorausplanender Maler: Der
Österreicher übermalt
keine Flächen, sondern nutzt optische Täuschungen, um
unterbrochene Balken
durchgehend von oben nach unten verlaufen zu lassen – bis zum
24. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2006)
Per Discokugel durchs Universum
Johanna Schwarz
ist
eine poetische Künstlerin – in Wort und Bild.
„O die
Kurven meiner Sehnsucht durch das Weltall“ nennt sie ihre
Ausstellung im Best-Kunstraum,
die als eine einzige Installation zu lesen und zu betrachten ist. Mit
einer angeleuchteten Discokugel bläht Schwarz den Raum zu
einer
Galaxie voller kreisender Sterne auf: Ihr persönliches
Universum,
durch das die Künstlerin mit einem Paar silbernen, in der
Mitte
abgelegten Schuhen tanzt und das sie im Traum fortlaufend erweitert.
„Wenn ich tanze, dann tanze ich, wenn ich schlafe, dann
schlafe
ich“, steht auf einem kleinen Bild mit aus schwarzer Farbe
herausgeritzten Füßen.
Eine Klappleiter lehnt
schräg an der Wand,
Köpfe fließen in Malereien ineinander oder entstehen
allein
durch die Richtung des Pinselstriches. „Sie wartet auf die
Gegenwart, die sich zart ihr offenbart“, reimt sie kaum
wahrnehmbar in weißen Druckbuchstaben auf die weiße
Leinwand. Schwarz entführt die Betrachter in eine Welt voller
faszinierender Möglichkeiten, in der durch kleine
Änderungen
der Alltag poetisch überhöht wird – bis zum
23.
November an der Ruhrtalstraße 415 in Kettwig. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus
2006)
Unwiederbringliche Zeiten
Sie
tragen Zöpfe, ihre Uniform und Mao-Mütze wie ein
modisches Accessoire und ein kokettes Lächeln zur Schau. Qi Zhilong
malt junge Chinesinnen in angenehmen Pastellfarben als weltoffene und
moderne Repräsentanten einer aufstrebenden Wirtschaftsmacht.
Die Galerie Frank Schlag
zeigt unter dem Titel „Recent works“ an der
Meisenburgstraße 173 die erste Einzelausstellung des in
Peking
lebenden Künstlers.
Dass schon bei der
Vernissage neben jedem Gemälde ein roter Punkt klebte, kommt
nicht
von ungefähr. Qi Zhilong, geboren 1962 in der Mongolei,
gehört zu den gefragtesten Künstlern aus dem Reich
der
Mitte. Eine seiner Chinesinnen zierte im vergangenen Jahr den Katalog
der Berner Ausstellung „Majong – Chinesische
Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg“ (derzeit in der
Hamburger
Kunsthalle zu sehen). Die Schau war der Initialfunken für
einen
regelrechten China-Boom auf dem Kunstmarkt. Besonders Zhilongs Werke
erzielen seitdem auf Auktionen spektakuläre Preise.
Parallel arbeitet die Malerin Eva
Schwab
bis zum 24. November im Erdgeschoss der Galerie Frank Schlag ihre
Kindheitserinnerungen auf. Dabei erlaubt sie sich, Fotografien aus dem
Familienalbum mit ihren „Nachbildern“ idyllisch
umzuformen.
Kinder laufen über den Bürgersteig, Mädchen
posieren mit
Schürze. Es gibt Männer bei der Jagd und einen
Großvater mit Baby auf dem Arm. Die 1962 in Frankfurt
geborene
Künstlerin erzeugt ein „Gefühl“
für
unwiederbringlich vergangene, mitunter gar nicht erlebte Zeiten. Schwab
führt vor Augen, dass die Erinnerung durch die Phantasie wach
gehalten wird. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2006)
Alltägliche Spannung
Wer durch das Fenster
in der Galerie Obrist am
Museum (GAM)
schaut, mag sich denken: „Es passt zur feuchten Jahreszeit,
aber
so nass sollte es draußen auch wieder nicht sein.“
Da steht
der Wasserpegel schon fast bis zur Mitte der Glasscheibe.
Julia
Willms spielt
in
ihrer Videoinstallation „Vista“ mit dem kleinen
GAM-Kabinett. Mitten in den Raum hat sie einen recht ramponierten
Fensterrahmen gehängt. Auf die mit Papier zugeklebten Scheiben
wird ein sich langsam füllendes Aquarium projiziert. Das sieht
man
aber nicht, sondern nur, wie das Fenster „geflutet“
wird.
Dazu ertönen gurgelnde und plätschernde
Geräusche. Ein
weiterer bedrohlicher Aspekt ist eine mitgefilmte Glühbirne,
die
sich ihrem Spiegelbild auf der Wasseroberfläche immer weiter
nähert, bis sie versinkt. Strom und Wasser, oh je.
„Ich stelle mir immer
die Frage: ,Wie kann ich den Raum
erweitern?’“, sagt die 32-jährige
Künstlerin aus
Wien. Ihr geht es darum, mit Alltagsgegenständen eine Spannung
aufzubauen und mit der Realität zu spielen.
Ganz anders ist da David
Alcántara.
Der spanische Künstler malt auf die Leinwand gedruckte Fotos
aus
Fußgängerzonen. Dabei markiert er mit Pfeilen und
Kringeln
einzelne Passanten. Dazu schreibt er etwa: „Misstrauen Wer
ist
das?“ Manchmal übermalt er Taschen. Oft malt der
32-Jährige ein selbst entworfenes Zeichensystem aus farbigen
Rechtecken mit aufs Bild.
„Ich kann mehr
Deutsch“; lacht Alcántara
auf die
Frage, was sich seit seiner letzten Ausstellung bei der Galerie Obrist
geändert hat. Schon damals setzte er auf eine malerische
Durchdringung des Alltags, die der Spanier jetzt um eine soziale und
– wie der Ausstellungstitel „orfeo“ schon
andeutet
– mythische Komponente ergänzt. Recht naiv wirkt
seine
Malerei, aber auch erstaunlich ernsthaft vorgetragen. Sowohl
Alcántara als auch Willms stellen bis zum 25. November an
der
Kahrstraße 59 aus. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2006)
Ekelige Zustände
Die Welt rast dem Abgrund zu.
Doch einer will die Notbremse
ziehen: Jürgen
Trost, der sich in seiner Vita „Mensch,
Kaufmann, Lehrer und
freischaffender Künstler“ nennt. Im Kunstraum Notkirche,
Mülheimer Straße 70, sollen
seine Werke zum Nachdenken über den Zusammenhang von
Überfluss und mangelnder Gesundheit
anregen.
„Wenn Sie so wollen,
bin ich ein völliger Naivling und
Idealist“, sagt der 52-jährige Körneresser,
der vor drei Jahren einen gut
dotierten Job als Verkaufsleiter für Sonderprodukte im
Vertrieb eines
Stahlkonzern hinwarf, um fortan als Künstler das
wachstumsorientierte
Wirtschaftssystem anzuprangern. Als eine Art menschliche Ameise
sammelt,
sortiert und verwertet Trost dabei, was andere wegwerfen. Er bemalt und
stapelt
Obstschalen, lässt hermetisch dicht verpackte Früchte
verschimmeln, hortet in
verbrauchten Honiggläsern Nußschalen,
Nikolaus-Pfeifen und
Ikea-Schraubenschlüssel und „recycelt“
sogar im Keller seines Wattenscheider
Hauses gefundene tote Frösche und Mäuse zu
Kunstobjekten. Unter die Decke der
Notkirche hängte Trost 1000 gebrauchte Teebeutel unter den
Titel „Überfluss“. „Das
ist ekelig“, gibt er zu. „Aber das sind die
Zustände ja auch.“
Der Wattenscheider ist nicht
der erste und einzige, der der
„Wegwerfgesellschaft“ den Spiegel vorhält.
So montiert der US-Amerikaner Chris
Jordan bedrückende Fotos aus Zivilisationsmüll. Das
Thema liegt in der Luft. Viele
Künstler beschränken sich dabei nicht mehr auf die
Beobachtung eines Phänomens,
sondern wollen Werte vermitteln – und die Welt retten. Am
kommenden Samstag
führt Trost ab 15 Uhr selbst durch seine bis zum 8. Juni
laufende Ausstellung. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2006)
Der Augenblick zählt
An die zehn Mal hat Peter Rusam den Film
„Vergiss mein nicht“
gesehen. Die Lovestory mit Kate Winslet und Jim Carrey führt
der Maler auf der
Leinwand fort: Mit fotorealistisch gemalten Filmstills
überhöht er einige
intuitiv ausgesuchte Sequenzen. „Mich hat die
Wandlungsfähigkeit der
Schauspielerin stark beeindruckt“, sagt der
38-Jährige. Zu sehen sind die zehn
Bilder bis zum 30. Juni in der Galerie
Kalthoff, Sabinastraße 1.
Man sieht Kate Winslet mit
Essstäbchen essen, verträumt
Kaffee trinken, als Beifahrerin im Auto sich zur Seite wenden
– alles keine
spektakulären Einstellungen. Es sind Momentaufnahmen, in die
allerdings Zeit geflossen
sind. Bis zu 16 Stunden arbeitet Rusam an einem Gemälde. Und
diese Zeit scheint
der Maler dem Betrachter zu schenken. Jedenfalls strahlen seine Bilder
eine
bemerkenswerte Ruhe aus. Sie konzentrieren und kaprizieren sich auf
einen Punkt
und verdeutlichen, dass jede Situation und Sekunde im Leben bedeutend
sein
kann. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2006)
Überfrachte Koexistenzen
„Bedeutungsschwanger“
ist das erste, was einem zu den Malereien
von Ivo Lucas
einfällt. Die Leinwand erscheint überschwemmt von
Ornamenten und
Motiven, Figuren und Querbezügen, reizvoll arrangiert, aber
aufdringlich
Aufmerksamkeit heischend. Doch wie gut, dass man sich nicht immer auf
den
ersten Eindruck verlässt: Wer mit dem Maler auf der
Eröffnung sprach, bekam
eine Ahnung davon, wie sehr der zappelig Blondschopf sein Leben mit dem
Werk
verknüpft.
Lucas kann nicht anders. Seine
oft düsteren, verqueren Arbeiten
sind im ständigen Fluss. Selbst nachdem sein Galerist Colmar
Schulte-Goltz vom Kunst-Raum
ein Bild verkauft hatte, musste er daran noch weitermalen. Immer neue
Einflüsse gilt es einzuarbeiten. Meist malt er an
verschiedenen Bildern
gleichzeitig. Ihm geht es um die Koexistenz von Bildwelten in einer
Arbeit.
Wenn ihm eine zu „glatt“ erscheint, so baut er
störende Elemente ein - immer
und wieder. Öfters tauchen ein Tigermann und
Windmühlen auf. Am Ende überfrachtet
der 36-Jährige oft seine Bilder – aber was
soll’s? Sie sind authentisch, ein
Produkt seiner selbst – bis zum 15. Juli an
Rüttenscheider Straße 54. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2006)
Erinnerungen als Wasserschaden
Abstraktion? Figuration?
Konkrete Kunst? Die französischen Maler und Grafiker ziehen
die Schubladen auf und werfen den Inhalt unbekümmert gegen die
Wände der Galerie
Obrist. Sie eint der Wille, sich Stilen zu bedienen statt
sich unterzuordnen. Herausgekommen ist eine leichte Schau, die bis 27.
August wie Farbe auf die Leinwand in den Sommer passt.
Dafür steht etwa Alexis Gorodine, der
mit zarten Tönen mediterranes Flair zu verbreiten versteht.
Der in Paris lebende Maler verfolgt die Spuren des Lebens. Aus der
hellblau grundierten Leinwand tauchen als Zeugen vergangener Epochen
schemenhaft blasse Pflanzen auf. Mehrschichtigkeit ist auch das
Kennzeichen der Arbeiten von Pierre
Marie Brisson. Der Künstler klebte farbig bemalte
Papierschichten übereinander, um dann menschliche Figuren aus
der Fläche zu reißen.
Was vom Weiten wie ein Bild mit Wasserschaden aussieht,
sind Fetzen der Erinnerung. Seitdem er Vater geworden ist, knibbelt
Brisson oft spielende Kinder aus dem Papier.Sein Lehrer ist bei der
Ausstellung an der Rüttenscheider Straße 73 mit von
der Partie: James Coignard gilt als Altmeister der Corborundum-Technik,
einer Kombination aus Radierung und Prägedruck.
Aufwändig setzt er plastisch wirkende geometrische Objekte in
Szene. Einen menschlichen Kopf fügt er gleichfalls in sein
künstlerisches Koordinatensystem ein, das durch rote Linien
angezeigt wird. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2005)
Farbe als Schnittstelle
Physikalisch kann man Farbe
als Licht einer bestimmten
Wellenlänge beschreiben, chemisch als ein Material mit
bestimmten
Eigenschaften und künstlerisch als
„flüssige
Substanz“. Letzteres meint jedenfalls Johanne Meß,
die mit ihren mal geometrisch, mal geschwungen gemalten Farbwelten eine
von zwölf Positionen in „Farbe +“
darstellt. Die
zweiteilige Ausstellung im Kunsthaus
Essen will Farbe als gemeinsame Schnittstelle
verschiedener künstlerischer Haltungen zeigen.
Wer an der Rübezahlstraße 33 eine
richtig bunte
Schau erwartet, der wird zumindest im ersten, jetzt
präsentierten
Teil von „Farbe+“ (bis zum 28. November)
enttäuscht.
Aufgedeckt werden sollen vor allem die materiellen, symbolischen,
sinnlichen und geistigen Qualitäten der Farbe und
„welche
Haltung zur Farbe in den verschiedenen Erscheinungsformen sichtbar
wird“, wie es in dem Begleittext zur Ausstellung
heißt.
Das (Farb-)Spektrum ist breit. Bei manchen
Künstlern
erscheint die Farbe lediglich als herkömmliches Mittel der
Komposition und um damit bestimmte Stimmungen zu erzeugen –
etwa
bei den grünstichigen, wunderbar melancholischen
Swimmingpoolbilder von Moni
K. Huber oder den Ödlandschaften in Öl
von Fabian Weinecke.
Andere, wie Johanne Meß oder Jörg Eberhard
mit seinen beiden Wandgemälden, benutzen die Farbe mal als
Kontrastmittel, mal als Ordnungskriterium. Günter Dohr
erweist mit seinen Neonröhren-Skulpturen dem Altmeister Dan
Flavin seine Referenz. Direkt auf die Farbe bezieht sich Raimer Jochims mit
seinen als Allegorie zum Leben verstandenen
„Farbkörpern“.
Der zweite Teil von „Farbe +“ wird
vom 4. Dezember bis zum 9. Januar bestritten von Berhold Bock, Nan Hoover,
Hildegard Skowasch, Anita Stöhr Weber, Armin Turk und Manfred
Vogel. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Umwandlung der Welt in Kunst
Jan M.
Petersen ist ein Idealist. Dazu gehört, dass er
seine „fotografischen Materialbilder“ in der Galerie Ockhardt ab
12,50 Euro verkauft. Mit Kunst, so weiß der
35-jährige
Berliner, lässt sich die Welt verändern –
und den Weg
dahin begleitet die Umwandlung von Fundstücken in Kunst. Auf
kleine Holzkästen klebte er Gebrauchsanleitungen,
wissenschaftliche Zeichnungen, alte Familienfotos, Pornobilder und
selbst gedichtete Verse und überzog sie mit Wachs.
Petersen verarbeitete, was er in die Finger bekam und
was
seine Aufmerksamkeit erregte. Beispielsweise entdeckte er drei
Passbilder von ernst dreinblickenden Damen in einer Berliner Kirche.
Sie lagen umgedreht auf einem Tisch und dienten als Untersatz
für
Kerzen. Vergrößert auf der Holzkiste, mutieren sie
zu
„Heldinnen der Arbeit“ – einer
Assoziation, die auch
dem Ausstellungstitel „Kunstkaufhaus-Ost“
geschuldet ist.
Petersen, der in Bad Vilbel in Hessen geboren wurde, eine Lehre als
Tischler absolvierte und das Studium der Architektur als
Diplom-Ingenieur abschloss, war einst Mitglied dieser Berliner
Künstlergruppe.
Eine wesentliche Rolle spielt in seinen
Bildern auch
die Baader-Meinhof-Bande, die sich mit Steckbriefen in Erinnerung ruft.
Das BRD-Trauma wird gleich daneben mit dem DDR-Traum konfrontiert.
Freundlich lächelt in der hervorragend gehängten
Ausstellung
ein Bild des Sandmännchens den Betrachter an – bis
zum 16.
Dezember an der Kahrstraße 54.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Staffelei unter Wasser
Matthias
Meyer setzt sich intensiv mit der Wahrnehmung der
Wirklichkeit
auseinander. Dabei dekonstruiert der Meisterschüler von
Gerhard Richter Stadt-
und Naturlandschaften. Die Motive verflüssigen sich: Menschen
geraten zu
Schemen, Details verschmelzen zu Farbflecken, schlammige Farben
verlaufen
wässrig ineinander, Tropfen ziehen vertikale Linien
über die Leinwand.
Figuration und Abstraktion, Rationalität und Emotion,
Realität und Imagination:
Bei Meyer ist alles im Fluss. Da ist es konsequent, dass Meyers neue
Arbeiten
gleich so aussehen, als hätte er seine Staffelei unter Wasser
aufgestellt. Man
blickt in der Galerie
Jürgen Kalthoff, Sabinastraße 1, auf
verschwommene
Korallen und auf einen schlickigen Fuß eines Bohrturms. Als
Vorlage dienen ihm
Fotos, die er meist auf seinen ausgedehnten Reisen knipst und Bilder
aus dem
Internet. In diesem Material spürt der Maler markante Elemente
für durchdachte
und verführerisch schöne Bildkompositionen auf
– bis zum 12.
Januar 2007.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Bleiben, wo andere fliegen
Figurative Zeichner sind eine
vom Aussterben bedrohte
Spezies. „Sie gehören zu
den gefährdeten Arten im Kulturbetrieb, weil ihre Arbeit
niemals leicht
konsumierbar ist und vielleicht eine genauere, in jedem Fall eine
andere
Wahrnehmung verlangt“, erklärte Bernd
Küster vom Oldenburgischen Landesmuseum bei
der Ausstellungseröffnung in der Galerie Haas-Hoeppner,
Huyssenallee 70.
Dabei wirken die Bilder von
Albert Schindehütte quicklebendig –
und direkt.
Der 1939
nahe Kassel geborene Zeichner inszeniert mit virtuosem Strich Szenen
aus
Märchen. Er zeichnet bunte Blumensträuße,
Porträts berühmter Komponisten und
Tiere. Schindehütte geht dabei in mehreren Ebenen vor: Mit
freien
Bleistiftlinien gibt er dem Motiv halt, das später mit der
Tuschefeder aufs
Büttenpapier gebracht wird. Dezent koloriert der
Künstler im Anschluss die
Flächen. Zusätzlich setzt er bekannte Verse und
Gedichte in Schönschrift ins
Bild. „Lieber Vogel, flieg weiter, nimm einen Gruß
und einen Kuss. Denn ich
kann dich nicht begleiten. Weil ich hier bleiben muss“,
heißt es auf einer Zeichnung
mit einem Spatz auf dem Ast – was auch getrost auf
Schindehüttes Beziehung zur
zeitgenössischen Kunst übertragbar ist. Konsequent
bleibt er sich treu. Die
Ausstellung ist bis zum 20.
Januar 2007
zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Geknickter Raum
Weißes Papier
– mehr braucht Norvin
Leineweber nicht, um ein
schlüssiges künstlerisches Konzept vor Augen zu
führen, das sogar noch mit
ästhetischen Qualitäten brilliert. In die Galerie Obrist,
Rüttenscheider Straße
73, hängte der 38-jährige Künstler aus
Aachen jetzt seine „Falzungen“.
Das dicke Papier hat Leineweber
lediglich leicht geknickt
und beschnitten. Je nach Blickwinkel ergeben sich unterschiedliche
Schattenwürfe und Aufsichten auf die monochrome
Oberfläche. „Das Licht
entfaltet sich“, sagt der einstige Meisterschüler
von Günther Uecker an der
Kunstakademie Düsseldorf. Eben weil die Bewegung des
Betrachters eine Rolle
spielt, versteht sich Leineweber als
Bildhauer.
Mit seinen Bildern thematisiert
Leineweber die
Beschaffenheit des Raumes. „Es gibt keine absolute
Wahrnehmung“, sagt der
Künstler. Jeder verfüge über seine eigene
Vorstellung über die ihm ungebenden
Wirklichkeit. „Der
Betrachter erzeugt
den Raum“, meint Leineweber, der mit ein paar Kniffen und
Schnitten am Papier
irreale Unräume schafft, in welchem man vergeblich nach
Begrenzungen und
Maßstäben sucht. „Ich möchte,
dass man sich beim Sehen selbst zusieht“, sagt er
zu seinen Papierarbeiten – bis zum 19.
Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Mit und ohne Brimborium
Kunstwerke
wollen nicht nur
betrachtet werden, sondern auch anregen, sich mit ihnen auszutauschen.
Während Ulla
Kalkowskys Malereien im Forum Kunst und Architektur
ein stilles Angebot zur Diskussion darstellen, bedrängen die
interaktiven Objekte und Installationen von Wolfram Lakaszus den
Betrachter am Kopstadtplatz. In der Gemeinschaftsausstellung
„Versus“ wird um den Zugang zur Kunst gestritten.
Kalkowsky öffnet
mit ihren Bildern
Assoziationsräume. Bis zu zehn Farben schichtet sie dabei
übereinander. Die Flächen überlagern sich
mit freien
Formen und bilden den Untergrund für Linien. „Ich
verstehe
mich als Zeichnerin“, sagt die Essener Künstlerin.
Bestimmte
Formen aus dem persönlichen Motiv- und Zeichenfundus der
Malerin
tauchen immer wieder auf. Frei nach Leonardo da Vinci hofft Kalkowsky,
dass durch ihre „verworrenen und unbestimmten Dinge der Geist
zu
neuen Erfindungen wach wird“.
Dabei hilft
Wolfram Lakaszus, der im Raum seiner
Künstlerkollegin
einen „Organon-Kollektor“ aufgebaut hat. Dieser
soll
angeblich die positive Strahlung aus dem All sammeln. Das sich durch
Sonnenenergie drehende Objekt stellt allerdings einen esoterischen
Ausreißer dar. Mehr ist Lakaszus daran interessiert, den
Ausstellungsbesucher aus der
„Ich-betrachte-Kunst“-Position
zu reißen. Einmal fertigte er eine mit einem Radarsensor
ausgestattete Figur, die gehörig erschreckt, weil
sie sich
urplötzlich dem Betrachter zuwendet. Dass man selbst Teil des
Kunstwerks ist, wird in der unteren Etage des Forums Kunst und
Architektur vorgeführt. Der Bochumer zwängt einen
dort auf
einen mit roten Leuchtschläuchen markierten Weg. Ein pochender
Herzschlag ist zu hören. Wer eine der zahlreichen
Lichtschranken
durchschreitet, produziert Geräusche. Lichtobjekte kann man
mit
kleinen Fernbedienungen zum Leuchten bringen. Diese sind für
zwei
Euro erhältlich.
Lakaszus hat nach eigenen Angaben eine Mission:
„Veränderung geht doch. Individuelle
Beteiligungsmöglichkeiten aufdecken.“ Dass diese
Mission von
der Malerin Kalkowsky mit weniger Brimborium erfüllt wird, ist
der
Clou der Ausstellung – bis zum 12. Juni. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Unbekannte Welten
Reisen in die Fremde
führen oftmals zu sich
selbst.
Befreit vom eingeschliffenem Alltag, der vertrauten Umgebung und der
Erwartungshaltung der bekannten Mitmenschen kann man in der Ferne
manche überraschende Facetten seiner Persönlichkeit
freilegen. Für Karin
Bergdolt ist dies eine künstlerische Aktion.
„Ich war da. Erwischt im Leben“, schreibt sie in zu
ihrer Arbeit. Im Kunsthaus
Essen animiert sie bis zum 14. Januar zu Reisen in
unbekannte Welten.
Ich muss mir selbst zur Sache
werden“, lautet der
Anspruch. Der Weg ist das Ziel: Drei Monate lang bereiste die 1968
geborene Erlangerin mit dem Fahrrad die Mongolei mit einem Freund. Die
inneren und äußeren Erlebnisse dokumentiert die
Künstlerin vor Ort mit Zeichnungen, Fotos und Texten. Man
sieht
Waschbecken, Straßen und ein Getränk, liest
„Wind“, „Regen“ und
„Männer, die
Schauen“. Ein unkonventionelles Reisetagebuch.
Die Route mit ihren Stationen gibt die
Struktur vor: Eine Kartografie,
aus der sich die Begegnungen mit der Landschaft und den hier
beheimateten Menschen herauslesen lässt. Die Spuren der
Entdeckungstour haben sich in Form von Schmutzabrieb, Knicken und
Wasserflecken eingeschrieben. „Alles schließt sich
zu einem
assoziationsreichen Geflecht, das vom Betrachter weitergedacht und mit
dessen Vorstellungen und inneren Bildern aufgefüllt werden
kann“, meint Kunsthaus-Geschäftsführer Uwe
Schramm.
Parallel stellt Christine Clara Oppel an
der
Rübezahlstraße
33 ihre Klang-Raum-Skulpturen aus. Die Künstlerin will mit
ihren
Werken die Optik eines Raumes mit „Klangsubstanzen“
vermischen und so komplexe
„Erlebnissphären“ schaffen.
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 16 bis 18 Uhr. Vom
23.Dezember bis 6. Januar bleibt das Kunsthaus geschlossen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Schöne Illusion
Quer an der Wand
hängt eine
Zündschnur. Als Susanne
Kutter diese zur Vernissage im Kunsthaus Essen
ihrer Ausstellung anzündet, brennt sich schmauchend der
Schriftzug
„We will kill you anyway“ in den Putz. Die
Künstlerin
(Jahrgang 1971) hat ein Faible für das Spektakuläre,
ja
Aggressive. Ihr geht es um die Eskalation, um radikale
Änderungen
gewohnter Zustände innerhalb weniger Minuten.
Dafür scheut die 1971 in Wernigerode geborene
Künstlerin
keine Mühen. In ihrem Video „Moving day“
filmte sie
ein kleinbürgerliches Wohnzimmer mit der Standkamera, wo nach
und
nach Lampen von der Decke, Bilder von den Wänden und
Möbel
durcheinander fallen. Das Erdbeben war ein LWK auf Schlingerfahrt, in
welchem Kutter das Zimmer installiert hat. Noch
zerstörerischer
geht es bei dem Video „Flooded Home“ zu, wo sie ein
Zimmer
in einem leeren Schwimmbecken flutete. Am Ende zeichnet die
Unterwasserkamera Bilder von schwebenden Möbeln auf. Dass die
Katastrophe zauberhaft anzusehende Resultate erzeugt, ist gewollt: Das
unschuldig Schöne ist für Kutter eine Illusion, wie
eine
Installation nahe legt, die mit ein paar Alltagsgegenständen
eine
Südseelandschaft in einen Pappkarton projiziert.
Parallel stellt Thomas
Zika bis
zum 19. März im Kabinett des Kunsthauses seine Fotoserie
„Hierogamos“ aus – eine Hommage an
Francesco
Petrarca, der 1335 nach seiner Besteigung des Mount Ventoux die erste
subjektive Landschaftsbeschreibung der Literatur geliefert haben soll.
Zika wandelt auf den Spuren des italienischen Dichters und zeigt an der
Rübezahlstraße 33 den französischen Berg,
die schwerste
Etappe der Tour de France, in atmosphärisch dichten
schwarz-weißen Fotografien. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2006)
Aus der Haut fahren
In dem Video „Rock
DJ“
reißt sich Robbie
Williams auf der Tanzfläche die Haut vom Körper um
die
Aufmerksamkeit des Discjockeys zu erregen. Der Popstar trägt
seine
Haut zu Markte und versucht gleichzeitig, sich aller auf ihn
projizierten Fantasien und Erwartungen zu entledigen. Übrig
bleibt
ein blutiger Klumpen Fleisch. Titus
Lerner lässt seine Skulpturen in der Galerie Klose (Rüttenscheider
Straße 56) gleichsam aus der Haut fahren. Doch statt
gruseliger
Selbstzerstörung steht hier die Häutung als positives
Ereignis im Vordergrund: als Moment, wo ein Mensch einen Schritt
weiterkommt und die Bürde seiner Vergangenheit hinter sich
lässt. Daneben formt der 1954 geborene Künstler in
seinem
malerischen Werk nackte Figuren und kahlköpfige
Porträts aus
kurzen, pastös aufgetragenen Pinselstrichen, die nachdenkliche
und
introvertierte, in sich ruhende Menschen zeigen – bis zum 18.
März. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Vom Leben und Arbeiten
Wenn ein tabellarischer
Lebenslauf mit „Lebt
und
arbeitet in…“ abschließt, kann es sich
nur um die
Biografie eines Künstlers handeln. Wobei diese Floskel es
durchaus
mal verdient, näher untersucht zu werden. Zählt
Arbeit nicht
als selbstverständlicher Teil zum Leben, so dass sie nicht
eigens
aufgeführt werden muss? Anders gefragt: Wer
„nur“
arbeitet, lebt nicht? Bei Andrea
C. Hoffer heißt
es „Lebt und arbeitet in Düsseldorf und Tobago, West
Indies“ – und hier macht die Beschreibung
ausnahmsweise mal
Sinn, schwingt in ihr doch schon etwas mit, was den Bildern der 1964 in
Bottrop-Kirchhellen geborenen Künstlerin zu eigen ist. Hoffer
inszeniert aus dem Zusammentreffen von Vertrautem und Exotischem
stimmungsvolle Gemälde, die Räume und Landschaften in
ihre
Bestandteile erst sortieren und dann auflösen.
Die gelernte Schneiderin, ehemalige
Bühnenbildnerin und
Meisterschülerin von A.R. Penck malt, was sie in und aus ihrem
Atelier mit Meerblick in Tobago sieht: Sitzgruppen mit
Korbstühlen, verzierte Fenster und üppig wachsende
Natur.
Details konfrontiert Hoffer mit abstrakten Schemen. Zimmerpflanzen
wuchern ins Bild und vereinen sich mit den Ornamenten der
Möbel
und Wände. Mit Schlieren quer über den Malgrund
erzeugt sie
eine flirrende, hitzige Atmosphäre. Fast gerät man
bis zum 3.
März beim Anblick der Bilder in der Galerie Frank Schlag (Meisenburgstraße
173) ins Schwitzen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Schlampig gemalt, spannend inszeniert
„Es fährt
ein Zug nach
nirgendwo“, nennt Tobias
Hild seine neue Bilderserie in der Galerie Ockhardt –
und wie so oft, wird damit der Weg als Ziel ausgerufen. Die
ausgestellten Malereien hängen an den Wänden unter
Vorbehalt
des weiteren künstlerischen Prozesses, der Reifung des
Künstlers und der Entwicklung seines Umfeldes. Kurzum: Nichts
erscheint auch in seiner Kunst mal wieder fertig, gewiss ist nur, dass
es keine Gewissheiten gibt.
Und so flüchtet sich der 1975 geborene
Leipziger Maler in
technisch schlampig gemalte, dafür aber spontan und spannend
inszenierte, romantische-düstere Bildwelten, in denen eine
Pferdekutsche durch eine dunkle Schlucht trabt, eine Raumkapsel mit
Geweihen in bizarrer Landschaft landet und eine Sonne sich als
Mittelpunkt ins Gemälde einbrennt.
Hild studiert nach seiner Ausbildung zum Mediengestalter
in
Essen Kommunikationsdesign. Im vergangenen Jahr zog er nach Leipzig, wo
er seitdem an der Hochschule für Grafik und Buchkunst
eingeschrieben ist. Der Maler stellt bis zum 31. Mai bereits zum
zweiten Mal an der Kahrstraße 54 aus.
Öffnungszeiten:
samstags 12 bis 16 Uhr. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Alles Druck
Druck macht Aqua-Tinta. Auf
Zeche Zollverein stellt die
Frohnhauser Ateliergemeinschaft sowohl herkömmliche Tiefdrucke
als
auch experimentelle Kombinationen mit anderen Gestaltungsmitteln wie
Hochdruck, Collage oder Zeichnung aus.
Seit 1980 beschäftigt sich die
fünfköpfige
Gruppe in einer von ihr selbst eingerichteten Werkstatt mit
künstlerischen Drucktechniken. Die Ansätze der
Mitglieder
sind unterschiedlich. Während Gerd Glöß
Landschaftseindrücke seiner Reisen verarbeitet, thematisiert Ursula Hein-Heusen den
Kontrast von geometrischen Formen und malerischen Elementen. In den
Arbeiten von Ellen
Schierling-Weinreich ist fern-östlicher Einfluss
sichtbar. Markenzeichen von Nancy
Watts sind großformatige Monotypien. Peter
Drolshagen kitzelt Peter
Drolshagen
neue Eindrücke aus dem Alltag. Die Schau
„pressto“
kann bis zum 28. Mai montags von 16 bis 18 Uhr, freitags von 11 bis 13
Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 16 Uhr besichtigt
werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Zum Todlachen
„Der Tod muss
abgeschafft werden. Diese
verdammte
Schweinerei muss aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht,
ist
ein Verräter.“ Dieser Forderung Barzon Brocks steht
auf
einem kleinen Objekt von Matthias
Schamp
im Treppenaufgang, ein Werk, das in der Schau „Tod“
von der
Schippe springt. Denn ansonsten bemüht sich der
Ausstellungsmacher
und Künstler Karl-Heinz
Mauermann
darum, den Tod ins Leben zu holen, genauer: in sein Leben. Mit einem
Sammelsurium an fremden und eigenen Kunstwerken, Kuriositäten
und
Alltagsgegenständen blickt er in seinem privaten Wohn- und Atelierhaus an der
Byfanger Straße 91 dem Sensemann ins Auge.
Dass in dem 1867 erbauten, einstigen
Bauernhaus in den 1990er-Jahre
einmal ein Bestattungsunternehmen seinen Sitz hatte, sorgt für
ein
morbide Grundrauschen. Geräusche spielen im Keller eine
wesentliche Rolle als Schnittstelle zwischen dem Dies- und Jenseits.
„Das Urteil“ nennt Frank Niehusmann
seine „elektroakustische Installation“. Hinter
einer
verschlagähnlichen Tür hört man jemanden auf
einer alten
Schreibmaschine seinen Abschiedsbrief tippen.
„Hallo?“
versucht hingegen in der Installation von Dirk Schlichting
eine Tonbandstimme unentwegt und vergeblich Kontakt mit einem im
Flackerlicht „von uns gegangenen“ Menschen
aufzunehmen.
Jochen Leyendecker beleuchtet von hinten gespenstig Fotos seiner
Großeltern. Diese hatten sich vorsorglich noch selbst
Leichenhemden besorgt, die schließlich doch nicht nach ihrem
Tod
angezogen und stattdessen Teil der Installation wurden.
Nicht alle beteiligten Künstler
bringen die nötige
Sensibilität für das Thema auf. Dies zeigt sich
ebenfalls in
der „Unterwelt“. Pietätlos geht Jürgen Kierspel
daher, der aktuelle Stuttgarter Todesanzeigen allein unter dem
Gesichtspunkt „Namensscherze“
zusammenfügt. Was bei
den Namensvettern von Wilhelm Busch, Gerhard Hauptmann, Karl Marx und
Richard Wagner schon angestrengt wirkt, entgleitet bei einem Herrn
Schwanz und einer Frau Lutscher restlos zur Beleidigung Verstorbener.
Dabei gibt es in der Ausstellung
durchaus Werke, über die man
sich
totlachen kann. Zum Beispiel über die Zeitungsanzeige aus den
USA,
in der ein gebrauchter Grabstein angeboten wird. „Perfekt
für jemanden mit dem Namen Homer Hendel“. Mauermann
hängte an die Wand die Werbung für die
legendäre
Zigarettenmarke mit dem Totenkopf „Death“, stellt
in
Vitrinen einen Friedhof für die Modelleisenbahn und eine
Flasche
„Grabsteinreiniger“. Dazwischen findet man
Gegenstände, die sonst im Hause auch sonst genutzt werden
–
zum Beispiel eine Musiktruhe, die in den 60er-Jahren nur
„Schneewitchensarg“ genannt wurde. Mauermanns tote
Verwandte sind in Familienfotos und Erbstücken ohnehin stets
präsent. Daneben gibt es westafrikanische Ahnenfiguren aus der
Sammlung Peter Gutsche zu sehen, eine Installation von Martina Achenbach
mit gewachster Wäsche aus Nachlässen, Druckgrafiken
von Horst Janssen
und, und, und - immer mehr Ausstellungsgegenstände. Mauermann
berichtet, dass nach der Eröffnung Besucher wiederkamen, im
Gepäck mit zum Thema passenden Stücken. Bei der
Finissage am
16. Und 17. September im Rahmen der „Kunstspur“
können
sie die Werke wieder abholen. Der „Tod“ bittet bis
dahin
nach telefonischer Absprache unter Telefon XXXX [Hier stand mal eine
Nummer, T.S.] zum Stelldichein. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2006)
Verwischte Grachten
Er zerpflückt
Räume in ihre
konstituierenden und universalen Bestandteile: Jim Harris
fängt an der Staffelei das Wesen eines Ortes ein und
übersetzt sie sogleich in Malerei. Äste,
Geländer und
Pfeiler abstrahiert er zu Linien, Wege, Büsche und
Wasseroberflächen zu Flächen. Dabei interessiert den
38-Jährigen, der in Amsterdam wohnt, besonders die
Oberfläche. Die Reflexionen der Wellenbewegungen in Grachten
verwischt er zu Kompositionen. Dabei bleibt der gebürtige
Londoner
der Figuration treu, die meisten Elemente sind noch erkennbar -
wenngleich mehr als eine Art Idee des gemalten Motivs. In der Galerie Kalthoff,
Sabinastraße 1, zeigt er seine „recent
paintings“ bis zum 31. Oktober. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2006)
Triumph des Künstlers
Dokumentieren, interpretieren,
hochkochen,
verreißen:
Einflussreich ist die „Kunstzeitung“, die bislang
die
Künstlerin Miriam
Giessler
mit keiner Zeile namentlich zu würdigen wusste. Nur in ein
einem
Kommentar fühlte sie sich erwähnt. „Darin
war davon die
Rede, dass der Markt viele gute Künstler produziert, die er
aber
nicht verwenden kann“, erinnert sich die Essenerin. Jetzt hat
Giessler die aktuellen Informationen über Kunst selbst in
Kunstwerke verwandelt. Mit einer wandfüllenden, bemalte
Zeitungscollage und kleineren Arbeiten aus zerrissenen, gekochten und
neu zusammengeklumpten Zeitungen interpretiert sie in der Galerie Johannes von
Geymüller ironisch bis trotzig ihre Stellung im
Kunstmarkt selbst.
Auf die Zeitungscollage malte Giessler ein buntes
Mandala: eine
Anspielung auf den „Kosmos der Kunstwelt“, wie
selbst sagt.
Weil der Ausstellungsraum in der Wohnzimmergalerie am
Schützdellerweg 11 beengt ist, steht man recht erschlagen vor
der
riesigen Arbeit. Und etwa so tritt auch Giessler dem Kunstbetrieb
gegenüber. Doch aus der Not macht sie eine Tugend:
„Wenn der
Markt mir nicht nutzt, dann verwende ich eben nur sein
Material“,
sagt die 1960 geborene Künstlerin, die vor anderthalb Jahren
in
Essen zusammen mit Hubert Sandmann am Viehofer Platz mit dem
„Viadukt“ (Kunst-Stück) Aufmerksamkeit
erregte. Die
kostenlos in Galerien und Museen verteilte
„Kunstzeitung“
dient ihr als Rohstoff für sensible Collagen und
Materialarbeiten. In ihnen werden die Artikel nichtig, die einzelnen
Buchstaben und das Papier hingegen wichtig: für das visuelle
Erlebnis, für die Entstehung eines Kunstwerks. Damit
wird
die Zeitung wieder zu ihrem Ausgangspunkt geführt. Der Triumph
des
Künstlers über den Kritiker ist unter dem Titel
„Druck-Sachen“ noch bis zum 11. März zu
sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Geknetete Leinwand
Rummatschen in der feuchten
Erde – diese
Kindheitserlebnis setzt
Cveto Marsic auf
der Leinwand fort. In seinen Malereien scheint sich die Erde selbst mit
Erde zu malen. Schlammig trug er die erdige Farbe auf, es bilden sich
Furchen und Verwerfungen, man möchte in das Bild wie in einen
Acker hineingreifen und den Lehm kneten. Bis zum 5. März
stellt
der gebürtige Slowene und in Portugal lebende
Künstlerin in
der Galerie Ricarda Fox,
Velberter Straße 66, aus.
Marsics malte einsame Landschaften, durch die sich als
einziges
menschliches Werk höchstens mal ein Weg schlängelt.
Auf der
Suche nach den Ursprüngen, nach Verwurzelungen hat er warme,
sehnsüchtige Werke geschaffen. Zwar beziehen sich die Werke
auf
einzelne Orte in Slowenien und in Portugal. Doch dem 1960 geborenen
Künstler kommt es mehr darauf an, seine an die Landschaft
gebundenen Gefühle zu vergegenwärtigen als sie zu
verorten. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Frivole Laune
Spermien, Messer, Senf,
Brüste, Peperoni
– all dies sind „scharfe Sachen“ im Forum Kunst
und Architektur. War es in den vergangenen Jahren
„Das kleine Format“, so leisten der Ruhrländische
Künstlerbund (RKB) und der Werkkreis Bildender
Künstler (WBK)
diesmal mit ihrer Jahresschau einen Beitrag zu den Essener Lichtwochen.
Die Gedankenkette:
Partnerland....Ungarn...Paprika....Scharf...Ausstellung.
28 Künstler beteiligten sich. Manche holten aus
der
Schublade eine zur Vorgabe passende Arbeit, andere griffen zum Pinsel,
um das Thema künstlerisch umzusetzen. Wie auch immer: Man
merkt
der Schau an, dass es bei der Vorbereitung zuweilen recht heiter
zugegangen sein muss. Einige Künstler fühlten sich
offenbar
in einer selten frivolen Laune und nutzten die Möglichkeit,
diese
nun offen, ja geradezu erwünscht durch das Kunstwerk ausleben
zu
können. Aber es gibt auch eine Reihe von Malern, Zeichnern und
Bildhauer, die sich der Sache mit schneidendem Ernst widmen.
Wen will man da besonders herausheben? Vielleicht Petra Goebel, die
einen jungen Mann mit besonders scharfem Blick ablichtete? Oder Hans-Joachim Kasselmann,
der eine Gesteinsformation auf einem Berggipfel als erotischen
Höhepunkt fotografierte? Oder Hubert Hillmann, der
in seiner Zeichnung aus formalen Strukturen körperliche
Strukturen entwickelte? Oder Klaus
Heuermann, der die weibliche Scham als Sektglas zeichnete?
Oder Angelika Michalski,
die Gewürzkörner in Malerei
überführt? Oder Steffen
Kindt,
der den Zusammenhang von Schmerz und Blut mit Körperkult und
Sinnlichkeit beim Tätowieren vor Augen führt? Oder Eberhard Bitter,
der Akte mit seiner Maltechnik geradezu zerstückelt? Am Besten
keinen, wäre nur ungerecht. Also selbst hingehen! –
bis zum
23. Dezember. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Untersuchung des Zeichensystems
Sie zeichnet nicht auf,
sondern mit Papier. Annette
Brandhorst
greift mit Papierreliefen oder frei hängenden Papierobjekten
das
Thema Fläche in verwandelter Form auf. Dabei sorgt die
Bewegung
des Betrachters oder des Werkes für eine pulsierende
Verschmelzung
der Installation mit dem Hintergrund – zu sehen derzeit im Kunstraum-Notkirche,
Mülheimer Straße 70.
Brandhorst studierte Kunst und Englisch in
Münster und
wechselte 1981 an die Akademie Düsseldorf, Abteilung
Münster.
Seit 1992 arbeitet die 1958 geborene Dortmunderin als freischaffende
Künstlerin, die insbesondere Zeichen der Zeit mit Formen in
Beziehung setzt, die sie selbst aus dem eigenen Malen und Zeichnen
entwickelt hat.
Insbesondere sucht sie bei einem langen Vergleichs- und
Überlagerungsprozess die formalen Gesetze des Zeichensystems.
Dabei führt sie in ihren Malereien, Installationen und
Papierobjekten die Abwandlungen on immer neuen Zusammenhängen
vor.
„Ein Aufmerken gegenüber den Wahrnehmungs- und
Formungsprozessen, die selber bildhaft werden und auf das Malen und
Zeichnen – oder auf das Leben –
zurückwirken“,
wie es in einer Mitteilung des Kunstraum-Notkirche heißt. Die
Ausstellung ist bis zum 21. Dezember zu sehen. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2006)
Jeder Käufer verändert das Werk
Ein bisschen Geheimnis
steigert die Spannung –
und so
verpackt, wie berichtet, der Rüttenscheider Galerist Torsten
Obrist Kunst in Wundertüten, auf denen nur der Name des
Künstlers steht. Der umgekehrte Weg wird in Kettwig
gewählt.
Im Best Kunstraum,
Ruhrtalstraße 415, hängen die Werke gut sichtbar an
der
Wand. Nur wird diesmal der Name des Künstlers vor dem Kauf
(100
Euro pro Blatt) nicht verraten.
Man merkt, dass hinter der Galerie zwei sensible
Künstler
stehen,
die aus eigener Anschauung wissen, wie man respektvoll mit
seinesgleichen umgeht: Anne BErlit und Peter STohrer. Das Konzept ist
jedenfalls meilenweit von der Rüttenscheider
Wühltisch-Aktion
entfernt. Während dort Bilder von Künstlern, die sich
noch
keinen Namen gemacht haben, dazu verdonnert sind, verpackt in
Tüten den Laden zu hüten, sind in Kettwig auch
Unbekannte ein
würdevoller Teil des Ganzen. Wie ein großes Puzzle
formen
sich die Zeichnungen, Collagen, Grafiken und Fotografien im
DINA4-Format zu einer großen Installation. Jeder
Käufer
verändert das Werk. Denn Lücken werden sofort mit
neuen
Arbeiten gefüllt. Die große Kollektion“
entpuppt sich
als eine sich ständig verändernde Gemeinschaftsarbeit
von 42
Künstlerinnen und Künstlern.
So viele Individualisten unter einen Hut bekommen zu haben,
dafür
muss man denselben ziehen – bis zum 21. Januar. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Bizarre Lebewesen
Aus Kleister und Papier
wachsen unter den
Händen amorphe
Organismen. Ihr Thema ist die Natur, die sie als Struktur und
evolutionäres Prinzip reflektiert und transformiert. Der
schöpferische Prozess erscheint bei Renate Neuser als
der Auslöser von Mutationen. In der Neuen Galerie der Volkshochschule
am Burgplatz treten ihre bizarren Lebewesen bis zum 1. Februar gleich
im Rudel auf.
Inspirieren ließ sich die 1939 geborene
Ex-VHS-Dozentin von
Mikroorganismen. Viele Formen des Wachstums bringen ihre Objekte
hervor. Manche der 20 grün gefärbten Plastiken auf
Stelzen
erinnern an Pantoffeltierchen, andere an Bakterien, die sich mit einer
Geißel durch die Luft schwingen. Der Titel der Installation
„Micromacro“ macht deutlich, dass Neuser im Kleinen
das
Große benennt. Sie umkreist das „Mysterium
unerschöpflich evolutionärer
Formenvielfalt“ und
„umschreibt das Rätsel letztlich unbekannter
Triebkräfte“, wie Ariane Hackstein von der VHS
schreibt. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Nachdenklicher Kopf
Eine Schlange windet sich um
den Kopf gleich in den Mund
eines
Mannes. Voll gemampft schaut er aus dem Gemälde mit dem Titel
„Kulturhauptstadt essen“. Klaus Ritterbach
hat ein drastisches Bild für das Geschacher um Posten und
Programme gefunden. Der Düsseldorfer legt mit seinen Werken
gern
die Finger in Wunden. So malte er einmal apokalyptisch die
Sortierstation einer Müllverbrennungsanlage, womit er seine
Skepsis gegenüber modernen Industriegesellschaften kundtat.
Seine
Ausstellung in der Galerie
KK, Rüttenscheider Straße 56, widmet
sich hingegen seinen ebenso sensiblen wie eindrucksvollen
Porträts.
Ritterbusch rollt die evolutionäre und geistige
Menschheitsgeschichte auf. Porträtiert hat er vornehmlich
Personen, die als Außenseiter durch das Leben gehen und
gingen
– und erst nach dem Tod, wenn überhaupt, anerkannt
werden.
Von Affen über Sokrates bis hin zum unbekannten, komplett mit
Verbandzeug eingewickelten Künstler reicht das Spektrum. In
das
Gesicht eines Gorillas schaut man wie in einen Spiegel. Düster
wirkt die Totenmaske von Karl Kraus. Optimismus verstrahlt das
Porträt von Ritterbuschs lächelnder Freundin. Er
selbst setzt
sich als nachdenklicher Kopf in Szene.
Dabei malt der 1947 geborene Träger des
„Bernhard-Prengel-Preis“ die Porträts in
Öl auf
Aluminiumplatten. Der Hintergrund ist in monochromen, meist starken
Farben gehalten. Zwischen dem extrovertierten
Äußeren und
den introvertierten, oft wie Bronzeskulpturen wirkenden Köpfen
baut sich eine Spannung auf. Mit seiner Malerei setzt er den
Porträtierten ein eindringliches, zuweilen aber auch
humorvolles
Denkmal. Bis zum 14. April. (© NRZ / Tankred
Stachelhaus 7. Februar
2007)
Reiseereignisse
Asien, Afrika, Australien und
Europa: Michael Siewert kennt
sich aus in der Welt. In den vergangenen 15 Jahren bereiste der
Künstler die Kontinente. Im Gepäck lagen Kamera und
Skizzenbuch bereit. Die Motive aus der Natur, Kultur und Ikonografie
hielt er vor Ort fest, um sie im heimischen Atelier zu bunten
Ölbilderserien zu verarbeiten. Eine Auswahl seiner Fotos,
Druckgrafiken und Gemälden zeigt die Arka Kulturwerkstatt
auf Zeche Zollverein, Schacht XII, Halle 12.
Die Werke werden thematisch mit Reiseereignissen
zusammengestellt. Passau, Wien, Budapest heißt etwa ein
Gemälde, auf dem unter anderem Begegnungen mit einem Trabi,
einem
Hahn und einem Feuerwehrhelm festgehalten wurde. Dabei zeigt es sich,
dass Siewert sich besonders für die kulturellen
Identitäten
der einzelnen Länder interessiert. Die Lebhaftigkeit der
Farben
sollen dabei die verschiedenen Kulturkreise widerspiegeln. Bis zum 15.
April. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 7. Februar 2007)
Totalitätsversuche
Fragt man Ingo
Günther,
was er tut, so antwortet er: „Ich bin mir nicht sicher, ob es
Kunst ist.“ Dabei ist sein Werk davon gekennzeichnet,
Unwissenheit durch Informationen aufzulösen. Ihm geht es um
die
Aufdeckung globaler Probleme wie Migration, Umweltverschmutzung,
Terrorismus und Klimakatastrophen. Der in New York lebende
Künstler versteht es, aufwändige journalistische
Recherchen
in eine eindringliche künstliche Darstellungsform zu
überführen. Mit der Schau
„Totalitätsversuch
1-3“ gibt der Kunstverein Ruhr am Kopstadtplatz einen
Überblick über das Schaffen des 1957 in Dortmund
geborenen
Grenzgängers.
Künstler, Journalist und Aktivist: Er studierte an der
Düsseldorfer Kunstakademie, war Assistent von Name June Paik,
besuchte Flüchtlingslager an der kambodschanischen Grenze,
gründete den virtuellen Flüchtlingsstaat
„refugee
republic“ und den unabhängigen TV-Sender Kanal X in
der
ehemaligen DDR. Brisanz erhielten seine Arbeiten, als er durch
elektronisch bearbeitete Satellitenbilder von Flugabwehraketen bei
Syrte erstmals öffentlich Gaddafis territoriale
Ansprüche
visualisierte.
Im Kunstverein
Ruhr geht
Günther aufs Ganze. Beim ersten
„Totalitätsversuch“ listet er in der
Arbeit
„Ruhrmensch“ alle im Ruhrgebiet vorkommenden
Nachnamen
lakonisch auf, insgesamt 195.425 Stück, von Aab bis Zyznowski.
Die
mittels digitaler Adressbücher am Computer zusammensortierte
Namenskolonne auf schwarzen Grund führt die Region auf die
teils
zugewanderten Menschen zurück, macht sie aber auch unfassbar:
Wer
nahe herangeht erkennt den Einzelnen, verliert aber den
Überblick
auf das Ganze – und umgekehrt. Im zweiten
„Totalitätsversuch“ zeigte
Günther Fotos von 18
seiner inzwischen 300 Globen aus der Reihe „World
Prozessor“. Darauf eingetragen sind beispielsweise
Glasfaser-Kabelnetze auf dem Meeresboden,
Flüchtlingsströme
und alle bisherigen Nuklearexplosionen. Die journalistische Distanz
bringt Günther durch die Gesamtschau auf die Erde
näher. Im
dritten, gerade angelaufenen
„Totalitätsversuch“
formen viele kleine Digitaluhren eine irritierende Vorstellung von
Gleichzeitigkeit - bis zum 20. August. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Große Füße als
Selbstläufer
Beim Aktzeichnen an der
Düsseldorfer
Kunstakademie hatte Jörg
W. Schirmer
immer Probleme mit der Standfestigkeit der Modelle. Irgendwie drohten
sie optisch auf dem Papier umzukippen. Also verpasste der Essener
Künstler den Frauen riesige Füße. Der
Notbehelf
entwickelte sich zu einer Marotte, zum Markenzeichen, zu einem
künstlerischen Konzept: Schirmer setzt Proportionen
außer
Kraft und extreme Perspektiven dagegen. Überzeugender als in
seinen Malereien zeigt Schirmer dies in den Skulpturen. Die
Froschperspektive wird zur Überperspektive. Die Frauenakten
scheinen mit ihren riesigen Füßen geradezu den Raum
zu
verformen. In der Galerie
Klose,
Rüttenscheider Straße, versucht der
38-jährige Maler
und Bildhauer, aus den großen Fußstapfen seiner
eigenen
Werke zu treten.
Schirmer experimentiert mit neuen Ausdrucksformen. Denn
wie jede
Marotte drohen auch Schirmers große Füße
zu einem
Selbstläufer zu werden. Dieser künstlerischen
Sackgasse ist
sich der Essener offenbar bewusst. Für die Suche nach mehr
Bedeutungsebenen in seinem Werke steht schon der Ausstellungstitel
„Fundamentales“, grafisch in der Einladungskarte
unterteilt
als „Fun“, „damen“ und
„tales“.
Auch Schirmer selbst erscheint mehrfach: Mit Turban und langem Bart
gibt er vom Kopf her den Taliban-Kämpfer, vom Hals
abwärts
erweist er mit Fliege und Nadelstreifen der Dandy-Mode seines Meisters
Markus Lüpertz Referenz – wenn auch in einer etwas
verlotterten Variante.
Die politische Symbolik reicht bis ins Werk herein. So
verweist nun
eine mit „Stars & Stripes“ bemalte Figur
auf die USA.
Während dieser Ansatz etwas bemüht wirkt, erscheint
Schirmers
Erweiterung seines Oeuvre auf das Medium des Reliefs als
ausdrucksstarke Variation seines Hauptthemas. Insgesamt lässt
sich
bis zum 11. September an der Rüttenscheider Straße
56 ein
Künstler am Scheideweg sehen – was die Ausstellung
recht
spannend macht. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Auratische Atmosphäre
Beim Schlafen verstellt sich
der Mensch nicht. Wer einen
Schlafenden beobachtet, dringt in seine intimste Sphäre vor.
Es
bedarf einiges an Fingerspitzengefühl, bei der Darstellung
einer
solchen Situation nicht ins Voyeuristische abzugleiten. Dies ist Nils Klinger
gelungen. In der Galerie
Ockhardt Temporary, Rüttenscheider
Straße 128, verdichtet der 1976 geborene Fotograf die
Schlafbewegungen in sensiblen Bildern.
Klinger hat Freunde und Freundinnen beim Schlafen
fotografiert. Dazu
wurde ein Zimmer schwarz ausgekleidet und ein Bett schwarz
überzogen. Nur eine Kerze beleuchtete die nackten Schlafenden.
Mehrfach belichtete der Künstler den Film. Die
ständigen
Bewegungen des Körpers sorgten für einen sanften
Schleier auf
den großformatigen Fotografien, die Zeit und Raum
festzuhalten
scheinen. Der Träger des Kasseler Kunstpreises 2003 versteht
es
dabei, mit seinen Bildern eine auratische Atmosphäre zu
entfalten
– bis zum 15. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2004)
Kalkül und Präzision
„Was du siehst, ist
was du siehst“,
lautet das Motto der Minimal Art. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Bei Rainer Spitt
sieht man eine rote Farbfläche, die auf dem Boden des
Ausstellungsraumes verläuft. Das war’s. Das
war’s? Mit seinen Ausstellungen etablierte der Kunstverein Ruhr am
Kopstadtplatz eine Konzeptkunst, die durch die Reduktion eine
spektakuläre Wirkung erzielt. Waren es in der Vergangenheit
hingeworfene Neonröhren, hinzugestellte Stützpfeiler
oder
rote Strichlinien an den Wänden, so ändern nun sieben
ausgeschüttete Farbeimer à 30 Kilo die Wahrnehmung
des
Raumes.
Splitt schuf einen festen roten Farbsee, in dem sich der
Raum im
„Forum Kunst und Architektur“ spiegelt und der auf
die
Wände rot abstrahlt. Anhand der Farbverläufe kann
nachvollzogen werden, wie das Werk entstand: In einer Ecke beginnend,
schüttete der 1963 in Celle geborene Künstler beim
Gehen
einen Eimer nach dem anderen aus. Was lapidar klingt, ist immanent
für das Werk des Berliners: Kalkül und
Präzision, die
Zähflüssigkeit der Farbe und einige nicht ganz zu
kalkulierende Faktoren bestimmen den „Malprozess“.
Dies
verdeutlicht Splitt auch mit zwei an der Wand aufgehängten
Kästen, in denen die Spuren von grüner und blauer
ausgeschütteter Farbe haften blieben. „Mein mobiler
Ausstellungsraum“, lacht Splitt. Laut des Kunsttheoretikers
Michael Stoeber vereinigen sich in seiner Kunst „Minimal Art
und
Aktionskunst, Kalkül und Zufall, Farbe und Linie, Bild und
Plastik, Sinnlichkeit und Spiritualität“. Die rote
Farbe
kann bis zum 12. September am Kopstadtplatz besichtigt werden.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Herr Maron ist da
Wie sich die Zeiten
ändern: Als vor zwei Jahren
bei einer
Vernissage zur später Stunde ein Herr mit grauem Zopf eintrat,
stürzte Dirk Ockhardt an sein Handy, um einen seiner gerade
mal
abwesenden Fotokünstler wieder in die Galerie zurück
zu
beordern. Er flüsterte hektisch: „Komm, ist wichtig,
Herr
Maron ist da!!!“
Nun ist der Herr wieder da, doch der Zopf ist ab, Dirk
Ockhardt nach
Greifswald verzogen und die kleinste Galerie Essens an der
Kahrstraße 54 heißt nun „zone E“.
„Ich war immer fasziniert von dem Raum“,
lächelt Knut Maron, der Galerist.
Vier Ausstellungen im Jahr sollen sich
„kompromisslosen,
radikalen Positionen im Kontext der zeitgenössischen
Kunst“
widmen. Zu sehen gibt es Malerei, Bildhauerei, Fotografie und Raumkunst
von Künstlern, die nach Meinung des hauptberuflich als
Fotoprofessor in Wismar arbeitenden Galeristen eine
größere
Aufmerksamkeit verdient haben. „Der Markt interessiert mich
nicht, weil mich die Kunst interessiert“, erklärt
Maron. Im
kommenden Jahr will er in Berlin auch eine „zone B“
eröffnen.
An der Kahrstraße setzt der in Essen lebende
Maron auf den
Vitrinencharakter der abends beleuchteten ehemaligen Imbissbude. Einen
Besichtigungstermin jenseits der Verni- und Finissagen gibt es nur nach
Absprache unter Telefon XXXX. Dreh- und Angelpunkt der Galerie soll
aber die Homepage www.zone-e.info sein.
Zum Auftakt gibt es „Segmente, Sequenzen,
Sedimente“ von Klaus
Küster.
Die experimentellen Fotografien entstanden
größtenteils ohne
Kamera, sondern nur mit Fotopapier, Fotochemikalien und dem Licht eines
Feuerzeugs – bis zum 21. Januar 2006. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2005)
Gemaltes Tagebuch
„In einem halben
Jahr landet die ganze
Soße wieder
auf dem Markt. Nur will sie dann keiner mehr haben“,
prophezeit Ricarda Fox
den Kollaps des Leipziger-Schule-Booms. Noch ließen sich
unbesehen Kunstwerke für astronomische Summen
verhökert,
sofern deren Urheber nur den Anschein erwecken, zu sächseln.
Nach
Qualität frage zurzeit keiner, junge Talente würden
vom Markt
verschluckt und wieder ausgespieen. Die Werdener Galeristin hat nunmehr
zum 4. Mal ihre Galerie in eine Förderkoje für junge
Künstler der Burg Giebichstein verwandelt, jener Hochschule
der
Künste in Halle, die auch ins Fadenkreuz von Händler
ostdeutscher figurativer Malerei zu geraten droht. An der Velberter
Straße 66 gibt sie Jörg
Kutschke bis zum 3. Juli Raum zur Entwicklung.
Kutschke schreibt Tagebuch auf der Leinwand.
Während andere in
ein
Heft notieren „Ich habe heute einen Motorradfahrer mit gelben
Helm gesehen“, malt er einfach gelben Helm. Rund 180 solcher
Nebensächlichkeiten sind auf diese Weise in den Mittelpunkt
gerückt werden. Motive sind Eiswaffeln, Strichcodes,
„Play“-Tasten oder Luke Skywalker. Inspirationen
holt er
sich im Kinderzimmer. Er malt Puppen, aber auch
großflächig
Playmobilfiguren, die „um die Wette rennen“, so
lautet ein
Bildtitel. Kutschke (Jahrgang 1972) verarbeitet Einflüsse in
einer
kindlichen, bunten, unselektierten Weise. Eine bedeutende Rolle spielen
in seinem Werk auch westliche Marken, Personen und Symbole. In seiner
großen Arbeit „Motor Bizzaro“ gruppieren
sich
Fußballspieler, ein Plattencover der „Beastie
Boys“
und Verweise auf Elvis, Andy Warhol und Cowboys um einen riesigen
Turnschuh. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Wo sich Kunst entfaltet
„Gewagt“
findet Sybille
Spelsberger,
dass Galerist Torsten
Obrist ihre Malerei mit Möbel-Objekten von Horst Meyrahn
konfrontiert. An der Rüttenscheider Straße 73 flammt
die
Streitfrage wieder auf, ob es Künstlern zugemutet werden kann,
in
einen Topf mit Designer geworfen zu werden. Und ob sich Kunst am besten
an Galeriewänden oder in Museen entfaltet oder vielmehr dort,
wo
sie letztlich nach dem Verkauf konsumiert wird: im Wohnraum.
Genau dafür suchte Meyrahn eines Tages
vergebens eine passende
Lampe. Uns so fasste der gelernte Chemiker und Angestellte beim
RWE-Konzern den Entschluss, selbst eine Leuchte zu bauen. Eigens
entwickelte der 51-Jährige einen besonderen Kunststoff mit
Sandpartikeln, der sich leicht bearbeiten lässt und zu einem
verblüffend nach verwitterten Stein aussehenden Material
aushärtet. „Unikatmöbel aus gefalteten
Stein und
Metall“ nennt Meyrahn seine Tische, Sitzbänke und
Hocker,
die durchaus das Potenzial hätten, für Furore auf dem
Möbelmarkt zu sorgen - wenn er denn damit in die
Serienproduktion
ging.
Einzelstücke produziert auch Sybille Spelsberg,
und auch sie
entwickelt für die Werke ihr eigenes Material. Anstatt sich
wie
viele Künstler vom Angebot des Kunstbedarfhandels
abhängig zu
machen, mischt sie Marmormehl, Wachs, Eisenpartikel, Erde oder
Eierschalen zusammen. Aufgetragen auf die Leinwand, entstehen warme,
unfigurative Bilder, die die Gestik der Künstlerin in
ertastbare
Formen übertragen – bis zum 23. Juni.(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Eingeschmolzen
Für eine Bildhauerin
muss es schmerzlich sein,
das
Material bei der Arbeit nicht anfassen zu können. Aber
Verbrennungen durch Temperaturen von über 900 Grad Celsius
würden vermutlich noch mehr wehtun. Seit Anfang der 90er-Jahre
formt Heide Kemper Glas
zu Objekten mal mit künstlerischem, mal mit dekorativem
Anspruch. In der Arka-Kulturwerkstatt,
Zeche Zollverein, Schacht XII, stellt die 53-jährige
Dortmunderin
bis zum 27. August unter dem Titel „Licht und
Schatten“ aus.
Was Wald, Wiese und Schrottplatt hergeben, schmilzt sie
zwischen zwei
Glasplatten ein: Pflanzenblätter, aber auch Metallplatten und
farbige Oxide ergeben zusammen mit Luftblasen auffällige
Kompositionen. Kemper lässt zudem Glasfiguren Tango tanzen und
als
Silhouette an einer Säule lehnen. Daneben produziert sie
Schalen,
Briefbeschwerer und bunte Stangen, die man in den Blumentopf stecken
kann. Wie gepfählte Totenmasken erscheinen ihre
Gesichtsabdrücke auf Stäben aus der Reihe
„Gesichter
des Krieges“. Das beklemmende Gedicht „Der
Kinderkreuzzug“ von Bertolt Brecht inspirierte sie zu einer
Installation mit verformten Flaschen. „Sie erinnern mich an
fliehende, menschliche Gestalten“, sagt Heide Kemper. Die
Öffnungszeiten können während der Ferien
unter Telefon
XXXX erfragt werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Gemalter Gedankenstrom
Ins Zentrum des Universums
sind die beiden Astronauten
vorgedrungen. Von der kargen Oberfläche eines Planeten aus
blicken
sie in ein hell strahlendes Licht. „Hier finden sie die
letzten
Antworten“, ist sich Wulf
Golz
sicher. Wer den Raumfahrern in dem surrealistischen
Science-Fiction-Fantasy-Bild noch einige Fragen mit auf den Weg geben
will, hat dazu noch Gelegenheit bis zum 30. Januar im Forum Kunst und Architektur.
Gezeigt werden am Kopstadtplatz Malereien, Skulpturen, Zeichnungen,
Fotografien, Objekte und Installationen der Mülheimer
Künstlergruppe „vorläufig“.
Die
Gruppe „vorläufig“ setzt auf kein
übergreifendes Konzept, sondern auf gegenseitige Inspiration.
Ihre
Werke begreifen die sechs Mitglieder als einen Zwischenschritt auf dem
Weg zur Perfektion. Für diesen prozesshaften Ansatz steht Hermann-Josef Keyenburg.
Seine Bilder vergleicht der Maler mit dem James Joyce’schen
„Gedankenstrom“. Was gerade durch den Kopf gehen,
wird
sofort auf die Leinwand gebracht. Und so wurde aus dem Einfall, dass
durch zwei Buchstaben mehr aus einem Schlosser ein Schlossherr wird,
ein Gemälde eines Arbeiters, der ein Schloss auf seinen
Schultern
trägt.
Sehnsüchten widmet sich hingegen Ralf Raßloff.
Der Fotokünstler zeigt Orte, wo die Seele wie von selbst
anfängt zu baumelt. Doch die sperrigen Titel verraten, dass es
sich um Betrug handelt. „Der Dinge romantisches Herz oder der
Verlust des falschen Zaubers und seiner verdächtigen
Innerlichkeit“ nennt sich ein lauschiges Plätzchen,
eine
Bank unterm Baum mit Blick hinab ins Tal, das Raßloff aus
vielen
Postkarten und Imagebroschüren am Computer zusammensetzte.
Mit dem Medium der Fotocollage beschäftigt sich
auch Barbara Deblitz.
In einer Diaprojektion schichtete sie alte Familienfotos derart
übereinander, dass sich Vater, Mutter und Kind zu einem neuen
Familienmitglied formen. In einer weiteren Fotoarbeit schickte Deblitz
ihre Tochter auf die Straße: in selbstgefertigten und auf die
Größe von Erwachsenen gebrachten
50er-Jahre-Puppenkleider.
Die entsetzten Blicke der Passanten sollen dokumentieren, dass die
kindlichen Zukunftserwartungen mit der Realität kollidiert
sind.
Dass die Realität subjektiv gefärbt
ist, sieht man an
den abstrakten Landschaftsbildern von Vera Herzogenrath.
„Ich filtere meine Eindrücke“,
erklärt die
Malerin, die aus der Erinnerung heraus vielschichtige Farb- und
Raumerlebnisse in großen Formaten schafft. Vanessa Höttger
schließlich orientiert sich bei der Wahl ihrer Mittel an dem
Motiv. Ihr Repertoire umfasst Gegenständliches und Abstraktes,
Leinwand- und Objektarbeiten –
„vorläufig“
jedenfalls. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Vibrierender Raum
Linien, Flächen,
Farben… aber wie er
sie inszeniert! Michael
Jäger berauscht in der Galerie Frank Schlag
mit verführerisch schöner Malerei aus wenigen
Grundelementen.
Effektvoll pinselt der 50-jährige Kölner viele
Schichten
hinter eine Acrylglasscheibe. Räume in Räumen
entstehen,
verschachtelt, schemen- und rätselhaft. Dabei setzt der
Künstler mit der antiquierten Technik der
„Hinterglasmalerei“ sein Werk in Beziehung zu der
heute
verbreiteten Diasec-Rahmung von Fotografien.
Bekannt wurde Jäger vor allem durch seine
Wandmalereien. Mit
farbigen geometrischen Mustern verstand er es, Räume
aufzuwerten
und ihnen Tiefe zu verleihen. Die Arbeiten könnten als
Statement
eines bildenden Künstlers verstanden werden, Wände
nicht
allein Anstreichern zu überlassen. Inzwischen, so
scheint’s,
widmet er sich aber vorzugsweise dem Gemälde. Die
raumverändernde Motivation hat Jäger aber
beibehalten, wenn
auch umformuliert: Die Raster aus zahllosen, wackelig mit der
Hand gezogenen waagrechten und vertikalen Linien, die farbigen und
ungleichmäßigen Flächen, die Schwerpunkte
aus
organischen Formen – all sie bringen die Bildfläche
und den
umgebenen Raum zum Vibrieren. Es geht nicht mehr um die Erweiterung des
Raums, vielmehr verdichtet und intensiviert Jäger dem
vorhandenen
Raum.
Die Ausstellung ist unter dem Titel „Bloom und
Ornet“ bis
noch bis Donnerstag, dann vom 1. bis 12. August an der
Meisenburgstraße 173 zu sehen. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2006)
Vielfalt XXL
„Format
XS“ nennt sich die
Gemeinschaftsausstellung des Ruhrländischen
Künstlerbundes (RKB) und des Wirtschaftsverbandes Bildender
Künstler (WBK),
aber angesichts der Anzahl der beteiligten Künstlerinnen und
Künstler müsste man eher von „Format
XXL“
sprechen. „Wir wollen die Vielfalt zeigen“, sagt
Lore Klar
vom WBK. 60 Maler, Fotografen und Bildhauer zeigen im Forum Kunst und Architektur
(Kopstadtplatz) bis zum 23. Dezember ihre auf das Format ein Meter mal
ein Meter begrenzten Werke.
Das Spektrum ist entsprechend breit. Thomas Ohlert überführt
die Erkenntnis „Die meisten Unfälle passieren im
Haushalt“ auf die Leinwand, Franz-Josef Kampmann
aktualisiert Blechkriegsspielzeug um „Weiche Ziele“
und Computerspiele, Bettina
Zachow steckt alte Seifenstücke in Taschen aus
geflochteten Haaren, und Georg
Schreiber verfolgt mit der Kamera das Leben von der Wiege
bis zur Bahre und noch darüber hinaus. Separat zeigt Katarina Ebel
in einem sonst nur als Abstellkammer genutzten
schlauchförmigen
Raum ihre Installation „Heimatstube“, mit
Blümchenmuster an dem Wänden, alten Ohrensesseln und
Fotografien aus Siebenbürgen.(© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2005)
Licht
Wenn man auf die
Hohlspiegelobjekte von Adolf
Luther zugeht,
stößt man ein, zwei Meter davor auf ein Hindernis:
ein
imaginäres Bild im Raum. Dieses Phänomen konnte sich
der 1990
gestorbene Künstler selbst nicht erklären. Er nutze
es aber,
um seine Theorie der Materialisierung von Licht praktisch zu
untermauern. In der Ausstellung „Licht –
Light“ zeigt
die Galerie Neher,
Moltkeplatz
61, bis zum 15. Januar neun Licht- und Kinetik-Künstler, die
sich
– manchmal eher im weitesten Sinne - mit der Wirkung von
Licht
und dem Verhältnis von Licht und Raum auseinandersetzen. Neben
Luther sind dies Günter
Dohr, Albert Hien, Hans-Martin Ihme, Heinz Mack, Christian Megert, Otto
Piene, Jan van Munster und Peter Vogel.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Kreuz und quer
Wer in diesen Tagen auf
Eiersuche geht, wird zumindest in der Galerie Obrist
schnell fündig. In einer Ecke findet sich das Ei des Dieter Kränzlein.
Das stachelige Exemplar hat der 1962 geborene Bildhauer aus Stuttgart
gewissermaßen als Ostergruß platziert, ansonsten
konzentriert sich sein Werk vornehmlich auf ungegenständliche
und geometrische Skulpturen."Form, Struktur und Bewegung" sind
für Kränzlein die Inhalte seiner Kunst, die er mit
der Flex aus dem Muschelkalk offen legt.
Das spröde Material bildet die Basis von zwei
Werkgruppen. Zum einen schneidet und poliert er aus einem Block
Skulpturen, die wie aufeinander geschichtete Schieferplatten aussehen.
Zum anderen fertigt Kränzlein Quader an, in die er mit den
rotierenden Scheiben Linien fräst - mal vertikal und
horizontal Linie neben Linie, überwiegend aber wahllos kreuz
und quer. Doch letztlich folgen beide Werkgruppen einem Prinzip: Der
strengen geometrischen Form steht eine "verletzte" Oberfläche
gegenüber, die ihrerseits durch die scharfen ins Material
hinein gefrästen Kanten selbst verletzen kann. Aus dem
Aufeinandertreffen von polierten Oberflächen und
brüchigen Kanten beziehungsweise rauen Strukturen und klaren
Begrenzungen beziehen die Skulpturen ihre Spannung - bis zum 9. April
an der Rüttenscheider Straße 73. (©
NRZ/Tankred
Stachelhaus
2005)
Verstehen zerstört
Ein Kampf mit Laserschwertern?
Effektvolle
Diskobeleuchtung?
Explodierende Neonröhren? „Hinters Licht“
will die
gleichnamige Ausstellung im Kunstverein
Ruhr mit einer Installation von Jean-Francoise Guiton
führen. Dabei setzen zwei sich überlagernde
Videoprojektionen
von ständig rotierenden Röhren den Raum am
Kopstadtplatz bis
zum 16. Januar in Bewegung.
„Ping, ping“ schallt es dazu aus
Lautsprechern
–
jenes Geräusch, das beim Einschalten von Neonröhren
entsteht
und einem bei kaputten Exemplaren zur Weißglut treiben kann.
Dies
kann der Betrachter allerdings abstellen: Sobald er das
computeranimierte Bild eines flügelschlagenden Schmetterlings
in
der Raummitte betrachtet, setzt das nervige Geräusch samt
Röhrenprojektion aus. Für den 1953 geborenen, jetzt
in Bremen
lebenden Künstler ist dies mit zirpenden Grillen vergleichbar,
die
verstummen und sich damit verbergen, wenn man sie ausfindig machen will.
Die komplexe Medieninstallation spielt mit optischen
Reizen, der
Neugierde und mit Entzugserscheinungen. „Es ist vor allem das
Bedürfnis, etwas genau zu untersuchen, festzuhalten oder
besitzen
zu wollen selbst, das die Projektion und Töne dieser
Installation
verlöschen lässt“, schreibt Kurator Peter
Friese im
Begleitkatalog zur Ausstellung. Kurzum: Sobald man versucht, die
Installation von Guiton zu verstehen, wird sie zerstört. Der
Mensch ist Teil der Kunst lautet die Botschaft, und als solcher ist er
im Vornhinein befangen. In der Konsequenz dieses subjektiven
Kunstverständnisses liegt es, dass Assoziationen des
Betrachters
zum Werk gehören. Also zieht die Laserschwerter! (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Interaktion der Farben
Auch wenn sich seine Filme
nicht mit
Hollywood-Produktionen messen lassen wollen, so hat Raimer Jochims
doch zumindest früh deren Gesetz der Serie vorweg genommen:
Nach
dem 1972 gedrehten „Isar I“ folgte im gleichen Jahr
„Isar II“. Zwei Jahre später legte er noch
die
„Mainstudien“ nach. Kassenschlager waren diese
Filme nie.
Im Gegenteil, sie wurden bislang nicht einmal öffentlich
gezeigt.
Das ändert das Museum
Folkwang:
Diesen Freitag gibt’s ab 18 Uhr an der Goethestraße
41 eine
einstündige Uraufführung der genannten Werke
– 34 Jahre
nach ihrer Entstehung.
„Die Filme haben viel mit meiner damaligen
Malerei zu tun.
Bei
beiden steht die Farbe im Mittelpunkt“; sagt der
Künstler,
der mit analytischer Kunst seit den 60er-Jahren die materiellen und
geistigen Grundlagen der Malerei erforscht „Bei den Bildern
arbeite ich mit Verläufen über die ganze
Fläche, dem
entspricht, dass die Filmsequenzen nicht geschnitten sind“.
Stattdessen gibt’s Auf- und Abblendungen. An die Stelle der
visuellen Bewegung durch die Interaktion der Farben tritt nach eigenen
Angaben die Bewegung des Motivs und der Kamera. Wer einen Vergleich mit
Jochims malerischen Werk ziehen will: Einige seiner Werke sind derzeit
in der Ausstellung „Farbe+“ im Kunsthaus Essen zu
sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Inkompatible Schnittstellen
Da hat man schon Hunderte
Ausstellungen gesehen und
meint nun,
aus dem Steggreif zu jedem Kunstwerk eine gehaltvolle Bemerkung machen
zu können. Aber von wegen: Zu den Bildern mit den bunten
Farbklecksen, den Kringeln und Kreisen,
den immer wiederkehrenden
Worten „Sex“, „Hunger“ und
„Tod“
will einem partout nichts einfallen. Vergeblich versucht man, eine
Schublade zu finden. Und so lächelt man den Galeristen Gerd Schütte
an der Hauptstraße 4 in Kettwig verlegen an und hofft
inständig, dass dieser kein Gespräch über
die Werke von Thom Barth
sucht.
Dieser, angereist aus Friedrichshafen, sitzt bei der
Vernissage mit
seiner Tochter im Garten und will Gott sei Dank auch nicht
über
seine Kunst reden. Stattdessen philosophiert er über die
Informationsgesellschaft und darüber, dass jede Generation
ihre
eigenen Kommunikationswege und Interessen hat. „Sehen sie
hier
meine Tochter, bei der dreht sich momentan alles ums Handy!“.
Derart vorgeführt, blickt die Teenagerin kurz von ihrem
Mobilfunkgerät auf und grinst in die Runde. „Da
komme ich
nicht mehr mit“, sagt Tom Barth.
Steckt vielleicht in diesem Stoßseufzer eines
genervten
Vaters
der Schlüssel zum Werk? Ist es paradoxerweise so, dass nur
derjenige Zugang zu den Arbeiten findet, sie versteht, der nichts
versteht? In der Tat ist in seinen Bildern alles darauf ausgerichtet,
Schnittstellen anzubieten, die sich letztlich aber als inkompatibel mit
dem Leben des Betrachters erweisen. Barth beschäftigt sich
jedenfalls augenfällig mit der Reizüberflutung und
mit der
Schwierigkeit, aus dem zunehmenden Informationsangebot Relevantes
herauszufiltern. Verfremdete Bilder von den Osterinseln und dem
Irakkrieg verdeutlichen, dass die meisten Orte und Ereignisse nur in
den Medien und nicht im Alltag des Menschen präsent sind
–
bis zum 4. Juni. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Trügerischer Schein
Der
„Bauhaus“-Stil knüpft
im Ruhrgebiet
weniger an die berühmte Dessauer Schule als vielmehr an die
gleichnamigen Laden an. Wer billig ein Zechenhäuschen erwarb,
der
stattete es oft mit dem ganzen Arsenal der Baumarktkette aus.
Wintergärten, Vordächer und frische Farben trieben
die Freude
am Eigenheim in die Höhe - und die Denkmalschützer
aus ihren
Amtsstuben. Slowomir
Elsner
hat für diese Art der
„Verschönerung“, besser
gesagt: „Beschönigung“ sowohl ein Auge als
auch ein
Faible. In seiner Abschlussausstellung im Kunsthaus Essen konfrontiert
der Stipendiat „Junge Kunst in Essen“ mit
„Rot
Weiß“ bis zum 29. Mai das Allgemeine mit dem
Individuellen.
Seinen gekonnten Umgang mit dem Skurrilen bewies der
1976 in Polen
geborene Künstler, der jetzt in Berlin lebt, schon bei seiner
Antrittsausstellung. Dort hatte er Fotos von sieben Hochzeitspaaren
aufgehängt, um die sich – erst bei näheren
Hinsehen
erkennbar – immer die selbe Familie gruppierte. Zuvor hatte
Elsner sich selbst in der Arbeitskleidung unterschiedlicher Berufe
fotografieren lassen – eine humorvolle Annäherung an
das
Thema „Ich und die Uniform“, die nun an der
Rübezahlstraße 33 auf Reihen- und
Zechenhäuser
übertragen wird. Es sind die Bewohner der Gebäude,
die der
negativ empfundenen, genormten häusernen Uniform ihrer
Persönlichkeit anpassen wollen. Elsner greift in seiner
Malerei
dieses Phänomen durch aus dem Zusammenhang gerissenen
Häuserensembles mit bunt bemalten Türen oder Balkonen
auf.
Eine Rauminstallation stellt einen selbst in den Mittelpunkt einer
Verschönerungsaktion. Daneben zeigt Elsner Grafiken von
Menschen,
die offenbar einen wunderschönen Sonnenaufgang beobachten.
Doch
der Schein trügt. Die Zeichnungen entstanden nach der Vorlage
von
Atomtests aus den 50er- und 60er-Jahren. Dass nebeneinander von
„Faszination und Grauen, von Schönheit und
Schrecken“,
wie es im Ausstellungstext heißt, gibt’s offenbar
nicht nur
beim Hausausbau.
Parallel zu der Ausstellung von Elsner steht im Kabinett
der
Trostautomat von Jennifer Baumeister. Die Studentin der Kunsthochschule
Berlin-Weißensee hat tröstende Worte von rund 100
Kindern,
Männern und Frauen auf Video aufgenommen. Wer an ihren
Trostautomaten „Comfort XxL“ tritt, hört
ermunterndes
wie „Ich finde dich toll und mag
dich“. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Geist von Materie getrennt
Unnütz, aber zu
schade zum Wegwerfen: Der
Heimcomputer
aus den 80er-Jahren wird bei jedem Umzug von Keller zu Keller getragen
– gewissermaßen als Erinnerung an durchspielte
Donkey-Kong-Nächte und alberner, selbst geschriebener
Basic-Programm. Doch damit ist nun Schluss. Die Installation von Susanne Wackerbauer
im Kunsthaus Essen
schafft Platz im Kopf und im Keller. Ihr
„metArchiv“ trennt
Geist von Materie, Erinnerungen vom Objekt und mich vom C64.
Wackenbauer stapelte in der sehenswerten
Gemeinschaftsausstellung
„In den Raum gedacht“ auf Paletten 150
durchnummerierte
Pappkartons über- und nebeneinander. Viele Kuscheltiere,
Fotoalben, Briefe und Modelleisenbahnen, aber auch ein ganzes Motorrad
sind darin verstaut, rein virtuell versteht sich. Auf der Internetseite
www.metarchiv.de kann jeder die Kisten befüllen. Mit dem
Wissen,
dass die Erinnerung an den lieb gewonnenen Nippes im weltweiten
Datennetz aufgefrischt werden kann, „fällt es vielen
leichter, loszulassen“, hat Wackerbauer beobacht.
Mit Erinnerungen spielt auch
Jochen Mura.
Auf seinen Fotos sind Überreste von abgebrochenen
Häusern zu
sehen. Erkennbar ist, wo einmal eine Treppe befestigt war, im
Bildhintergrund wird bereits ein neues Gebäude errichtet. Bei
einer maßstabsgetreu nachgebauten Schornsteinattrappe ist
nicht
klar, ob die noch im Inneren eines Giebels in Funktion sein oder als
Überrest aus Bauschutt herausragen
könnte. Muras
Werk eröffnet einen teils humorvollen, teils melancholischen
Blick
auf das Werden und Vergehen des Stadtraumes.
Wer schon immer die Welt durch die Augen von Melanie Wiora
sehen wollte: An der Wand hängen Fotos, die die
Straßenzüge und Landschaften abbilden, die sich in
der
linken Pupille der Kölner Künstlerin spiegelten. Ihr
Auge
wird zur Schnittstelle zwischen Künstlerin, Betrachter und
Raum.
Raum ist auch in der kleinsten Hütte, etwa in
den drei
„Oktabinen“ Joanna
Schulte.
In den Pappkabinen mit einer Grundfläche von wohl nicht mehr
als
einem Quadratmeter brachte die Künstlerin aus Hannover eine
Animierbar mit drehender Tanzfläche, eine Kneipe mit
Würfelspiel und ein Fernsehraum mit Aquarium unter. Auf eine
Palmeninsel entführt hingegen die Installation von Kirsten
Krüger – bis zum 17. Juli. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus
2005)
Gefährt der Seele
Das Auto ist die
Verlängerung der Wohnung. Mancher Fahrer empfindet darin
selbst den Weg zur Arbeit noch als Freizeit. Hier sitzt er mit
Lieblings-CDs und Duftbaum. Durch die Autoscheibe hat Gosbert Adler das
Innere der "Gefährte der Seele" fotografiert. Mit der Kamera
verewigte er volle Aschenbecher, herumliegende Notizen und
Getränkeflaschen. In der Scheibe spiegeln sich
Straßenzüge, auf der Oberfläche der
glänzenden Fotografien in der Galerie Obrist,
Rüttenscheider Straße 73, wiederum die Betrachter.
Bis 6. November. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus
2004)
Geformte Stadt
Sein Atelier, das ist die
Stadt. Mit der Staffelei steht Jim
Harris in Parks, auf Straßen und unter einer
Eisenbahnbrücke. Hier entstehen schnell gemalte
Gemälde, die
sich an den formalen Gesichtspunkten einer menschlich
geprägten
Landschaft orientieren. Dem 38-jährigen Briten mit Wohnsitz in
Amsterdam kommt es dabei auf die Komposition im Wandel an. Er
lässt öffentliche Räume auf sich wirken,
erfasst die
diagonalen und vertikalen Verstrebungen der Brücke oder die
Geometrie der Straßen – um sie wieder
aufzulösen und
punktuell zu verwischen. Es sind ungestüme Bilder, die den
Prozess
des Malens einfangen. Dadurch rückt Harris den in seinen
Bildern
abwesenden Menschen wieder in den Mittelpunkt: Der Mensch formt durch
sein Handeln die Stadt.
„Inside - outside“ heißt
bis zum 31.
Oktober die
dazugehörige Ausstellung in der Galerie Kalthoff,
Sabinastraße 1, und während Harris
„draußen“ bleibt, tobt sich Michael Meyer im
„Inneren“ aus: Nach Vorlage von Fotos malt der 1969
geborene Mülheimer in seinen jüngsten Arbeiten
vornehmlich
Innenräume – etwa aus der Würzburger
Residenz oder der
Istanbuler Moschee Aya Sofia. Dabei versteht es der 1969 geborene
Mülheimer, den Moment des flüchtigen Betrachtens zu
konservieren. Unwichtiges verschwindet als Leerstelle auf der Leinwand,
Details wie kleine Engel einer Barockkuppel verschmelzen zu
Farbflecken, einem Lichtstrahl durch die Aya Sofia folgt Meyer mit
einem Wisch über den Malgrund. „Ich versuche, den
Eindruck
der Skizze auf die Leinwand zu übertragen“, sagt
Meyer. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Meditative Litanei
Dass eine Kopie ein Original
sein kann, zeigt Stefan
Pietryga in
der Galerie Heimeshoff.
Dem Seriellen drückt der 1954 geborene Künstler nicht
nur
seinen Stempel auf, das Serielle ist auch seine Handschrift. Bekannt
wurde er durch seine hölzernen oder bronzenen
„Pappel“-Skulpturen, ein Thema, das Pietryga
inzwischen als
abgeschlossen betrachtet: Im Schaufenster am Kennedyplatz
bläst eine goldene Figur jenen Baum, der zur Marotte werden
drohte, einfach um. Doch das Hauptthema ist geblieben: die Wiederholung
und die Vervielfältigung.
Kopieren heißt für Pietryga nicht
fälschen,
sondern
interpretieren. Nach der Vorlage von Zeitungsfotos zeichnete er
detailgetreu die Treppe von Odessa und die blaue Moschee in Istanbul.
Darüber malte er horizontale Farbstreifen. Die symbolgeladenen
Vor-Bilder überführte er in ein eigenwertiges
Bildersystem,
das „sowohl den Kontext des Zeitungsfotos wie auch die
zeichnerische und malerische Sensibilität des
Künstlers
transportiert“, wie Roland Scotti vom
Ernst-Ludwig-Kirchner-Museum in Davos im Ausstellungskatalog schreibt.
In einer weiteren Werkgruppe kopierte der einstige
Meisterschüler
von Ernst Hermanns sich selbst – nicht nach seinem
Ebenenbild,
sondern maßstabsgerecht. Der Potsdamer
vervielfältigte sich
als Skulptur, aber auch einzelne Körperteile als
großformatige Zeichnungen, die er wiederum mit vielen kleinen
blauen, stets gleichen Figuren übermalte –
für Pietryga
eine meditative Litanei. Die „Kopien“
gibt’s bis zum
15. Oktober. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Bewegte Menschen
Anfang der 90er-Jahre suchte Laurentz Thurn
in Berlin vergebens nach einer Wohnung. „Der Markt war
völlig leergefegt“, erinnert er sich. Und so weitete
der
Künstler seine Suche auf andere Städte aus.
Fündig wurde
er in New York, genauer in Harlem, wo er seitdem nach eigenen
Angaben als einziger Weißer unter Farbigen,
„als
Migrant unter Migranten“ lebt, und von wo aus er seine Bilder
in
die Werdener Galerie
Ricarda Fox.
Sein
Revier liegt zwischen der 103. und 130. Straße. Als
stiller
Beobachter fühlt er sich in die Menschen seines Bezirks ein.
Er
malt mit dick aufgetragenen Farben die Gangs, die Frommen, Wartende an
Haltestellen und Basketballspieler. Dabei sucht er vor allem
Gemeinsamkeiten: „Die Personen verkörpern
Archetypen“,
sagt der 41-Jährige. Diese zeigen sich für Thurn
weniger in
dem Aussehen der Menschen, sondern vielmehr in ihren Bewegungen. Daher
löst er die Bewegung über verschiedene Bilder hinweg
auf. Der
New Yorker splittert die Realität in bewegte Einzelbilder auf,
in
Filmschnipsel, die ohne Projektor bewegen. Beispielsweise verfolgte er
in einer Serie über fünf Gemälde hinweg drei
Männer, die an einem Auto stehen. Die Rollenverteilung wird
anhand
ihrer „Moves“ deutlich. Doch gelingt es Thurn auch,
Bewegung in ein einzelnes Bild zu bringen, etwa indem er ein Paar mit
Hund gleich doppelt über einen Zebrastreifen gehen
lässt. Die
Ausstellung an der Velberter Straße 66 ist bis zum 29.
Oktober zu
sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Ins Innere lockend
Brigitte Kurzrock widmete
sich der Malerei mit unbändiger Experimentierfreude und Lust,
und diese springt dem Auge aus ihren Werken entgegen. Die Malerin
wollte den Betrachter am Prozess des Malens teilhaben lassen. Deutlich
sind Pinsel- und Spachtelspuren zu erkennen, frühere
Farbschichten scheinen durch die Schichtungen aus Farbe, Wachs, Sand
oder Teer. Die Galerie
Obrist erinnert an die im vergangenen Jahr im Alter von 45
Jahren an Leukämie gestorbenen Künstlerin mit einer
Gedächtnis-Ausstellung.
Es sind kraftvolle, abstrakt informelle Bilder aus den
letzten drei Jahren ihres Schaffens, die organische Formen auf
geometrische Flächen treffen lassen. Kurzrock malte in warmen
Farben und in Anlehnung an die spätinformelle Malerei von
Antoni Tapies und Emil Schumacher vielschichtige, immer wieder
aufbrechende und damit ins Innere der Komposition lockende Werke. Dabei
wählte die Künstlerin auch untypische
Malgründe - etwa Holzkästen oder Zink, dessen
Oberflächenstruktur in dem Bild aufgeht. Die "Memories"
getaufte Ausstellung ist noch bis zum 3. April an der
Rüttenscheider Straße 73 zu sehen.
Entblößte Körper
Wind und Wetter trotzt der
Torso eines nackten,
dickbäuchigen Mannes, der seit 1989 auf dem Kennedyplatz
steht.
Seinem Schöpfer Waldemar
Otto widmet die Galerie
Heimeshoff
eine Ausstellung. Gezeigt werden bis zum 12. März kleinere
Arbeiten, die das Thema „Figur mit Gewand“
thematisieren.
War der 74-jährige Bildhauer bisher in erster Linie darauf
passioniert, mit entblößten Körpern die
Gefährdung
des Menschen und seine Verletzlichkeit durch äußere
Einflüsse in Bronze zu gießen, so reizte ihn an
seinem neuen
Werk vor allem der Gegensatz von voluminösen, schwellenden
Körperformen und straff gezogenen Faltenwürfen
–
„also das Zusammenspiel verschiedenartiger Formelemente, die
Spannung und Bewegung aufbauen, um schließlich in einer
übergeordneten Harmonie zur Ruhe zu kommen“, wie der
Künstler sagt.
Dass er dabei in seine Bronzeplastiken Konturen ritzt
und so Gesichter,
Brüste und Faltenwürfe skizziert, mag man als
überflüssig erachten, kann aber auch als eine
Fortsetzung des
Zeichnerischen ins Bildhauerische verstanden werden. Zudem: Indem er
die Oberfläche der Figur von außen verletzt, formt
er den
Menschen – wobei Otto wieder bei seinem Ursprungsthema
angelangt
ist. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Kopfreisen
Lichtgeschwindigkeit ist zu
langsam. Wer so schnell wie
möglich von Punkt A zu Punkt B reisen will, wählt
daher nicht
den direkten Weg, sondern faltet den Raum, so dass beide Punkte einfach
aufeinander liegen. Was bislang nur in Science-Fiction-Fantasien
funktioniert, realisierte Franka
Hörnschemeyer
am Kopstadtplatz. Aus beweglichen, wie Schwingtüren
aufgehängten Rigipsplatten hat die Berliner
Künstlerin
für den Kunstverein
Ruhr einen Raum geschaffen, der sich den Bewegungen des
Menschen anpasst.
Um in die Installation vorzudringen, müssen die
Raumbegrenzungen,
sprich: die Rigipsplatten bewegt werden. Vorsichtigen Schrittes
schreitet man dabei durch einen schmalen Korridor hin zu einem
zentralen Raum. Dieser erinnert entfernt an ein ausgeschaltetes
Holo-Deck des Raumschiffs Enterprise, jenem Ort, den die Raumfahrer
nach ihrem Wünschen formen können, der eine Illusion
der
Wirklichkeit schafft.
Und an diesem Punkt bringt Franka Hörnschemeyer
etwas ins
Spiel,
was mit dem Ausstellungsort selbst tun hat. Ausdrücklich
bezieht
sie sich mit ihrer Installation auf die Geschichte des Kopstadtplatzes,
der vor hundert Jahren mit Theatern und Varietés einer der
bedeutendsten Vergnügungszentren des Ruhrgebietes war und wo
der
ungarische Magier Houdini ein Gastspiel feierte. Für
Hörnschemeyer tritt er im Hintergrund ihres
künstlerischen
Konzeptes als inspirierender Mittler der Themen Raum und Illusion auf,
als einer, der sich mit seiner Entfesselungskunst über
Raumbegrenzungen hinweg setzte und das Fremde und Exotische
für
seine Zuschauer nah heranzauberte. Die schnellste Reise von Punkt A
nach Punkt B – die findet eben im Kopf mittels der Fantasie
statt. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Mit Kunst den Ton angeben
Kunst kann so einfach sein. In
ihrem Atelier in
Stadtwald hat Erika Buck
einen nach unten halb geöffneten kleinen Reisverschluss
und darüber ein Drahtverschluss von einer Sektflasche an die
Wand
gehängt. So entstand aus zwei Verschlüssen eine
menschliche
Figur. „Ich arbeite gerne mit vorgefundenen
Materialien“,
bekennt die Essener Künstlerin. Als Mitglied der
Künstlerinnen Sezession
Düsseldorf stellt sie gemeinsam mit
elf weiteren Malerinnen, Zeichnerinnen und Bildhauerinnen in der Folkwang Hochschule
aus.
„TonArt“ nennt sich die dritte Schau
des Vereins in
Werden,
die mit Kunst den Ton angeben will. Oder Töne in die Kunst
aufnimmt. Zumindest malen einige Künstlerinnen nach Musik:
Rhythmen und Klangfarben spielen in vielen Bildern eine wichtige Rolle.
Der Ausstellungsraum selbst steht für die Verknüpfung
der
Disziplinen. Das Foyer der Neuen Aula diente einmal als Aktzeichensaal
und Werkstatt des längst zur Uni Duisburg-Essen ausgelagerten
gestalterischen Fachbereichs. Heute ist es die Pforte zu Musik- und
Tanzveranstaltungen. Dagmar
Schenk-Güllich, Mitbegründerin
der Künstlerinnen Sezession Düsseldorf, bezieht aus
letzteren
ihre Inspirationen. In „Pinas Tonleiter“ tanzen
Körper
zu imaginären Klängen. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2004)
Entworfene Würfe
Vorhang auf für Alke Reeh. Die
Künstlerin untersucht
nun schon zum zweiten Mal in der Kettwiger Galerie Schütte
das
Verhältnis von Körpervolumen und Raum. Diesmal
inszeniert sie
den Faltenwurf von Vorhängen als spannendes Spektakel auf dem
Boden und an die Galeriewände an der Hauptstraße 4.
Alke Reh wurde 1960 in Münster geboren. Sie
studierte von 1981
bis
1984 Metallgestaltung und im Anschluss an der
Düsseldorfer
Kunstakademie Bildhauerei. In der Vergangenheit implementierte sie
Kirchen- und Moscheekuppeln in Teetasse. Grotesk waren ihre Symbiosen
von Blumenvasen und Röcken. Diesmal erkennt sie die Hirnrinde
in
der Draperie eines Vorhanges. Mit Holz formte Reeh die Rundungen von
Vorhängen nach, gestrichen in monotonem Weiß. Das
Licht und
die Schatten ergeben ein spannendes Spiel in den Würfen. Die
Kompression eines Stoffes wechselt sich mit seiner Expansion ab - bis
zum 24. Februar. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Sehnsucht nach Geborgenheit
„Die Idylle erlebe
ich nur
gebrochen“, meint Ruth
Habermehl. In der Tat erscheint in ihren Fotocollagen
alles etwas
irreal: vergilbte Farben, merkwürdige Proportionen und
überdrehte Perspektiven. In ihren Arbeiten wird die
beschauliche
Harmonie zu einem Abziehbild der Werbeindustrie.
„Schöne
neue Welt“, nennt die 1969 geborene Künstlerin ihre
Ausstellung in der Galerie
Kalthoff, Sabinastraße 1.
Kinder, die im Sand buddeln werden vor einem See
platziert. Ein Mann
steht mit Badehose in einer Schneelandschaft. Wanderer laufen einen
schmalen Pfad während gleich neben ihnen Korallen wuchern. Aus
mindestens zehn einzelnen Schnipseln schneidet Habermehl per Hand ihre
Bilder zusammen. Am Computer werden die dann abfotografierten Bilder
lediglich nachgearbeitet. Inzwischen verfügt sie über
einen
riesigen Fundus an Reisekatalogen und DDR-Bildbänden aus den
50er-
bis 70er-Jahren. Mit dem nostalgischen Material revitalisiert sie die
Sehnsucht nach Geborgenheit und besseren Zeiten – bis zum 10.
März. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Hart mutiert
Kunstvoll aneinander geklebte
Plastiktüten und
Pappkartons hängen an der Wand. Mit seiner Rauminstallation
greift
der Grafiker Clemens Behr
das vorgegebene Thema „Speicher“
auf. Doch schon in drei Tagen müssen die Behältnisse
selbst
wieder verpackt und abtransportiert werden. Das Projekt „Hartmut“ besetzt
jetzt zum dritten Mal nur
vorübergehend ein leerstehendes
Ladenlokal – diesmal im Haus
der Technik (HdT).
Dort, wo zuvor Kommunikationstechnik verkauft wurde,
wollen
Kommunikationsdesigner „Kunst vom elitären Sockel
holen“. So sagt es zumindest Paran Pour. Die
23-jährige
Studentin der Universität Duisburg-Essen gehört zu
den drei
kuratierenden Initiatoren, die sich selbst „Eltern“
nennen.
Ihr Baby, das heißt aus einer Laune heraus
„Hartmut“,
natürlich ein deutscher Vorname, aber auch die Kurzform
für
art mut(iert), eine Eigenschöpfung.
Mutiert ist der Verkaufsraum im HdT zur hippen
Hausbesetzer-Galerie:
fleckiger Boden, schmutzige Wände, zugegipste
Bohrlöcher. Ein
roter Teppich führt hinein. Da wirkt die gezeigte Kunst der
sieben
Mitwirkenden wie von selbst progressiv: Axel Braun etwa
arbeitet
fotografisch die Spuren an einer Briefkastenanlage heraus, Mona
Mönnig und Margarethe
Mielentz produzieren Tagträume mit
einer Wolken-Installation aus Trockeneis und Licht und Almut von Pusch
zeigt Fotos von sterilen Stadtlandschaften.
„In Berlin wäre das das keine große
Sache“, sagt
Pour über das Konzept. „Aber in Essen haben wir
Aufmerksamkeit.“ Neben dem HdT und der Universität
unterstützt das Kulturbüro das Projekt im Rahmen von
„GAPart“. Vernissage mit einer Tanzperformance von
Harald
Schulte ist an der Hollestraße heute um 19 Uhr. Im
Anschluss gibt’s eine Party. Besichtigung danach: Samstag und
Sonntag zwischen 14 und 19 Uhr. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2006)
Raum als formbare Materie
Seine Konstruktionen erinnern
an Bootssegel,
Sonnensegel, oder
Segel, die in verhallten Räumen den Schall schlucken. Dass er
vermutlich deswegen auf einer Internetseite unter dem Stichwort
„Maritime Kunst/Kunsthandwerk“ geführt
wird, quittiert Jens J.
Meyer mit einem Achselzucken. Mit Tüchern und
Schnüren spannt der 1958 geborene und in Essen und Hamburg
lebende
Künstler ein filigranes Netz in die Neue Galerie der
Volkshochschule.
Meyer versteht sich als Bildhauer. Den Raum betrachtet
er als formbare
Materie. Die Schnüre sind seine Linien, die Tücher
seine
Flächen. Mit einer „Vorzeichnung“
knüpft Meyer an
die lichte und geradlinige Architektur des VHS-Ausstellungsraumes im
Eingangsbereich an. Mit schwarzen Schnüren skizziert er einen
vertikalen Quader, der einen mit weißen Schnüren
gezogenen
horizontalen Quader durchdringt. In die geometrische
„Vorzeichnung“ spannt der 1958 geborene
Künstler
elastische Dreieckstücher. Jedes neu hinzu geknotete Element
verzieht das Werk. Sichtbar werden die Kräfte zwischen
Flächen, Linien und Leere.
Meyer schuf ein Werk, das sich selbst genügt –
spannungsgeladen, durchdacht, intuitiv und obendrein hübsch
anzusehen, aber eines, was nicht (wie seine anderen Werke etwa im
Museum Gelsenkirchen) dazu geeignet ist, wie gewünscht die
„Wahrnehmung von Orten zu verändern“.
Stattdessen
verstärkt die Installation namens „Quader
– textile
tensions“ die lichte und gradlinige Architektur und den
Durchgangscharakter der VHS-Galerie – bis zum 2. April.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Sich selbst malendes Bild
Bei der Vernissage legt sie
noch mal nach. Routiniert
reißt
Eva-Maria Schön eine schwarze Tüte auf
und verteilt den
Inhalt auf dem Boden. Mehr als tausend Fotopapiere mögen es
sein,
die die Berlinerin so im Raum verteilt hat. Doch auf keinen Bildern ist
etwas zu erkennen - nur einzelne Farben mit ein paar Schlieren drauf.
„Mehr Licht“ fordert der Kunstverein Ruhr in
seiner
aktuellen Ausstellung. Mit jedem Sonnenstrahl verändert sich
das
Werk am Kopstadtplatz.
Das Material bekommt die Künstlerin zum
größten Teil
geschenkt. Durch den Siegeszug der digitalen Fotografie wurde das
herkömmliche Fotopapier weitgehend
überflüssig. Je
nach Marke und Packung reagiert es unterschiedlich auf Licht. Im
Fotostudio würde man das Bild nach der Belichtung chemisch
fixieren. Doch Eva-Maria Schön lässt der Entwicklung
freien
Lauf. Immer dunkler werden die Farbtöne, die mal rosa, mal
grün, mal lila, mal blau ausfallen können. Aus den
vielen
Fotopapieren formt sich ein Bild, dass sich selbst malt
–
bis zum 27. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Dämon der Modelleisenbahn
Ob blond, brünett
oder schwarz: Mehr als nur
ein Haar
würde man in der Suppe finden, wenn man sie aus einem Teller
von Sekyung Lee
löffeln würde. Die koreanische Künstlerin
setzt die Motive auf ihrem dekorativen Geschirr aus vielen
Strähnen zusammen – eine wahrhaft haarige
Fisselarbeit.
Tugenden tischt hingegen Laura
Muhle auf. Auf den Einmachgläsern
im aufgehängten Regal steht Liebe, Geduld und Nachsicht. Bis
zum
6. August geben 24
Studenten der Kunstakademie Münster im Kunsthaus Essen,
Rübezahlstraße 33, Einblick in ihr Schaffen
unter Prof. Guillaume Bijl.
Die Bandbreite der gezeigten Arbeiten ist
groß, und doch eint
die
jungen Bildhauer, dass sie sich mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit
auseinandersetzen – vor allem aus der Ich-Perspektive.
„Ego“ nennt Moonho
Lee ein über eine Treppe
betretbarer Holzkäfig, in welchem, wie bei einer russischen
Babuschka-Puppe, zwei weitere verkleinerte Kopien ineinander stehen.
Weniger verschachtelt, aber gleichsam begrenzt sieht Gudrun Geyssel die
Welt. Sie stellt einen milchig-durchsichtigen Gummiballon aus, in
welchem es sich die Künstlerin einmal bei einer Performance
mit
Strandutensilien bequem gemacht hat. Es gibt heitere Werke, etwa die
verblüffend einfache Installation von Damaris Salewski, in
welcher
drei Ventilatoren in der Raumecke zwei grüne
Plastiktüten zum
Tanzen bringen. Es gibt lustige Arbeiten, wie die von Edith Micansky mit
Spoiler und Fuchsschwanz aufgemotzte Gehhilfe. Und es gibt ein
großartiges Foto von einem Modelleisenbahner, das Bianca
Voß, selbst mit im Bild, inszeniert hat. Wie ein
Dämon
greift der Mann in das Geschehen seiner künstlichen Modellwelt
ein, gespenstisch beleuchtet durch eine Dachluke. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Gruppendynamische Prozesse
Sie sind unter uns. Laufen
durch die
Fußgängerzone
und warten mit uns auf Grün an der Ampel. Doch die aufrechte
Haltung und der respektvolle Abstand, den andere Menschen zu ihnen
unbewusst einnehmen, verraten die Helden. Je mehr sie versuchen, in der
Gruppe unterzutauchen, desto mehr ragen sie aus ihnen heraus. Die
Fotografin In Sook Kim
zeigt im Kunst-Raum ihr
eindrucksvolles Gespür für solche Typisierungen und
gruppendynamischen Prozesse.
„Faces with no name“ nennt sich die
Foto-Schau, die Kopfschmerzen bereitet. Nahezu jedes Bild ist unscharf.
Hinzu
kommt, dass bei den Einzelporträts die Personen oft das
Gesicht
abwenden, sofern sie nicht ohnehin von hinten fotografiert wurden. Was
als Masche erscheint, ist tatsächlich als solche gemeint: Die
verschiedenen, ungefragt auf der Straße aufgenommen Menschen
ähneln sich in irgendeiner Weise, als gebe es einen
unausgesprochenen Standard. Mit der Unschärfe verschwimmen die
noch verbliebenden Unterschiede. Kim, die vor drei Jahren aus Korea
nach Deutschland kam, zeigte sich nach eigenem Bekunden jedenfalls
verblüfft, dass es bei mitteleuropäischen Frauen mit
glatten,
langen, blonden Haar die Konvention zu geben scheint, diesen zu einem
Pferdeschwanz zu binden und dazu ein ärmelloses Top zu tragen.
Die 34-jährige Schülerin von Thomas
Ruff an der
Düsseldorfer Kunstakademie bewertet dies nicht, sondern
arbeitet
solche Gesetzmäßigkeiten mit verschiedenen Mitteln
großformatig heraus. Zum einen inszeniert sie Gruppenbilder.
So
stellte Kim in Mülheim einen
„Schnappschuss“ von
Dreharbeiten zu einem Film nach. Die herrlich skurrile Aufnahme macht
die Rollenverteilung auch hinter der Kamera klar: Vom
Kabelträger
über den Regisseur bis zum Schaulustigen hat jeder seinen
festen
Platz in der beruflichen wie sozialen Hierarchie. Zum anderen
lässt sie ursprünglich an Straßenkreuzungen
fotografierte Menschen mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung auf
weißer Fläche interagieren. Dass man sich
Typisierungen und
gruppendynamischen Prozessen unterworfen ist, kann bis zum 29. Oktober
an der Rüttenscheider Straße 56 in dem
aufgehängten
großen Spiegel beobachtet werden. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus
2005)
Gestalt der Schattenwelt
Wer das Atelier von Kwang
Sung Park besucht, mag sich über die
bunten Farbspritzer an Staffelei und auf dem Fußboden
wundern.
Denn für seine Malerei scheint der 1962 in Seoul geborene
Künstler nur schwarz und ein bisschen grau zu verwenden. Aber
die
im Dunklem verborgene Seele des Menschen ist für den 1962 in
Seoul
geborenen Maler genauso bunt wie sein schwarz, das mit Hilfe vieler
Farben zusammengemischt wird. Die Galerie
Klose an der
Rüttenscheider Straße 56 (selbe Haus wie der
Kunst-Raum)
zeigt eine Auswahl aus seiner Werkreihe „avoir et
etre“.
Park widmet sich den klassischen Themen der Malerei:
Gesichter,
Körper und Landschaften. Doch die Motive findet er in seinem
Inneren. Er lässt dem Pinsel freien Lauf und gibt einer
Schattenwelt Gestalt. Aus den schwarzen Untergrund tauchen Gesichter
mit verschlossenen Augen schemenhaft auf, stets bereit, wieder in das
Nichts abzutauchen. Ein weiblicher Akt lässt sich nur erahnen.
Landschaften erscheinen als flüchtige Erinnerung. Die Malerei
von
Kwang Sung park öffnet ein Spannungsfeld zwischen schwarz und
weiß, Motiv und Hintergrund, Meditation und Dynamik. Zur
Finisage
am 24. Oktober, 19 Uhr, ist der Künstler anwesend.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Wucherne Malerei
Das Tafelbild
überlebte schon viele
Anschläge. Irgendwie ging
es immer um seine Überwindung. Oder zumindest Erweiterung.
Wenigstens Hinterfragung. Irgendwie. Doch dann dämmerte es
auch
den hartnäckigsten Bilderstürmern: Fehlende Inhalte
lassen
sich nicht immer aufs Mittel schieben. Die sicherlich durch die
„jungen Wilden“, aber auch durch die
Kontinuität der
informellen Altmeister unterstützte Renaissance des
Tafelbildes in
den achtziger Jahren gab auch Michael
Jäger Auftrieb. Seine
Malereien streben zwar auch die Erweiterung des Tafelbildes an,
allerdings ohne es dadurch grundsätzlich aufzugeben. Vielmehr
wird
es in einen konzeptionellen Zusammenhang mit dem Raum gestellt.
Mitunter hilft ein dazugemaltes Wandbildern – wie derzeit bis
zum
26. September in der Galerie
Frank Schlag an der Meisenburgstraße
173.
Der 1956 in Düsseldorf geborene Maler zerlegt
Räume
in
geometrische Farbformen. Streifen kombiniert Jäger dabei
sowohl
mit kleinformatigen Farbräumen als Bild im Bild oder freien
Formen
zu einem vielschichtigen Gesamtbild. Dabei wendet Jäger die
Hinterglasmalerei an. Der tatsächliche Ausstellungsraum
spiegelt
sich auf der Glasfläche wider, besonders bei den schwarzen
Flächen. Seine Malerei wuchert über die Grenzen des
Bildes
heraus, das absichtlich über keinen Rahmen verfügt,
und
besetzt ganze Wandflächen. Der konsequente Schritt
führte zur
Wandmalerei, die dem Raum mit farbigen Formen eine neue Dimension zu
vergeben mag. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Verleidete Urlaubststimmung
RWE – das
Kürzel hatte einmal
„den Ruf,
für Ruhe, Wohlstand und Erholung zu
stehen“,
erinnert sich Jan Zilius, Vorstand des Energiekonzerns.
„Aber diese Zeiten sind längst vorbei.“
Sagt’s
und schreitet durchs Foyer vorbei an mehren Swimmingpools, Projektionen
von Urlaubsfotos und Ansichten aus Reiseprospekten. Am Donnerstagabend
wurde im RWE-Turm
die Installation „Pool“ von Thomas
Böing eingeweiht.
Der Titel ist doppeldeutig gemeint. Der Kölner
Künstler
widmet sich dem Swimmingpool als Inbegriff für Urlaub und
Freizeit
schlechthin, indem er Plastiken, Zeichnungen und Fotografien zu einem
„Pool“ zusammenführt. Über
achtzig Mitarbeiter
steuerten Bilder von Palmen, Sonne, Strand und Meer bei. Aufgestellt
wurden unter anderem ein Turm aus gestapelten, aufblasbaren
Babyplanschbecken, ein innen türkis bemalter Pappkarton und
ein
ovales Becken aus Schaumstoff.
Böing greift auf vorhandene Bildwelten mit den
Mitteln der
Fotografie zurück – selbst wenn diese nur noch als
Vorlagen
für seine Werke erkennbar sind. Die Farbe blau bezeichnet der
1963
geborene einstige Meisterschüler von A.R. Penck dabei als sein
„ästhetisches Bindeglied“. Dass dennoch
keine rechte
Urlaubsstimmung im RWE-Foyer aufkommen will, gehört offenbar
zum
Konzept. „Indem Böing plastische Objekte auf
flächige
Ansichten reduziert, figurative Handlungen in statisch-lineare Konturen
übersetzt und den Pool zu einem blauen Loch verdichtet, nimmt
Böing den Insignien der Freizeitkultur nicht nur ihre
Symbolkraft,
sondern führt sie uns als sinnentleerte Stereotypen
vor“,
verleidet ein Text zur Ausstellung das Blättern von
Reisekatalogen. Vorbei ist eben vorbei.
„Pool“ (bis zum 11. März
2005) ist die
erste von drei
Ausstellung im RWE-Turm, die von der Fotografischen Sammlung des Museum
Folkwang betreut wird. Im nächsten Jahr bespielt Beat Streuli
den
Zylinder, geplant ist ferner eine Retrospektive von Diane Arbus.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
In Parallelwelt eingetaucht
Wenn sich das
„fließend
Wasser“ als
undichtes Dach und die „zentrale Lage“ als viel
befahrende
Straßenkreuzung entpuppt – ja, dann wurde im
Urlaubskatalog
geflunkert. Der Fotograf Thomas
Zika hat sich aus aller Herren
Ferienländer Reiseprospekte besorgt und sehr, sehr, sehr genau
angeschaut. Das Ergebnis erscheint aber alles andere als
präzise.
Grobkörnig schwimmen seine „Bathers“ durch
neblige
Gewässer. Sie lassen den Betrachter in der Galerie Obrist am
Museum (GAM) in eine Parallelwelt einzutauchen.
Zika schafft in seinem 24 Einzelwerke umfassenden Zyklus
hoch
suggestive Bilder. Mit dem Makro-Objektiv nahm der 43-jährige
Essener Strandszenen ins Visier. Schräg fotografierte Zika die
touristischen Motive aus den Broschüren dicht über
der
Oberfläche ab. So entstand ein künstlicher,
unscharfer
Horizont, der einen räumlichen Eindruck vermittelt,
während
die fokussierten „Bathers“, die
„Badenden“,
sich in platte Spielzeugfiguren verwandeln. Mit digitaler
Bildbearbeitung schließlich reduzierte der
Fotokünstler die
knalligen Prospektfarben auf ein Minimum.
Zika versteht den technischen Vorgang als ein Prozess
der
„Aneignung“. Die fotografische Vorlage des
Urlaubskataloges
entwickelte der Künstler zum autonomen Bild. Lust auf Urlaub
machen die Fotos ohnehin nicht. Die großformatig als
Lambda-Prints aufgezogenen Fotos wirken bedrohlich, teils, weil sie an
Aufnahmen eines Überwachungssatelliten erinnern, teils weil
aus
den unscharfen Regionen des Bildes jederzeit etwas
Gefährliches
hervorpreschen könnte – bis zum 19. September.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Moleküle in Flüssigkeiten
Rote Blutkörperchen?
Seeigel?
Kürbisse? Lampions?
Ufos? Die 446 rötlichen, kreisrunden Einzelteile der
Installation
„Woher/Wohin“ erinnern im Forum Kunst und Architektur
an
viele Dinge, ganz im Sinne der Künstlerin. „Ich
sammle
Assoziationen“, sagt Rona
Rangsch. Das meint die studierte
Physikerin vermutlich auch in einem anderen Sinne: Als
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut in Berlin
erforschte sie so genannte „Assoziationskolloide“,
kleine
Teilchen, die sich durch die Zusammenlagerung von Molekülen in
Flüssigkeiten bilden. Im Forum Kunst & Architektur am
Kopstadtplatz streben diese Teilchen bis zum 18. April, nunmehr
vergrößert und aufgehängt am Nylonfaden,
zum Oberlicht,
oder sie fallen dort herunter – wie man’s nimmt.
Ihre Inspiration mag die 1969 in Saarbrücken
geborene
Künstlerin aus chemisch-physikalischen Prozessen beziehen.
Doch
mit der Installation spielt Rona Rangsch mit den Möglichkeiten
an
Zuständen, die ein System aus vielen Einzelteilen im
Grenzbereich
zwischen lebender und toter Materie annehmen kann. Dabei ist
„Woher/Wohin“ durchaus auch ein
ästhetisches Erlebnis.
Das lässt sich auch über die
Fotografien von Boris
Kalinski
sagen. Der Fotograf gehört zu den fünf
Künstlern des BBK
Kunstforum Düsseldorf, die zeitgleich mit Rona Rangsch im
Untergeschoss ausstellen. Der hauptberufliche
Kommunikationstrainer will mit seinen Farbräumen messbare
Veränderungen der Gehinstromaktivitäten bewirken. Die
Makroaufnahmen von Farbverläufen auf Plastikfolien erscheinen
wie
informelle Gemälde. Daneben zeigt Irene Leister ein filigranes
Objekt aus 135 Pergamentröllchen. Elena Wohlreich
öffnet
„Körperwelten“, und Marilen von Wick
präsentiert
ihre Interpretationen des Themas Figur und Raum. Gitta Witzke
schließlich baute ihre „Beschwerdestelle“
auf dem
Kopstadtplatz auf. Hier werden Beschwerden aller Art zum Beispiel
über das „schlechte Wetter“ oder
„nervige
Naturgesetze“ aufgenommen und an die
„zuständige
Stelle weitergeleitet“ – leider nur am Tag der
Ausstellungseröffnung. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2004)
Inszenierte Inszenierungen
Wenn jemand die Schau
„Ansicht Aussicht
Einsicht“
prägt, dann ist dies Thomas Ruff – ohne allerdings
mit einem
Werk vertreten zu sein. Doch drei der fünf im Kunst-Raum
ausgestellten jungen Künstler studieren bei dem
einflussreichen
Düsseldorfer Fotografen, dem die Frage nach der Wahrhaftigkeit
des
Mediums seit den 80er-Jahren zu einem immer größer
werdenden
Abstand erst zum Motiv, dann zur Kamera bewegte: zunächst mit
ebenso großformatigen wie ausdruckslosen Porträts
und
monotonen Architekturbildern, dann mit grünstichigen Aufnahmen
durch ein Nachtsichtgerät, später mit digital
bearbeiteten
Pornobildern aus dem Internet und mit der Veröffentlichung von
fremden Negativen in Großformat. Seine Schülerinnen
und
Schüler führen an der Rüttenscheider
Straße 56 vor
Augen, dass es bei der Fotografie mehr um eine künstlerische
Haltung geht als darum, wie man die Kamera hält.
Robert
Voit
fotografierte in Asien atemberaubend komponierte
Stadtansichten, etwa einen Busbahnhof in Hong Kong, über den
sich
kulissenartig eine Silhouette aus Hochhäusern emporhebt. In
einem
anderen Foto wird ein roter Coca-Cola-Automat inmitten eines Gewusels
aus Straßen, Masten, Kabeln und japanischen Werbeplakaten zur
rettenden Identifikationsfigur. Ira Vinokurova porträtierte
dagegen in altertümlichen Nachkriegsinterieurs junge Frauen.
Dabei
blendete sie bis zu zwölf Aufnahmen der Person in gleicher
Pose
übereinander, was ihnen eine dreidimensionale, bewegte Wirkung
verleiht. In Sook Kim
schließlich inszeniert Inszenierungen. Die
Koreanerin setzte die Dreharbeiten von Werbefilmen, aber auch von
außen durch die Glasfassade die Retrospektive von Otto
Müller im Museum Folkwang ins rechte Licht.
Die „Positionen junger Fotografie“
komplettieren im
Kunst-Raum die Werke von Jörg
Steinmann und Roman
Weis – bis
zum 15. Mai. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Überlebender Wilder
Zu dem
größten Hype, wie man
neudeutsch sagt,
gehörte in den 80er-Jahren die Kunst der „Jungen
Wilden“. Manchmal noch nass rissen Galeristen den Malern die
Leinwände von den Staffeleien, um sie für sagenhafte
Preise
unter ein Klientel zu bringen, welches nach jahrelangen Darbens an
Konkreter Kunst endlich auch mal etwas konkretes auf den Bildern
erkennen wollte: punkige Krawallszenen, markige Symbole, dicke
Pinselstriche. Der Spuk war so schnell vorbei, wie er gekommen war. Ein
Überlebender ist Giso
Westing, der bis zum 2. Mai in der Galerie
im Schloß Borbeck ausstellt.
Westing, 1955 in Hannover geboren, Mitbegründer
der Gruppe
„Weißes Pferd“, Preisträger der
Villa Massimo,
zeigt in der Ausstellung mit Bildern aus den letzten zehn Jahren, dass
die Zurechnung zu den „Jungen Wilden“
mehr eine
Vereinnahmung war. Denn konsequent entwickelte sein eigentliches Thema:
die Farbe. Monochrome Farbfelder schmiegen sich an vielfach
übermalte Farblinien. Farbkörper werden im
Grenzbereich
zwischen angedeuteter Gegenständlichkeit und abstrakten
Formelementen in Farblandschaften komponiert. In allen
Gemälden
ist die Stofflichkeit der Farbe präsent – nicht als
Mittel
zum Zweck sondern als Zweck an sich. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2004)
Setzieren und Isolieren
David Alcantara, der
Rächer der Durchgefallenen. Drei Mal bewarb sich der spanische
Künstler in Malaga um den andalusischen Preis für
junge Kunst - ohne irgendeine Reaktion. Seinen Frust darüber
formuliert der 1974 geborene Spanier auf der Leinwand. Mit
geschriebenen Kraftausdrücken beschimpft Alcantara in einem
Bild die Jury. Mit Erfolg. Jedenfalls wurde ihm im vergangenen Jahr in
den Kategorien Malerei und Bildhauerei besagter Preis zuerkannt - aber
da hatte der Künstler seinem Heimatland bereits den
Rücken zugekehrt. In Duisburg fand er schon allein mangels
Deutschkenntnisse ideale Bedingungen vor, sein Hauptthema
voranzutreiben: die künstlerische Aufarbeitung des
Alleinseins. In der Galerie
Obrist, Rüttenscheider Straße 73,
suchen seine Plastiken und Malereien bis zum 14. Februar die
Gesellschaft des Betrachters.
Mit wenigen, nachlässig dahingeklatscht
wirkenden und an Graffitti erinnernden Elementen konstruiert Alcntara
Grundrisse seiner "Gedankenstädte". Der Spanier seziert und
isoliert dabei emotionale und visuelle Eindrücke der
menschlichen Beziehungsgeflechte. Schriftzeichen, schwarze Linien,
farbige, flächige oder umrissene Rechtecke und bearbeitete
Fotos von Straßenszenen fügen sich zu mehreren Bild-
und Bedeutungsebenen zusammen.
Als eines der ersten deutschen Worte lernte Alcntara das
Wort "allein". Fasziniert davon, dass sich das Wort aus "all" und "ein"
zusammengesetzt, verewigte er die paradoxe Gleichung 1=0=1 in seinem
Bild "Straße der Beziehungen". Nach seinem
Verständnis verschwindet der Einzelne in der Menge ohne seine
Individualität zu verlieren. "Wenn man allein ist, denkt man
intensiv an andere", sagt Alcntara. Mit seinen Bildern und Skulpturen
bietet er im Spannungsfeld zwischen dem Individuum und der Masse die
Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. (©
NRZ/Tankred
Stachelhaus 2004)
Spiel Tod
Die beiden Mädchen
sind reizend für
die Kommunion
hergerichtet, tragen weiße Kleider und halten Blumen, eine
Kerze
und eine Puppe in der Hand. So sieht man es jedenfalls auf dem alten
Familienfoto unbekannter Herkunft, das Marianna Gartner in
die Finger
bekam und damit dem Tod weihte. Auf ihrem Gemälde treten die
zwei
Kinder als Horrorfiguren mit hypnotischen Blick auf. Die Blumen sind
verwelkt, die Kerze in ein Schwert verwandelt, die Puppe in einen
kleinen Teufel. Die kanadische Künstlerin verbreitet in der Galerie 20.21
mit ihren fotorealistischen Malereien bis zum 15. Mai
eine morbide Atmosphäre.
Gartner fürchtet weder Tod noch Teufel. Ein
Kind mit
Totenschädel hüpft Seilchen, ein weiteres in
Marineuniform
steht entspannt neben dem Sensemann. In einem dreiteiligen Bild rahmten
zwei Leinwände mit jeweils einem androgynes Kind, das mit
schwarzem Gehrock und Zylinder an einen Totengräber erinnert,
schaukelnde Mädchen und Jungen ein.
Die alten Familienfotos, die sie als Vorlage nimmt,
vermitteln eine
Vertrautheit, die noch in den Bildern der 1963 in Winnipeg geborenen
Künstlern weiterlebt. Das Vergängliche ist
für Gartner
ständig präsent. Damit knüpft sie an die
flämischen
Maler an, die prächtigen Blumen- und Obst-Stilleben mit
Insekten
garnierten, um den bevorstehenden Zerfall vorauszunehmen. Gartner
trägt diesen Ansatz in einer gruseligen, manchmal kitschigen
Variante verstörend in den Mittelpunkt der Gesellschaft: der
Familie. „Play dead“, „spiel
Tot“ heißt
der Katalog zur Ausstellung.
Die Künstlerin spielt in ihren bildgewordenen
Alpträumen aber
auch mit den gestalterischen Mitteln der europäischen
Portraitmalerei. So flattert ein buntes Band in der Hand eines Jungen
in Uniform, mit dem auf alten Familiengemälden gerne das
Kindliche
betont wurde. Doch bei Gartner erhält dieses Band eine absurde
Funktion. Mit ihm führt das Kind ein Baby an der Leine.
Parallel sind an der Meisenburg 169-173 Werke von Ebru Erülkü
zu sehen. Die 31-jährige Fotografin, die in Essen
Kommunikationsdesign studierte, inszeniert Räume und
Situationen.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Bestäubter Körper
Ein langsames, verzerrtes
Atemgeräusch lockt
vor zwei Videobeamer,
die in der Ecke des Kunsthauses
Essen eine dreidimensional wirkende
Projektion werfen. Arme und Beine verschmelzen darauf in pulsierenden
Bewegungen zu einem organischen Ganzen. Das sinnliche Werk von Rani
Marius Le Prince spürt bis zum 4. April im
Kunsthaus Essen dem
Körper und der Verbindung zur Umwelt nach.
Die 1966 in Hamburg geborene Tochter eines in Frankreich
aufgewachsenen
Inders und einer Deutschen zeigt in der Ausstellung
„hörbar
abwesend“ Video- und Klanginstallationen sowie Zeichnungen.
In
einer Serie zeichnete Le Prince die Bewegungen von Tänzern wie
eine Notation auf. Die flüchtigen Momente des Tanzes
verdichtet
sie mit leichten Strichen zu einem einzelnen Bild. Eine weitere Serie
widmet sie dem Granatapfel, dessen Risse als eine über das
Obst
hinausführende Struktur und als Rhythmus wahrgenommen werden.
Der Körper als organisches, energetisches
Ganzes –
dieses
Thema verfolgt die in Berlin und im französischen Autignac
lebende
Künstlerin auch mit ihren Videoinstallationen. So projiziert
sie
in die Mitte eines abgedunkelten Raumes auf eine Mehlfläche
einen
nackten, mit einer roten indischen Gewürzmischung
bestäubten
Frauenkörper. Oberfläche und Körper
verschmelzen
miteinander. Die Atembewegungen lassen immer neue, faszinierende Bilder
entstehen.
Gleich nebenan, im Kabinett des Kunsthaus, kann man es
sich auf einem
Sessel vor einem Fernseher bequem machen. Gezeigt wird ein Video, das Anke Grams
in verschiedenen Märchenparks filmte. Doch bei dem
Märchen „und wenn sie nicht gestorben
sind“ will und
soll gar keine märchenhafte Stimmung aufkommen. Die
29-jährige Künstlerin schnitt die Szenen so zusammen,
dass
die bewegten Holzfiguren als randalierende Chaoten erscheinen. Nach der
Verzauberung kommt die Entzauberung. Dies leitet Grams mit dem schief
interpretierten Musikstück
„Märchen“ von
Béla Bartók ein, führt es weiter
über
Märchen, die nur noch als Automaten in Märchenparks
erzählt werden bis hin zur Glotze, vor die man Kinder setzt,
anstatt ihnen lebhaft Märchen vorzulesen und zu vermitteln.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Hölzerne Akrobaten
Mein Freund, der Baum. Roger Löcherbach
bearbeitet die
Stämme mit der Kettensäge so lange, bis die Form auf
einen
menschlichen Stammbaum schließen lässt:
Hölzerne
Akrobaten wandern auf Stelzen, springen einem Ball hinterher und heben
einander in die Höhe. Der Wuchs der von einer
Gärtnerei
angelieferten Bäume gibt die Form und die Haltung der Figuren
vor.
Meist sind es zwei oder mehr Figuren, die fest umschlungen aus einer
Astgabel erwachsen. „Paarkonstellationen“
heißt es
bis zum 31. Juli im Forum
Kunst und Architektur am Kopstadtplatz
– auch weil Löcherbach die Ausstellung gemeinsam mit
Sara
Niedermowwe bestreitet.
Nein, er könne noch durch den Wald spazieren,
ohne in jedem
Baum
eine Skulptur zu sehen, antwortet der 1963 geborene Fischlaker
Künstler ungefragt. Das erscheint verwunderlich, setzt
Löcherbach doch eine Grundweisheit der Bildhauerei um: Die
Figur
war schon immer im Baum geborgen, er musste sie nur freilegen. Dass er
dies mit dem Brachialwerkzeug Kettensäge macht, gibt Anlass zu
Spekulationen: Ist die Beziehung des Menschen zum Baum durch Gewalt
gekennzeichnet? Oder im Gegenteil: Muss Gewalt angewendet werden, um
den Menschen vom Baum zu trennen? Doch wer über solche
hölzernen Fragen sinniert, übersieht schnell die
ästhetische Dimension der Werke.
Sara Niedermowwe indes entzweit den Stahl vom Beton. Die
1955 geborene
Essener Künstlerin setzt mal Maschen-, mal Stacheldraht auf
runde
Betonscheiben. In einer siebenteiligen Serie entzwirbelt Niedermowwe
von Betonrechteck zu Betonrechteck immer mehr ein Drahtseil.
„Couples“ und „Singles“ nennt
sie ihre ebenso
schlichten wie eindrucksvollen Arbeiten, die Distanz und Nähe
thematisieren.
Näheres lässt sich am 8. Juli, 19 Uhr, im Forum Kunst
und
Architektur am Kopstadtplatz bei einem
Künstlergespräch
erfahren. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Bewährter Ansatz
Welkende Blumen werden zu
Stilleben, nackte Frauen zu
Akten
und topografische Merkmale zu Landschaften. So geht das schon seit
Jahrhunderten; ein jeder Künstler sucht seinen Zugang zu den
„klassischen Themen“. Aber warum immer was Neues
erfinden?
Manchmal reicht es ja auch, einen bereits bewährten Ansatz
wieder
vor Augen zu führen, frei nach dem Motto: „Es ist
schon
alles gezeichnet worden, nun auch von Eberhard
Hückstädt.“
Der 1936 in Potsdam geborene Maler und Zeichner muss ein
Faible
für die Kaffeehausmalerei der Jahrhundertwende haben. Seine
kolorierten Zeichnungen von entblößten fliegenden
Frauen mit
Hut, Vasen mit Blumen, die ihre Köpfe hängen lassen,
und
idyllisch verklärten Landschaften machen sich aber auch noch
heute
prima zu plüschigen Sesseln an gedeckten Tafeln. Sie
sind
das auf Büttenpapier gebrachte Pendant zu geblümten
Sammeltassen. Mit unleserliche Anmerkungen in Sütterlin
steigert
Hückstädt noch einmal die Nostalgie bis zum 9.
November in
der Galerie Aviva,
Brückstraße 26.(© NRZ/Tankred Stachelhaus
2003)
Unendliche Weiten
Es heißt, dass erst
der Betrachter das Bild in
seinem Kopf vollendet.
Wenn dies zutrifft, gibt’s bei den Malereien von Franz
Stanislaus Mrkvicka noch viel zu tun: In welligen Linien
und
verschwommenen geometrischen Formen gilt es, „Unbekannte
Landschaften“ zu entdecken. In der gleichnamigen Ausstellung
zeigt die Galerie
Geymüller, Schützdellerweg 11, eine
Auswahl
der Bilder des österreichischen Malers.
Mrkvicka scheint eine Gegenwelt zu seinem Hauptberuf
Ingenieur zu
entwerfen. Statt nüchternen Zahenlreihen malt er lichte,
transparent
anmutende Landschaften. Um die schwebende Wirkung seiner Bilder zu
unterstützen, wendet der 1950 in Wien geborene Maler eine
besondere Technik an. Zum einen überzieht er die Leinwand mit
feinem Japanpapier, zum anderen mischt er seine Farbe aus Acryl und
Bienenwachsseife zusammen. So scheint eine Malschicht durch die andere.
Seine Bilder kennen weder Urspung noch Ende, nur unendliche Weiten, die
der Fantasie freien Lauf lassen. Mrkvicka schafft die Voraussetzung,
den Schritt ins Bild muss der Betrachter in der Galerie
Geymüller
bis zum 22. November selbst gehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2003)
Persönliches bleibt unter Verschluss
Setsuko
Fukushima ist
eine Sammlerin. In ihren Bildern und Objekten hebt sie Erinnerungen
auf. So, als ob sie das Hirn entlastet. Doch damit gibt sie
längst
nicht alles von sich preis: Das Geheimnis und das Unbewusste bleibt
auch in der Galerie
Beate Kollmeier bewahrt.
Eine große Rolle spielen in ihrem Werk Zettel
und Schnipsel
mit
Schriftfragmenten. Mal klebt die japanische Künstlerin sie
aufeinander, so dass die unteren Blätter kaum zu sehen sind.
Das
oberste Blatt dieser „Code Books“ wird farbig
bemalt. Ein
anderes Mal schichtet sie Texte und informelle Formen auf lackiertem
Transparentpapier übereinander. Dies nennt die in
Düsseldorf
lebende Künstlerin „Ge-Schichte“. In einem
Mini-Regal
hebt sie ausklappbare „Spazierbilder“ als
Erinnerung auf.
Hinter dem Umschlag „Essen“ verbergen sich ein
signierter
Stein und Fotos von der Autobahn.
Mit ihren Objekten, Zeichnungen und Malereien bietet
Fukushima nicht
viel mehr als einen Anknüpfungspunkt für ihre
Erinnerungen.
Die Werke erscheinen wie Aktenordner, deren stichwortartige
Kennzeichnung zwar den Inhalt anzeigt, aber nicht ausbreitet. Der
Inhalt ihrer Werke geht ins Persönliche, was die japanische
Künstlerin unter Verschluss zu halten gedenkt. Die Ausstellung
mit
dem entsprechenden Titel „Verschlüsselt“
ist bis zum
4. November an der Hufergasse 33 zu sehen. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2003)
Schwebende Figuren
Manchmal ist es Liebe auf den
ersten Blick. Vor 20
Jahren bestaunte Olaf Eybe in einer Warschauer Galerie einige mit
„E.Lesser“
signierte Grafiken. E. entpuppte sich als Ewa.
Mit der 1953 in Lódz geborenen Künstlerin und
Professorin
verbindet nun den heutigen Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen
Gesellschaft Essen eine grenzüberschreitende Freundschaft. Zum
zweiten Mal lädt die Gesellschaft zur Ausstellung mit der
polnischen Künstlerin in die Galerie Bredeney.
Verbindendes Element ihrer Grafiken sind ein
zusammengekauerter
menschlicher Körper. Die grau-grünen Figuren schweben
auf
einem Untergrund aus erdigen Farben und vermengen sich mit organischen
Ornamenten. Es ist eine Mischung aus dem Insichgehen und dem
Schutzsuchen in einer deutlich abgetrennten Umwelt, die Lesser mit
ihren aufwändig hergestellten Druckgrafiken thematisiert. Mit
einem ausgestreckten Arm sucht die Figur den Kontakt zur
Außenwelt, die sich in der Bredeneystraße 19
befindet.
In einem weiteren Raum hängen Werke von der
33-jährigen Polin Iwona
Liegmann
– witzige Fetisch-Puppen aus Flummis mit eingegossenen
Tierköpfen und kleine charmante, surrealistische Malereien.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Sehnsüchtiger Bewahrer
Als
„Bewahrer“, der seine Malerei
als realistisches Zeitzeugnis in den Mittelpunkt rückt,
versteht sich Marcus
Freise. Doch im Mövenpick Hotel im Handelshof stellt
der 1957 geborene Essener in erster Linie vergangene Epochen zur Schau:
Szenen aus der vorvergangenen Jahrhundertwende, wo Kinder im
Matrosenanzug im Hülsmannshof am Tisch sitzen und Herrschaften
im
Sonntagsanzug die Ruhr entlang flanieren. Die Sehnsucht nach einer
Zeit, wo alles besser war, ist in jedem Pinselstrich spürbar
-– insofern stellt Marcus Freise mit seinen perfekt gemalten
Gemälden auch eine ständig vorhandene Befindlichkeit
als
allgegenwärtiges „realistisches
Zeitzeugnis“ zur
Schau. Daneben zeigt Manfred Raub seine vom französischen
Impressionismus beeinflussten Städtebilder und Landschaften
bis
zum XX. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Bananenrepublik
Die Kunst von Thomas
Baumgärtel
ist Banane. In Nacht- und Nebelaktionen sprüht der
Kölner
Sprayer die gelbe Südfrucht an die Eingangspforten
renommierter
Museen und Galerien – meist ohne Genehmigung. Die
polizeilichen
Anzeigen füllen mehrere Aktenordner. Doch Baumgärtel
sieht in
seiner Spraybanane einen Kurzschluss zwischen Kunst und einem einfachen
positiven Symbol. Zudem würden auf diese Weise die besten
Kunstorte weltweit vernetzt. Mittlerweile gilt eine Banane bei vielen
Kultureinrichtungen als eine hohe Auszeichnung. Das Museum Ludwig lobte
die Aktion gar als die „größte
dadaistische Aktion der
Kunstgeschichte“. Gestern nun streifte der 1960 geborene
Künstler im Rahmen seiner Ausstellung bei der Werdener Galerie Ricarda Fox
durch Essen.
Ob er dem Museum Folkwang eine Banane verleiht?
„Vielleicht“, sagt Baumgärtel, der
neuerdings seine
Auszeichnung auch wieder aberkennt, indem er sie durch eine geplatzte
Banane ersetzt. Das Symbol für das Irrationale klaute der
Künstler bei Andy Warhol. Geschaffen 1966 für das
Cover einer
Platte von „Velvet Underground“ , hatte der
amerikanische
Pop-Artist der Banane zu künstlerischen Weihen verholfen.
[Update
T.S.: In persönlichen Gesprächen versicherte mir
Baumgärtel, dass Warhols Banane nicht Pate für seine
Banane
stand]
Seitdem Baumgärtel sozusagen auf der von Warhol
hingeworfenen
Schale ausrutschte, kommt er von dem Tick mit der Banane nicht mehr
runter. Aus dem Kölner Dom ließ er ein riesiges
Exemplar
kriechen. Seine aus aberzähligen kleinen Bananen gesprayten
Bilder
– die übrigens auch eine Erdbeere darstellen
können -
nennt er Bananenpointillismus. Derzeit plant Baumgärtel,
Deutschland in eine Bananenrepublik zu verwandeln: Eine große
Banane soll das Brandenburger Tor schmücken.
In der Galerie Ricarda Fox wird es ab heute 19 Uhr aber
ein paar
Nummern kleiner ausfallen. Ausgestellt werden bis zum 31. Oktober
Gemälde, in denen seine Aktionen und die ausgezeichneten
Kunstorte
selbst zum Bildgegenstand werden. (© NRZ/Tankred Stachelhaus
2003)
Simulation der Lebenswirklichkeit
Als Bewohner einer von Volker Hinze
entworfenen Stadt würde man sicherlich Depression bekommen.
Der
1949 in Duisburg geborene Künstler setzt Hochhaus an Hochhaus
und
verbannt zugleich Menschen, Pflanzen und sogar Balkone aus seinen
idealisierten Megacities. Die am Computer aus unzähligen Fotos
zusammengesetzten düsteren Bilder verdichten unter dem Titel
„urban defects“ beängstigend, aber
zugleich fesselnd
die Struktur der Stadt. Eine Auswahl seiner Bilder ist bis zum 18.
Oktober in der Galerie
Obrist zu sehen.
Wenn Volker Hinze gebeten wird, sich fürs
Pressefoto vor seine
Bilder zu stellen, reagiert er allergisch. Solche
„gestellten“ Fotos berühren direkt sein
Thema: die
fortschreitende Simulation der Lebenswirklichkeit. Besonders mit dem
Computer sind der Manipulation keine Grenzen gesetzt. Mit digitaler
Bildbearbeitung speist Heinze selbst der Informationsgesellschaft neue
künstlerische Bildfindungen ein.
Die Namen seiner vier Werkgruppen sind der
Computersprache entliehen.
In „Collapsed Systems“ stehen Landschafts- und
Meeresfotografien für Ereignis-, Raum- und Zeitlosigkeit.
Getaucht
in diffusem Licht, sollen diese
„Universalräume“ laut
Hinze den „äußeren Zustand unseres
Naturverständnisses bildhaft
hinterfragen“. Portraits
junger ernsthaft dreinblickender Menschen streben dagegen unter dem
Titel „random access memory“ einen inneren
Schwebezustand,
der „bewusst die Kontingenz unserer Gegenwart
reflektiert.“
Daneben wird an der Rüttenscheider Straße 73 unter
dem Titel
„advanced companies“ Werbung für fiktive
Unternehmen
mit historischen Meilensteinen der Fotografie wie den ersten
Röntgen- oder Satellitenaufnahmen gemacht. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Ikonografie von Werbeplakaten
Das de Prins am Isenbergplatz
setzt seit jeher
Maßstäbe in Sachen Kitsch. Die Wände
quellen über
vor Hirschgeweihen, Heiligenbilder, bunten Lampen und Plastikfischen;
sogar eine Modell-Eisenbahn verkehrt über den Köpfen
der
Grölsch trinkenden Gäste. Nun hat die
holländische
Kneipe eine kleine Galerie gleich um die Ecke aufgebaut. Als erstes
zeigt der „Showroom
de Prins“ an der Rellinghauser Straße
112 bis zum 25. Juli Zeichnungen und Graphiken des Illustrators Helge Jepsen.
Der 1966 in Flensburg geborene Kommunikationsdesigner
spielt mit der
Ikonografie von US-Werbeplakaten aus den 40er- und 50er-Jahren.
„The radio of tomorrow - today“ lautet eine
Botschaft zu
einem comicartig gezeichneten Radio. Fernseher oder Mixer werden von
Jepsen in Szene gesetzt und stets mit dem offensichtlich geflunkerten
Herstellernachweis „Jepsen Industries - Quality since
1909“
versehen. Eine weitere Serie widmet sich einem
„Alphabetischen
Trip durch New York City“. Das Guggenheim Museum erscheint
als
Apfel, das Woolworth Building als Einkaufstasche und das Rockefeller
Center als Tresor.
Die Galerie ist Dienstag bis Samstags 15 bis 17 Uhr
geöffnet. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Vor dem Werk steht die Arbeit
Statt die Natur zu malen, malt
er die Natur des Malens.
Diese hat bei Christian
Stock
etwas mit Beharrlichkeit zu tun. Etwa 600 Mal tauchte er bislang
für ein Bild den Pinsel in rote Farbe um es immer wieder im
gleichen Farbton zu übermalen. Innerhalb von drei Jahren
schichtet
der 42-jährige Konzeptkünstler so die Farbe zum
„Würfelbild“. Bis ein durch und durch aus
Farbe
bestehender Kubus entstanden ist, dürften noch einige Jahre
hinzukommen. Als „Work in Progress“ erstaunt das
halbfertige Werk derzeit im Schaufenster des Kunstverein Ruhr am
Kopstadtplatz.
Der Sohn eines Tiroler Kunstschnitzers ließ
sich von
aufgeschichteten Schneeflocken zu einer die Malerei an sich
thematisierenden Malerei inspirieren. Reduziert auf die Grundfarben
Rot, Gelb, Blau und die Nichtfarben Weiß und Schwarz, bilden
seine Werke die technischen Bedingungen des Malens ab, die zugleich
aber auch die Möglichkeit des kreativen Schaffens
eröffnen.
Die Malerei gehorcht bestimmten Gesetzen. So wird der
Strich immer
blasser, bis der Pinsel erneut in Farbe getunkt wird, wie Stock im
Ausstellungsraum am Kopstadtplatz zeigt. Von links nach rechts bemalte
er die Wände mit zackigen, roten Linien. Man sieht, wo er
immer
wieder neu den Pinsel ansetzen musste. Obwohl kein Stück
identisch
ist, lebt der flimmernde „Farbraum in Rot“ von der
Wiederholung des Strichs. Die beharrliche Wiederholung erscheint als
eine Litanei für die eigene Schöpfung, sie macht die
Kunst
überhaupt erst möglich. Vor dem Werk steht die Arbeit
–
das überhaupt mal wieder vor Augen geführt zu haben,
dafür gebührt dem Wiener Künstler sicherlich
Dank.
Der „Farbraum in Rot“ und weitere
Werke sind gut
durch das
Schaufensterglas am Kopstadtplatz zu sehen. Eintritt ist erst wieder
nach der Sommerpause des Kunstverein Ruhr am 2. September
möglich. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Fantastische Fantasie
Dass ihre Bilder
früher düster und aggressiv waren, sieht Moni
van Rheinberg als eine überwundene Episode.
„Mir wurde einfach bewusst, dass
ich als Künstlerin eine gewisse Verantwortung habe“,
sagt die in Köln
aufgewachsene Essener Künstlerin. Anstatt also die ihrer
Meinung nach depressive
Gesellschaft mit gemalten Botschaften wie „Die Schweine von
heute sind die Schinken
von morgen“ noch weiter herunterzuziehen, verbreitet sie nun
Freude und
Zuversicht mit ihren Wandmalereien, Bildern und Objekten, aber auch
sozial
engagierten Kunstprojekten, etwa mit Bewohnern eines Kinderheims. Im
Rahmen der
Reihe „GAPart“ des Kulturbüros richtete
van Rheinberg in Rüttenscheid jetzt ein leerstehendes Ladenlokal an
der Baumstraße 4 her. Bis zum 31. Januar zeigt sie dort
zwei Ausstellung. Erst ihre neuen Arbeiten und ab dem 16. Januar
Fotografien,
Modelle, Bilder und Objekte zum Thema Stadtverschönerung und
„Schöner nisten im
Ruhrgebiet“.
Das gerade erschienene,
aufwändig gestalteten Kunstbuch „Bilder
und Figuren Undnochmehr“ gibt Einblicke in die bildnerische
Poesie von Moni van
Rheinberg. Zu ihren Themen gehören Weiblichkeit,
Verletzlichkeit, Heilung und Materialität.
Bunte „Traumfängerinnen“ malte die
Künstlerin mit Ölfarbe, Wachs und Sand auf
Holzplatten, eine Skulptur gleichen Namens erwuchs aus Kaffeepulver.
Echte
Haare befestigte sie an ihrem Werk „Große Frau mit
Springfisch und gestreiften
Hund suchen seit Tagen das Lachen.“ Schon solche
Titel-Ungetüme verraten, dass es
van Rheinberg auch spannende Geschichten mit den fantastischen Bildern
erzählen
will. Ihre Galerie „Unamomenta“ ist freitags von 15
bis 19 Uhr, samstags von 14
bis 17 und sonntags 14 bis 18 Uhr
geöffnet. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Eiserne Kulisse
Zu den schwierigsten Momenten
eines
Künstlers gehört die Entscheidung, wann ein Werk
fertig ist.
Im Grunde genommen ist es ja nie fertig: Einmal in die Welt entlassen,
führt es ein Eigenleben. Das Material bleibt meist konstant,
der
geistige Inhalt eines Werkes vermag sich im Zuge von Interpretationen,
Belobigungen, Kritik oder schlimmstenfalls Nichtbeachtung zu wandeln.
Besonders konkrete Künstler haben ihr Sein gegen ihr Schaffen
deutlich abgesetzt. Sie verstanden sich als Geburtshelfer der Kunst,
die für sich selbst, unabhängig von der
Persönlichkeit,
bestehen sollte.
Heiter
Müller-Schlösser
gehört zu diesem Typus. Er hämmerte acht mal acht
Stifte in
die Wand, an die er kurze, scharz-isolierte und verschieden gebogene
Kupferdrähte hing. Bevor er das Werk jetzt in die Ausstellung
verabschiedet, prüft er immer wieder die
Komposition,
biegt und tauscht einzelne Elemente seiner Installation, welche das
vorgegaukelte quadratische Wandbild in 64 Einzelteile auflöst.
Der 1924 geborene Künstler spielt in der Werdener Galerie Geymüller
mit der Wechselwirkung vom Detail zum Gesamten. Notationen und
Figurationen nennt der Düsseldorfer seine Zeichnungen,
Malereien
und Skulpturen. Quadratisch sachlich, gut: In einem
aufwändigen
Verfahren spritzte Müller-Schlösser hellgraue,
dunkelgraue
und weiße Punkte auf die Leinwand, die sich in einigem
Abstand in
eine Meditationstafel verwandeln. Die Phantasie lässt aus
einzelnen Konzentrationen der Punkte verschiedene Formen erwachsen. Es
kommt Bewegung auf die Bildfläche.
Dass Müller-Schlösser als
Bühnenbildner
arbeitete, unter
anderem am Düsseldorfer Schauspielhaus unter Gustav
Gründgens, ist seinen Plastiken anzumerken. Die schwer nach
Metall
aussehenden, verzerrten geometrischen Formen sind federleicht: Der mit
Putz überzogene Styropor sorgte schon bei mancher Inszenierung
für eine eiserne Kulisse. Die Ausstellung ist am
Schützdellerweg 11 dienstags bis freitags 15 bis 18 Uhr,
samstags
11 bis 13 Uhr zu sehen. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)
Dribbelnde Manager
Der Schweiß perlt
übers Gesicht,
tropft auf das Jackett, die Weste, die Krawatte. Die Manager in
schwarzen Anzügen dribbeln, werfen Pässe und ab und
an unter
Ahaaa-Rufen des Publikums einen Korb. Zur
Ausstellungseröffnung
verwischten am Mittwochabend im RWE-Turm
die Grenzen zwischen Sport und Kunst. Auf Einladung des Konzerns und in
Zusammenarbeit mit dem Museum Folkwang lud Mira Schumann zum
„Einwurf“.
Vier Basketballkörbe befestigte die 1968 in
Stuttgart geborene
Künstlerin in unterschiedlichen Höhen an den
Stützpfeilern im hinteren Bereich des Foyers. Auf dem mit
Spielmarkierungen überzogenen eigens verlegten Turnhallenboden
liegen 30 Bälle verstreut. Zunächst traut sich
keiner, nach
einem Ball zu greifen. Aber dann fliegen die Bälle wild durchs
Foyer, mitunter auf Köpfe, Canapé-Teller und
Sektgläser – ein chaotisches, heiteres Spiel.
Mira Schumann, die bereits bei den legendären
Wurstküchenausstellungen an der Gareisstraße
teilnahm,
sieht’s sportlich. Ob die Höhe der Körbe
die
Unternehmensstruktur und die Karrierechancen im Konzern widerspiegelt?
„Das bleibt ganz dem Betrachter
überlassen“, sagt sie.
Ihr gehe es lediglich darum, das Foyer zu beleben und eine Irritation
auszulösen. „Der hintere Raum wird
überhaupt nicht
genutzt, alle eilen direkt vorne zum Fahrstuhl!“ Die
Spielsituation verfremde die sachliche Architektur und lockere die
geschäftige Atmosphäre auf.
Dass funktionale Räume durch eine
künstlerische
Gestaltung
mit einfachen Mitteln eine neue Qualität erfahren, bewies
Schumann
im Jahr 2000 schon in einer Singener
Straßenunterführung.
Hier tauchte sie die Passage in blaues Licht, kachelte die Ende mit
blauen Fliesen und befestigte eine Schwimmbadleiter. Anstatt wie
üblich die als notwendiges Übel empfundene
Unterführung
zu durcheilen, schwammen die Passanten hindurch. Der Raum selbst wurde
zum Erlebnis.
So soll es auch in ihrer jüngsten Installation
sein. Die
Spielfläche am Opernplatz 1 ist bis zum 19. März
montags bis
freitags 10 bis 18 Uhr und sonntags um 11 Uhr geöffnet.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)
Vom Nichts des Daseins
Mensch und Natur haben sich
voneinander entfremdet. Kim
Youn
strebt die Versöhnung an. Der weibliche Akt, mit wenigen
Strichen
auf geschöpftem Papier skizziert, ist für die
südkoreanische Künstlerin die Schnittstelle:
Eingebettet in
warmen, erdigen Farben und vielschichtig sich überlagernder
Papierfetzen, sollen die Körper in der Galerie Klose
taoistische Weisheiten von der Einheit der Gegensätze
vermitteln.
„Ich möchte die Bilder vom Sinn
entleeren“, gibt die
eigens aus Südkorea eingeflogene, in Seoul lebende
Kunst-Professorin der Myeongsin University in Suncheon bei der
Ausstellungseröffnung eine Interpretationshilfe zur Hand.
Indem
sie verschiedenfarbiges Papier auf ihren Akten platziere,
führe
sie die Bilder in ein Nicht-Dasein über. Für die
Südkoreanerin ist dieser Zustand der Ursprung aller
„Schöpfung und Entwicklung“, so lauten
auch alle Titel
der ausgestellten Bilder.
Aus der Potenz des Nicht-Daseins, wieder in Dasein
überzugehen,
ziehen Kim Youns Werke ihre schöpferische Kraft. Man
könnte
nun darüber diskutieren, dass die abendländische
Philosophie
im Gegensatz dazu gemeinhin lehrt, dass aus dem Nichts nichts entstehen
kann. Man kann es aber auch mit den Gegensätzen sein lassen
und
sich einfach an der ästhetischen Dimension der Papierarbeiten
erfreuen. Kim Youn versteht es, Formen, Farben und Materialien in
ausgeklügelten Kompositionen zu vereinen, die noch bis zum 8.
November ihre harmonische Wirkung in der Rüttenscheider
Straße 56 entfalten. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 1997)
Prinzipien der Natur
Eberhard
Ross als
einen eintönigen Künstler zu bezeichnen,
würde den 1959
in Krefeld geborenen Maler vermutlich schmeicheln. Ausgehend vom
Interesse an organischen Prozessen, entdeckte Ross das Serielle in den
Grundkomponenten der Natur als sein Thema. Dass die Natur trotz einer
überschaubaren Anzahl von Bestandteilen enorm mannigfaltig
ausfällt, überträgt Ross auf seine Bilder.
In bewusster
Reduzierung auf wenige Elemente sucht er Prinzipien der Natur auf die
Spur zu kommen. Dabei bedient sich Ross sowohl der vorgefundenen
Grundstruktur der Leinwand, als auch sich wiederholender Ornamente.
Manche seiner bis zum 25. Oktober in der Galerie RM art,
Rüttenscheider Straße 236, gezeigten Bilder scheinen
selbst
zu leben. Pulsierend „atmet“ so ein rotes Bild, ein
anderes
flimmert vor den Augen – womit die Natur offensichtlich die
Werke
als ihr zugehörig anerkennt. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 1997)
Geräumte Räume
Neun Monate lang durfte sich Matthias Weischer im
Kunsthaus Essen
ausmalen: wie Räume entstehen und vergehen, wie sich
Abstraktion
und Realismus, Sachlichkeit und Surrealismus miteinander vertragen, wie
man Ganzes mit Fragmenten konfrontiert. Ausgestattet mit einem der
bestdotiertesten Förderpreisen für junge
Künstler in
Deutschland, dem Rotary-Stipendium „Junge Kunst in
Essen“,
vertiefte der 29-jährige Westfale die von ihm thematisierte
Dialektik zwischen Realität und Illusion. Die
Abschlusspräsentation in der Galerie an der
Rübezahlstraße 33 heißt mehrdeutig
„Räumen“
In Räumen sein, etwas hin und her
räumen. Räume
sind es, durch die sich der Mensch bewegt, Räume ordnet,
räumt er an und auf nach seinem Belieben. Bei Matthias
Weischer
sind die Räume ebenso vom Kompositionswillen des Malers
abhängig. Der Künstler hinterlässt deutlich
seine
Spuren. In den am Fotorealismus angelehnten Darstellungen von Zimmern,
Häusern und Campingwagen tauchen tropfende Farbklekse auf.
Manche
Gegenstände deutet der Absolvent der Leipziger Hochschule
für
Grafik und Buchkunst nur noch abstrakt an. Weischer räumt
Räume, macht deutlich, dass seine Imagination den Pinsel
führt, dass die von uns als wahr erkannte Welt nur eine
Interpretation bruchstückhafter Sinneseindrücke ist.
Mit diesem künstlerischen Konzept bestritt
Weischer schon
seine Ausstellung zu Beginn des Rotary-Stipendiats. Somit stellt sich
die Frage: Was gibt es Neues? Das kostenlose Atelier, die freie
Unterkunft und die 1250 Euro im Monat gaben Weischer Raum zum
Experimentieren. Im Vergleich zu den ebenfalls aufgehängten
„alten“ Bildern scheint der 29-Jährige ein
wenig
Abstand genommen zu haben von seinem Faible für die
Innenarchitektur der 60er-Jahre. An die Stelle poppige Farben treten
verstärkt schmutzig-monochrome Flächen. Die
unterschwellig
vermittelte Ironie macht bei einigen Malereien einer Melancholie Platz
Spaßig stellen Klaus Reinelt und Johannes
Kaßenberg die Realität auf dem Kopf. Im
Kabinett des
Kunsthauses wird ihr mehrfach ausgezeichneter Experimentalfilm
„Kann ich was abhaben?“ gegen die Wand projiziert.
Aus 15
000 abgefilmten Fotos entstand ein aberwitziger Animationsfilm rund um
einen fliegenden Mann, seinem Widersacher, den Frauen und einem Hai.
Beide Ausstellung sind bis zum 19. Mai, Mittwoch bis
Sonntag,
16 bis 18 Uhr, erlebbar. Die namhafte Jury des Rotary-Stipendiums will
am 13. Mai die nächste Preisträgerin oder den
nächsten
Preisträger küren. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2002)
Pessimistischer Start
Duncan
Wright fixiert seine Zukunftsängste auf der
Leinwand. Graue Puppen türmen sich zu heroischen
Schlachtengemälden übereinander, kalt auf nacktes
Weiß gesetzt. Mit dem Vertreter der „Neurotic
Realism“ eröffnete Renate Moltrecht an der
Rüttenscheider Straße 236 ihre Galerie RM art.
Damit wagt die frischgebackene Galeristin den Sprung von britischen
antiken Möbeln zu britischer moderner Kunst. Ihr erfolgreiches
Antiquitätengeschäft am Rüttenscheider Stern
musste sie erst kürzlich nach 25 Jahrne aus gesundheitlichen
Gründen aufgeben. Zu sehr in die Knochen ging das
Treppensteigen und Tragen von Tischen und Kommoden.
Dass nun ein Pessimist zur Neueröffnung bis zum
1. Februar
ausstellt, soll kein böses Ohmen für die Galerie
sein. Duncan Wright ließ sich zu seinen Arbeiten von den
Erfindungen seiner geistig behinderten Schwester Vicky inspirieren, die
Puppen erst zerstörte, und dann falsch wieder zusammensetzte.
„Dies hat mich dazu veranlasst, eine Anzahl anscheinend
unverwandter Themen zu recherchieren: Zeit, Erinnerung, Klonen,
Gen-Technologie, Darwinismus und das Unheimliche“,
erklärt der Absolvent des Londoner Royal College of Art. Aus
den Puppen generierte der 1967 geborene Künstler Vorboten des
Endes, das er wie viele Vertreter „Neurotic
Realism“ ins Millenium datierte.
Da der Untergang der Welt bekanntlich zum
Jahrtausendwechsel ausfiel,
widmet sich Wright in seinen gezeigten aktuellen Arbeiten nunmehr
wunderschönen und abstrakten Landschaftsbildern, mit denen der
Brite die Themen Sentimentalität und Nostalgie variiert.
Vielleicht so, wie sie von antiken Möbel hervorgerufen werden.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)
Happy Pille ohne Nebenwirkungen
Waschechten Galeristen
sträuben sich in
der Galerie am
Stern vermutlich die Nackenhaare. Hier sieht es aus wie in
einem Souvenirshop in der Nähe des New Yorker Museum of Modern
Art. Postkartenständer versperren auf der Straße den
Blick ins Innere, am Eingang wird man empfangen von einem
überdimensionalen Buch mit Aktfotografien von Helmut Newton.
Den Weg durch die wenigen Quadratmeter Raum behindern
Posterständer. Kaum eine Fläche an der Wand bleibt
ungenutzt, und wenn dort noch bis zum 30. Juli die knallbunten Bilder
von James Rizzi
hängen, setzt der optische Overkill ein.
Rizzi, geboren 1950 in New York, gehört zu den
derzeit
bekanntesten und - man muss es wohl so ausdrücken: -
beliebtesten Künstlern. Viel gibt es in seinen dreidimensional
zusammengeklebten Druckgraphiken zu entdecken. Die Bildercomics wollen
alles darstellen, und dies auf einmal. Den New Yorker Marathon
begleiten U-Boote, Segelschiffe, Flugzeugträger und vor allem
Hochhäuser mit Gesichtern. Wenn Rizzi sich
Sehenswürdigkeiten zuwendet, dann gleich allen zusammen. So
stehen Big Ben, der Eifelturm, der Schiefe Turm von Pisa, die Oper von
Sydney und Stonehenge nebeneinander.
Früher verkaufte er im Eingangsbereich der New
Yorker Museen
seine Bilder. Dankbar erstanden nach Rizzis Angaben viele Touristen
seine Werke als Souvenir, die sich zuvor „deprimierende
Bilder“ haben ansehen müssen. Und in der Tat: Seine
Druckgraphiken verströmen Optimismus und
Fröhlichkeit. Allerdings gleich einer „Happy
Pille“ ohne Nebenwirkungen. Rizzis Kunst erschöpft
sich auch an der Rosastraße 6 schon beim Ansehen.
(© NRZ/Tankred Stachelhaus 2000)
Beißende Farben
In der Klamotte „Top
Secret!“ aus
den 80er Jahren steht Val Kilmer mit einer Staffelei im Abteil eines
fahrenden Zuges, kneift ein Auge zu und peilt über den Daumen
die Landschaft an. Heraus kommt, man ahnt es bereits, nichts als
verschwommene Streifen. Was bei „Top Secret!“ ein
Ulk ist, nimmt Vera
Leutloff ernst. “Vorbeibilder” nennt
die 1963 geborene Absolventin der Düsseldorfer Kunstakademie
ihre Malerei, die trotz relativen Stillstandes des Betrachters
gegenüber dem Bild die unkenntlichen Motive wie Blizzard oder
Rennbahn in Bewegung setzen. Daneben zeigt die Galerie Neher noch
bis zum 24. August drei weitere Positionen der Bildenden Kunst.
Christiane
Laun
löst Landschaften in grob verwischte Farbblöcke auf.
Abstrakte Winter-, Herbst- oder Frühlingslandschaften
entstehen so, die die 1961 geborene Meisterschülerin von
Ulrich Erben sensibel komponiert. Auch Günter
Malchow beschäftigt sich mit groben
Farbblöcken, die jedoch in erster Linie durch Kontraste die
Leinwand strukturieren. Distanziert und emotional zugleich
berührt das Werk des gebürtigen Westfalen. Gelb
beisst sich mit rot, blau mit grau, die geometrischen Formen wirken auf
Dauer räumlich, ausgeglichen und scheinen zu schweben.
Aus der Art schlagen an der Moltkeplatz 61
gewissermaßen die
Skulpturen von Ulrich
Möckel aus Holz, Bronze und Aluminium. An sich
strenge Formen wie Kreise und Rechtecke konfrontiert der 1949 geborene
Künstler mit den Unregelmäßigkeiten und
Unebenheiten des Materials. So legt er einen Kreis aus gebrannter Esche
in die Raummitte. Die "4 Positionen" sind noch bis zum 6. August zu
sehen, unterbrochen von den Betriebsferien der Galerie vom 16. Juli bis
6. August. (© NRZ/Tankred Stachelhaus 2000)
Fraktalität ausgehebelt
Aus dem Filigranen
zaubert Wojtek Sachocki das
Grobe. Ein Wiederkäuer formt sich im Flur des ersten Stockes
der Volkshochschule
aus kleinen Menschen- oder Tierfiguren. „Tätowierter
Stier“, „Schwarze Witwen“ oder
„Champion“ nennt der 1951 geborene Pole seine
Zeichnungen auf braunem Packpapier, die den fraktalen Charakter der
Welt, sprich, dass sich im Großen das Kleine wiederfindet und
umgekehrt, auszuhebeln versuchen. Sein „Magischer
Realismus“ sucht noch bis zum 30. November an der
Hollestraße 75 nach Alternativen.
Ein Stockwerk höher zeigt der
Studienkreis Fotografie
„Ich und die Anderen.“ So bannte Inge Reuter
spannende Konstellationen von Menschenansammlungen aufs Fotopapier. Lutz Niemann widmete
sich Spiegelungen im Zugabteil, und Manfred
Kaczerowski zog den „Anderen“ eine
Kapuze über. Claudia
Schön fotografierte ihre Oma, eine
Großmutter wie sie im Buche steht - oder an der Wand
hängt -, die bis zum 10. Dezember die Besucher mit einem
Stück Kuchen und einem Lächeln in der Volkshochschule
begrüßt. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2000)
Der dritte Weg
Effizienz
gehört zu den wichtigsten Zielen einer Unternehmensberatung.
So wurmte es die KPMG,
für ihre Geschäftsräume an der
Alfredstraße 277 einfach Geld für Kunst am Bau
sinnlos zu verplempern. Anstatt sich also wie gewohnt Werke
unbedeutender Regionalkünstler von einer Laienjury
auswählen oder Bilder international bekannter
Künstler teuer von einer Galerie andrehen zu lassen, kam die
KPMG auf einen dritten Weg.
Das Wichtigste nämlich, so die Idee,
ist, dass die Mitarbeiter
etwas von der Kunst haben und sich mit ihr beschäftigen. Wie
man das erreicht? In Kooperation mit dem Kunsthaus Essen ließ
man von Mai bis Oktober zehn Künstlern in
Geschäftsräume und Büros ihre Ateliers
einrichten. Vor Ort entstanden Bilder, Objekte und Plastiken, die zum
einen nahezu zwangsläufig die Arbeitssituation und
Atmosphäre in der Unternehmensberatung aufgreifen und zum
anderen die Mitarbeiter am kreativen Prozess beteiligen. So wurde eine
Beziehung zwischen der Kunst am Bau und den darin arbeitenden Menschen
aufgebaut.
Dass unter einem solchen effizienten
Kunstverständnis die
Qualität nicht litt, zeigen eindrucksvoll die Werke von Martina Achenbach, Peter Cloos,
Petra Göbel, Karl-Heinz Mauermann, Renate Neuser, Christian
Paulsen, Claudia Sacher, Matthias Schamp, Gerda Schlembach und
Ingrid Weidig.
Ein Jahr begleiten ihre Installationen, Bilder und Plastiken die
Mitarbeiter der KPMG auf Schritt und Tritt. Die Ausstellung kann nach
Voranmeldung besichtigt werden. (© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2000)
Antenne nach oben
Robin Horsch ist von
kräftiger Statur, hackt selbst sein Kaminholz und
wählt bedächtig seine Worte. "Ich bin ein
Naturmensch", charakterisiert er sich selbst nach einer Bedenkzeit.
Doch letztlich rückt der 41-jährige
Mülheimer der Natur zu Leibe. Mit einer Kettensäge -
was erstaunt, weil er mit dem Brachialwerkzeug aus Eichenbalken und
abgestorbenen Wurzeln filigrane, hochgeschossene Figuren formt. Bis zum
2. Oktober verbreiten die "Horschfiguren" in der Galerie Obrist,
Rüttenscheider Straße 73, ihre meditative Stimmung.
"Das Material leitet mich", erklärt Horsch. Die
Form der Bäume, die Struktur der Rinde und die Maserung des
Holzes rufen in ihm Assoziationen hervor, "denen ich dann folge".
Meistens landet der Bildhauer dann bei sich selbst - und mit ihm der
Betrachter. Die Figur wird zum Spiegel - und dank ihrer langen,
schmalen Proportion zur "Antenne nach oben", wie Horsch im Sinne einer
"Vergeistigung" hofft.
Zwar geht Horsch bei der Arbeit vom Material aus, doch
ab dem "Punkt, wo die Figuren für mich anfangen zu leben",
gewinnen Form und Oberfläche an Bedeutung. Mit Gips und Schaum
sorgt er für ein metallisches Erscheinungsbild des Holzes,
oder er gibt die Skulptur gleich in eine Bronzegießerei. Die
Arbeitsmittel wie Schleifscheiben verarbeitete Horsch zudem mit
gezeichneten Figuren und biografischen Erinnerungsstücken zu
Collagen - einer Art "Lebenslauf" seiner "Horschfiguren".
(© NRZ/Tankred
Stachelhaus 2004)
Berechnende Plastiken
Mathematik ist eine
Kunst, Kunst ist Mathematik. Berechnend schraubte Eva Weinert ihre
raumbezogenen Plastiken aus Holz zusammen. Immer gleiche
Flächen tun sich bei einem Werk auf, das nur aus zu Dreiecken
zusammengefügten Holzstäben besteht. Eine andere
Plastik stellt zwei Kisten, verbunden durch einen Winkel, miteinander
in Beziehung. Minimale Verschiebungen stören beim
näherem Hinsehen im Forum Bildender Künstler
unter der Alten Synagoge die Ausgewogenheit.
Dieses Prinzip verfolgt die
Künstlerin vom
Ruhrländischen Künstlerbund ebenso mit ihren
Zeichnungen. Mit wackeligen Strichen untersucht sie bestechend sachlich
die ästhetische Beziehung zwischen versetzten geometrischen
Formen. Parallel zur Ausstellung von Eva Weinert zeigt Christine Atmer
De Reig ihre Keramischen Gefäße nebenan im Kabinett
an der Alfredistraße 2, zu sehen bis zum 26. November.
(©
Tankred Stachelhaus 2000)
Die Gewaltorgie bleibt aus
Zig Schachteln Camel ohne
Filter mag Phillip Zaiser
im Kunsthaus Essen aufgebraucht
haben. Auch ohne Qualm scheint der „Junge Kunst in
Essen“-Stipendiat einem Italo-Western entsprungen zu sein:
über zwei Meter groß, sechs Tage-Bart, lange Haare
und undurchsichtige Mimik. Doch nicht Leichen, sondern Kunstwerke
pflastern seinen Weg. Der 31-jährige baute akribisch in einer
Galerie ein Hotelzimmer nach, um es kurz vor der
Ausstellungsöffnung in einer riesigen Gewaltorgie wieder zu
zerlegen. Mit Golfbällen beschoss er eine grüne Wand.
Ein Geschäftslokal verwandelte er in eine Stehpizzeria, nur um
sich den Spaß zu erlauben, dorthin das Pizza-Taxi eines
italienischen Schnellimbisses zu bestellen.
Einst befürchtete man an der Rellinghauser
Rübezahlstraße 33, der Frankfurter
Trash-Künstler würde das Kunsthaus bis auf die
Grundmauern niederreißen und das obendrein für Kunst
erklären (wer hätte dem argumentativ etwas
entgegensetzten können?). Doch jetzt, kurz vor Ende des
Stipendiums, zeigt sich, das Zaiser zwar radikal, aber durchaus von
dieser Welt ist. Sein von dem Rotary-Club finanziertes Atelier nutzte
er, um in selbstgewählter Isolation neue Projekte
vorzubereiten und zu zeichnen. „Hier klingelt kein
Telefon“. Erst im Mai sind die Arbeiten des
vielbeschäftigten Installations-Künstlers auch in
Essen zu sehen. (©
Tankred Stachelhaus 2000)
Labile Konstruktion
Pressspann – wie
kaum ein anderes steht das
aus Holzresten zusammengeleimte Material für serielle
Jugendzimmer, billige Einbauküchen und bröselnde
Bücherregale. Gewöhnlich landet dieses Mobiliar als
erstes auf dem Sperrmüll. Dieses Schicksal, wenngleich es
assoziiert wird, bleibt dem Werk von Markus Kleine-Vehn
im Kunsthaus Essen wohl
erspart. Perfide, kaum wahrnehmbar spielt der 32-jährige
Künstler mit dem Material und seiner Oberfläche, die
entweder klinisch weiß daherkommt oder, als kaum steigerbare
Künstlichkeit, eine Holzmaserung vorgaukelt.
So formte er einen Käfig aus Elementen eines
Bettes. Die scheinbar schon vorgefundenen und genormten
Verbindungsstücke aus Plastik und Metall baute Kleine-Vehn
erst nachträglich ein. Die Spannung zwischen Wirklichkeit und
Vorstellungen wird hier aufs Material und seine Oberfläche
verlagert. Dass man nicht nach der Gestalt gehen sollte, zeigt in
Rellinghausen der abseitige und blödsinnige Ausstellungstitel
„Rock ‚n’ Roll. Die
äußere Hülle, so lautet Kleine-Vehns nicht
gerade neue, aber künstlerisch beachtenswert umgesetzte
Botschaft, muss Schicht für Schicht entblättert
werde. Hier entdeckt man immer neue Dimensionen und Fragen. Dass es
aber auch Antworten geben muss, darauf deutet eine Video-Installation
hin: Aus eingescannten Fotos von Fliesen, Teppichvorlegern und
PVC-Böden aus dem Kunsthaus formte Kleine-Vehns am Computer
einen Käfer. Nur isoliert im virtuellen Raum, von der
Oberfläche entrissen, sind die sonst perfekt getarnten
Insekten zu sehen.
Wem das ein wenig zu konzeptionell und kopflastig
erscheint, wird
gleich nebenan von Michael
Göring im Kabinett des Kunsthauses Essen mit
„Fallobst“ verköstigt. Rund 60 Vasen
hängen an einer langen Schnurr von der Decke, labil gehalten
von einem in ihnen aufgeblasenen bunten Luftballon. Auf dem Boden
liegen bereits heruntergefallene und zersplitterte Glas-, Ton- und
Porzellangefäße, die Göring auf
Flohmärkten preiswert erstand. Die bunte und lustige
Konstruktion des 32-jährigen Münsteraners
ändert im Laufe der Ausstellung seinen Zustand. Doch welche
Vase mag als nächstes herunterfallen? Unmerklich entweicht
Luft aus den Ballons, jede kann es treffen. Plötzlich wird
dann die scheinbar starre Installation hörbar. Ein Krachen
ergibt ein neues Bild.
Das Fallobst tanzt Rock ‚n’ Roll bis
zum 19. Okt.
2000 in der Rübezahlstraße 33.
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, jeweils 16 bis 18 Uhr.
Die beiden Ausstellungen werden am Freitag, 20. Oktober, um 20 Uhr
eröffnet. (©
Tankred Stachelhaus 2000)
Mehr als die Summe seiner Teile
Wohin Ivan
Andersen einen aus den tristen und öden
Straßen, Häusern und Zimmern auf der Leinwand auch
immer führt, man folgt gern seiner Richtung. "Follow My
Directions" heißt die Ausstellung in der Galerie Frank Schlag,
in der Motive spektakulär in ihre Bestandteile
aufgelöst werden.
Der 1968 geborene Künstler aus
Dänemark hat ein Auge für stereotype Wohnsituationen,
für die immergleichen, sich in jeder Stadt wiederholenden Orte
der Anonymität. Er malt Sonnenliegen in Hinterhöfen,
Tiefgarageneinfahrten und Betonblumenkübel. Rund um das
Hauptmotiv verändert er den Focus: Getrennt werden Farben und
Formen, die Standardformen werden mit ausgemalten Trapezen in die
Geometrie des Raumes überführt, Fragmente gehen in
Leerraum über. Wirbel verwischen Strukturen. Aus farbigen
Rechtecken formt er das Raumschiff Enterprise. Das alles meistert der
vornehmlich in Berlin wohnende Künstler mit einer solch
kraftvollen Stringenz, dass ein interessanter Effekt auftritt: Wird
gemeinhin von abbildhafter Malerei gesprochen, so entlarvt Andersen
solche Sichtweisen - sicherlich nicht als erster (Magritte
würde mit "Das ist keine Pfeife" grüßen),
aber durchaus überzeugend - als Illusion: Die Fiktion des
Figürlichen weicht der Realität des Abstrakten. Das
Bild besteht aus in Form gebrachten Farben. Dass es aber immer noch
deutlich mehr als die Summe seiner Teile ist, lässt sich bis
zum 10. Oktober an der Meisenburgstraße 173
bewundern. (©
Tankred Stachelhaus 2008)
Anstoß zum Sehen
Beklemmend,
abstoßend und schockierend - so
fanden viele Bewohner des Augustinums
ein Werk des Essener Bildhauers Jörg
W. Schirmer. Dieser hatte kürzlich die Senioren
des Nobel-Wohnstifts mit einer nackten und orange bemalten Frauenfigur
erschreckt, die tanzend den Bewohnern im Foyer einen
Totenschädel entgegenstreckte. Flugs wurden Unterschriften
gegen diese Ungeheuerlichkeit gesammelt. Im dritten Lebensabschnitt, so
der Tenor, wisse man schon, was auf einen zukommt. Doch müsse
man dies nicht ständig unter die Nase gerieben bekommen.
Die verantwortliche Kulturreferentin des Hauses, Gisela
Figgen, äußert im Nachhinein Verständnis.
"In Kunstgalerien braucht man nicht gehen, wenn's einem nicht
gefällt. Doch das Wohnstift gehört zum
persönlichen Lebensumfeld." Die Hausleitung knickte allerdings
nicht ein - und lud stattdessen den Künstler zu einer
Diskussionsveranstaltung. Schirmer stellte sich rund 150 aufgebrachten
Senioren. In der Hauszeitschrift des Augustinums heißt es
dazu: "Das Gespräch entwickelte eine eigene kreative Dynamik."
Schließlich durfte die Skulptur bis zum Ende der Ausstellung
stehen bleiben.
Inzwischen ist wieder Ruhe im Wald eingekehrt. An den
Fotos aus den vergangenen 15 Jahren, die Bernhard Trautvetter
bei der aktuellen Ausstellung an die Wände des zentralen
Flures hängte, dürfte nur anstößig
sein, dass sie den Betrachter zu einem anderen Sehen
anstoßen. Der Titel "Wo Menschen leben" wird in 32 Bildern
vor Augen geführt. Die Architekturfotos zeigen Details von
meist Essener Gebäuden und Plätzen. Dabei kommt es
den 53-jährigen Fotografen und Radfahrer ("Auf dem Fahrrad
sehe ich mehr") besonders auf die ungewöhnliche Perspektive
an. Spiegelungen sind bei ihm ein Thema. So rotiert das Riesenrad auf
dem Burgplatz in der Glasfassade der Volkshochschule. Der Handelshof
wird reflektiert in den Scheiben des gegenüberliegenden
Kaufhauses. Linien an Häusern kombiniert Trautvetter gern mit
Schatten. Aus der Fassadenbeleuchtung eines Rüttenscheider
Hotels entwickelte der Essener minimalistische Farbflächen.
Alle zwei Monate stellt im "Augustinum" ein anderer,
meist Essener Künstler aus - als "Beitrag zur Kulturhauptstadt
2010", wie es heißt. Bernhard Trautvetters Arbeiten sind bis
zum 28. Oktober zu sehen. (©
Tankred Stachelhaus 2007)
Verhunzte See, verwackeltes Festland
Seine Fotos bilden nichts
wirklich ab, sie erzeugen
Atmosphäre. Helge
Emmaneel gibt entrückten Träumereien
einen Rahmen, einen Rahmen, wie er für Gemälde
vorgesehen ist. "Licht-Malerei" heißt seine Ausstellung in
der Galerie Obrist am
Museum (GAM).
Der 39-jährige Künstler arbeitet unter
anderem mit einer alten Agfa-Click-Kamera aus den 60er-Jahren und mit
Filmen, die allesamt schon lange ihr Haltbarkeitsdatum
überschritten haben. Seine Bilder sind verwackelt,
grobkörnig und überblendet, die Farben irreal.
Früher hätte man so etwas im Fotolabor reklamiert,
heute wärmt man sich am Retro-Charme solcher Aufnahmen.
Emmaneel schafft es dabei mit seinen absichtlich verhunzten, besser
gesagt: manipulierten Motiven, die Nostalgie in eine Zukunftsvision zu
verwandeln.Bildaufbau, Perspektive - alles ist stimmig, wie aus einem
Guss.
Bislang hatte sich der in Essen geborene, in Bochum
aufgewachsene und nun in Hamburg lebende Fotograf auf Meer- und
Strandaufnahmen konzentriert. Wasser bis zum Horizont, Wolken,
Dünen, Sand bestimmten den Bildaufbau der oft auf Amrun
entstandenen Fotos. In der Kahrstraße 59 zeigt Emmaneel
erstmals, dass er auch das Festland verwackeln kann. In Irland
entstanden wunderbar unwirkliche Bilder, die es vermögen, die
Zeit still stehen zu lassen. Die Ausstellung ist bis zum 4. April zu
sehen. (©
Tankred Stachelhaus 2009)
Genesis als Beta-Phase
Die Gesichter erinnern ein
wenig an solche von
virtuellen Gestalten, denen in Computerspielen nur mühsam
mimikähnliche Grimassen einprogrammiert wurden. Unfertig -
oder, um im IT-Jargon zu bleiben: wie in der Beta-Phase, dem ersten
Versuchsstadium, wo es darum geht, Fehler auszumerzen - wirkt die ganze
Szenerie, die der Künstler mit so etwas wie "Sinn" aufgeladen
hat. Das Unperfekte paart sich mit einer extremen Bedeutungsschwere der
Details in der Komposition, mit der Gabriel
Heimler die Schöpfung verbildlicht. Sein
"Genesis-Zyklus" hängt in der Alten Synagoge.
Die Ausstellung des Berliner Künstlers
gehört zu dem Austauschprojekt des Forums Kunst und Architektur.
Gewissermaßen kehrt man selbst wieder, wenn nicht zu den
Wurzeln, so aber doch zu einem wichtigen Abschnitt in der Geschichte
des Forums zurück. Im Erdgeschoss des jüdischen
Gotteshauses waren einst die jetzigen Nutzer des Forums beheimatet.
"Alles ist eine Wiederholung", sagt der 1964 geborene
Künstler. "Die Genesis-Geschichte lehrt uns das Leben."
Voller Anspielungen sind die 24 Bildrollen, es hat eine
Bedeutung, wenn eine Wiege leer ist, wenn ein blaues Pferd die
Mähne schüttelt, ein blauer Schleier durchs Bild
flattert, wenn Babypuppen zu Boxkämpfen geführt
werden. Man muss schon bibelfest sein, um jeden Hinweis der sehr
subjektiv gehaltenen Schöpfungsgeschichte zu begreifen.
Wer es nicht ist, erlebt Heimler als expressionistischen
Künstler, der rätselhafte Bilder malt, die eine
Lösung herausfordern. Die Bilder entfalten sich
ausschließlich im Kontext der Intention des
Künstlers - bis zum 28. Juni. (©
Tankred Stachelhaus 2008)
Vom Himmel geholte Stars
Bei Stars ist es wie mit richtigen Sternen: Man kann sie
sehen und doch sind sie unnahbar. Aber Michael Strauss holte sie vom
Himmel, lichtete sie ab als gefühlvolle Menschen, die heiter
mit dem Fotografen herumschäkern (Jeanne Moreau), sich
bedrängt von Mikrofonen ins Träumerische verlieren
(Lino Ventura) oder einfach nur im Trubel innehalten (Robert de Niro).
Solche Bilder legte der Fotograf bei seinen Auftraggebern,
verschiedenen Bildagenturen, erst gar nicht vor. "Hätte
sowieso keiner gedruckt." Genauso wie seine in
schwarz-weißen, teils verwackelten Aufnahmen
erzählte Liebesgeschichte "Katz und Maus", die nur bedingt der
Ästhetik einer BRAVO-Foto-Lovestory entspricht. Stattdessen
werden die Fotos nun ausgestellt in der Galerie Obrist.
Der in Saarbrücken geborene Michael Strauss kam
1977 zu Otto Steinert an die Folkwang-Hochschule. Hier lernte er die
subjektive Fotografie kennen, die bestimmend für sein Werk
geworden ist. Der 49-Jährige sieht seine Aufgabe darin, Bilder
des Inneren zu schaffen, die Empfindungen einfangen und
Gefühlsregungen auslösen. Die von Steinert geforderte
Befreiuung vom Duktus des Realen, Dokumentarischen setzt Strauss auch
mit Mitteln der digitalen Bildbearbeitung um. Die eindrucksvollen
Fotografien sind bis zum 15. Mai an der Rüttenscheider
Straße 73 zu sehen. (©
Tankred Stachelhaus 2004)
Auf den Index gesetzt
Nein, provozieren tut Kunst
nur noch selten. Das
Publikum ist einiges gewöhnt, erregt sich kaum noch
über Schmiere- und Schweinereien, ja selbst eine ausgestellte
weiße Leinwand ist schon "durch" und akzeptiert. Was waren
das noch für Zeiten, als Kunstaktionen
Polizeieinsätze auslösten? Als Skulpturen im
öffentlichen Raum nicht von gelangweilten Vandalen, sondern
von empörten Bürgern zerstört wurden? Als
man noch für Kunst streiten, gar kämpfen musste?
Vorbei. Und so müssen Galeristen ihre Ware selbst auf den
"Index" setzen.
"Index 07 Malerei" heißt es im Kunst-Raum. Die
Jahresabschlussschau vereint zehn Künstler, die im Jahr 2007
an der Rüttenscheider Straße 56 ausgestellt haben
plus einen Neuzugang, den Chinesen Xianwei
Zhu, der putzige Figuren herrlich in Szene setzt.Mit dabei
ist Norbert Bauer,
der Amokläufer verfremdet porträtiert hat, Jörn Grothkopp,
der einen Koi-Schwarm über die Leinwand schwimmen
lässt, Uwe
Groß, dessen Malerei nunmehr dank plastischer
Körperabdrücke von Cheerleadern in den Raum
hineinragt, und Wolfgang
Neumann, der mit dem Pinsel Menschen als variable
Spielzeugfiguren gruppiert.
Was auf dem Index steht, verkauft sich gemeinhin besser
- bis zum 22. Dezember läuft das
Weihnachtsgeschäft. (©
Tankred Stachelhaus 2007)
Vorsicht, rollender Hund!
Vor zwei Jahren lief "Das
fotografierte Tier" im Museum
Folkwang. Nun ist es im Kunst-Raum
angekommen: als Malerei und Plastik. "Du liebes Tier" nennt Colmar
Schulte-Goltz seine Schau, in denen Bekannte wie Uwe Groß oder
James Larsen ihren
Auftritt haben, aber auch junge Maler und Bildhauer wie Frederic Spreckelmeyer
und Sophie Waldburg,
von denen der Galerist sagt: "Die habe ich entdeckt!" Und entdecken
kann man reichlich. Es ist eine schöne, kleine
Ausstellung geworden, facettenreich und komprimiert zugleich, trotz der
vielen Beteiligten auf geringer Wandfläche nicht
überladen. 20
Künstler ließen sich auf das tierische
Thema ein.
Die Beziehung vom Menschen zum Tier lässt sich
bekanntlich nicht auf die Nützlichkeit reduzieren. Auf
Haustiere richten sich Emotionen. Noch nie lugten nach Angaben des
Galeristen derart viele Passanten durch die Scheibe wie zu dieser
Ausstellung. Dort sehen sie als erstes eine Installation von Annika Burbank, die
acht identischen Lämmern das Fell über die Ohren
gezogen hat. Ihre zu Stricksocken verarbeitete Wolle wärmt nur
die Hufe. Die Arbeit aus Porzellan verbindet ein christliches Motiv mit
der Gentechnik. Ein weiteres Werk der Künstlerin greift die
These auf, dass manche Halter sich ihre Kindheit unbewusst mit
verspielten und niedlichen Hunden vergegenwärtigen. Ein
Dobermann aus schwarzem Polyesterharz, der wie ein Spielzeug auf
Rädern durch die Galerie rollt, stellt die Bindung auf den
Prüfstand.
Ohnehin richten sich die meisten Darstellungen nicht
aufs Tier, sondern auf das, was das Tier für den Menschen
repräsentiert. Dafür braucht man nicht einmal beide
Lebewesen zu zeigen. Frederic Spreckelmeyer etwa malte nur die
Rüstung eines Ritters und seines Pferdes. Ross und Reiter
denkt man sich hinzu. Maßlos in den Proportionen hat James
Larsen seine Katzen- und Hundebilder übersteigert. Sie
erscheinen als furchtlose Helden. Zu tragischen Helden verarbeitet Julia Laupus jene
Vögel, die als Silhouetten auf Fensterscheiben ihre lebenden
Artgenossen vor dem Aufprall bewahren. In der Ausstellung
stoßen sie selbst an eine Mauer und bleiben liegen. Bis 10.
November. (©
NRZ / Tankred Stachelhaus 3. Oktober 2007)
Figuren ohne Bühne
Dieser Künstler ist
ein Snob! Feinstes
italienisches Marmor, aus dem sonst traditionell versierte Bildhauer
gerne anmutige Göttinnen liebevoll meißeln,
zersägt Klaus
Scheckenbach zu unförmigen Leibern mit
zerstückelten Fratzen, schlampig bemalt mit Öl- und
Acrylfarben. Und das mit voller Absicht. Die Ergebnisse seines Tuns
sind im Kunst-Raum
zu besichtigen.Der Künstler versteht es,
"präziöse Materialien unprätentiös
zu verarbeiten und seine künstlerische Ausdruckskraft in den
Vordergrund zu stellen", lobt Galerist Colmar Schulte-Goltz in seinem
Begleittext zur Ausstellung. Aber reicht das? Der 34-jährige
Meisterschüler von Georg Baselitz pendelt zwischen den
Kulturen. Er lebt in Genf und Berlin. Lehraufträge
führen ihn regelmäßig nach China. In seinen
Werken blickt er mit westlichen Augen auf Fernost. In anderen
Ausstellungen baut Scheckenbach für seine Skulpturen gerne
kleine Häuser, eine Reminiszenz an chinesische Ahnengalerien.
An der Rüttenscheider Straße 56 fehlt den Figuren
diese Bühne. Und so wirkt das Werk bis zum 17. September
enttäuschend ziel- und wirkungslos. (©
Tankred Stachelhaus 2007)
Aneinander vorbeigehen
Täglich marschieren
tausende Menschen die
Kettwiger Straße hoch und runter, ein jeder mit einer anderen
Geschwindigkeit, wobei manch einer noch von einer Seite zur anderen
pendelt, abrupt stoppt oder unvermittelt die Richtung wechselt. Kurzum:
In Fußgängerzonen herrscht offenkundig das Chaos und
so ist es verwunderlich, dass nicht täglich
aufeinandergeprallte Passanten mit den Rettungswagen abtransportiert
werden müssen. Die Menschen laufen, als hätten sie
sich abgesprochen, aneinander vorbei. Dieses unbewusste Miteinander von
Fremden hat Gudrun Kemsa
zu ihren Fotoarbeiten inspiriert.
Im Raum des Kunstvereins
Ruhr am Kopstadtplatz 12 isolierte die
Düsseldorfer Künstlerin die Teilnehmer der
alltäglichen "Choreographien" - wie auch der Titel der
Ausstellung heißt - auf weißem Grund: Menschen, die
allein durch ihre Körperhaltung, Gestik und Mimik miteinander
kommunizieren. Dass es dabei mitunter mehr als um das Problem geht,
aneinander vorbeizukommen, wird in der fotografischen Untersuchung bis
zum 9. September deutlich. (©
Tankred Stachelhaus 2007)
Irrealer Raumkörper
Das Werk ist die Galerie. Aber
um es würdigen
zu können, muss man sich vor dem Fenster auf den Hosenboden
setzen, die Beine lang strecken und solange herumrutschen, bis die
Farbflächen im Blick auf eine Ebene kommen. Doch die Suche
nach der richtigen Perspektive wird in der Galerie Schütte
belohnt: Aus den in gelb, grau und weiß angestrichenen
Wänden, Fußböden und Decken formt sich ein
irrealer, plastischer Körper. "Journey into space" nennt Roland Geissel seine
Wandmalerei.
Farbe, Fläche, Raum - der in Shanghai lebende
Künstler geht das Thema planvoll an. Viel Zeit investiert er
in die Vorarbeit mit Fotos, Skizzen und Berechnungen, wie die Konturen
der Flächen laufen müssen. Doch letztendlich gehen
ihm dann bei der praktischen Umsetzung die Pferde durch, wie ein Video
dokumentiert. Immer kraftvoller und gestischer geraten die Farben. Die
Hand des 1965 in Frankenberg/Eder geborenen Künstlers bleibt
bei dem konstruktiven Werk präsent.
Geissels "Raumzeichnungen" sind eine Weiterentwicklung
seiner rechteckigen, auf den Namen "Melusinen" getauften
Farbkörper. Während bei diesen der Blick durch Wachs-
und Farbschichten ins Innere geleitet wurde, so darf man an der
Hauptstraße 4 in Kettwig nun auch ihren "Innenraum" begehen.
Im Gegensatz zu seinen Plastiken handelt es sich jedoch nur um eine
temporäre Arbeit, zu sehen bis zum 11. August (Galerieferien:
24. Juni bis 23. Juli). Dann werden die Wände
überstrichen. Was bleibt, ist ein großformatiges
Foto. (©
Tankred Stachelhaus 2007)
Moment des Wechsels
Installationen sind sperrig,
oft nur für einen
besonderen Raum gedacht und deshalb meist auch schwer
verkäuflich. Kein Wunder also, dass es Künstler in
letzter Zeit immer mehr zur Leinwand drängt. Auch Bas Coenegracht griff
zum Pinsel, obwohl er sich als Kunststudent an der Gerrit Rietveld
Academie in Amsterdam mit konzeptionellen und raumgreifenden Projekten
beschäftigte. Für den 33-jährigen
Künstler war dies allerdings nur eine Station auf dem Weg zu
seiner wirklichen Profession. In der Galerie Kalthoff,
Sabinastraße 1, kann man nun bis zum 28. Juli untersuchen:
Wie viel Installation steckt in seiner Malerei?
Aber auch eine andere Frage steht im Raum: Passt Bas
Coenegracht gut in das Programm der Galerie? "Er schließt die
Lücke zwischen Matthias Meyer und Jim Harris", unkte ein
Vernissagenbesucher; und in der Tat: Jene zwei auch von Jürgen
Kalthoff vertretenden Künstler erscheinen als ungewollte Paten
Coenegrachts - Meyer mit tropfenden Farben und seiner Inszenierung
vibrierender Urbanität und Harris mit fragilen Strichen und
seiner als Stadtporträt getarnte Spurensammlung menschlicher
Artefakte. Beides findet sich in Coenegrachts Bildern wieder.
Nichtsdestotrotz zeigt der in Lissabon lebende
Künstler deutlich seine eigene Handschrift. Mehrere Schichten
Farbe legt Coenegracht bei seinen abstrakten Gemälden
verlassener Industrieanlagen übereinander. Sie lassen Blicke
zu oder verdecken sie. Geschichtet werden Wahrnehmungsebenen und trotz
der meist gezoomten Ausschnitte breite Raumeindrücke - womit
er letztlich eine malerische Installation pflegt. "Mich interessiert
der Moment des Wechsels", erklärt der
Künstler. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Die Welt im Wandel
Das Unstete ist ihr steter
Begleiter: Weit über ein dutzend Mal ist Anja Köller
bereits umgezogen, jeden Monat nimmt sie ein paar Tage
Reißaus,
um in der Fremde neue Eindrücke zu inhalieren. Sie
fotografierte
die Show der Coyote Ugly Girls, auf der Kirmes und auf
Pressebällen. Manche Bilder verarbeitete sie in
Malerei-Foto-Collagen, manche druckte sie als Reise- Impressionen auf
die Leinwand. Derzeit stellt die 1966 geborene Künstlenn in
einem
leer stehenden Ladenlokal
an der Witteringstraße 81 aus.
"Ich fahre meist allein“, sagt
Köller, die oft
stundenlang vor einem Detail am Wegesrand verweilt. "Das hält
ja
keiner aus.“ So arrangierte sie einmal im Gebüsch
gefundene
Farbspraydosen recht langwierig vor einem Graffiti an
Überresten
der Berliner Mauer. Auf dem Foto ist von dem Aufwand nicht viel zu
sehen, sie lenkt den Blick durch die brüchige Mauer hindurch
auf
die Grünanlage. Der Spalt in dem Beton zerteilt gleichzeitig
die
Zeitung, die zwei links und rechts auf die Mauer gesprayte Figuren in
den Händen halten.
Köller durchdringt dabei Oberflächen
und legt den
Inhalt frei. Die Struktur spielt für die
Rüttenscheider
Künstlerin eine wesentliche Rolle. Mit immer neuen
Farbschichten
verbirgt sie in ihrem malerischen Werk Ebenen, um sie mit
Schmirgelpapier wieder freizulegen. In .ihren Fotos experimentiert sie
ebenfalls mit Strukturen und Oberflächen. Mehrere Ebenen
schieben
sich zu einem Gesamtbild übereinander, wenn sie beispielsweise
einen grob gewebten Vorhang abbildet, auf dem sich der Schatten einer
Blume wie ein riesiger Tintenfleck ausbreitet, oder wenn sie
Straßenszenen in Amsterdam als Spiegelung im Schaufenster
fotografiert. Die Welt im steten Wandel kann nach Voranmeldung unter
Telefon XXXX besichtigt werden. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 4. April 2007)
Mona Lisa vom Sockel geholt
Yongbo Zhao ist ein
Kind der Revolution.
Doch anstatt sich von ihr fressen zu lassen, beißt der
gebürtige Chinese mit Zynismus brutal zurück.
"Bilder" lautet
schlicht der Ausstellungstitel in der Galene KK, die mit
Mythen, Ikonen
und Idolen sowohl der östlichen, als auch westlichen Welt
alles
andere als zimperlich umgeht.
Zhoa tobt sich technisch brillant und mit Anleihen ans
Barock
hemmungslos auf der Leinwand aus. So deckt ein Hammel in Mao-Uniform
inmitten von Kadavern ein Schaf. Fratzenhafte Wesen winken und
säugen, gemalt im Stil von propagandistischer Heldenverehrung,
ihre willige Meute. Mit einem gewaltigen Hieb holte der Maler die Mona
Lisa von Leonardo Da Vinci von ihrem Sockel. Blut quillt aus der Ikone
heraus. Fliegen laben sich an ihr, und die Brüste verwandeln
sich
in einen Parma-Schinken. Marylin Monroe zeigt sich in pornografischer
Pose als vielarmige indische Göttin.
Der 1964 in der Mandschurei geborene Künstler
rechnet
drastisch mit seiner Heimat ab. Fünf Jahre lang war er als
Dozent
für Malerei an der Pädagogischen Universität
in
Changchun tätig, malte die Große Mauer und
Landschaftsbilder. Mit der Begegnung der westlichen Kunst als Student
der Münchener Akademie der Künste kam der Bruch, den
Zhoa mit
künstlerischen Mitteln forcierte. Hoch anzurechnen ist ihm,
dass
er dabei nicht stehen blieb und auch seine neue Heimat, ihre Mythen und
Idole einbezieht bei näherer Betrachtung witzig, skurril und
vielschichtig. Die Schau ist noch bis Ende Januar an der
Rüttenscheider Straße 56 zu
sehen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus XXXXX)
Strandaufenthalt
Dem Reiz der Toskana mag sich
kaum einer
verschließen. Eine warme Brise rauscht über die
Hügel
und durch die Zypressenwälder, die Sonne gewährt ein
wohl
einzigartiges Licht - wer hier ans Arbeiten denkt, muss entweder
Workoholic oder Künstler sein. Michael Nowottny hat
mit beiden
etwas gemeinsam und versteht es zudem noch, die durch die Landschaft
aufgedrängte Leichtigkeit des Lebens kreativ umzusetzen.
Bereits
zweimal erhielt der 1961 geborene Kölner ein Stipendium der
Villa
Romana. Nun stellt er in der Galerie
Eikelmann, Witteringstraße
38, bis zum 23. November die malerischen Ergebnisse seines Aufenthaltes
in Florenz vor.
Ein großer Garten umsäumt die Villa
Romana. wo etwa
ein halbes Dutzend Ateliers nebst Wohnung für die Dauer von
mehreren Monaten gestiftet werden inklusive Taschengeld. Die Versuchung
ist groß. sich am Brunnen, im Schatten der Weinreben oder in
einem der vielen fußläufig erreichbaren
Cafés der
Altstadt niederzusetzen, mit Hausherr Commendatore Joachim Burmeister
ein Gläschen Rotwein zu trinken, Kunst Kunst sein zu lassen
und
ansonsten dem gepflegten Nichtstun zu frönen. Warum auch
nicht?
Wer von hier wieder nach Deutschland zurückkehrt, hat meist
wieder
den Kopf voll mit neuen Ideen.
Derlei Überlegungen muss Michael Nowottny nicht
abgeneigt
gewesen sein, zumindest bei seinem zweiten Besuch in Florenz.
Verblüffend erscheint an der Witteringstraße 38 die
Gegenüberstellung seiner Werke aus dem Jahr 2000 und
derjenigen
aus dem Jahr 1990. Während Nowottnys frühere Malerei
deutlich
ambitionierte Ziele mit Anleihen der christlichen Ikonographie verfolgt
(„Große Kreuzabnahme“, im Hintergrund
ruht die Villa
Romana), widmen sich seine jüngsten Werke der sanften
Schönheit von Landschaft, florentiner Architektur und
Kunsthandwerk. Strandszenen lassen erahnen, wo Nowottny einen Teil
seiner Zeit verbrachte. Der Stipendiat nutzte den zweiten Aufenthalt,
seine Maltechnik zu vervollkommnen und schuf, scheinbar ganz nebenbei,
lockere, unverfängliche Studien, die in warmen Farben die
einlullende Wirkung der Toskana auf den Menschen einfangen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus XXXXX)
Makellos
Beim Malen ist Willi Kissmer
sicherlich der
Pinsel ausgerutscht - solch üppige weibliche Formen erscheinen
jedenfalls wie nicht von dieser Welt. Makellose Brüste
betören, kaum durch Top, Tuch oder BH gebändigt, in
der Galerie Nr. 3.
Der Duisburger Maler meint es gut mit dem Betrachter und
seiner Freundin Beate, die ihm Modell steht. Wo es anatomisch nicht
reichte, ließ er die Phantasie den Pinsel führen.
Die
fotorealistisch gezeichneten Torsi strotzen vor plakativer Erotik. Rot
ist die rechte Farbe, die Stilmittel wie wallende und drappierte Stoffe
seit Jahrhunderten bekannt - aber was soll’s? Das Geheimnis
"Frau" lüftet Kissmer an der Alfredstraße 60 genauso
wenig
wie seine unzähligen Vorgänger, hält aber
gekonnt das
Interesse an dem anregenden Thema wach. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus XXXXX)
Bestandsaufnahme
Vor rund einem Jahr hat Knut
Wolfgang Maron
die Galerie an der Kahrstraße 54 übernommen und
bislang zehn
Künstler gezeigt. "Mehr sollen es auch nicht werden, ich will
mich
ja um jeden Einzelnen kümmern", erklärt der
Kunst-Professor,
Fotograf und Galerist. Zeit für eine Bestandsaufnahme? "Ich
bin
genauso enthusiastisch wie am Anfang", sagt Maron zur Jahresschau mit
allen Künstlern der ZoneE.
Mit zwei, vielleicht drei
Schritten hat man
die ehemalige Imbissbude in jede Richtung durchquert. Die Abmessung der
ZoneE hat ihren besonderen Charme. Von Enge kann man aber nicht
sprechen. Auf die Pelle rücken sich die Bilder durch ihre
Zusammenstellung. Maron hat die christliche Symbolik, weltliche Zeichen
und visionäre Ikonografie seiner Künstler zu einer
aufregenden Schau gemischt. Fließend sind die
Übergänge
von Fotografie, Skulptur, Malerei und Objektkunst. Die Ausstellung kann
nur nach Anmeldung unter Telefon XXXXX besichtigt werden. Aber wer
durchs Schaufenster guckt, sieht noch bis zum 23. Feburar
reichlich. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Zwischenstation
Stimmungen mit Farben und
Flächen zu erzeugen, darauf versteht sich Ralf Bohnenkamp als
einstiger Bühnenbilder. Nun hat der Essener Maler auch die
Figur entdeckt, und zwar auf dem Flughafen. "Stop Over" heißt
seine derzeitige Ausstellung in der Galerie
Obrist, Rüttenscheider Straße 73.
Gekonnt gelingt es ihm, die eilenden und wartenden, die hektischen und
orientierungslosen Menschen in den Terminals einzufangen und sie als
schwarze Schemen in seine Bildwelten zu integrieren. Und so, wie der
Flughafen für die Reisenden meist nur eine Zwischenstation
ist, so hebt Bohnenkamp im Gespräch das Experimentelle seiner
jüngsten Serie hervor: Ob er bei den Figuren landet oder doch
wieder zu seinen Flächen abfliegt, ist noch nicht entschieden
- bis 28. September. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Pathologie des Alltags
Sie häkelt Köpfe, um sie wie der
aufzuribbeln, schlägt Figuren den Kopf ab, aus dem dann
Stofftränen weinen, und legt deformierte Babypuppen in
Kinderwiegen, die sie mit einem Wecker aus den Träumen
reißen will: Wiebke
Bartsch versteht sich auf den Horror morbider
Infantilität, wie Manfred Schneckenburger schrieb, und
entführt die Besucher der Galerie
am Museum (GAM) unter dem Titel
"Einer kommt, einer geht..." in die Pathologie des familiären
Alltags.
In ihren Keramiken, Textilien und Zeichnungen geht es um Leben und Tod.
Die mal melancholischen, mal humorvollen Werke legen Emotionen als
Triebfeder für das Prozess hafte des Daseins frei.
Beeindruckend
gelingt dies der 1968 geborenen Künstlerin in ihren
"Tafelbildern", die durchaus wörtlich zu verstehen sind. Auf
schwarzen Tafeln zeichnete sie mit wenigen Kreidestrichen die Beziehung
von Mutter und Kind auf. Mit einem Wisch könnte alles
vergessen
sein bis zum 27. Oktober an der Kahrstraße 59.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Geschminkte Damen zeigen ungeschminkte Wahrheit
Hündchen umspielen
die Frauchen, die sich auf dem Sofa in
Unterwäsche fläzen. Distanziert, fast
verächtlich
blicken die beiden Damen aus dem Bilddern ungewollt zum Voyeur
abgestempelten Betrachter an. Li
Ji hat diese Szene gemalt. Dieser
stellt in der Galerie
Frank Schlag aus.
"Lust und Besitz" heißt das tragende Thema von Li Jis
Gemälden. Der 1963 geborene stellvertretende
Leiter
der Yunnan Kunstakademie lässt in seinen Bildern stark
geschminkte
Frauen mit Hunden, Affen und Katzen auftreten. Die Tiere sollen den
Bildern einen "Hauch von Unschuld" verleihen, wenn man einer Mitteilung
der Galerie Glauben schenkt. Darin steht auch, dass die Arbeiten des
chinesischen Künstlers auf die "oft dekadent und
vulgär
erscheinende Schattenseite der heutigen materialistisch eingestellten
Gesellschaft verweisen". Wer sich selbst ein Bild machen will, hat dazu
bis zum 12. Oktober an der Meisenburgstraße 173 Gelegenheit.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Räume für Emotionen
Wer vergangenen Freitag gegen
Mitternacht an der Rüttenscheider Straße 73
vorbeischlenderte, konnte zwei heitere Gestalten beim Zuprosten
beobachten: Galerist
Torsten Obrist und Maler Ralf Bohnenkamp. Sie
hatten allen Grund zu Feiern. Nach der Vernissage klebte nahezu an
jedem Bild ein roter Punkt.
Ralf Bohnenkamp, der Verkaufsschlager. Von morgens bis
spät nachts spachtelt Bohnenkamp an seinen
"Farbkörpern", die er rechteckig auf der Leinwand anordnet und
übereinander schichtet. Das Werkzeug hinterlässt
Spuren. Farbtropfen ziehen Linien übers Bild. Bohnenkamp
schafft verschachtelte Flächen mit einfacher Formensprache.
Als gelernter Theatermaler versteht es der Essener dabei geschickt,
Räume zu schaffen, in denen sich Emotionen und Assoziationen
ausleben können. Die Ausstellung ist bis zum 22. Juni zu
sehen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Wischi-Waschi
Christophe Hohler
kann sich nicht entscheiden, ob er Maler, Fotograf oder Filmer ist. Mit
Videokamera filmte der 1961 geborene Elsässer
Tanzvorführungen im Fernsehen von der Mattscheibe ab. Die
daraus gewonnenen Standbilder nimmt Hohler als Vorlage für
seine Malerei. "Versuch zur Bewegung" heißt bis zum 22.
November die dazugehörige Schau in der Galerie Obrist,
Rüttenscheider Straße 73.
Der Versuch ist missglückt: Die Bilder
erscheinen mehr als eine Aneinanderreihung von gestalterischen
Stereotypen denn als eine Zusammenführung der einzelnen Medien
zu einem Bild, das mehr als die Summe seiner Einzelteile ausmacht.Klar:
Die verfremdet fotorealistisch auf der Leinwand festgehaltenen
Tänzerinnen und Tänzer verkörpern Energie.
Ebenso fühlt sich der Künstler in die Bewegungen ein.
Doch damit geht Hohler nicht über den Film oder das Foto
hinaus. Mit Verwischungen und herunterlaufenden Farbtropfen soll die
Bewegung und die Momentartigkeit angezeigt werden. Durch dieses
Wischi-Waschi wird aber zugleich auf das Einfachste dem Bild der
Stempel "moderne Kunst" aufgedrückt. Hohler übersetzt
den künstlerischen Ausdruck des Tänzers eins zu eins
in verschiedene Medien - ohne selbst etwas dazu
beizutragen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Unfertig
Ein brauner Farbklecks auf
weißem
Lack, der wiederum unvollständig ein Baumwolltuch bedeckt, das
mit
ein paar Strichen versehen wurde: Bei den Gemälden von Eva-Maria Kollischan
sieht alles ein wenig unfertig aus, als ob sie jemand ans der Arbeit
gerissen hätte. Gerne werkelt sie auch bei ihren
Installationen
mit Bauplänen
und
Verpackungsmaterialien, Dinge. die gebraucht werden, um etwas anderes
entstehen zu lassen oder transportieren zu können. Die
Kölner
Künstlerin lässt offen, was dies denn sein kann, und
konzentriert sich auf Zwischenwelten, in denen alles und nichts
passieren kann. Sichtbar machen möchte sie die Entstehung von
Begriffen. Die Galerie
Schütte zeigt ihre beachtenswert unkonkreten
Werke.
Eva-Maria Kollischans Installationen und Bilder
funktionieren
als Werkzeuge oder Medien, die Räume poetisch aufladen. Wie
ein
Schuppengeflecht zieht sich so eine einfache Schnur entlang
eingeschlagener Nägel an der Wand. Blasse, kaum sichtbare
Malereien, die an übrig gelassene Farbflecke erinnern, setzt
sie
auf MDF-Platten. Wie ein Löschpapier saugt bei ihren
Gemälden
ungrundierte Leinwand die Acrylfarbe auf. Darauf gesetzte Linien
simulieren Strukturen.
Die 1966 geborene Schülerin von Ulrich Erben
nimmt
derzeit auch bei dem Transfer-Projekt "türkiye-nrw 2005-2007"
teil. Ihre Arbeiten sind im Ludwig Forum für Internationale
Kunst
in Aachen und im Museum Bochum zu sehen - und bis 10. November an der
Hauptstraße 4 in Kettwig. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Kraft des Bildes
Ein wunderschöner
Kupferstich eines
Baumes, filigran, meisterlich, wie einem alten Buch entrissen. Doch der
Schein trügt: Dieter
Weber
hat mit dem Computer ein Foto eines Baumes bearbeitet und auf "alt"
getrimmt. Geht es dem Künstler um Irreführung oder um
technische Spielerei? Nichts dergleichen: Weber setzt selbstbewusst auf
die Kraft des Bildes - egal, wie es entstanden ist. Diese Kraft ist in
vielen Werken in der Gemeinschaftsschau des Ruhrländischen
Künstlerbunds (RKB) und des Werkkreises Bildender
Künstler (WBK) im Forum Kunst und Architektur
zu bewundern. "Neue Arbeiten", so der Ausstellungstitel, zeigen 50
Mitglieder beider Vereine.
Die Palette reicht von Fotografie über Malerei
bis hin
zur Plastik. Wuchtige Bilder treffen auf zarte Papierarbeiten, etwa
düstere Landschaften von Ingrid Geyer auf
zurückhaltende
Prägedrucke von Friedbert
Reihl.
Als Gegenpart zur "Leipziger Schule" mit ihren traumwandlerischen
Fantasiewelten versteht sich- mit einem gewissen Augenzwinkern - Klaus Heuermann.
Seine Malerei fußt auf Mathematik. Linien setzt er auf der
Leinwand so zusammen, dass jede einem Sechseck zugeordnet werden kann.
Aus der Geometrie heraus entwickelt auch Hubert Hillman
seine Porträts: Die geschwungenen farbigen Flächen
werden zu
Gesichtern. Eher den impulsiven, gestischen Ansatz verfolgt Christine Prause.
Dick spachtelt sie Farbe in vielen Schichten zu irrealen
Räumen. Spielerisch geht
Jurek Jarzombek vor, der Häuser aus Treibgut auf
Sandpapier setzt. Ernst wird es mit Gabriele
KIages.
Unter die Zeichnung einer verschleierten Frau schrieb sie langatmige
Texte, mit Sätzen wie "Es ist mir wirklich wichtig, was andere
Leute von mir denken." Eine Meinung darüber kann man sich bis
6.
Januar am Kopstadtplatz 12 bilden. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Entdeckung der Langsamkeit
Ihm gelingt es, gegen den
Strom zu schwimmen, indem er sich treiben lässt: Achim Bertenburg
malt und filmt das Leben als ständigen Fluss. Das Wissen, dass
da
schon viel Wasser heruntergeflossen ist und noch viel nachkommen wird
– all dies stellt er im Raum des im Kunstvereins Ruhr am
Kopstadtplatz 12 fern von Melancholie als beglückende
Positionsbestimmung im Kontinuum des Daseins dar.
Im Mittelpunkt der Schau steht das in Kooperation mit
dem
Künstlerduo Korpys/Löffler entstandene und auf die
Wand
projizierte Video „Kanu“. Zu sehen sind Aufnahmen
einer
Bootstour in welcher innerhalb von zwölf Tagen von Berlin nach
Bremen gepaddelt wurde. Das Ufer zieht endlos vorbei, Pferde grasen
– selten wurde die Entdeckung der Langsamkeit derart
ausgekostet.
Bei längerer Betrachtung verschwimmt das Bild und ein eigener
Gedankenfluss kommt in Gang, der sich selbst seinen Weg durch die
Landschaft bahnt.
Darüber hinaus zeigt der 1954 in Solingen
geborene und
heute in Bremen lebende Künstler mehrere Gemälde, auf
denen
sich Farbschlieren und Flächen zu undurchdringlichen Gebilden
vereinen. Zum Teil meint man Uferböschungen zu erkennen oder
Flussläufe. Die ungewisse Zukunft und versperrte
Vergangenheit,
die Zweifel an der Wahrnehmung und die Gewissheit von Emotionen vermag
Bertenburg mit dem Pinsel auf der Leinwand zusammenzuführen.
Die Ausstellung wird von der Karin und Uwe
Hollweg-Stiftung
und dem Kulturbüro unterstützt und durch einen
üppigen
Katalog mit Texten von Sabine Maria Schmidt und Peter Friese
ergänzt – bis zum 30. März (©
NRZ/Tankred
Stachelhaus 2008).
Fantasie bekommt Flügel
Er bringt das Holz zum
Sprechen: Stefan
Borzecki verarbeitet
Bretter, Äste und Wurzeln zu Gesichtern und Figuren. Mit Farbe
erweckt der polnische Bildhauer die Skulpturen zum Leben. Die Galerie Sagan,
Girardetstraße 2-38, zeigt in einer Retrospektive sein
Schaffen der vergangenen 50 Jahre.
Das polnische Kunsthandwerk ist das Fundament des
Professors
der Krakauer Akademie der Künste. Borzecki, geboren 1930 in
Sromowce Nizne, geht aber weit darüber hinaus: Die aus
Fundstücken gebastelten, geschnitzten und bemalten Wesen
„scheinen nach Freiheit zu schreien“, wie einmal
ein
Kritiker schrieb. Mit Kordeln wird einigen von ihnen der Mund
zugenäht. Holz wird transformiert zum Medium, das
Sehnsüchte
erfüllt. So wird in Essen die „Aussicht aus dem
Fenster“ gezeigt. Aus dem Naturstoff schnitze sich Borzecki
den
idyllischen Blick auf ein Gebäude mit Schornstein, auf einen
Kirchturm mit Baum und eine Ente. Wenn die politischen und
territorialen Grenzen dicht sind, so bekommt die Fantasie
Flügel
– bis zum 22. Juni. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Drecksspuren der Vergangenheit
Allerweltsmotive lichtet Andy Scholz
ab. Rolltore, Straßen, Kaugummi-Automaten, Tunnel und immer
wieder: Hausfassaden. Doch dies macht er mit so einer solch lakonischen
Iroine, dass man fasziniert vor den Fotos stehen bleiben muss. Die
Galerie Obrist am Museum
(GAM) widmet dem Essener Künstler bis zum 23.
Mai eine groß angelegte Schau.
Scholz spricht „von meiner Art zu
sehen“ und
„dem Charme der Rudimenten alter Zeiten“.
Düster sind
meist seine an Filmkulissen von Endzeitthrillern im Heroin-chic wie
„Blade“ erinnernde Bilder, große Schatten
legen sich
aufs Mauerwerk, Kohlenstaub färbt den Putz ein. Ihn
interessiert
der Moment, wo eine Situation kraftvoll erscheint. Die Motive findet
der 35-Jährige im ganzen Ruhrgebiet per Zufall. Etwa einen
heruntergekommen Tunnel aus der Jugendstilzeit in Duisburg. Die einst
prachtvollen Ausstattung lässt sich nur noch erahnen. Der
helle
Mittelstreifen und die Neonleuchten zeichnen eine Linie ins Foto.
Überhaupt: Die Komposition spielt eine wesentliche Rolle.
Geschickt setzt Scholz an der Kahrstraße 59 die Drecksspuren
der
Vergangenheit unauffällig in Beziehung zu geometrischen
Formen.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Alles fließt
Unter Wasser steht derzeit das
Forum Kunst und
Architektur. 45 Künstler des Vereins Berliner Künstler
haben im Rahmen eines Austauschprojekts mit den zwei am Kopstadtplatz
12 beheimateten Essener Künstlervereinen die Wände
mit ihren
Werken geflutet. Das nasse Element ist das Bindeglied zwischen den
Malereien, Zeichnungen und Fotografien. Die Schau markiert zugleich
einen Wechsel im Ausstellungskonzept.
Zum einen treten der Werkkreis
Bildender Künstler (WBK) und der Ruhrländische
Künstlerbund (RKB)
über ihren Schatten und nach außen geschlossen unter
dem
Namen "Forum" auf. Zum anderen bestreiten nicht Künstler
beider
Vereine die Ausstellung, sondern Mitglieder auswärtiger
Künstlervereine. Das Kalkül: Im Forum gibt es mehr
"Neues" zu
sehen und die eigenen Mitglieder können bei den Gegenbesuchen
ihre
Werke in anderen Städten zeigen. Jeder Austausch soll ein
anderes
Element aus der Natur behandeln.
Bei dem jetzigen Gemeinschaftsprojekt einigte man sich
auf das
Wasser; auch weil die Berliner zufällig das Thema gerade bei
einer
anderen Ausstellung hatten und die meisten Künstler nur aus
ihrem
Fundus schöpfen mussten Oft reichte es manchen
Künstlern
dabei offenbar, dass auf den Bildern irgendwie ein Fluss oder ein Meer
abgebildet waren. So malte Karl
Heinz Matthies
eine idyllische Flusslandschaft mit Kajakfahrern und Brücke
als
Sinnbild eines domestizierten Naturraums. Auf gleicher Linie liegt Matthias Koeppel,
der Spuren der Zivilisation in vermeintlich unberührter Umwelt
drapiert.
An Intensität gewinnt die Schau, wenn man auf
Bilder
trifft, die Wasser nicht nur als landschaftliches Beiwerk, sondern
seinen Bezug zum Menschen zeigen, hinterfragen und karikieren: als
Elixier des Lebens, als Sinnbild für das beständige
Unbeständige. Tine
Schomann widmet etwa eine neunteilige Serie dem "Durst",
eine beklemmende Geschichte von nicht zu löschender Begierde. Ralf Kleine
modellierte Wasser als drei Meter lange Welle - ein intereressanter
Versuch, Wasser "begreiflich" zu machen. Wilhelm Otto malte
Badende als Torsi auf weißem Grund in einer Haltung, die sie
genauso gut auf einem Stehempfang haben könnten, ein
humorvoller
Seitenhieb auf gesellschaftliche Konventionen. Alles fließt
bis
zum 7. Oktober. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Einblicke ins Hyperarchiv
Ein Archiv taugt ohne
Systematik nicht viel, es mutiert zu einer Fundgrube. Im Kunstverein Ruhr
erinnert die Installation ebenfalls mehr an ein Depot eines Messis als
an ein geordnetes „Hyperarchiv" - wie die Ausstellung von Jürgen Paas
am Kopstadtplatz 12 genannt wird. Der Essener Künstler hat
hier
die Bestandteile seiner verschiedenen Projekte aus der Vergangenheit
gelagert und in eine vorsortierte, aber nicht aufgeräumte
Beziehung zueinander gebracht.
„Die Ästhetik von
Aufbewahrungssystemen",
erklärt Paas zurückhaltend, habe ihn „schon
immer
interessiert". In seiner Kunst geht es jedoch nicht nur vorrangig ums
Sammeln, Bewahren und Präsentieren. Ausgangspunkt seiner Werke
ist
vielmehr ein offenes System, dass die Möglichkeiten und
Bedingungen der Malerei in Einzelteile zerlegt untersucht: Farbe, Form,
Raum.
Dabei bewegt er zwischen Bildhauerei und konzeptioneller
Malerei. In seinen Werken archiviert er Tafeln in Farben des
Industriestandards RAL auf Rollständern oder Wandhalterungen.
Die
Tafeln und ihre Träger kann man als Pinsel und Leinwand
übersetzen - oder moderner: als Pixel auf einem Bildschirm. Es
sind zahlenmäßig begrenzte Einzelteile, die der 1958
geborene Künstler seinem privaten und doch universell
gültigen Bildarchiv einverleibt und aus der sich eine
unerschöpfliche Anzahl von bildnerischen Kompositionen
kombinieren
lassen. Nebenbei wird vor Augen geführt, dass auch der bewusst
sparsame Umgang mit Materialien eine große Wirkung entfalten
kann.
Im Kunstverein Ruhr gewährt Paas bis zum 5.
April
Einblicke in sein „Hyperarchiv" - und das ist
wörtlich
gemeint: Die Schaufensterscheibe ist zugeklebt, nur ein paar
Sichtlöcher sind offen. Man sieht als ersten Eindruck ein
Durcheinander aus Regalen, Befestigungen und Farbtafeln - ein schlecht
sortiertes Depot, das sich selbst archiviert. Betritt man den Raum, so
sucht man zwangsläufig nach dem Ordnungsprinzip. Welches man
findet, überlässt Paas, der - wenn er wollte - alle
Bestandteile seinen früheren Aktionen zuordnen
könnte, aber
den Besucher. „Ich stelle nur das Orchester, musizieren
dürfen die Leute selbst."(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Verblüffende Verknüpfung
Das ist eine schöne
Geste: Auf der
Einladungskarte der Galerie Heimeshoff steht, dass „unsere
Nachbarn der ,Baustelle Schaustelle' gleichzeitig die Ausstellung Uwe
Huxholl „eli, eli'" eröffnen. Irgendwie passt das
auch zu
der Schau von Gisoo Kim
in der Galerie Heimeshoff:
Sie fügt Dinge zusammen, die gar nicht so zusammenpassen
wollen.
Und schafft umso verblüffendere „Neue
Realitäten", wie
der Titel der Ausstellung an der Brigittastraße 7 lautet.
Gisoo Kim, geboren 1971 in Seoul, Südkorea, hat
erst in
ihrer Heimatstadt, dann in Hamburg und in Düsseldorf Kunst
studiert. Vielleicht hat die Konfrontation zweier Kulturkreise dazu
beigetragen, dass sie zwei Techniken in einem Bild verdichtet: die
Fotocollage und eine figürliche Stickerei.
Die Künstlerin versucht erst gar nicht, die
Illusion zu
vertuschen: Ihre Collagen haben Brüche und Kanten, die
Übergänge zwischen den Fotos sind klar erkennbar. In
einem
Bild ist unten eine bayerische, oben eine norddeutsche Landschaft zu
sehen. Mehrere südländisch anmutende, verfallene
Häuser
schichtete sie an einem Geröllhang übereinander. Ein
Gitter
verlängert sie mit einem Faden in einen Hauseingang - alles
nichts
Spektakuläres, aber es ist spannend festzustellen, dass
verschiedene Fotos ein neues Bildgefüge ergeben, über
das
sich noch mit den Stickereien eine zeichnerische, höchst
handwerkliche Ebene legt. Auf eine Fotocollage aus
Landschaftsfragmenten stickte sie unter anderem mit einem Einhorn und
einen Pegasus zwei Fabeltiere, die auch erst aus der Kombination
bereits bekannter Tiere ins Fantasieleben gerufen wurden. Bis 3.
Januar. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Ins Zwischenlicht geholt
Ja, die Fotografie: Wo jeder
mit der
Digitalkamera knipst und die Bilder nach Belieben am Computer
bearbeitet, meint ein jeder fotografieren zu können. Technik
wird
mit Können verwechselt, was beiderseitig zu Irritationen
führt. Während die Fotopuristen auf die
Computertüftler
nach dem Motto „klicken kann doch jeder" hinabblicken, so
schütteln die Bildbearbeiter über die Fotografen den
Kopf,
deren Chemie den Blick dafür vernebeln, dass ein gutes Bild
nicht
auf Handwerk, sondern auf einer Idee fußt. So welche, wie sie
Janet Zeugner
hat, die erst gar nicht zur Kamera greift und in der Zone E ,
Kahrstraße 54, mit ihrer „Erinnerung" Personen
fragmentarisch aus dem Zwischenlicht holt.
Die 1977 geborene Rostockerin ist eine
Schülerin des
Galeristen und Hochschullehrers Prof. Knut Maron. Sie hat sich an der
beachtenswerten Ausstellungsreihe „Absage an die
Wirklichkeit"
beteiligt. Auf der Grundlage von Schwarz-Weiß-Vorlagen
entwickelt
Zeugner sinnliche und malerische Bilder. Dabei knüpft sie mit
ihrer experimentellen Arbeitsweise an die Avantgarde der zwanziger
Jahre an. Sie verzichtet auf Kamera, Objektiv und Fixierer. Bakterien
und chemische Substanzen lösen die benutzten Fotos partiell
auf.
Das Blatt Papier erinnert an ein „verblichenes, latentes Bild
aus
dem Unterbewusstsein und lässt sich nur durch eigene
Erinnerungen
rekonstruieren", heißt es in dem Ausstellungstext. Die Schau
ist
bis zum 18. Januar nach vorheriger Anmeldung zu besichtigen.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Alles Illusion
Wohin Ivan
Andersen
einen aus den tristen und öden Straßen,
Häusern und
Zimmern auf der Leinwand auch immer führt, man folgt gern
seiner
Richtung. „Follow My Directions" heißt die
Ausstellung in
der Galerie Frank Schlag,
in der Motive spektakulär in ihre Bestandteile
aufgelöst werden.
Der 1968 geborene Künstler aus
Dänemark hat ein Auge
für stereotype Wohnsituationen, für die
immergleichen, sich
in jeder Stadt wiederholenden Orte der Anonymität. Er malt
Sonnenliegen in Hinterhöfen, Tiefgarageneinfahrten und
Betonblumenkübel. Rund um das Hauptmotiv verändert er
den
Focus: Getrennt werden Farben und Formen, die Standardformen werden mit
ausgemalten Trapezen in die Geometrie des Raumes
überführt,
Fragmente gehen in Leerraum über. Wirbel verwischen
Strukturen.
Aus farbigen Rechtecken formt er das Raumschiff Enterprise. Das alles
meistert der vornehmlich in Berlin wohnende Künstler mit einer
solch kraftvollen Stringenz, dass ein interessanter Effekt auftritt:
Wird gemeinhin von abbildhafter Malerei gesprochen, so entlarvt
Andersen solche Sichtweisen – sicherlich nicht als erster
(Magritte würde mit „Das ist keine Pfeife"
grüßen), aber durchaus überzeugend
– als
Illusion: Die Fiktion des Figürlichen weicht der
Realität des
Abstrakten. Das Bild besteht aus in Form gebrachten Farben. Dass es
aber immer noch deutlich mehr als die Summe seiner Teile ist,
lässt sich bis zum 10. Oktober an der
Meisenburgstraße 173
bewundern. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Haarige Angelegenheit
Waschen, schneiden, legen: Bettina Zachow
frisiert ihre Werke. Das, was andere vom Kamm rupfen, auf dem Boden
zusammenfegen oder aus dem Sieb des Abflussrohres fischen, verwendet
die Essenerin als Material für ihre Kunst. Ekelig sind die
Objekte
trotzdem kein bischen, sondern filigran, zart, mitunter spielerisch
amüsant - wie es einem derzeit in der Neuen Galerie der Volkshochschule
wie Schuppen von den Augen fällt.
Aus vornehmlich ihren eigenem Kopfbewuchs formt Zachow
in
haariger Fisselarbeit Taschen, Mieder und Regentropfen. Neben einen
abgeschnittenen Zopf legt sie ein dazu passendes Etui,
natürlich
auch aus Haaren. Die körperhaften Hüllen verweisen
auf
Zachows zentrales Thema: die Leiblichkeit. Haare sind Speicher
genetischer Informationen, schützen den Körper vor
Kälte
sowie zugleich etwas Intimes wie Öffentliches. Sie wachsen
ohne zu
leben. Aus den Gegensätzen bezieht Zachow die Spannung ihrer
Objekte. Gegen den Strich wird am Burgplatz 1 noch bis zum 9. Mai
gebürstet. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Schnüre als Linien
Die Installation erinnert an
einen mit
Spinnenweben verhangenen Höhleneingang aus einem
Abenteuerfilm.
Der Eindruck wird verstärkt durch auf die
Dreieckstücher
projizierten Fotos. Eine dreidimensionale Leinwand öffnet
sich,
die betreten werden kann und soll. Bei der Vernissage in dem Verein "kunstwerden"
tanzten vier Tänzer in dem Werk von Jens J. Meyer.
Der in Hamburg und Essen lebende Künstler
versteht sich
als Bildhauer. Die Schnüre sind seine Linien, die Stoffe seine
Flächen. Jedes neu verknüpfte Element verzieht das
komplette
Werk. Sichtbar werden so die Kräfte im Raum. Diese wirken an
der
Ruhrtalstraße 19A auch in einer Reihe weiterer Objekte und
Zeichnungen unter dem Titel "rato" bis zum 7. Juni. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Widersprüche der Werkstoffe
Er ist der aktuelle
Träger des
Ruhrgebiets-Kunstpreises "Junger Westen", wohnt in London und tut
Dinge, die gar nicht so recht zusammenpassen wollen. Gereon Krebber
verknüpft Materialien wie Acryl, Holz, Gips und Folienpapier
mit
der Idee, "diese Vorlagen gegen den Strich auszunutzen und dadurch neu
zu bewerten", wie das Kunsthaus
Essen mitteilt. Der gebürtige Oberhausener stellt
an der Rübezahlstraße 33 unter dem Titel "Droopy"
aus.
Die Skulpturen und Objekte des 1973 geborenen
Künstlers
kreisen in der Galerie des Kunsthauses um die Themen
Materialität
und Widersprüchlichkeit. Stets sind es einfache Formen. Sein
Motto
könnte lauten: Je weniger Aufwand, desto mehr Wirkung. Ihm
gelingt
es, durch ungewöhnliche
Größenverhältnisse und
ungewohnte Oberflächen einen magischen Sog auf seine Arbeiten
auszulösen. Beispielsweise, indem er Kugeln mit
kilometerlanger
Frischhaltefolie umwickelt. Die Form wirkt schwer, die
Oberfläche
leicht. Krebber greift zu ungewöhnlichen Materialien, um die
Wahrnehmung des Betrachters für das Ausdruckspotenzial von
Werkstoffen wie Haferflocken, Gelatine, Zahncreme oder Spaghetti zu
sensibilisieren.
Parallel stellt Grit
Hachmeister
im Kabinett des Kunsthauses wandfüllende Collagen aus. Unruhig
streift der Blick des Betrachters über die Mischung aus
Strichen
und Abzügen. Die bewusst "kunstlosen" Aufnahmen der 1979 in
Leipzig geborenen Künstlerin treffen auf gezeichnete Ideen und
rufen mit ihren drastischen, schonungslos autobiografischen Motiven ein
Gefühl der Beklemmung hervor - bis zum 27.
April. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Geschützte Parallelwelten
Thomas Ritter
ist ein sensibler, freundlicher und langmütiger Mensch - das
spiegelt sich in seinen Gemälden wider. Warme Farben
dominieren
das Geschehen, das sich im weitesten Sinne um Figur und Raum dreht. Die
Werdener Galerie Aviva
widmet dem 52-jährigen Künstler bis zum 13.
März eine Einzelausstellung.
Mit einer Pferdekutsche erkundet Ritter gern die
Umgebung
seines Wohn-Ateliers in einem Bauernhaus bei Hannover. Inspirieren
lässt sich der Maler auch im schwedischen
Västergodland. Die
Ruhe der Natur führt seinen Pinsel. Aus vielen Schichten
schnell
trocknender Acrylfarben und Spachtelmasse entwirft Ritter abstrakte
Malgründe. Immer wieder verändert er die Strukturen,
bis sich
ein räumliche Tiefe vermittelndes Geflecht ergibt, auf dem
angedeutete Figuren ein Eigenleben entfalten. In der
Brückstraße 26 finden sich harmonische Bilder, die
von einer
geschützen Parallelwelt künden: Hier kommt der Mensch
wieder
zu sich selbst. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Explodierende Flächen
Nach der Vernissage wollte die
Künstlerin in die Disco "Hotel Shanghai", und irgendwie passt
das
zu ihrer Kunst, einer Technomalerei, die das Leben als Sample versteht.
Eklektizistisch komponiert Giulia
Bowinkel all das zusammen, worüber sie gerade
stolpert. Die Galerie
Kalthoff zeigt eine Auswahl ihrer Werke an der
Sabinastraße 1.
Die Motive sind Krieg, Paraden, Boxen,
Künstlerdasein und
Party, die Mittel Manga, Grafitti und Recycling - gern alles auf
einmal. So lässt Bowinkel rechteckige Flächen
explodieren,
sie sprengt gleich ganze Bilderserien durch die Hängung, sie
integriert "Tags" - Schriftzeichen, mit denen Grafitti-Sprayer ihr
Revier markieren - in die Bilder und zerknüllt fotorealistisch
gemalte Porträts, um sie auf Stoffbeuteln zu fixieren. Ihr
Werk
zeugt von einer überbordenen Ideen- und Umsetzungskraft, ein
Fundus, aus dem die 23-jährige Studentin der
Düsseldorfer
Kunstakademie noch lange schöpfen wird - sofern sie sich
für
einen Weg entscheidet - bis zum 13. April. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Wirklichkeit und Selbsttäuschung
Bluttropfende Herzen am
Fleischerhaken,
Selbstporträts im Clownskostüm und Pelzmantel und
Fotos von
einem heruntergekommenen Hotel: Der Rundgang der Freien Akademie der Bildenden
Künste,
Prinz-Friedrich-Str. 28A, gibt einen Einblick in die Lehre der
Kupferdreher Institution und das Schaffen der rund 210 Studierenden.
Zu sehen ist etwa das autobiografische Werk von Isolda Middelberg.
Ihre Eltern ließen von ihr im Kleinkindalter ein
"schönes
Porträt" anfertigen. Die Zeichnung hängte die
Künstlerin
neben ein zeitgleich entstandenes Foto aus den Akten des Arztes, der
sie wegen ihrer Gaumenspalte behandelte. Wirklichkeit und
Selbsttäuschung, aber auch elterliche "blinde" Liebe sind
selten
so eindringlich thematisiert worden. Auf den Gängen der
Kunstakademie gibt es zahlreiche weitere Objekte, Fotos,
Installationen, Gemälde zu entdecken - und selbst das neue
Campusgebäude ist schon ein Besuch wert. Bis zum 16.
März.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Melancholisches Geflecht
Ich bin ein richtiges Landei",
lacht die
Künstlerin. Aufgewachsen in der Eifel, ländlich
lebend in
Belgien, begeisterte Wanderin: Wer ein Bild von Vera Hilger in der Galerie Geymüller
ersteht, bei dem hängt bald die Auswirkung ihres Hanges zur
Landschaft an der Wand. Bis zum 24. März stellt die Malerin am
Schützdellerweg 11 aus.
"Capricci", nennt Galerist Johannes von
Geymüller die
Schau, was sich mit "Kleinigkeit" übersetzen lässt.
Hilger
versteht es, mit beiläufig erscheinender Geste eindrucksvolle
Wirkung zu entfalten. Sie webt die Farben zu dunklen, von Wolken
verhangenen und von Nebeln bedrückten Gemälden. Die
Inspiration ist die Landschaft, heraus kommt mehr ein melancholisches
Geflecht, ein Organismus aus meisterhaft herausgearbeiteten Licht- und
Schatteneinflüssen. In ihren kleinen Formaten malt sie auf
Holz,
die sich in vielschichtige Farbkörper voller
räumlicher Tiefe
verwandeln. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Unbeirrt geht sie ihren Weg
Sollte sie es nicht geben,
dann muss sie
jemand schreiben: Eine Untersuchung, inwieweit der Versandhandel
für Künstlerbedarf die Kunst beeinflusst. Das Angebot
bestimmt die Nachfrage, und das, was nachgefragt wird, landet auf dem
Bild. Auf sehr vielen Bildern. Umgekehrt werden diejenigen, die ihre
Farben selbst herstellen, schnell zu eigenbrötlerischen
Geheimniskrämern.
Gabriele
Musebrink wählt
den Mittelweg. Die Essener Künstlerin produziert ihre Farben
nach
geheimer Rezeptur selbst, weil sie einen bestimmten Effekt erreichen
möchte: Ihre in der Hofwerkstatt,
Sibyllastraße 15, ausgestellten Werke reagieren schon auf
leichte Lichtwechsel und ändern ihre Farbigkeit.
"Gesehenes und Unveröffentlichtes"
heißt der
Untertitel der Schau mit Bildern von 1986 bis 2007. Zu sehen ist etwa
ihr erstes großes, von einem Traum inspiriertes
Ölgemälde einer kraftstrotzenden Frau, die unbeirrt
ihren Weg
geht. Im Hintergrund hält sich eine androgyne Person auf, die
"unbewusst beim Malen des Bildes" entstand, wie es im
Erklärungstext tiefenpsychologisch heißt. Weiter
steht da:
"Die Bilder ähneln der Künstlerin selbst: Sie sind
zart,
entrückt, vieldeutig, aber auch kraftvoll, energiegeladen und
entschlossen." Das nimmt man Musebrink gern ab. Vor zehn Jahren
gründete sie die Hofwerkstatt mit eigener Kunstschule. Die
Ausstellung ist noch bis zum 24. März zu sehen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Alles andere als linientreu
Ein Blatt Papier, ein
Bleistift. Der materielle Aufwand zum Zeichnen ist
überschaubar - denkt man. Im Kunsthaus Essen
zeigen aber sechs Künstler, dass die Kunst der Linie alles
andere
als linientreu sein muss: "Die Zeichnung als Medium der Reflexion"
heißt die bemerkenswerte Ausstellung an der
Rübezahlstraße, welche die
Ausdrucksmöglichkeiten der
Zeichnung mitunter spektakulär bis zum 19. November vor Augen
führt.
Mit Buntstiften zeichnete so Anja Schreys ein
fotorealistisches, deckenhohes Monumentalbild von zwei sich umarmenden
Frauen. Derart vergrößert, erscheint die intime Pose
als
Bollwerk in einer unpersönlichen Welt. Gleich
gegenüber
entwirft Robert Kraiss
auf
großen Blättern geometrische Muster, um sie mit
gestischen,
spontanen Bildern zu überzeichnen. Dass sich die Zeichnung
durchaus in den Raum verlagern kann, zeigt Hannes Kater mit seinem Werk
"Die Legende der Lust". Mit Schaschlikspießen hebt er seine
Zeichnungen auf Styropor und Tapete von der Wand ab: Eine raumgreifende
Erzählung über die menschliche Fortpflanzung mit
piktogrammähnlichen Elementen, an deren Ende eine schwangere
Frau
mit zwei Gewichten im Bauch steht.
Hyojin
Jeong setzt
ihre Zeichnung ebenfalls als Installation um. Viele kleine Skizzen und
Papierbasteleien geben tagebuchähnlich Auskunft über
die
Eindrücke der Künstlerin - verdichtet zu dem Titel:
"I love
germany". Gleich das ganze Kabinett des Kunsthauses füllte Adriane Wachholz
aus. Entlang der Wände zeichnete sie für ihre
"Außenwelt" einen Gartenzaun und Wolken, die mit einer
Videoprojektion zusätzlich in Bewegung gebracht werden. Dass
aber
auch die "konventionelle" Zeichnung als eine der unmittelbarsten
Ausdrucksmittel des Künstlers eine ungeheure
Intensität
erzielen kann, beweist Patrick
Borchers.
Ausgehend von Pressefotos der Terroranschläge in Beslan und
London, bringt er mit wenigen Linien das Leid der Opfer auf den Punkt.
Erschütternd. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Ewiger Naturkreislauf
Es glitzert kostbar auf den
sechs grünen Samtkissen. Doch Tatsuya Higuchi
hat weder Perlen noch Edelsteine, sondern lediglich Wassertropfen aufs
Podest gehoben. Langsam verdunsten sie, um Wolken am Himmel zu bilden
und alsdann wieder auf die Erde hernieder zu regnen. Was banal klingt,
verdichtet der 1972 geborene Japaner im Kunsthaus Essen zu
der poetischen Schau "Slowly forgotten now", die inmitten des Werdens
und Vergehens einen Moment innehält.
Higuchi, der in Kanagawa geboren wurde und Kunst an der
Tama
Universität in Tokio studiert hat, kennt sich in Essen aus.
Als
Stipendiat des Stellwerk Zollverein bat er vor einem Jahr 16 Menschen,
ihm ihre "gewöhnlichen Wege" zu zeigen. Heraus kam ein
ungewöhnliches Stadtporträt, das die Bewohner
fotografisch in
ein zeitliches und räumliches Koordinatensystem einordnet.
An der Rübezahlstraße 33
porträtiert Higuchi
hingegen sich selbst als Bestandteil eines ewigen Naturkreislaufes von
kosmischer Dimension. Bevor man das Kabinett des Kunsthauses betreten
darf, muss man die Schuhe ausziehen - zum einen, damit die extra
verlegten Bodenplatten noch lange weiß bleiben, gewiss zum
anderen aber auch, damit man seinen Respekt vor der
künstlerischen
Arbeit durch eine Zeit in Anspruch nehmende Handlung zeigen kann.
Drinnen findet sich eine spartanisch beleuchtete Installationen aus
mehreren tausend kurzen Haaren des Künstlers. Diese stecken
einzeln im Boden, angeordnet zu einem astronomischen Spiralnebel. An
der Wand lehnt als zweites Objekt eine Art "Himmelsleiter", gefertigt
aus akkurat geschnittenen Fingernägeln, die Higuchi zwei Jahre
lang gehortet hatte. Was sich ekelig anhört, sieht
faszinierend
aus: Der körperliche "Abfall" wird ästhetisiert und
aus dem
Kreislauf der Natur herausgerissen, den er zugleich symbolisiert.
Einem ähnlichen Gedanken folgt die Arbeit
"Boxed Sky".
Zweihundert Himmelsfotos faltete Higuchi zu kleinen Schachteln. Sie
liegen auf einem weißen (Wolken-)Teppich. Jede bewahrt ein
nur
für kurze Zeit sichtbar gewesenes Stück Himmel auf.
Dass
dieser seinen Preis hat, beweist ein Blick in die dezent ausliegende
Preisliste. Der Jungkünstler verkauft die Installation
für
stolze 50 000 Euro - und zwar nur die gesamte. Wer lediglich den
siebten Himmel haben will, geht leer aus.
Zeitgleich stellt sich bis zum 1. Oktober Simon Halfmeyer im
Kunsthaus Essen vor. Auf zwei großen Stellwänden
zeigt der
1974 geborene Berliner jeweils ein Foto aus Botanischen
Gärten. In
langwieriger Fisselarbeit hat der neue Rotary-Stipendiat die Umrisse
der Pflanzen und der Fenster der Gewächshäuser
ausgesägt. Ihm geht es um die Beziehung von
künstlicher und
natürlicher Landschaft - ein Thema, was er in seinem
neunmonatigen
Aufenthalt in Essen vertiefen und womöglich um das Thema
"Industrielandschaften" ergänzen will. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Wie schwebende Quallen
Scherben bringen
Glück - und dieses hat Gerda
Schlembach
baggerschaufelweise eingefangen. In einem Gladbecker Recyclinghof
filmte die Essener Künstlerin in Nahaufnahme, wie die Maschine
tonnenweise Flachglas zermalmte. Das Ergebnis fasziniert als
Videoprojektion in der Galerie
Schütte,
Hauptstraße 4, in Kettwig: Scheiben zerbersten,
Bruchstücke
schieben sich wie Eisschollen übereinander, Splitter
türmen
sich zu funkelnden Bergen auf. "Ich will den spröden, harten
Stoff
in einen fließenden Energiezustand
überführen", sagt
Schlembach. Das ebenso mitreißende wie meditative Schauspiel
namens "g.l.a.s.s." wirkt bis zum 16. September in ihrer Ausstellung
"fluid".
Mit Glas und Silikon hat Schlembach zwei Materialien
gefunden,
die ihre Objekte in einen Zustand zwischen fest und weich, sachlich und
emotional, fassbar und unfassbar versetzen. Die 1951 geborene, im
Kunsthaus "beheimatete" Künstlerin, die an der Fachhochschule
Münster eine Professur für Design inne hat, sorgt
für
fließende Übergänge. In
Abhängigkeit vom
Blickwinkel und Abstand wechseln sie zuweilen zwischen Erscheinen und
Verschwinden. In einer mehrteiligen Installation hat Schlembach jeweils
rund 40 rechteckige Glasplatten übereinander geschichtet. Was
in
den einzelnen Glasblöcken von Weitem wunderbar wie schwebende
Quallen ausschaut, entpuppt sich aus der Nähe ganz profan als
zwischen Glas gequetschtes Silikon. Schlembachs Werke sprechen die
Vorstellungskraft an, man kann sich von ihnen verzaubern lassen, sie
aber ebenso gut entzaubern. Das ist vermutlich wie mit dem
Glück:
Man muss es nur wollen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Zerplitterte Vergangenheit
Er war einer der Helden von
Bern: Max
Morlock schoss im WM-Finale von 1954 das erste Tor für
Deutschland. Bejubelt wird der Treffer derzeit im Kunsthaus Essen. Philipp Morlock,
ein entfernter Verwandter des Nationalkickers, baute aus einer
Schubkarre eine polternde Trommel und eine Apparatur mit lautstarken
Fanfaren. Die beiden "Fanmaschinen" sind nicht nur eine Referenz an
seinen Urgroßonkel, sondern geben auch der Begeisterung
für
den Aufbruch in neue Freiheiten eine Gestalt. Bewegung und Euphorie
sind die zentralen Themen des achten Rotary-Stipendiaten, der in der
Rübezahlstraße 33 seine Abschlussausstellung zeigt.
"Ich bin schon da", nennt Morlock seine Schau, ein
Verweis auf
die Geschichte vom Hasen und Igel. Während der eine durch
Schnelligkeit und körperliche Verausgabung gewinnen will,
katapultiert sich der andere, ohne einen Meter zurückgelegt zu
haben, zum Ziel. Morlocks nach berühmten Pferden wie "Jolly
Jumper" benannte Skulpturen funktionieren ähnlich. Abgestellt
stehen zwei Mofas im Raum, ein anderes hängt an einem
Bügel
an der Wand. Sie sind Gefährte der Seele, die mit Phantasie,
Träumen und Erinnerungen Distanzen überwinden wollen.
Die Mofas versteht der 31-jährige
Künstler dabei nur
als reine "Bildträger". Ein Vehikel versah er mit elf
Rückspiegeln, in denen sich nach hinten die Vergangenheit
zersplittert, und mit zahlreichen Kabelbindern, die sich wie
Fühler in die Zukunft ausstrecken. Daneben stellt Morlock
einige
Besen mit Stocknägeln aus. Die Motive dieser Wanderandenken
hängen vergrößert an der Wand als
Trophäen des
Aufbruchs. "Die Welt beginnt vor der Haustür", heißt
es -
und das vermeintliche Abenteuer entpuppt sich als ein
(Zurück-)Kehren.
Parallel verkauft Wolf
Klein
im Kabinett des Kunsthauses Narzissen, Geranien,
Vergißmeinnicht
und Nelken. An die 700 verschiedene Pflanzen hat der Künstler
auf
Lager. Das dürfte wohl einmalig in der Branche sein - wenn es
sich
dabei nicht ausschließlich um Fotos handeln würde.
Wie
Memorykarten hängen sie an der Wand, zu haben für
jeweils
fünf Euro. Als eine "stationäre Performance" sieht
der
37-jährige Berliner seine Ausstellung. "So wie die Fotografie
einer Rose tut, als ob sie eine Rose sei, so tut der Blumenladen, als
ob er ein Blumenladen wäre" - bis zum 11. Juni.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Besser sehen durch Stereo
Wie gut, dass Thomas
Hannappel in
der Bildmitte keine Menschen fotografieren will - sonst müsste
Blut fließen. Denn seine Werke sehen auf den ersten Blick nur
aus
wie langweilige Collagen aus zwei fotografierten leeren Zimmern. Beim
näheren Hinsehen erweisen sie sich als kunstvoll arrangierte
Einzelbilder, die dank zersägter Tische, Stühle,
Wandgemälde und Teppiche in zwei Teile zerfallen. Eine
unauffällige Verbindung, sei es ein Staubsaugerrohr, ein
Gummischlauch oder ein Blick, den sich zwei Teenager zuwerfen,
verbindet die Hälften. Die verblüffenden "Fotowerke"
des 1956
geborenen Essener Bildhauers und Fotografen hinterfragen in der
Kettwiger Galerie
Schütte (Hauptstraße 4) spielerisch
die Beziehung zwischen Abbild und Wirklichkeit.
Jedes Auge liefert einen anderen, leicht verschobenen
Ausschnitt aus der Welt. Erst im Kopf werden die beiden Einzelbilder zu
einem räumlichen Bild zusammengesetzt. Hannappel orientiert
sich
an diesem "Stereo sehen". In seinen Bildern sorgen jedoch weniger
leichte Differenzen, sondern Polaritäten für
räumliche
Eindrücke: Schwarzweiße Zimmer treffen auf bunte,
Innen- auf
Außenräume und leere Zimmer auf voll gestopfte. Eine
Dokumentation der Einheit der Gegensätze? Mitnichten.
Hannappel,
und das macht die Bilder unprätentiös und
sympathisch,
führt fast mit kindlicher Freude und Bastelwut vor Augen, dass
sich außerhalb des rechteckigen Fotoausschnitts durchaus
Überraschendes verbergen kann - bis zum 25.
Februar (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2006)
Bruchstücke
Das einzelne Bild
zählt nichts bei Norbert
Fleischmann, sondern nur die ganze Ausstellung - und
insofern darf man sich fragen, warum Galerist Gerd Schütte
Einzelwerke verkauft. Sie erscheinen als Bruchstücke, die
höchstens noch als Souvenirs Verwendung finden
dürften.
Aber der Reihe nach: Nachdem Norbert Fleischmann in
seiner
vorhergehenden Galerieschau an der Hauptstraße 4 (Kettwig)
vor
allem die Frage nach der musealen Präsentation von Kunstwerken
in
den Raum geworfen hat, widmet sich der 1951 in Wien geborene
Künstler nun unter dem Titel "Einzelheiten" inhaltlichen
Bezügen der verschiedenen Werke. Fleischmann tritt dabei als
Kurator auf, der sich seine Bilder selbst malt: Konkrete
Farbflächen, romantische Seeansichten, militärische
Tarnmuster und weitere Gemälde verschiedener Stile.
Die Schubladen reißt Fleischmann alle
gleichzeitig auf,
dennoch erscheint die Ausstellung wie aus einem Guss: Durch das
Aufeinandertreffen der Bilder schafft Fleischmann sinnstiftende
Zusammenhänge und Stimmungsbilder, wie Galerist
Schütte meint
- bis zum 29. Oktober. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Kunst im freien Fall
Michail
Pirgelis
konnte bislang in den Himmel gelobt werden. Seine vornehmlich aus
ausgemusterten Flugzeugteile erschaffenen Kunstwerke stecken voller
Poesie, aktualisieren den Ikarus-Mythos und verbreiten Zuversicht. Dem
griechischstämmigen Essener geht es darum, für den
Schutz des
Menschen auch außerhalb seines angestammten Lebensraumes, der
Erdoberfläche, zu sorgen - was im übertragenen Sinne
auch
für geistige, innovative Höhenflüge gilt.
Deshalb kümmert er sich auch um den Schutz des
Schutzes,
beispielsweise indem er einen Notausstieg eines Flugszeugs sicher
verpackt. Doch seine derzeitige Schau in der Galerie Kalthoff zeigt,
dass selbst Himmelsstürmer Pirgelis nicht immer auf der
Höhe
seines Könnens sein muss. In der Schau schlachtet der 1976
geborene Student der Kunstakademie Düsseldorf seine eigenen
Ideen
aus und präsentiert ein wenig erhabenes Nebenthema seiner
Arbeit:
die Profanität der Flugzeugtechnik, der sich der Mensch ja
schließlich ausliefert. Dies beispielsweise anhand eines von
außen verspiegelten voluminösen Flugzeug-Waschraums
und mit
gerahmten Kopfstützentüchern - bis zum 31. August an
der
Sabinastraße 1.
Wenig erbaulich auch, was derzeit in der
Meisenburgstraße 173 an den Wänden hängt.
"Gelblinge" schuf Frank
Michael Zeidler,
der Vorsitzende des Deutschen Künstlerbundes - und man fragt
sich,
wie man heute noch derart malen kann? Es sind immergleiche, irgendwie
der Seele entsprungene Farbschichtungen in Gelb, die man vielleicht bei
Ikea erwartet - aber nicht in der Galerie
Frank Schlag bis zum 23. August. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Erkenntnistheoretische Näherung
Mit Blindenschrift versieht Klaus Schneider
seine Werke - weniger, um Sehbehinderten den Zugang zu seiner Kunst zu
erleichtern, sondern mehr, um die Beziehung zwischen der Sprache und
dem Bild auszuloten. Der 1951 geborene Frankfurter
will wie viele Künstler mit seinen Bildern mehr sagen, als man
sieht. Dabei hat Schneider es sich aber
zur Aufgabe gemacht, gerade diese Schnittstelle zwischen dem Sichtbaren
und dem Gesprochenen, vielleicht auch der ins Werk
hineininterpretierten "Aussage" zu thematisieren. Mit einer "Apologie
des Unsichtbaren" bespielt Schneider bis zum 8. Januar die Galerie Schütte in
Kettwig, Hauptstraße 4.
Schneider, studierter Philosoph, wagt sich auf das
schwierige Terrain
der Erkenntnistheorie. Die Welt ist für den erklärten
"Sprachskeptiker" nur eine Interpretation sinnlicher Erfahrungen und
entsprechend verlegt er seine Kunst in den Kopf des Betrachters.
Beispielhaft dafür ist sein "Louvre"-Projekt. Von bekannten
Gemälden aus dem Pariser Museum wie Rembrandts "Selbstbildnis
am
Fenster" oder Munchs "Schrei" sind nur noch die
maßstabsgerechten
Rahmen übriggeblieben. An Stelle des Bildes sitzt eine
schwarze,
spiegelnde Glasscheibe. Das Bild wirft den Betrachter wieder auf sich
selbst zurück. In Braille stehen dazu museumstypische Angaben
wie
das Format oder das Entstehungsdatum des Originals. So vereint
Schneider sprachliche Näherung und ästhetische
Wahrnehmung in
einem Bild. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2005)
Genormte Architektur
Fabian Birgfeld ist
ein globaler Mensch.
Der gebürtige Hamburger zog mit 19 Jahren in die USA,
studierte
dort Betriebswirtschaftslehre an der Harvard University, ließ
in
Großbritannien ein Fotografiestudium am Bournemouth College
of
Art and Design folgen und setzte noch ein Architekturstudium an der
Princeton University in New York drauf. Immer auf Achse, das war er
auch in seinem späteren Job als Strategieberater. Paris, Wien,
Hongkong, Tokio, Berlin und Madrid zählten zu seinen Stationen
-
und vielleicht wurde es ihm beim Warten auf Flughäfen und in
U-Bahnhöfen, nun ja, etwas langweilig. Also suchte er in der
weltweit standardisierten Funktionsarchitektur für Reisende,
in
der genormten Mischung aus Einkaufszentrum, Verweilorten und
Bewegungskorridoren die Abwechslung. Es ist sein subjektiver
Fotografenblick, der den öffentlichen Räumen mit
dreiteiligen
Bildern individuelle und erhabene Eindrücke abtrotzt. Unter
dem
Titel "Interior Landscapes" stellt der 1968 geborene Foto- und
Videokünstler aus in der Privatgalerie
von Christiane und Lothar
Pues, Moltkeplatz 5. Besichtigung bis zum 31. Januar nur
nach
telefonischer Absprache unter
Telefon[XXXX. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Auf der Suche nach sich selbst
Entrückt, verirrt,
fragil, antiquiert - die Gesichter der von Katsura Funakoshi
aus Kampferholz herausgemeißelten Menschen sorgen sowohl
für
Faszination als auch für Beschützerinstinkte beim
Betrachter.
Mit den bemalten Holzskulpturen avancierte der 53-jährige
Bildhauer zu einem der wichtigsten japanischen Künstler, dem
die
Kunsthalle Recklinghausen vor fünf Jahren eine eigene
Ausstellung
gewidmet hat. Nun präsentiert die Galerie Frank Schlag,
Meisenburgstraße 173, bis zum 7. August eine weitere Facette
seines künstlerischen Schaffens: Zeichnungen und Drucke.
"Mich interessiert die menschliche Existenz, ich will
Aussagen
zur Menschheit selbst machen", sagt Katsura Funakoshi. Entsprechend
stellt er den Menschen auf der Suche nach sich selbst in den
Mittelpunkt. Die träumerisch-poetische Wirkung seiner
Portraits
setzt sich fort in den Titeln. "Tanzendes Papier" steht unter einer
dynamischen Seitenansicht eines Mannes, "Worte tragen" unter einem
anderen Gesicht. Waren die Zeichnungen ursprünglich Vorstudien
für das skulpturale Werk des Japaners, so entwickelten sie
sich zu
einem eigenständigen mit den Skulpturen korrespondierenden
Oeuvre.
Dabei vereint Funkakoshi Einflüsse aus der
deutschen
Gotik mit antiker japanischer Kunst, Bilder buddhistischer Gottheiten
mit christlichen Madonnenfiguren. Zu Recht verweist die
Kunsthistorikerin Petra Mostbacher-Dix darauf, dass der
Künstler
aus Tokio etwas in der Kunst Seltenes schafft: "Er vermittelt ein
Menschenbild, das Anmut und Würde, Stille und Zeitlosigkeit
vereint." (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Wandrelief aus Küchentuch
Auch wenn die Röcke
geradezu
überperfekt sitzen - mit ihren Entwürfen
würde Alke Reeh
keinen Blumentopf gewinnen. Den haben ihre Fotomodelle zwar an, aber
nur dank Bildbearbeitung am Computer. In Wirklichkeit könnte
man
die genau an die Konturen des Körpers angepassten
Blumentöpfe
weder an- noch ausziehen. Das Spiel mit den Assziationen und
Proportionen verblüfft in der Kettwiger Galerie Schütte,
Hauptstraße 4.
"Ich leihe als Künstlerin dem Betrachter meine
Augen",
meint Alke Reeh. Der 1960 geborenen Düsseldorferin kommt es
darauf
an, verschiedene Dinge so zusammenzuführen, als wären
sie
schon immer eins gewesen. Mit digitalen Collagen führt sie
zudem
die Austauschbarkeit von Formen vor Augen. So ersetzen in ihren Fotos
dreckige Teetassen und gehäkelte Deckchen die Kuppel von
Kirchen
und Moscheen. Ein Wandrelief ließ Alke Reeh aus einem
verwaschenen Küchentuch entstehen.Die Ausstellung "Von Kuppeln
und
Tassen" ist bis zum 31. Juli und nach den Galerieferien wieder vom 7.
bis 18. September zu sehen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Ins Abseits gerückt
"Vielleicht entwickele ich
mich in diese
Richtung weiter", sagte Hans-Jürgen
Schlieker. "Ich bin ja noch
jung." Da hatte ihn Frank
Schlag in Vorbereitung auf die Ausstellung
"Ausgewählte Werke 1953 - 2003" in seiner Galerie auf ein
dreiteiliges, überraschend optimistisch wirkendes Bild
angesprochen. Es sollte sein letztes Gemälde sein. Kurz vor
seinem
80. Geburtstag am 8. April dieses Jahres starb der Maler. Die
Retrospektive mit 30 Werken wird nun ohne Verni- oder Finissage an der
Meisenburgstraße 173 bis zum 7. Mai gezeigt.
Schlieker gehörte zu den bedeutendsten
Vertretern des
deutschen Informel, das in Anlehnung an den abstrakten Expressionismus,
dem Action-Painting und dem Tachismus eine organisierte Formstruktur
ablehnte. Dabei hat Schlieker jedoch nie ganz das
Gegenständliche
aus den Augen verloren. 1955 malte er eine abstrakte
Industriekomposition mit angedeuteten Fördertürmen,
später besann er sich auf Kalligrafien und Landschaften als
Inspirationsquellen - deutlich zu sehen etwa auf seinem gezeigten
großformatigen "Moorbild".
Die Schau gliedert sich in zwei zeitliche Schwerpunke.
Die
Malereien aus der Spätphase Schliekers werden Arbeiten aus den
Jahren 1953 bis 1963 gegenübergestellt. Letztere verdeutlichen
den
intensiven Austausch des Bochumers mit der informellen Bewegung. Manche
Bilder aus dieser Zeit erinnern an Werke von K.O. Götz oder
Emil
Schumacher. Vielleicht auch andersrum. Dass Schlieker neben diesen
"Stars" des Informel ein wenig ins Abseits rückte, mag an
seiner
schon früh parallel zur Malerei ausgeübten
Lehrtätigkeit
an Gymnasien und der Ruhruniversität Bochum liegen.(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2004)
Innige Beziehung
Wenn Peter Sandkamm-Möller
die
Landschaft seiner Heimat malte, so portraitierte er sich selbst. Der
expressionistische Maler von der dänischen Insel Alsen
verstand
sich als Teil der Natur, die er mit künstlerischen Mitteln
erhöhte. Seine letzten elf Lebensjahre bis zu seinem Tod im
Jahre
1981 verbrachte der Däne vornehmlich in Essen.
Sandkamm-Möller ging in der Wallotstraße 22 ein und
aus, der
"Wolfsburg", die er als "Heimat meiner Liebe" beschrieb. Die "Liebe" in
Gestalt der Helene-Charlotte Wolf legte nun ihre Erinnerungen
über
die Zeit mit dem Maler vor.
Sandkamm-Möller, geboren 1893 in Schauby auf
der Insel
Alen, verwandelte Landschaften in dramatische Szenenbilder. Farben
stürmen und drängen über die Leinwand,
beeinflusst von
Emil Nolde forderte er die Natur heraus. Im Blick hatte er vorwiegend
kultivierte Landschaften. Windmühlen und Gebäude
verschmelzen
mit den Naturgewalten, arrangierte Gärten rücken die
schöpferische Leistung des Menschen in den Vordergrund. In den
70er Jahren, als er fast erblindet war, reduzierten sich Farben und
Formen. Viele dieser in Essen bei Helene-Charlotte Wolf entstandenen
Spätwerke sind erstmals in dem Buch abgebildet.
Dass die beiden eine innige Beziehung pflegten, liest
sich aus
fast allen Zeilen der im Klartext-Verlag erschienenen Hommage heraus.
Einmal, so erzählt Wolf, portraitierte
Sandkamm-Möller sie in
einem Cafe. Die Skizze habe er nach den Initialien benannt. "Wir wurden
#1#19S.-M.+S.-M., und unsere tiefe Verbundenheit wurde durch das
doppelte Kürzel transparent", schreibt die
Nervenärztin.
"Peter Sandkamm-Möller. Der Alsen-Maler. Erinnerungen - Ein
Bildernbuch" wagt den schwierigen Spagat zwischen Kunstbuch und
Liebesgeschichte. Man könnte die Erzählungen als
rührseligen Kitsch abtun. Doch durch die Schilderungen der
mittlerweile 80-jährigen Muse scheint das Wesen des auf dem
Essener Ostfriedhof begrabenen Spätexpressionisten
weiterzuleben.
"Die Schönheiten, wovon die Welt voll ist, habe ich gemalt",
sagte
Sandkamm-Möller einmal. "Ich gebe es ja zu: Ich bin ein
Gefühlsmensch".
Helene-Charlotte
Wolf. Peter Sandkamm-Möller. Der
Alsen-Maler. Erinnerungen - Ein Bilderbuch.
Klartext-Verlag 19,80
Euro. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2002)
Meinungsbildende Projektionsräume
Mehr als ein Zeichen setzt Friedebert
Reihl. Auf Leder, Holz und Zeitungspapier finden sich
seine
geschnittenen, geschnitzten und gemalten Symbole. Manchmal sind es
Tiersymbole, manchmal erinnern sie an germanische Runen. "Botschaften"
lautet der Titel der Ausstellung des Wirtschaftsverbandes Bildender
Künstler (WBK) im Forum
Kunst und Architektur, die Reihl gemeinsam mit Jochen Leyendecker
bestreitet.
Dass es ein hoffnungsloses Unterfangen
ist, ein Zeichen an sich, unabhängig von seiner Bedeutung,
darzustellen, weiß auch Reihl. Also öffnet der 1940
geborene
Mülheimer gewissermaßen Projektionsräume,
in denen man
sich gemeinsam eine Meinung darüber bildet, was das Zeichen
wohl
bedeuten mag. Seine gekringelten, gezackten in Variation immer
wiederkehrenden Symbole bieten sich als Schnittstelle zwischen der
Vorstellungswelt des Betrachters und des Künstlers an.
Bedeutungen
von Zeichen befinden sich im ständigen Fluß und so
ist eines
der zentralen Objekte von Reihl bezeichnenderweise ein Boot. Doch auch
andere Objekte wie Fahrzeuge aus Holz thematisieren die Bewegung.
Runenverzierte Türen deuten den Übergang von einer
Bedeutungsebene zur anderen an. Etwas archaisch, indianisches haftet
dabei Reihls Werken schon allein durch die Materialien Holz und Leder
an.
Ganz andere Materialien verwendet hingegen Jochen
Leyendecker. Das
verbindene Element zu Reihl ist das Boot, das der 1957 in
Mülheim
geborene Bildhauer mit Stahl und Beton umsetzt. "Fundstück"
heißt zum Beispiel solch ein Objekt, das wohl nichts anderes
ist,
als der Titel verrät - aber an ein gestrandetes Schiffswrack
erinnert.Die Ausstellung "Botschaften" ist noch bis zum 16. November am
Kopstadtplatz in der Innenstadt zu besichtigen. Am 9. November, 12 Uhr,
wird zum "Künstlergespräch" unter der Moderation von
Falko
Herlemann geladen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2003)
Wo Weg und Ziel zusammenfallen
Wenn Dirk Gently bei einem
Kriminalfall
nicht weiter kommt, fährt er einem x-beliebigen Auto
hinterher.
Dann ist der Romandetektiv von Douglas Adams zwar nicht dort, wo er hin
wollte, aber dort, wo er sein sollte. Auch bei Johanna Timaeus
fallen
der Weg und das Ziel zusammen. Mit dickem Strich trägt sie
Acrylack auf die schon vorskizzierte Leinwand auf. Eine innere Stimme
führt den Pinsel, stellt Farbkombinationen zusammen, die bald
ein
dynamisches Eigenleben entwickeln. Timaeus kämpft gegen sie
an,
übermalt bis zu zwölf Mal die Leinwand. Doch am Ende
nimmt
ein Motiv überhand. Die Farben verdichten sich zu einer Frau
im
Kleid, die mit Kindern unterm Arm in den rechten Bildgrund
läuft.
"Die Flucht meiner Mutter aus dem Osten setzt sich in ganz vielen
meiner Bilder durch", sagt das Mitglied des Künstlerverbandes
Bildender Künstler (WBK). Drei Künstlerinnen geben im
Forum
bildender Künstler an der Alfredistraße
2, unterhalb der
Alten Synagoge bis zum 5. Mai Einblick in ihr Schaffen.
Johanna Timaeus
lehnt sich an die "Seelenlandschaften" der informellen Malerei an.
Gleichzeitig schränkt sie mit figurativen Elementen die
Phantasie
ein. Ihre dennoch verblüffende Spannung beziehen ihre Bilder
aus
den unter der Oberfläche verborgenen Versionen des Bildes, die
als
Weg schon das Ziel vorausnehmen - sofern man davon weiß.
Bei Tanja
Lazarevic stellt sich die Kunst hingegen in den Weg.
Naturfarbene Fäden verleimte die 28-Jährige zu
rindenähnlichen Objekten. Die von der Decke hängende
Installation "Lose" muss durchschritten werden. Das S-förmige,
schwingende Dickicht scheint zu Atmen. Der filigrane Organismus fordert
Nähe ein und wirkt zugleich kühl und distanziert.
Ebenfalls
von der Decke hängt ihr Werk "Licht und Linie". Frei beweglich
schwingen hier Kunststoffstäbe, die sich zu einer Line formen,
in
der das Licht gebrochen und reflektiert wird.
Die dritte im Bunde lenkt den Blick in die Landschaft.
Mit Drucken und
Skulpturen abstrahiert Christiane
Rasch radikal die von ihr
wahrgenommene Welt. So reicht ein rechteckiger, hochkant gestellter
Körper bis zur Augenhöhe. Um ein Loch in der Mitte
führt
sie eine Art Rampe herum als minimalen Ausdrucks eines
Landschaftsreliefs. "Es geht um meine Wahrnehmung", stellt Rasch klar,
die nach eigenen Angaben ihren Zeichenblock wie einen Fotoapparat
benutzt. Sie ist es, die auf den Auslöser drückt. Das
Werk
soll ihren Blickwinkel konservieren. Diese konsequente Haltung erlaubt
der Künstlerin, die Skulptur auf ihre Augenhöhe zu
justieren.
Damit ist Höhe vielleicht für einen Betrachter mit
anderen
Körpermaßen nicht so, wie er sein sollte, aber wie
sie
wollte. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2002)
Ins Loch gefallen
Der Urschlamm wälzt
alles nieder.
Häuser und Landschaften versinken unter der braunen Schicht.
Nur
vereinzelt schauen schräge Dächer von umgekippten
Gebäuden heraus. Langsam trocknet der Schlamm. Es knackt und
kracht. Sintflut? Vulkanausbruch? Erdrutsch? Brigitte Jurack geht
auf
Nummer sicher. Damit nur keine falsche Vermutungen bei ihrem Werk
"grassover" aufkommen, stellt sie ihrer Schlammschlacht in der Galerie
des Kunsthauses Essen
ein Foto zur Seite. Es zeigt das "Wattenscheider
Loch", in das, Bergbau sei Dank, ein ganzes Haus stürzte. Nun
rutscht Kunst hinterher. Was gezeigt wird, ist das, was drin steckt.
Jurack bleibt an der Oberfläche des Schlamms kleben. Ihr Werk
erscheint als eine effektvolle Kulisse für ein
Theaterstück,
das erst geschrieben werden muss. Die Inhaltsleere
überbrücken Stichwörter wie
"Haldenbegrünung" und
Verweise darauf, dass die Vorlagen der beiden versunkenen
Häuser
aus der Nachbarschaft des Kunsthauses stammen. Schlamm
drüber.
Im Kabinett der Rübezahlstraße 33
zerlegt derweil Matthias
Weischer malerisch die Wahrnehmung von Räumen und
Oberflächen. Abstraktion trifft noch bis zum 23. September auf
Fotorealismus. Knallig und bunt sind die Farben, aus denen
Hochhäuser, Swimmingpools und Pyramiden entstehen.
Korbstühle, Topfpflanzen, Tapeteten und Sessel erscheinen als
penibel gemalte Versatzstücke aus der Pop Art, die auf der
Leinwand in nur angedeutete Elemente übergehen. Damit will der
28-jährige Rotary-Stipendiat die Dialektik zwischen
Realität
und Illusion thematisieren. Von der Stadt Essen, in der er nun seit
neun Monaten weilt, erwartet der Westfale nach eigenen Angaben
diesbezüglich einige Anregungen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)
Geisterhafte Porträts
Eberhard Bitter
zerhackt Körper mit nervösem Pinselstrich in
seine Bestandteile. Schwarz, Grau und Braun sind die vorherrschenden
Töne. Wie ein Bildhauer formt der 1960 geborene Maler auf der
Leinwand klobige Menschen - einsame und verletzliche Wesen, verloren
zwischen mathematischen Computerpixeln und
entblößenden
Körperwelten. Vier Künstler stellen im Forum Bildener
Künstler unter dem Titel "Ruhelos" aus.
Wobei "Ruhelos" sich mehr auf die gemischte
Hängung bezieht als
auf die einzelnen Werke. So begegnen sich Bilder von Jürgen Marose
und Anna Schriever
im großen Raum. Doch ihr Anblick
verströmt Ruhe und Harmonie. In verwischte, naturfarbene
Flächen setzt Marose mit sicherem Gespür für
Bildkompositionen schwarze Schatten. Mit geisterhaft verschwommenen
Portraits wartet hingegen Schriever auf. Rainer Storck kann
seine
geistige Nähe zu Emil Schumacher kaum verleugnen. Das
Informelle
packte ihn. Meisterhaft versteht es der in Barcelona lebende
Künstler dies zu übertragen und den Betrachter
mitzureißen. Kraftvoll explodieren Farben und Formen auf der
Leinwand, zerknülltes und bemaltes Papier wird zu einer
Topografie
der Energie. Eine Energie, die Rainer
Tillmann im Kabinett des Forums
Bildender Künstler aufzufangen versteht. Leuchtend
Grün,
Orange, Blau oder Rot sind seine quadratischen Farbkissen, die Tillmann
zu einem Farbraum anordnet. Fast hört man bis zum 16.
September
die meditative Musik heraus, der der Künstler beim Malen
lauschte. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)
Portal nach Potsdam
Schon immer versucht der Kunstverein Ruhr
mit seinen Ausstellungen auf die örtliche Situation
einzugehen. In
dem weißen Raum fordern die zwei Stützpfeiler die
Künstler am meisten heraus. Sie strukturieren den Raum,
symbolisieren Kräfte, die um der Kunst willen gehalten werden
müssen, und können zugleich ein Tor bilden, durch das
man in
neue Kunst(-Welten) schreitet. Diesmal ist's ein Portal nach Potsdam.
„Modifikation - stetig steigende Steine",
nennt Sandra Peters
ihr
Werk, das weit auseinander liegende Orte und historische Ereignisse
vereint: Potsdam in Essen, Essen in Potsdam. Die Schornsteine des
dortigen Schlosses Cecilienhof, Schauplatz der Potsdamer Konferenz der
vier Siegermächte, haben die 1969 geborene Berlinerin zu ihrer
Rauminstallation inspiriert. Die höfische, orientalisch
angehauchte Ästhetik des 1912 bis 1917 errichteten letzten
Bauwerks wird auf die repräsentativen Industriebacksteinbauten
des
Ruhrgebiets zur Kaiserzeit gespiegelt.
Die eigens angefertigten Backsteine ummanteln die
Pfeiler
spiralförmig. Die Fremdkörper aus bekanntem Material
nehmen
formal die runden Säulen am Fenster und die gemauerten Pfeiler
der
Pergola am Kopstadtplatz auf. Die Räume und geschichtlichen
Ereignisse überlappen sich bis zum 30. August. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Ein Fotograf, der die leisen Töne pflegt
Rund 60 Zentimeter breit war
die Maschine, und breiter konnten die
Abzüge nicht werden. Als die Folkwang Hochschule im Jahr 1979
ein
Farblabor einrichtete, waren die Arbeitsplätze eine Sensation
und
oft von Andreas Gursky, Joachim Brohm, Gosbert Adler und Knut Maron
belegt. In der ambitionierten heute zu Ruhm gekommenen Studentenclique
„versuchte jeder den anderen zu überbieten",
erinnert sich
Maron, der in der ZonE, Kahrstraße 54, aus dieser Phase seine
„frühen Bilder über Landschaften" ausstellt.
Drachenflieger, Badeufer, Meeresklippen: Die Fotos
wirken diesig, die
Farben trübe, die Szenerie beliebig, fast harmlos. Doch die
vordergründig schnappschussartige Banalität wandelt
sich
rasch zu einer hintergründigen, durchdachten Stellungnahme. Im
Fotolabor diskutierte man Anfang der achtziger Jahre über den
Ost-Konflikt, über die atomare Bedrohung, über die
Friedensbewegung und über die als imperialistisch eingestuften
USA, die als optisches Ablenkungsmanöver die beherrschte Welt
mit
einem Exportschlager schöner machte, als sie war: das Gras
grüner, den Himmel blauer - und die Firma „Kodak"
reicher.
Mit seinen vergrößerten Polaroid-Fotos betrieb Maron
Farbkritik, er zeigte die Welt, wie sie farblich war und dass man
nichts künstlich hinzufügen muss. Zudem machte er
deutlich,
dass man sich vom technischen „Fortschritt" abkoppeln kann.
Maron pflegt die leisen Töne. Seine Bilder
transportieren eine
Leichtigkeit und ein stilles Einvernehmen mit seinen Sujets
außerhalb jeder Einflussnahme. Lange wartete er, bis der
richtige
„Moment" zum Abdrücken kommt, sobald etwa
abgebildete
Badegäste sich in einer beziehungsreichen Konstellation
befinden.
Präzise ist der Bildausschnitt gewählt, mit
abschließenden Horizonten und imaginären
Motivweiterläufen an den Rändern des Fotos. Maron
pflegt
zudem eine malerische Beziehung zur Landschaft, die im Laufe seiner
späteren künstlerischen Entwicklung immer
näher
heranzoomte.
Knut Wolfgang Maron ist seit 1993 Professor für
experimentelle
Fotografie an der Hochschule Wismar. Er ist zugleich Betreiber des
Ausstellungsraums ZonE
an der Kahrstraße 54, in dem jetzt seine
Werke zu sehen sind. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Zwischen den Welten
Orient trifft Okzident, das
ist bei Zeynep
Yüksel schon in der
Biografie angelegt: Geboren in Istanbul, ging sie dort in die Deutsche
Schule, um später ganz nach Deutschland
überzusiedeln, in
Essen Kunst zu studieren und auch hier – wie derzeit ihre
Bilder
in der Werdener Galerie
Aviva – hängen zu bleiben. In ihren
Grafiken sucht die 50-jährige Künstlerin immer wieder
die
Motive aus den Grenzgebieten der beiden Kulturräume auf. An
der
Brückstraße 26 ist es vornehmlich die Lagunenstadt
Venedig.
Man sieht Gondeln, Brücken, Paläste,
Plätze. Die Zeit
scheint in den Zeichnungen, Radierungen und Aquarellen fast still zu
stehen. Man hat den Eindruck, ein nachcolouriertes Bild aus der Epoche
vor sich zu sehen, als Venedig noch die mächtige Handels- und
nicht Touristenstadt war. Melancholie schwingt bei jedem Strich mit,
der filigran die Fülle von Ornamenten der Gebäude
einzufangen
sucht und an anderer Stelle große Lücken
lässt.
Das Fragmentarische der Komposition verbildlicht eine
gewisse
Zerrissenheit. Dass die Häuser zuweilen auf den Betrachter
„zukippen", gibt den Grafiken eine bedrohliche Komponente.
Die
Kontraste zwischen scharf und verwischt, zwischen fein ausgearbeiteten
Strukturen und großflächigen Auslassungen, zwischen
anheimelnden Details und bedrohlichen Zusammenhängen finden
sich
fast in allen ihren Arbeiten und beleben sie. „Aus der
Düsternis blitzt der Schalk, hinter vordergründiger
Geborgenheit lauert Gefahr", heißt es zu Recht in einem
Begleittext zur Ausstellung. Yüksel verstehe ihre Arbeiten als
Aufforderung, genauer hinzuschauen, um versteckte Anspielungen und
Hinweise zu entdecken - bis zum 19. April. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Mit notwendiger Leichtigkeit
Immer diese Künstler:
Auf Zollverein skizzierte Hans
Edlinger
Förderturm, Koksbatterien und Rohrverbindungen – und
was
sieht man auf den daraus entwickelten Guachen? Farbschichten,
Strukturen und Verstrebungen. Kein figürliches Abbild also,
sondern das, was der Maler und Grafiker aus dem Motiv abgeleitet oder
abstrahiert hat. Kurzum: Es ist „sein" Bild des
Weltkulturerbes
geworden, ein überaus faszinierendes, gleichwohl universelles
Bild
einer Industrielandschaft – und mit ihm teilen kann man es in
der Galerie im Schloss
Borbeck bis zum 1. März.
Hans Edlinger hat eine didaktische Ader. Auf der
Folkwang Hochschule
lehrte er Malerei. Die Schau ist gewissermaßen seine
Abschiedsausstellung – wenngleich er weiter als
Künstler und
als Lehrer präsent bleiben will. So bietet er am 14. und 15.
Februar einen Workshop im Schloss Borbeck an.
Auch in seinen Arbeiten neigt er dazu, den Betrachter an die Hand zu
nehmen und zu bilden, ihm das riesige Potenzial an Farben und Formen
auf Zollverein vor Augen zu führen, das jeden Kreativen zu
einer
freien bildnerischen Artikulation geradezu drängt.
„Ihr sollt nicht nur schön malen,
sondern es in den Kontext
setzen", lautet eine Forderung Edlingers an seine Studenten.
Schön
sind seine eigenen Werke aber dennoch anzuschauen. Schweres erscheint
leicht, Massives transparent. Farbschicht schiebt sich über
Farbschicht, dicke Pinselstriche sind als gestischer, lebendiger
Ausdruck über das Papier gezogen. In Leinöl
getränkte
und auf den Malgrund geklebte Zeichnungen verleihen den Bildern Tiefe.
Gern arbeitet der Künstler in Serien mit immer wiederkehrenden
Elementen.
Edlinger vermittelt in seinen Arbeiten eine Art
„notwendige
Leichtigkeit", als könnte man gar nicht anders, als
Industriebauten genau so und nicht anders aus einem inneren Blickwinkel
zu malen. Dieser wie eine Selbstverständlichkeit anmutende
Zusammenhang zwischen Motiv und Werk ist aber alles andere als
zwangsläufig, sondern von Edlinger exakt bildnerisch
formuliert. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Fotos für die Ewigkeit
Er strich Fotos mit dem Stift
durch, riss sie entzwei – und
manche sagen sogar, der strenge Lehrer hätte sich eigens einen
Stempel mit dem Schriftzug „Scheiße" angeschafft,
mit denen
er manche Werke seiner Schüler benotete. Ob wahr oder nicht:
Der
Beziehung zwischen Otto
Steinert und seinen Schülern hat derlei
Gebaren kaum geschadet. Seine Schüler widmen nun dem 1978
gestorbenen Folkwang-Professor und Begründer der
Fotografischen
Sammlung des Museum Folkwangs eine sehenswerte Ausstellung in der Galerie
Schütte, Hauptstraße 4:
„Hommage à Otto
Steinert - Fotografie 1956/2008".
Viele Schüler des bedeutenden deutschen
Nachkriegsfotografen
machten sich selbst einen großen Namen: Sie schossen Fotos,
die
sich ins kollektive Gedächtnis einbrannten. Als da
wäre: Guido
Mangold,
der 1962 eines der bekanntesten Fotos von Konrad
Adenauer machte, von hinten, mit leicht verrutschtem Hut, alt,
irritiert, zerzaust – ein Stück auf Papier gebannte
Geschichte. 1968 brachte Mangold dann mit einem Coverfoto in Farbe
für die Zeitschrift „Twen" die Hormone einer ganzen
Generation in Wallung: Uschi Obermaier, wie sie freizügig,
aber
mit taxierendem Blick am Strand posiert.
Oder Peter
Thomann, dessen Siegerfoto beim 1. World Press Photo Award
1963 wohl in keinem Poesiealbum einer Pferdenärrin fehlen
darf:
„Stute mit Fohlen". Atemberaubend, zuweilen auch inhaltlich
verstörend sind auch die Fotos von Jürgen Heinemann.
Von
einer „kultischen Handlung der Indios am Titicacasee" sieht
man
nur Umrisse, Schatten und Rauch. Der „Esstisch im Waisenhaus
Ambalena, Kolumbien" wurde von oben fotografiert. Die Tafel, die
kleinen Stühlchen und die Pampe in den Blechschüsseln
verwandeln sich in eine unkonkrete, erschreckend verantwortungsferne
Komposition.
Die Fotos der Schüler des Meisters der
subjektiven Fotografie
gingen weit über die Dokumentation hinaus: Mit der Kamera und
der
Dunkelkammer als Werkzeug gestalteten sie ihre Vorstellung von der
Realität. Das zeigt sich auch in der Stilleben-Reihe von Arno
Jansen, den Industriefotografien von Michael Bässler
und in den
Experimentalanordnungen von
Erich vom Endt.
Zwei Bilder von Otto Steinert markieren die Referenz.
Ein Porträt
des Nobelpreisträgers Gustav Hertz (1961) und die
„Bäume vor meinem Fenster" (1956). Auf die Fotos
könnten heute seine Schüler „Wow" stempeln
– bis
zum 3. Januar. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Enthüllen und verbergen
Ob Besitz glücklich
macht? „Habseligkeiten" nennt Oran
Hoffmann seine Fotoserie, in welcher er das Innere von
Schubladen nach
außen kehrt: Geschirr, das vor aufgestellten
Regalböden oder
aufgehängten Tischdecken als Stilleben präsentiert
wird. Die
Bilder des niederländisch-israelischen
Konzeptkünstlers
stehen für ein behutsames Freilegen von Erinnerungen. Sie
enthüllen und geben den Blick frei auf verborgene Dinge
–
und dieses kann man durchweg von allen Werken der acht Studenten der
Amsterdamer Gerrit
Rietveld Academie sagen, die derzeit als Gäste
im Kunsthaus Essen beeindrucken.
Die Ausstellung führt vor Augen, dass an der
Akademie die
Fotografie tendenziell „zum integralen Bestandteil oder
Anstoß eines umfassenden Prozesses wird, der eine
Wechselwirkung
von Theorie, Gestaltung, Mediengeschichte und Bildproduktion ist", wie
Kuratorin Christiane Kuhlmann in der begleitenden Publikation schreibt.
Am deutlichsten dürfte das bei Idan Hayosh sein.
Der israelische
Künstler nimmt keine Kamera in die Hand, sondern baut Fotos
nach.
Ausgangspunkt ist stets die Abbildung eines
Militärhubschraubers,
vor dem auf dem Flugfeld sein ganzes Arsenal an Munition und Waffen
ausgebreitet wurde. Die symmetrische Anordnung der Bomben und Geschosse
kopierte Hayosh an der Rübezahlstraße 33 auf einem
Tisch mit
Löffeln, Messern, Gabeln und Kännchen – 246
an der
Zahl, angestrahlt von gleißendem Licht. Ihm gelang es, die
bedrohlich-schöne Anmutung mit trivialen Gegenständen
erfahrbar zu machen. Stundenlang hat er dafür das Besteck auf
Hochglanz poliert.
In Unordnung ist dagegen „die Psycho" von Vincent Zedelius, so
nennt der Fotograf seine Bilderreihe, die den verlotterten
Außenbereich einer Amsterdamer Psychatrie
atmosphärisch
dicht erfasst. Das Auge hält sich an umgefallenen
Plastikstühlen fest, alles ist menschenleer, aus-, ja, fast
abgestorben. Man ertappt sich dabei, wieder Ordnung in die Tristesse
bringen zu wollen. Gleichsam melancholisch ist die Serie
„Sebastians" von Rob
van der Nol, der mit 15 schräg nach
links unten blickenden Porträts junger Männer dem
Merkmal der
Introvertiertheit und Gemeinsamkeiten nachspürt.
Ähnlichkeiten haben auch die Bilder einer Mauer, die Marianne
Viero knipste. Diese hat die Dänin jedoch immer
wieder in einem
Raum neu errichtet. Die Unterschiede sieht man erst auf dem
fünften Blick. Erforderlich ist ein scharfes Auge. Motto:
Genaues
Hinsehen verhindert eine Mauer im Kopf.
Lust auf einen Tapetenwechsel hatte offenbar Eyal Pinkas.
Dafür
brachte er nur mehrmals bei sich an der Wand zu zupfen. Hinter den
Rosentapeten verbarg sich erst eine Tapete mit maritimen Motiven wie
Muscheln und Booten und dahinter ein schwarz-weißes
ornamentales
Muster. Alles andere als sorgsam und handwerklich ausgereift hatten die
Vormieter die Rollen angebracht, die Wand war wellig, fast so, als
pochten die alten gegen die neuen Tapeten. Und irgendwie
schließt
sich auch hier der Kreis der sehenswerten Ausstellung. Es geht um die
Präsentation und den Umgang mit Erinnerungen, bis 19. Oktober.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Flohmarkt
Marilyn Monroe liegt
unbekleidet auf dem
Bett und blickt halb lasziv, halb unbekümmert in die Kamera
von Bert Stein.
Der Fotograf nahm die Schauspielerin im Jahr 1962 in einer
dreitägigen Foto-Session für die US-Modezeitschrift
„Vogue" kurz vor ihrem plötzlichen Tod auf. Unter
dem Titel
„Die letzte Sitzung" wurden die Fotos weltberühmt
–
und ein von Stern signiertes Foto hängt in der Galerie Haas
Hoeppner an der Huyssenallee 70.
Es ist eine merkwürdige Fotoschau, die Galerist
Marc Hoeppner da
recht konzeptlos zusammengewürfelt hat. Jedes Bild steht
für
sich, was aber – sofern man sich zuweilen von vorformulierten
Interpretationshinweisen bedrängt fühlt –
auch mal ganz
spannend sein kann. Die Ausstellung als Flohmarkt: Vertreten sind
Altmeister wie der New Yorker Life-Magazin-Fotograf Andreas Feininger mit
seinen ungeschönten Straßenszenen aus den 40er-
und
50er-Jahren oder bahnbrechende Fotokünstler wie Albert
Renger-Patzsch mit seinen nüchternden
Interieurs- und
Architekturbildern.
An den Wänden hängen auch Bilder
zeitgenössischer
Knipser. Olaf Otto Becker
etwa lässt per Kamera nicht nur
Momente
gefrieren, er zeigt auch die gefrorenen Landschaften. Das Resultat von
Bootsfahrten an der Küste von Grönland erinnert stark
und
gewollt an das Eismeer von Caspar David Friedrich. Der Mensch spielt in
der weißen, nebligen Welt aber keine Rolle als im Motiv
festgehaltene Erscheinung mehr, dafür aber als Betrachter, der
beim Anblick der Eisberge und des Meers an Kaltherzigkeit zunimmt.
Yukara
Shimizu indes hat
draußen
nachts in der Dunkelheit Blumen fotografiert. In den
großformatigen Fotos spiegelt man sich in erster Linie selbst
– und verschmilzt mit dem Bouquet. Zerfließen
lässt
hingegen Andreas Lutherer Details von Landschaften zu durchgehenden und
quer laufenden Farbstreifen – fast so, als würde er
mit
einem Schnellzug übers Land fahren und dabei aus dem Fenster
ein
Foto mit Langzeitbelichtung schießen. Ist aber nur digital
bearbeitet. Und vielleicht ist es gerade diese unmittelbare
Konfrontation der alten mit der neuen Technik, die bis zum 13.
September neben Marilyn Monroe der Ausstellung ihren besonderen Reiz
verleiht. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Wo die U-Bahn im Keller
hält
Ein schmaler Flur,
Gäste-WC und Wohn-Essbereich,
darüber Bad,
Schlafzimmer, Bügelraum und im Dachstuhl zwei Kinderzimmer:
Für die meisten Bauherren endet der Traum von der zentral
gelegenen Jugendstil-Villa mit großem Garten in solchen
Allerwelts-Reihenhäusern irgendwo in der Pampa. Schuld daran
ist -
wen wundert's? - das fehlende Kleingeld. Was könnte man
hingegen
mit fünf Millionen Euro bauen? Heike und Helmuth Hahn
wollten
es
wissen. Das Nürnberger Künstlerpaar legte
über 750
Personen einen Fragebogen vor. Detailliert bis hin zu Vorlieben bei
Wandputz und Giebelform konnten die Menschen ihr Luftschloss
beschreiben. Die Hahns verwandelten die Sehnsüchte unter dem
Motto
„Ihr Traum ist unsere Realität" in Kunst.
Das Konzept im Forum
Kunst und Architektur ist nicht wirklich neu.
Jeder, der schon einmal Lotto gespielt hat, mag schon einmal
geträumt haben, was er wohl alles mit seinem Millionengewinn
so
anstellt. Schön aber, es einmal am Beispiel „Haus"
so
geballt vorgeführt zu bekommen: Viele Wünsche
ähneln
einander, selten schlägt einmal einer über die
Stränge.
Es geht von dunklen Kuschelecken in lichtdurchflutete
Wintergärten, von der heißen Sauna in den
erfrischenden
Obstgarten. Doch manch einer gab auch „Joggingweg auf dem
Dach"
oder „U-Bahn im Keller" an.
Als geschriebene oder vorgelesene Stichworte tauchen die
Begriffe in
den Kunstwerken am Kopstadtplatz 12 wieder auf – von A wie
Abenteuerspielplatz bis Z wie Zypresse. Es sind nicht einfach
1-zu-1-Modelle, vielmehr versuchen Heike und Helmuth Hahn die dahinter
steckenden Lebensvorstellungen abzubilden und einzuordnen. In bunten
Farben werden Hauslandschaften unter Käseglocken modelliert,
es
gibt skurrile Beton-Architekturen „von der Stange",
Guckkästen mit übertrieben grellen Wohnzeichnungen
–
und eine fiktive Baugesellschaft ImmAGo, die das Kunstwerk von der
Marktforschung über die Bauleitung bis hin zum Vertrieb
abwickelt.
Dem gegenüber hängen an der Wand
Zeichnungen von
Denis
Andernach. Der 32-jährige Kaiserslautener Architekt hat selbst
fiktive Häuser entwickelt, die er mit großem
zeichnerischen
Talent dramatisch in Szene setzt: Beispielsweise das „180
Grad-Haus", das auf dem Giebel an einem Hang steht.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Aufgepumpte Bilder
Über die Bilder von Uwe Groß
kann man viel erzählen:
Dass er mal mit Gummi-Fingerhüten, die als Motiv in seinen
Bildern
immer wieder auftauchen, bei der Post Briefe sortiert hat. Dass er
Eindrücke von Reisen auf der Leinwand verarbeitet. Dass er das
mit
Linien comicartig Dargestellte vielfach überblendet. Dass er
die
Größe der Leinwand im Sinne von Leonardo da Vinci an
seinen
Körpermaßen orientiert. Dass er literarische
Vorlagen (hier:
„Der zerbrochne Krug" von Heinrich von Kleist) mit seiner
eigenen
Vorstellung von der Welt verbindet. Man kann reden, reden und reden
– und muss sich am Ende fragen, wenn man den Kunst-Raum an der
Rüttenscheider Straße 56 verlässt, warum
einen die
Bilder so wenig berührt haben.
Es gibt reichlich Künstler wie der 1961
geborene
Meisterschüler von Jörg Immendorff, die nach Konzept
vorgehen, die eine einmal gefundene Bildsprache nur noch in Nuancen
variieren, die nach Kalkül ihre Werke konzipieren. Und doch
tun
sie dies aus einer Leidenschaft, aus der inneren Notwendigkeit heraus,
nämlich genau so und nicht anders zu malen, zu formen, zu
gestalten. In Uwe Groß' Bildern kann eine solche Leidenschaft
kaum nachgespürt werden. Die mit Bedeutung aufgepumpten Bilder
verwehren das unmittelbare Empfinden bis zum 12. September.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2009)
Botanische Bilder
Die Werke sind frisch aus
ihrem "Bildgehege", so nennen Miriam
Giessler und Hubert
Sandmann
ihr gemeinsames Atelier in Werden. Nun schlagen sie am Burgplatz
gewissermaßen Wurzeln: Grüne Samenkapseln, die aus
dem Boden
und durch die darüber gelegte Plastikplane sprießen,
die an
der Wand hängen und die den Glasanbau der Volkshochschule als
Gewächshaus vereinnahmen. "Weltenbilder" heißt ihre
Schau.
Giessler, von ihr stammen die Plastiken,
beschäftigt sich
schon länger mit organischen Formen und seinem Wachstum. In
durchsichtigen, luftdicht verschlossenen Kunststoffkugeln
lässt
die 1960 geborene Künstlerin Pflanzen wachsen. Sie brauchen
nur
Licht zum Leben. Die merkwürdigsten Gewächse und
Gespinste
entwickeln sich in ihren "Capsule" genannten Arbeiten, die an die
mobilen Pflanzenkästen aus dem 19. Jahrhundert erinnern. Mit
ihren
haben Botaniker seltene Pflanzen halbwegs sicher aus
Kolonialländern überführt. Ob nun das Leben
heimischer
Pflanzen derart geschützt werden muss?
Sandmann hat dagegen alte Fotos seiner Arbeiten
übermalt.
Dahinter stand die Frage, wie sich die Projekte wohl weiterentwickelt
hätten - auch eine Art unkontrolliertes Wachstum. Die Bilder
hat
er zu einer aufwändigen Video-Animation verarbeiten lassen.
Ein
wie eine Weltkugel anmutendes Objekt schwebt dabei über
futuristische Landschaften mit verschiedenen räumlichen
Ebenen.
"Utopia" nennt es Sandmann - und man
kann nur hoffen, dass Sandmann zukünftige Projekte nicht dort
ansiedelt - bis zum 20. Juni. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Schade, kein Tipp
Lebensweisheiten möchte Frank Hauptvogel laut
der Galerie Aviva
ausdrücklich nicht mit seinen Bildern vermitteln. Schade, man
freut sich ja über jeden Tipp, der das Dasein angenehmer und
durchschaubarer macht. Und so bleibt bei dem Leipziger Maler nur der
Blick nach innen: Was sagen seine Bilder über einen selbst
aus?
Titel der Ausstellung: "Unterwegs durch mich selbst".
Der 1959 geborene Meisterschüler von Arno Rink
stellt
Tätigkeiten oder Milieus dar. Dabei verformen sich die
figurativen
Sujets. Sie kommen als bildgewordene Träume und
Gefühle
daher. Mal bleiben sie farblich in der Grauskala und anderswo brechen
sie auf in sphärische Gebilde - bis zum 22. Juni. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Ausstellung vor lauter Bilder nicht sehen
Im Kreis ist ein goldenes
Fernrohr
abgebildet, ganz so, als würde man selbst durch ein Fernrohr
auf
das Fernrohr blicken. Oder ist es dasselbe Fernrohr? Norbert Fleischmann mag
es, um die Ecke zu denken und nach den Sternen zu greifen. Seine
Malerei ist höchst eigentümlich, fast
altertümlich; ein
Bild "funktioniert" selten allein, es braucht oft sein abstraktes
Gegenbild, um zu wirken. Die Galerie
Schütte, Hauptstraße 4, ist derzeit der
Schauplatz seiner Irritationen.
Altmeisterlich malte der österreichische
Künstler
den Spiegelsaal des Grazer Kunstmuseums. Das Tageslicht
stößt auf den flackernden Schein der Kerzen auf den
Kronleuchtern. "Heat", Hitze, nennt Fleischmann das Bild. Direkt
daneben friert's mit einem Schwarz-Weiß-Foto des Mondes mit
dem
Schriftzug "Freeze". Weiß der Himmel, worauf der
Künstler
damit hinaus will! Vielleicht nur thematisch zu dem Fernrohr ein paar
Bilder weiter? Oder zu weit, weit entfernten Welten? Oder im Gegenteil
ganz nah dran? Daneben hängt ein ockerfarbenes kleines
Gemälde, dass man als vergrößerte Wandprobe
des
erwähnten Spiegelsaals deuten kann.
Fleischmann ist davon entfernt, seine dunklen Bilder als
Rätsel zu gestalten, das dem Schlauen einen vermeintlich vom
"Künstler hineingelegten" Sinn offenbart. Seine Bilder sind im
übertragenden Sinne die Bäume, die Ausstellung ist
der Wald.
In ihnen lässt sich eine Einheit aus Kunst, Wissenschaft - und
ja:
Religion - erkennen. Fleischmann wird so zum modernen Barockmeister,
der die Welt und ihren Schöpfer mit ästhetischen
Mitteln
preist. Bis 31. Mai.(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Zwischen gestern und heute
Zum zweiten Mal stellen der Ruhrländische
Künstlerbund (RKB) und der Werkkreis bildender
Künstler
(WbK) zusammen aus, und ob da zusammenwächst, was zusammen
gehört - das dürfte eine Frage der
Fördermittel sein,
die jeder der beiden Künstlervereine im Forum Kunst und Architektur ja
einzeln beantragen oder einwerben kann. Aber inhaltlich stehen sich die
beiden Leiterinnen Lore Klar und Dagmar Schenk-Güllich
offenbar
recht nah, so nah, dass sie Zank bei ihren Mitgliedern riskieren. Denn:
Wieder einmal durfte nicht jeder Vereinskünstler ein Bild
aufhängen. Aus 50 Bewerbern hat eine Jury aus zwei
Kunsthistorikern und einer Künstlerin 18 Maler, Zeichner und
Bildhauer ausgewählt. "Wir wollen das Forum auf ein gewisses
Niveau heben", sagt Schenk-Güllich.
Und das war gut so. Selten hat man am Kopstadtplatz ein
derartiges Zusammenspiel, eine so qualitativ gute Schau von RKB und WbK
gesehen. Das etwas verwunderlich klingende Thema "Zum 2. Mal" erwies
sich als didaktischer wie auch künstlerischer
Glücksgriff:
Paarweise hängen die Bilder eines jeden Künstlers an
der
Wand, es geht um ein früher/jetzt, um ein vorher/nachher,
darum,
sich eben zum zweiten Mal einem Thema
zu widmen. "Mir ging der knorrige Baum nie aus dem Kopf", sagt etwa Hans Joachim Kasselmann,
der sich von seiner zehn Jahre alten "Hommage an Caspar David
Friedrich" zu "Klingsors Garten" inspirieren ließ.
Gewaltig geht's bei dem Elefantenbild von Ralf Koenemann
zu, der verdeutlicht, dass man mitunter dem Rüsseltier lieber
nicht "zum 2. Mal" begegnen sollte, weil sie nie vergessen.
Spaßig wird's bei Ulrike
Janssen,
die in ihrer früheren Arbeit horizontale Linien setzte und bei
dem
aktuellen Bild vertikale. "Toll, was für ein
künstlerischer
Schritt!" - scheint einem die Künstlerin selbstsarkastisch zu
sagen.
Eine der besten Arbeiten ist das Werk von Reni Scholz.
Diese hat den Garten Eden abstrahiert und mit ein paar Blumen gemalt.
Die neue Version ist aus grauem Filz. Die Blüten sind
ausgeschnitten, hängen schlaff herunter und hinterlassen ein
Loch.
Was schert die Künstlerinihr Geschwätz von gestern?!
Da wächst nichts mehr zusammen. Bis 25. Mai.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2008)
Der doppelte Wasserhahn
Die Dachkammer sieht aus, wie man sich eine
heruntergekommene
Junggesellenbehausung vorstellt: Fahles Neonlicht, fleckiges Mobiliar,
ranziges Geschirr, versiffter Aschenbecher. Doch das einzige, was hier
tatsächlich hingehört, ist die verkalkte
Spüle. Diese
steht schon immer an der Wand im Best-Kunstraum
- um sie herum errichtete Dirk
Schlichting
seine "Zwischenbebauung". Das teilweise von innen begehbare Hausdach
verstellt bis 22. Novemberg nahezu komplett den Ausstellungsraum in
Kettwig.
Die Installation bräuchte einen Installateur.
Denn sie
leckt. Im Best-Kunstraum hört man Tropfgeräusche; in
dem
Fenster sieht man den Schatten eines tropfenden Wasserhahnes. Dies ist
jedoch mitnichten der Wasserhahn der Spüle, sondern sein
verborgener Doppelgänger. Ein wenig zeigt der
42-Jährige
hier, dass ihm der Schalk im Nacken sitzt. Eine Erwartung wird
geschürt und anders aufgelöst, als man sich dachte.
Einen
besonderen Reiz entfaltet Schlichtings Arbeit nach Sonnenuntergang.
Wenn man durch die Schaufensterscheibe in den Best-Kunstraum blickt,
die Umrisse des tropfenden Wasserhahns sieht und nach hinten den Schein
der Neonleuchte ausmacht, dann füllt sich die unbelebte
Kargheit
mit Wärme. "Leuchten bei Anbruch der Dunkelheit",
heißt auch
die Ausstellungsreihe an der Ruhrtalstraße 415, die
Schlichting
fortgesetzt hat. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Künstlerische Mutationen
"Survival of the fittest" -
die am besten
angepassten Lebensformen überleben. Die Evolutionstheorie von
Charles Darwin findet bei Renate
Neuser
ihr Ende. Die Essener Künstlerin setzt auf
künstlerische
Mutationen, aber ihre selbst entwickelten Geschöpfe finden
wohl
nur schwer ihre Nische. Als Kuscheltiere sind sie jedenfalls zu
gruselig. Nur als Kunstwerke können sie sich behaupten, bis
zum
25. November in der Galerie
im Schloss Borbeck. "Neo Bio" heißt die Schau,
die Formvariationen der Mikroorganismen, Insekten, Organen und Pflanzen
neu kombiniert.
Die Objekte tragen Titel wie "Piedestrien",
"Astroschlupf"
oder "Siebradiolar". Bei der 1939 geborenen Essenerin geht es
vordergründig streng wissenschaftlich zu. Sie zerlegt in einem
"Schaukasten" ein aus Stoff und Schwamm geformtes Insekt in seine
Bestandteile, vermisst auf einer Gitterstruktur krebsartige Wesen und
stellt mit einer raumbezogenen Installation die Evolution von
Käfern nach. "Sind es Fundstücke aus fernen Welten,
Mutationen einer fiktiven Evolution oder furchterregende Ergebnisse
menschlichen Eingreifens?", wird imAusstellungstext gefragt. Das ist
leicht zu beantworten: Es sind Kunstwerke von Renate Neuser.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Ausdauer und Leidenschaft
Gerd Schütte
ist ein Galerist, der seine Künstler mehr mit dem Herzen als
mit
dem Blick auf den Kunstmarkt auswählt. In seiner Galerie in
Kettwig vertritt er Maler, bei denen er sich freut, wenn nach der
Vernissage zwei rote Punkte neben kleinen Arbeiten kleben. Ausdauer und
Leidenschaft braucht man dafür, beides Wesenszüge,
die er mit
seinen Künstlern teilt. Einer von ihnen ist Armin Turk,
der derzeit an der Hauptstraße 4 ausstellt. Der kleine,
zierliche
und mit äußerster Zurückhaltung auftretende
Künstler hat sich schon seit Jahrzehnten einem Thema
verpflichtet,
das unermütlich variiert oder besser gesagt: zur Perfektion
treibt. Es heißt schlicht: "Farbe".
Wer den 64-jährige Velberter mal beim Malen
beobachten
durfte, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Zwei Pinsel taucht er in
dünnflüssige Eitempera, um sie schnell mit beiden
Armen auf
dem Segeltuch zu verteilen und zu verwischen - und zwar so lange, bis
man meint, die Farbe sei ganz verschwunden. Doch Turk sieht sie
weiterhin - als ganz blasse Schicht, auf die er noch viele weitere
aufträgt. Am Ende blickt man in einen mal glühenden,
mal
diffusen Farbnebel, der zuweilen losgelöst vom Untergrund als
Aura
vor dem Bild zu schweben scheint. Turk vermag es, Farbe leuchten zu
lassen oder ihren stillen, bedächtigen Charakter zu betonen.
Das
Auge gleitet über und durch die Farben, ohne sich irgendwo
festhalten zu können. Man versinkt und verliert sich
förmlich
im Bild - bis zum 22. September. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Triumph der Kunst über die Gewalt
Am 29. Mai 2007 gab die
Essener Polizei
eine Pressemitteilung heraus. Darin wurde berichtet, dass
Räuber
einem zwölfjährigen Jungen und seinem Freund auf der
Steeler
Straße eine Videokamera entwendet hatten. Die Mitteilung Nr.
586
hängt nun an einer Stellwand im Kunsthaus Essen als
Teil der Foto- und Videoinstallation "Order of play".
Der Kunststudent Philipp
Kern
hat den dreisten Raub zum Anlass genommen, über das gedrehte
Filmmaterial zu spekulieren: Vorgeführt werden ein Video vom
Steeler Platz und Aufnahmen von vermüllten
Blumenkübeln und
kaputten Rolltreppen. Eine höhnische Feststellung, dass da bei
dem
Überfall nicht viel Erhaltenswertes verloren gegangen ist?
Mitnichten. Kern nimmt die kreative und dokumentarische Arbeit der
filmenden Jungen ernst und gibt ihnen im übertragenen Sinne
ihr
Material zurück - ein künstlerischer Triumph
über die
Gewalt, passend zum Ausstellungstitel "Liebe. Freiheit. Alles", unter
dem sich die 20-köpfige
Klasse Daniele Buetti von der Kunstakademie Münster
an der Rübezahlstraße 33 präsentiert.
Es ist eine vielfältige und liebevolle Schau
geworden,
keine zum eilig Durchschreiten, sondern eine zum lange Verweilen.
Dafür sorgt schon Clemens
Botho Goldbach,
der einen mit einem Wald im Eingang die Hast nimmt. Mit einer Bank zum
Niederknien vor einem Spiegel, in welchen man sich mit goldenem
Heiligenschein sieht, will Barbara Hlali den Glauben an sich selbst
bestärken. Radikal das Werk von Jan Andreas Ernste:
Mit dicken Steinen bewarf er die Wand im Kabinett. Die Spuren betitelte
er mit "Wer glaubt, dass heute morgen ist, hat gestern schon
vergessen." Insgesamt beeindruckend, dass sich die Klasse Buetti
augenfällig als Einheit versteht, hinter die der einzelne
Künstlerzumindestens bei dieser Ausstellung
zurücktritt - bis zum 5. August. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2007)
Wuchernde Striche
Kraftfelder tun sich in der Zeche Zollverein auf.
Energetische Farbspiralen richten sich auf den Mittelpunkt aus,
mythische und religiöse Bücher sind in Anlehnung an
Joseph
Beuys mit Wachs beträufelt und leere Kokons als Metapher
für
die Schöpfung aneinander gereiht. Katharina Lökenhoff
und Eberhard Ross
stellen sich im Schacht XII, Halle 12, der Frage nach dem Ursprung.
Ross ritzte akribisch kleine Leitern in monochrome
Farbflächen. Dabei reduzierte der 40-jährige
Künstler
das zeichnerische Repertoir auf die Grundelemente, die Krummen und die
Geraden. Langsam wuchsen so die Striche beim Arbeitsprozess zu einem
meditativen Ganzen zusammen. Spiralen, Sinnbilder für den
Ursprung, formen sich aus den Leitern. In rechteckiger Anordung
erscheinen die rhythmischen Strukturen wie ein genetischer Code, quasi
als moderne Interpretation der Schöpfung.
Lökenhoff behält die Spirale als
Grundelement
für ihre Kraftfelder bei, wobei die 30-Jährige die
Farbe in
den Vordergrund rückt. Bunt geht es in den 24 kleinformatigen
Werken zu. Dazu reicht Lökenhoff gleich gut ein Duzend
künstlerisch bearbeitete Bücher aus einem
holländischen
Antiquariat. Der Text der religiösen und mythischen
Lektüre
inspirierte die Essenerin zu einer bildlichen Umsetzung des
Schöpfungsgedanken, die sie gleich auf den Seiten umsetzte.
Dazu
begibt sich eine Arche aus Holz, Kohlenstaub und Kordel auf eine Reise
zu einem neuen Anfang.Besuchern sind die Kraftfelder noch zum 6. Januar
zugänglich. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Stöbern im Keller
Der Keller ist schon immer ein Ort des Staunens gewesen.
Im
Halbdunkel, nur mit einer funzeligen Glühbirne
notdürftig
beleuchtet, rücken hier beim Stöbern abgelegte und
vergessene
Gegenstände wieder ins Bewusstsein.Wer im Kabinett des Forums bildender
Künstler in den Keller von Volker Ullenboom
steigt, nimmt seinen eigenen Keller nie mehr so wahr wie
vorher. Klebrige
Einmachgläser gibt's hier, abgebrannte Kerzen,
unnütze
Holzlatten, rostige Hammer, Bücher, die nie mehr gelesen
werden,
und quasi als Höhepunkt einen Kasten mit Asche von
fünf
Bildern von Ullenboom. Werkzerkleinerung oder Werkumwandlung nennt der
1966 geborene Künstler die verbrannten Reste im Glas, Sinnbild
für alles, was einmal im Metamorphosenraum Keller
zwischengelagert
wurde.
Daneben werden im Forum acht weitere Mitglieder des Ruhrländischen
Künstlerbundes (RKB) gezeigt. Es ist die zweite
Ausstellung zum 50jährigen Bestehen. So arbeitet Peter Buchwald mit
lang belichteten Fotografien. Rolf
Escher
zeichnete verlassene Räume wie Bibliotheken, die sich zu
kafkaesken Traumgebilden aufblähen, und Christa Matusch formte
in
ihren Collagen intensive und dichte geometrische Reliefs. An
Höhlenzeichnungen angelehnt ist die Malerei von Claudia Tebbens, die
bemerkenswert informell erscheint. Gerhard
Schwermer zeichnete angenehm detailgenau Landschaften wie
Strände und südländische Landschaften. Die
Ausstellung ist noch bis zum 26. September, täglich
außer
montags, an der Alfredistraße 2 unter der Alten Synagoge zu
sehen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Kitsch-Schau
"Die Wirklichkeiten
unterhalten sich" derzeit in der Galerie
Eikelmann, Witteringstraße 38. Der Titel der
Ausstellung von Andreas
Silbermann ist zugleich Programm. Hier werden florale mit
konstruktiven Elementen gepaart, Paprika und Löwenzahn treffen
auf ein gelbes Huhn, ein Schaubild von einer Maschine wird von einem
Vogel angeflogen, eingerahmt von strenger Geometrie im Stil Piet
Mondrians. Inspiriert von Fresken aus Pompeji, sucht der 1964 geborene
Künstler vergangenes mit heutigem zu verbinden und zugleich
inhaltliche Brüche bildlich dargestellter Geschichten
hervorzurufen.
Reichlich Stoff also, an dem Silbermann letztlich
scheitert, zumal er nicht davon lassen konnte, das ganze einer
dekorativen und gefälligen Ästhetik unterzuordnen.
"Die Wirklichkeiten unterhalten sich" gerät bis zum 28. August
mittels Vögel und Zahnbürsten zu einer Kitsch-Schau,
die auch durch einen angestrengten theoretischen Unterbau kaum an die
Tiefe und den Reiz der Pompejischen Malerei anzuknüpfen
vermag. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Eindringliche Intensität
Ein festlicher Kerzenständer beleuchtet die
weiße Tischplatte im beengten Raum. Hier kehren sich zwei
galant gekleidete Frauen den Rücken zu. Ramon Lombartes
kommt es in seinen Lithographien auf Geschichten mit offenem Anfang und
Ende an, und was die beiden dargestellten Frauen bewegt, das
überläßt der spanische Künstler in
der Galerie No. 3,
Alfred Straße 60, der Phantasie des Betrachters. Dabei
orientiert sich der 1956 in Barcelona geborene Maler an der Lichtregie
von Edward Hopper. Er verdichtet die Atmosphäre des Raumes mit
goldenem Licht, daß reliefartig über die
Gegenstände flutet. Heraus kommt eine eindringliche
Intensität trotz der unspektakulären Motive.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Malen mit dem Licht des Mondes
Ein heller Lichtstrahl durchbricht von schräg
oben die schwarze Fläche. Informell wirkt die Arbeit, wie eine
Guache, und doch ist sie eine Fotografie. Reneé
Pötzscher scheint mit der Kamera zu malen. Den
Pinsel taucht sie ein in das Licht des Mondes. Abstrakte Welten
entstehen, deren Ausgangsmotiv verwischt. Mit Langzeitbelichtung
bildete sich so die Künstlerin nackend auf dem Bett liegend im
Mondschein ab. In einer weichzeichnerischen Farbigkeit stürzen
Strukturen ineinander, implodieren auf dem Fotopapier und
öffnen den Blick in den Kosmos. Lunographien nennt
Pötzscher ihre Technik, die allein den Mond als Lichtquelle
erlaubt. Die Künstlerin ist eine von sieben Stipendiatinnen
und Stipendiaten der Kulturstiftung der Sparkasse Stormarn, die im
Foyer der Neuen Aula der
Folkwang-Hochschule zum dritten "Brückenschlag"
nach Schleswig-Holstein ausholen.
Marc-Oliver
Loerke schnitzte einen Torso auf einen Ast, Heinke Both
zeichnete Phantasiegestalten auf Papier, und Christianie Baetcke
modellierte eine Tonfigur, die als Vorlage für eine
Spielskulptur auf einem Schulhof dienen soll. Daneben bemalte Gertraud Maria Baudy
selbstgeschöpftes Papier mit phosphorizierenden Zinkoxyd. Die
eindrucksvollen und wohlausgewogenen Papierschichtungen verschwimmen
ineinander. Über allem herrscht eine Kreuzsymbolik, im
Hintergrund sind Ansätze von Schriften zu erkennen. Der
Betrachter soll angeregt werden, in sich selbst zu lesen, meint die
Künstlerin selbst. Der Brückenschlag III wird bis zum
28. Juli zu den üblichen Öffnungszeiten aufrecht
erhalten. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Versenkte Gedanken
Wiebke Leister,
geboren 1972 und studierte Kommunikationsdesignerin, möchte
mit ihren Fotografien dem Menschsein nachspüren und
Gefühls- und Bewußtseinszustände abbilden.
Ihre Portraits im Kunsthaus
Essen geben den fotografierten Personen Raum, sich in ihre
Gedanken zu versenken. Leister tritt dabei als Beobachterin auf, die
sich bei dem Akt des Fotografierens stark zurücknimmt. Sie
lichtete Schauspiel-Studenten ebenso wie Patienten aus der Psychatrie
ab. Die Arbeiten sind unter dem Titel Eigenzeit noch bis zum 1. August
an der Rübezahlstraße 33 zu
sehen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Rauschen im Damenklo
Knatternd rotiert eine
Trennscheibe durch den Lichtstrahl zweier Diaprojektoren. Abwechselnd
werden so zwei nahezu gleiche Fotos auf einen Fleck an der Wand
geworfen. Nahezu gleich, weil Peter
Cloos bei einem der beiden identischen Fotos mit Schere
und Klebstoff kleine Details wie die Positionen einer Krawatte oder
eines Arms nach seinem Gusto veränderte. Herausgekommen sind
verwackelte und vor allem witzige 2-Bilder-Filme, die die öden
Schnappschüsse aus dem Familienalbum einer neuen
Ästhetik zuführen. Der 34jährige Duisburger
Künstler zeigte vorgestern sein Werk im Rahmen der Performance
X-Media 2 im
Kunst- und Kulturcafe der Uni-Essen (KKC).
13 junge Künstler und Studenten des
Fachbereichs 4 (Kunst, Gestaltung und Design) kamen zu der Werkschau
zusammen. Die Bilder, Fotos, Filme, Installationen und Konzepte zeugen
von einer teilweise hohen künstlerischen Leistung der
Studentinnen und Studenten. Es gab Metamorphosen von
Glühbirnen zu Obstbirnen, Videos vom hektischen Zappen am
Fernseher, Geschichten in Gestensprache, eine
Fußgängerampel, die bei Bewegung sofort auf Rot
schaltet und Rauschen auf der Damentoilette.
Bettina Zachow
sammelte Körperbehaarung ihrer Kommilitonen, um damit Ausweise
zur inneren Identität herzustellen. Die ständige
Erneuerung des Körpers wird damit zumindestens für
einen Zeitpunkt fixiert worauf man sich bei
Persönlichkeitsverlust zurückberufen
kann. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Umbrandeter Reichstag
Nun hat auch Essen seinen Christo. Zugegeben,
zum verhüllten Rathaus hat es nicht gereicht und es sind auch
keine Ölfässer auf dem Kennedy-Platz gestapelt
worden. Essens Christo-Liebhaber müssen sich mit einer
Werkschau des Künstlers begnügen aber immerhin ist
die Ausstellung im Kunsthandel United
Arts eine der größten dieser Art in
diesem Jahr.
Gestern eröffnet, werden in der
Westfalenstraße 93 bis zum 15. Juli 14 Unikate, mehrere
Drucke und 39 Fotos gezeigt. Von bekannten Projekten der Vergangenheit
wie den riesigen Schirmen in einer kalifornischen Wüste oder
den mit lila Folien umspannten Inseln oder verhüllten Pariser
Seine-Brücke Pont Neuf und dem Berliner Reichstag spannt sich
der Bogen zum aktuellen Projekt The Wall in Oberhausen und weiter zu
seinem nächsten Vorhaben. Christo will den Colorade in den USA
mit Tüchern überspannen.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht wie sollte es auch
anders sein der verpackte Reichstag, jenes kubistische
Zauberschloß, welches im Sommer 1994 in Berlin die Volksseele
einte und wie kaum ein anderes Kunstwerk ungeahnte positive
Kräfte quer durch alle Bevölkerungsschichten
freisetzte. Die Erinnerung an dieses lange umstrittene,
schließlich jedoch einhellig bewunderte Projekt wird mit
Fotos von Christos und Jeanne-Claudes Leib- und Magenfotografen
Wolfgang Volz wieder wach. Menschenmassen umbranden den
verhüllten Reichstag aus der Vogelperspektive.
Die Nahaufnahmen zeigen wie sie vorsichtig, als
würden sie überglücklich und dennoch
ungelenk ein Neugeborenes über den Kopf streicheln, die
silbernde Hülle betasten. Kitschig geht die Sonne
über dem Reichstag auf, rechts erscheint
überdimensional die Quadriga auf dem Brandenburger Tor.
Originalskizzen und Collagen, mit deren Erlös das
Künstlerehepaar wohl immer noch die Kosten für den
Wrapped Reichstag abträgt, vervollständigen den
Überblick über das Projekt.
Wer sich daran beteiligen will und zudem ein Werk eines
der bedeutensten zeitgenössischen Künstler sein Eigen
nennen möchte, ist ab 28 000 Mark dabei. Das teuerste Objekt
schlägt mit 417 000 Mark zu Buche. Öffnungszeiten:
montags bis freitags 14 bis 20 Uhr; samstags 10 bis 15 Uhr.
(©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1999)
Perfider Effekt
Grau in grau formt
sich im Kunsthaus
Essen aus einzelnen Leinwänden eine
überdimensionale Einbauküche. "Regina - die
Königin der Küche" nennt Beate Spalthoff,
nach eigenem Bekunden begeisterte Köchin, ihre Installation.
Spülbecken, Herd, Kühlschrank, Pril-Blumen, Fernseher
die 1957 in Paderborn geborene Künstlerin forscht nach einem
einheitlichen Standard des erlebten Raumes, einer Blaupause
für die Wahrnehmung, und fordert damit verbundene individuelle
Erinnerungen heraus. Überraschend sind ihre drei Skizzen
"Siedlungsformen". Nur wenn man ganz nahe herantritt, sind eine
Hotel-Lobby oder eine Hochhausanlage zu sehen - so blass sind die
Striche gezeichnet. Der Kopf muss richtig bewegt werden, um das ganze
Bild zu erfassen. Perfide nennt Spalthoff selbst diesen Effekt, der im
Gegensatz zu ihrer erst auf Distanz wahrnehmbaren Regina steht.
Gleich nebenan versucht Claudia Sacher ein
Gedicht räumlich erlebbar zu machen. "Rinderhände"
heißt ihre Installation. Fetzen der grob abgerissenen Tapete
sowie des Gedichts bestimmen das Kabinett im Kunsthaus. Skizzen
menschlicher Umrisse sind direkt auf den Putz gezeichnet,
Papierfragmente an die Wand geklebt ein spannendes Chaos, das es zu
entwirren gilt.
Die 33-jährige Künstlerin will einen
Gedankenraum beschreiben und mittels Worten Form geben. Dabei machte
sie schon vorab eine Entdeckung: Hinter einer abgerissenen Tapete kam
eine vergessene Tür zum benachbarten Dachboden zum Vorschein.
Die Ausstellungen sind bis zum 27. Februar an der
Rübezahlstraße 33 mittwochs bis sonntags (16 bis 18
Uhr) zu sehen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)
Kunst um die Wurst
Der Vegetarier Karl-Heinz Mauermann
bewältigt nun schon im dritten Anlauf die Biografie seine
Frau. Im stillgelegten Betrieb der Metzgerstochter inszenierte der
Künstler und Pädagoge nach "Schlachten, Zerlegen,
Verwerten und Fleischzubereitung in Einzelbildern" nun die
Gemeinschaftsausstellung "Wie sieht unsere Wurstküche aus?"
Bei acht Künstlern geht es am Wochenende in der Schonnebecker
Gareisstraße 90 um die Wurst.
So installierte Fabian
Weinecke im Keller einen Altar für die Familie,
die hier früher lebte, wie es der 29jährige
ausdrückt. Hinter zwei Kerzen portraitierte er eine Sau mit
fünf Ferkeln. Dirk
Schlichting will hingegen die Temperatur im ehemaligen
Kühlraum wieder senken. Dazu fror der 33jährige
Herner wochenlang 1 500 Liter Wasser in der Tiefkühltruhe ein.
Im Laufe der Ausstellung sollen die Blöcke auftauen und den
Blick auf Fotos aus Familienalben der Metzgerei freigeben.
In Anlehnung an Briefe seines Schwiegervaters aus der
russischen Kriegsgefangenschaft projiziert Karl-Ernst Mauermann den
Film "Das Wolga Würstchen" in der Wurstküche. Hier
spielt Andreas Kunze einen skurrilen Metzgermeister im Kampf gegen ein
explodierendes Huhn.
Die recht persönlich gehaltene Ausstellung rund um die
Geschichte der Hinterhofwurstküche und ihrer Menschen
führt bis in den hauseigenen Garten. Im Gartenhaus zieht Sven Drühl
Bilanz des Sammelsuriums rund um die Wurst. Das Thema hat mich zu
Trash-Kunst inspiriert, erklärt der 29jährige
Essener. Vasen aus Gartencentern bemalte er mit dicken Filzstiften.
Griechische Helden übergeben sich da Würste,
völlig schlecht gezeichnet, wie Drühl selbst findet.
Der museale Charakter der Ausstellung soll auf die Schippe genommen
werden. Am Freitag wird ab 20 Uhr zur Eröffnung gegrillt
natürlich Würstchen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1998)
Schwebende Tuscheklekse
In kaum einer Ausstellung wird
das geradezu zwangsläufig
zunehmende Maß an Abstraktion im Laufe der Entwicklung eines
bildenden Künstlers so deutlich wie in der Schau von Jürgen Liefmann
in der Städtischen Galerie, zu Gast in Halle 12 der Zeche Zollverein,
Schacht XII. Während die frühen Arbeiten von 1991
noch Figuren in eine vergleichsweise detaillierte Landschaft setzen, so
behaupten sich Liefmanns jüngste Körper manchmal nur
noch als schwarze Tuschekleckse ohne Bezug zum Raum auf den
DIN-A3-Blättern.
Abstraktion bedeutet für den
45jährigen Düsseldorfer Künstler Genauigkeit
so wie eine Geschichte, die sich nach mehrmaligem Erzählen auf
das Wesentliche konzentriert. Herausgekommen sind spannende und
reduzierte Bewegungs- und Haltungsstudien, die aus den mit wenigen
Strichen gepaarten dicken Farbflächen extrapoliert werden
können. Hinzu kommen intensive, mit Leimfarbe gemalte
Köpfe.
Die konturenlosen Figuren erscheinen abhängig
vom räumlichen Blickwinkel mal filigran in den
Gliedmaßen ausgearbeitet, mal nur als massive
Körper. So liegt eine Figur quer zum Betrachter, eine weitere
lehnt an der Wand, eine andere hängt an der Stange, daneben
trägt eine einen Rucksack für Liefmann die Reduktion
seiner erlebten Geschichten, die in interpretatorischer Hinsicht jedoch
völlig offen bleiben sollen. Ohne Titel ist für ihn
programmatisch.
Die Ausstellung wird am Sonntag, 27. Juni, um 16 Uhr in
der Halle 12, Zeche Zollverein, Schacht XII, eröffnet. Es
sprechen Elke Esser, stellvertretende Vorsitzende des
Kulturausschusses, und Gerhard Finckh, Kurator für
Ausstellungen Zeitgenössischer Kunst beim Museum Folkwang. Bis
zum 1. August ist die Schau täglich außer montags
von 10 bis 18 Uhr geöffnet. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 1998)
Kaleidoskopische Landschaften
35 Künstler aus dem
Nachbarland Belgien stellen
im Foyer des RWE Turms
aus. Einen repräsentativen Querschnitt durch die belgische
Kunstszene ermöglichen ab heute die "Brüsseler Begegnungen".
Die Ausstellung vereint im Foyer des RWE Turms 35
zeitgenössische Künstler, die im Laufe der
vergangenen zehn Jahre ihre Gemälde und Skulpturen in der
Brüsseler RWE-Vertretung zeigten. Entsprechend variantenreich
fällt die bis zum 12. Dezember zu sehende Schau aus.
So entwickelt Betty
Cuykx "Brüsseler Spitzen" zu spirituellen
Nähobjekten weiter. Die Fäden unterschiedlicher
Stärke und Farbe verdichten sich in endlosen Schleifen zu
kaleidoskopischen Landschaften. Monique Muylaert indessen modellierte
keramische Plastiken, die fragil phantastische Szenen einfangen und
ihren Ursprung im Brüsseler Jugendstil haben dürften.
Die belgische Nachkriegskünstlergruppe "Cobra" vertritt der
1923 geborene Georges
Collignon mit einem pointillierten, grellfarbigen Akt.
Die Künstler schwimmen Freistil in
internationale Strömungen: Guy
Vandenbranden orientiert sich mit seinen Farbfeldern am
Konstruktivismus, Guy
Van den Bulcke mit gemalten Gänsen am
Fotorealismus, Luc
Janetzky mit pastös aufgetragener Farbe am
Informel und Jacky De
Maeyer mit Holzplastiken am Kubismus.
Qualitativ höchst unterschiedlich gehen die 35
Künstler zu Werk. Mitunter kann man bei dem Anblick ihrer
Werke dem Wort "Kunst" getrost "-handwerk" anhängen. Schon
daher ist ein Rundgang durchs Turm-Foyer eine spannende
Auseinandersetzung mit der Kunst: "Taugt's was oder nicht?" lautet die
Frage im Einzelnen, für die ganze Ausstellung wird hier als
Antwort "Ja!" vorgeschlagen. (©
NRZ/Tankred Stachelhaus 2001)
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